Bearbeiten von „Die Besetzung der Stadt Nordhausen und die Uebernahme ihrer Reichsämter durch Preußen

Aus NordhausenWiki
Sie sind nicht angemeldet. Ihre IP-Adresse wird bei Bearbeitungen öffentlich sichtbar.
Wenn Sie ein Konto erstellen oder sich anmelden, bleibt die IP-Adresse verborgen.

Die Bearbeitung kann rückgängig gemacht werden. Bitte prüfe den Vergleich unten, um sicherzustellen, dass du dies tun möchtest, und veröffentliche dann unten deine Änderungen, um die Bearbeitung rückgängig zu machen.

Aktuelle Version Dein Text
Zeile 40: Zeile 40:
Eindringlicher noch enthüllen die Berichte des sächsischen Residenten beim Reichstage in Regensburg, des Grafen von Werthern, und des Generalmajors von Wackerbarth aus Wien die Beweggründe für das hannöversche und preußische Vorgehen.
Eindringlicher noch enthüllen die Berichte des sächsischen Residenten beim Reichstage in Regensburg, des Grafen von Werthern, und des Generalmajors von Wackerbarth aus Wien die Beweggründe für das hannöversche und preußische Vorgehen.
   
   
Hannover-Celle suchte zunächst der Stadt Hildesheim nur seine Macht zu Gemüte zu führen und es wegen der dauernden städtischen Unruhen zu verwarnen; an eine Einverleibung der Stadt in welfisches Territorium war wohl nicht gedacht. Ebenso lag Hannover nichts am Besitze Nordhausens, wohl aber daran, daß Preußen nicht die Schuhhoheit über die Stadt erlange und daß die Aemter in der Hand Sachsens blieben. Wenn Preußen den Fuß nach Nordhausen setzte, fühlte sich Hannover nicht nur wirtschaftlich am Südharze beeinträchtigt, sondern auch militärischpolitisch bedroht, da der Besitz Nordhausens ein weiterer Schritt zur „Communication“ der verstreuten preußischen Gebietsteile war.
Hannover-Celle suchte zunächst der Stadt Hildesheim nur seine Macht zu Gemüte zu führen und es wegen der dauernden städtischen Unruhen zu verwarnen; an eine Einverleibung der Stadt in welfisches Territorium war wohl nicht gedacht. Ebenso lag Hannover nichts am Besitze Nordhausens, wohl aber daran, daß Preußen nicht die Schuhhoheit über die Stadt erlange und daß die Aemter in der Hand Sachsens blieben. Wenn Preußen den Fuß nach Nordhausen setzte, fühlte sich Hannover nicht nur wirtschaftlich am Südharze beeinträchtigt, sondern auch militärischpolitisch bedroht, da der Besitz Nordhausens ein weiterer Schritt zur „Communication" der verstreuten preußischen Gebietsteile war.
   
   
Preußen, das in den vorhergehenden Jahrzehnten schon so oft geprellt, wollte seine mit Opfern errungene Beute nicht wieder fahren lassen und Nordhausen ganz in Besitz nehmen, wenn Hannover in Hildesheim blieb, zumal dadurch sein Verkehr mit den westfälischen Besitzungen auf der Linie nördlich des Harzes noch mehr als bisher erschwert wurde. Es drohte beim Reiche, es werde alle seine Truppen aus dem Spanischen Erbfolgekriege zurückziehen, wenn ihm nicht „Satisfaction“ gegeben werde.
Preußen, das in den vorhergehenden Jahrzehnten schon so oft geprellt, wollte seine mit Opfern errungene Beute nicht wieder fahren lassen und Nordhausen ganz in Besitz nehmen, wenn Hannover in Hildesheim blieb, zumal dadurch sein Verkehr mit den westfälischen Besitzungen auf der Linie nördlich des Harzes noch mehr als bisher erschwert wurde. Es drohte beim Reiche, es werde alle seine Truppen aus dem Spanischen Erbfolgekriege zurückziehen, wenn ihm nicht „Satisfaction" gegeben werde.
   
   
Der Kaiserliche Hof, an den Nordhausen am 19. Februar eine entrüstete Darstellung über die Besetzung sandte, war bei diesen Auseinandersetzung wie immer geneigt, für Hannover Partei zu ergreifen, wagte es aber nicht wegen seines Hauptkriegsschauplatzes und wurde vor allem von England und Holland besorgt angegangen, ja zu vermitteln, damit die gemeinsame Sache nicht leide. Auch der hohen Geistlichkeit wollte der Kaiser nicht zunahe treten. Die großen Bistümer Münster und Würzburg unterstützten Preußen gegen den hannoverschen Frevel am Bistum Hildesheim, so daß der kluge preußische Gesandte von Bartholdi am 24. Februar aus Wien melden konnte, daß „dem Hause Hannover das Konzept verrückt worden, dem die Katholischen wegen der Besetzung der Stadt Hildesheim nicht viel Gutes gönnten“. Schweden wiederum interpellierte beim Kaiser gegen Preußen, weil es Bremen gefährdet glaubte, und schließlich der König von Dänemark als Herzog von Holstein nahm wieder Partei für Preußen, weil er mit der Lelleschen Verwaltung des Niedersächsischen Kreises unzufrieden war. Bei diesem Durcheinander, das die Besetzung zweier kleinerer deutscher Städte verursachte, konnte der Kaiser nicht anders, als beiden Friedensbrechern, Preußen und Hannover, anzuraten, die Besatzungen aus den Städten wieder zu-rückzuziehen und im übrigen den Spruch seines Reichshofrates über die Gerechtsame in Nordhausen abzuwarten.<ref>Die Stellungnahme der Mächte zu dem preußischen Schritte klären vortrefflich die Dresdener Akten. Dresden, 2968.</ref>
Der Kaiserliche Hof, an den Nordhausen am 19. Februar eine entrüstete Darstellung über die Besetzung sandte, war bei diesen Auseinandersetzung wie immer geneigt, für Hannover Partei zu ergreifen, wagte es aber nicht wegen seines Hauptkriegsschauplatzes und wurde vor allem von England und Holland besorgt angegangen, ja zu vermitteln, damit die gemeinsame Sache nicht leide. Auch der hohen Geistlichkeit wollte der Kaiser nicht zunahe treten. Die großen Bistümer Münster und Würzburg unterstützten Preußen gegen den hannoverschen Frevel am Bistum Hildesheim, so daß der kluge preußische Gesandte von Bartholdi am 24. Februar aus Wien melden konnte, daß „dem Hause Hannover das Konzept verrückt worden, dem die Katholischen wegen der Besetzung der Stadt Hildesheim nicht viel Gutes gönnten“. Schweden wiederum interpellierte beim Kaiser gegen Preußen, weil es Bremen gefährdet glaubte, und schließlich der König von Dänemark als Herzog von Holstein nahm wieder Partei für Preußen, weil er mit der Lelleschen Verwaltung des Niedersächsischen Kreises unzufrieden war. Bei diesem Durcheinander, das die Besetzung zweier kleinerer deutscher Städte verursachte, konnte der Kaiser nicht anders, als beiden Friedensbrechern, Preußen und Hannover, anzuraten, die Besatzungen aus den Städten wieder zu-rückzuziehen und im übrigen den Spruch seines Reichshofrates über die Gerechtsame in Nordhausen abzuwarten.<ref>Die Stellungnahme der Mächte zu dem preußischen Schritte klären vortrefflich die Dresdener Akten. Dresden, 2968.</ref>
   
   
Da konnten sie freilich lange warten, und deshalb sah es gegen Ende Februar 1703 fast so aus, als ob es doch zu blutigen Händeln zwischen den beiden norddeutschen Staaten kommen werde. Dabei hätte sich Hannover ganz auf den Niedersächfischen Kreis verlassen können. Von dort aus wurde zunächst Mühl-hausen gewarnt sich vorzusehen. Dann aber, als es hieß, Schweden „werde Völker hergeben, die Stadt Nordhausen zu befreien“, kamen gar Nachrichten, der ganze Niedersächsische Kreis mache mobil, um „Gewalt mit Gewalt zu vertreiben“. Dadurch war gerechtfertigt, daß die preußischen Truppen in Nordhausen äußerst wachsam waren, Schultheiß Röpenack mit Hilfe der preußischen Regierung in Ellrich einen regen Späherdienst bis auf die Eichs-felder Berge organisierte und Tettau am 9. Februar in Magdeburg um eine Kompagnie Dragoner für die Aufklärung ansuchte. Doch wußte der tüchtige Forstmeister von Mitzschefal zu Maude-rode und Liebenrode bald zu berichten, daß sich bis zur Linie Osterode—Heiligenstadt keine Truppenbewegung feststellen lasse. Tatsächlich dachte Hannover auch nicht daran, um Nordhausens willen einen Waffengang mit Preußen zu wagen, sondern bediente sich anderer Mittel, um seinem Gegner das Leben schwer zu machen.
Da konnten sie freilich lange warten, und deshalb sah es gegen Ende Februar 1703 fast so aus, als ob es doch zu blutigen Händeln zwischen den beiden norddeutschen Staaten kommen werde. Dabei hätte sich Hannover ganz auf den Niedersächfischen Kreis verlassen können. Von dort aus wurde zunächst Mühl-hausen gewarnt sich vorzusehen. Dann aber, als es hieß, Schweden „werde Völker hergeben, die Stadt Nordhausen zu befreien", kamen gar Nachrichten, der ganze Niedersächsische Kreis mache mobil, um „Gewalt mit Gewalt zu vertreiben“. Dadurch war gerechtfertigt, daß die preußischen Truppen in Nordhausen äußerst wachsam waren, Schultheiß Röpenack mit Hilfe der preußischen Regierung in Ellrich einen regen Späherdienst bis auf die Eichs-felder Berge organisierte und Tettau am 9. Februar in Magdeburg um eine Kompagnie Dragoner für die Aufklärung ansuchte. Doch wußte der tüchtige Forstmeister von Mitzschefal zu Maude-rode und Liebenrode bald zu berichten, daß sich bis zur Linie Osterode—Heiligenstadt keine Truppenbewegung feststellen lasse. Tatsächlich dachte Hannover auch nicht daran, um Nordhausens willen einen Waffengang mit Preußen zu wagen, sondern bediente sich anderer Mittel, um seinem Gegner das Leben schwer zu machen.
   
   
Was hatte sich nun im Laufe des Februar in Nordhausen selbst abgespielt? Den an anderen Stellen mehrfach wiedergegebenen dramatischen Nordhäuser Berichten gegenüber sticht der des Obersten von Tettau, den er durch den Kammerjunker von Wilck-nitz dem Könige überbringen ließ, durch seine schlichte Sachlichkeit ab: „Ew. Kgl. Majestät allergnädigstem Befehl gemäß bin ich heute morgen umb 3 Uhr mit den mir anvertrauten Truppen in diese Stadt gekommen, nachdem ich mich eine Stunde zuvor zweier Pforten mit wenig Leuten sonder Verlust noch Beschädigung eines Menschen bemächtigt. Ich habe die … Instruktion im allgemeinen befolgt, so daß nicht die geringste Konfusion bei dieser kleinen entreprise vorgefallen. Dem Syndikus und Bürgermeistern habe ich die Ursache, so Ew. Kgl. Majestät bewogen, sich dieses Ortes zu versichern, gesagt. Ich ersuche demnächst Ew. Kgl. Majestät, mir allergnädigst zu befehlen, wie ich mich weiterhin mit den Leuten zu verhalten habe.“<ref>Pr. St. R. 33 u. 147.2</ref>
Was hatte sich nun im Laufe des Februar in Nordhausen selbst abgespielt? Den an anderen Stellen mehrfach wiedergegebenen dramatischen Nordhäuser Berichten gegenüber sticht der des Obersten von Tettau, den er durch den Kammerjunker von Wilck-nitz dem Könige überbringen ließ, durch seine schlichte Sachlichkeit ab: „Ew. Kgl. Majestät allergnädigstem Befehl gemäß bin ich heute morgen umb 3 Uhr mit den mir anvertrauten Truppen in diese Stadt gekommen, nachdem ich mich eine Stunde zuvor zweier Pforten mit wenig Leuten sonder Verlust noch Beschädigung eines Menschen bemächtigt. Ich habe die … Instruktion im allgemeinen befolgt, so daß nicht die geringste Konfusion bei dieser kleinen entreprise vorgefallen. Dem Syndikus und Bürgermeistern habe ich die Ursache, so Ew. Kgl. Majestät bewogen, sich dieses Ortes zu versichern, gesagt. Ich ersuche demnächst Ew. Kgl. Majestät, mir allergnädigst zu befehlen, wie ich mich weiterhin mit den Leuten zu verhalten habe.“<ref>Pr. St. R. 33 u. 147.2</ref>
Zeile 52: Zeile 52:
Derartige Berichte Tettaus folgten nun zunächst Tag für Tag. Zwei Bataillone in Stärke von 1100 Mann mit mehreren Geschützen und einem Zuge Kavallerie waren in Nordhausen eingerückt. Davon wurden am 24. Februar 6 Kompagnien gegen andere Truppen ausgewechselt, so daß die Truppenzahl etwa dieselbe blieb. Doch nach den Verhandlungen, in denen Nordhausen die Schutzhoheit Preußens annahm, rückten am 8. März 5 Kompagnien und 2 Geschütze nach Magdeburg hin ab; die Garnison wurde also stark vermindert.
Derartige Berichte Tettaus folgten nun zunächst Tag für Tag. Zwei Bataillone in Stärke von 1100 Mann mit mehreren Geschützen und einem Zuge Kavallerie waren in Nordhausen eingerückt. Davon wurden am 24. Februar 6 Kompagnien gegen andere Truppen ausgewechselt, so daß die Truppenzahl etwa dieselbe blieb. Doch nach den Verhandlungen, in denen Nordhausen die Schutzhoheit Preußens annahm, rückten am 8. März 5 Kompagnien und 2 Geschütze nach Magdeburg hin ab; die Garnison wurde also stark vermindert.
   
   
Gleich am 7. Februar ließ Tettau den Nordhäusern ihr schweres Geschütz, einen Mortier (12-Pfünder Mörser) und acht „schöne metallene Stücke“ wegnehmen. Auch das Arsenal von Flinten und Büchsen wurde beschlagnahmt. Sämtliche Tore wurden von preußischen Truppen beseht, die Wachen, besonders die Hauptwache auf dem Markt, von ihnen bezogen. Die Schlüssel der Stadt mußten zum Entsetzen des Rates, der darin eine besondere Antastung reichsstädtischer Freiheit erblickte, dem Obersten ausgehändigt werden. Die Soldaten bezogen Bürgerquartiere und gingen zunächst nicht immer ganz säuberlich mit ihren Wirten um. Den Bürgermeister Weber rührte der Schlag, so daß er wochenlang hilflos war.
Gleich am 7. Februar ließ Tettau den Nordhäusern ihr schweres Geschütz, einen Mortier (12-Pfünder Mörser) und acht „schöne metallene Stücke" wegnehmen. Auch das Arsenal von Flinten und Büchsen wurde beschlagnahmt. Sämtliche Tore wurden von preußischen Truppen beseht, die Wachen, besonders die Hauptwache auf dem Markt, von ihnen bezogen. Die Schlüssel der Stadt mußten zum Entsetzen des Rates, der darin eine besondere Antastung reichsstädtischer Freiheit erblickte, dem Obersten ausgehändigt werden. Die Soldaten bezogen Bürgerquartiere und gingen zunächst nicht immer ganz säuberlich mit ihren Wirten um. Den Bürgermeister Weber rührte der Schlag, so daß er wochenlang hilflos war.
   
   
Befehlsgemäß verbot aber Tettau alsbald jeden Übergriff; die Offiziere mußten ihren Mannschaften mit gutem Beispiel vorangehen, und mancher ließ sich von seinem Quartiergeber seine gute Aufführung bescheinigen. An Verpflegung für die Truppen wurde von der Bevölkerung nur verlangt 2 Pfund Brot und 1 Maß Bier für den Mann täglich.
Befehlsgemäß verbot aber Tettau alsbald jeden Übergriff; die Offiziere mußten ihren Mannschaften mit gutem Beispiel vorangehen, und mancher ließ sich von seinem Quartiergeber seine gute Aufführung bescheinigen. An Verpflegung für die Truppen wurde von der Bevölkerung nur verlangt 2 Pfund Brot und 1 Maß Bier für den Mann täglich.
Zeile 76: Zeile 76:
Diese Bedingungen konnte Preußen nicht sämtlich eingehen; doch Preußen, dem allmählich aufging, welche Schwierigkeiten ihm doch aus seinem Nordhäuser Handel erwachsen mochten, konnte sie wenigstens als Grundlage für weitere Verhandlungen benutzen. Auf Tettaus und Röpenacks Geschick kam es an, daß der Staat möglichst vorteilhaft abschnitt. Jedenfalls hoffte Preußen ehrlich, durch diese Verhandlungen weiterzukommen.
Diese Bedingungen konnte Preußen nicht sämtlich eingehen; doch Preußen, dem allmählich aufging, welche Schwierigkeiten ihm doch aus seinem Nordhäuser Handel erwachsen mochten, konnte sie wenigstens als Grundlage für weitere Verhandlungen benutzen. Auf Tettaus und Röpenacks Geschick kam es an, daß der Staat möglichst vorteilhaft abschnitt. Jedenfalls hoffte Preußen ehrlich, durch diese Verhandlungen weiterzukommen.
   
   
Etwas hinterhältiger handelte Nordhausen. In denselben Tagen, wo es sich nach außen hinstellte, als ob es geneigt sei, sich den Verhältnissen zu fügen und mit Preußen abzuschließen, schickten Bürgermeister und Rat einen Bericht über die Besetzung der Stadt an den Kaiser ab, dessen ganze Abfassung so gehalten war, daß daraus der Wunsch der Stadt nach einem energischen Eingreifen des Kaisers deutlich hervorging. Zugleich intriguierten dieselben Bürger, die im Begriffe standen, in der Stadt sich mit den preußischen Unterhändlern an einen Tisch zu setzen, draußen vor der Stadt in Petersdors mit dem hannoverschen Hauptmann Offney gegen Preußen und dachten selbst daran, mit hannover-scher Hüse einen Putsch gegen das „schlechte preußische Regiment“, das in der Stadt lag, zu wagen.
Etwas hinterhältiger handelte Nordhausen. In denselben Tagen, wo es sich nach außen hinstellte, als ob es geneigt sei, sich den Verhältnissen zu fügen und mit Preußen abzuschließen, schickten Bürgermeister und Rat einen Bericht über die Besetzung der Stadt an den Kaiser ab, dessen ganze Abfassung so gehalten war, daß daraus der Wunsch der Stadt nach einem energischen Eingreifen des Kaisers deutlich hervorging. Zugleich intriguierten dieselben Bürger, die im Begriffe standen, in der Stadt sich mit den preußischen Unterhändlern an einen Tisch zu setzen, draußen vor der Stadt in Petersdors mit dem hannoverschen Hauptmann Offney gegen Preußen und dachten selbst daran, mit hannover-scher Hüse einen Putsch gegen das „schlechte preußische Regiment", das in der Stadt lag, zu wagen.
   
   
Allerdings hatten die Nordhäuser alle Ursache, bei den Verhandlungen auf der Hut zu sein. Es war ein Glück für Preußen, daß der recht gewandte Schultheiß Röpenack, unterstützt von Hofrat Schreiber, das Heft in der Hand behielt und nicht Scharfmacher durchdrungen. Schon der Oberst von Tettau hatte durch allzu große Schneidigkeit, die man nun einmal in dem gemütlichen Nordhausen nicht gewohnt war, mancherlei verschüttet. Er war zwar in den ersten Tagen der Besetzung befehlsgemäß vorsichtig verfahren. Dann aber, als es seit dem 23. Februar an das Verhandeln über den preußischen Schutz ging, machte er, um zum Abschluß zu kommen, Einschüchterungsversuche. Während den ersten Unbilden der Besetzung mehr die große Menge der Bevölkerung ausgeseht war, galten diese Drangsalierungen vor allem den einflußreichen Männern, die über den Abschluß des Schutzvertrags zu bestimmen hatten. Den Bürgermeister Eilhardt drohte er, wenn der Rat sich nicht bald gefügig zeige, würden noch zwei weitere Kompagnien aus dem Hohnsteinschen und ein Halber-städtisches Regiment in die Stadt gelegt. Als darauf der Rat am 26. Februar eine Gegenerklärung abgab, drohte er, den gesamten Rat gefangenzusetzen. Und um die Unterschrift des Rates endlich zu erlangen, tobte er am 1. März, er werde Nordhausen in einen Steinhaufen verwandeln, sie und ihre Nachkommen sollten ihr Geschick beweinen, er habe es mit Canaillen zu tun.
Allerdings hatten die Nordhäuser alle Ursache, bei den Verhandlungen auf der Hut zu sein. Es war ein Glück für Preußen, daß der recht gewandte Schultheiß Röpenack, unterstützt von Hofrat Schreiber, das Heft in der Hand behielt und nicht Scharfmacher durchdrungen. Schon der Oberst von Tettau hatte durch allzu große Schneidigkeit, die man nun einmal in dem gemütlichen Nordhausen nicht gewohnt war, mancherlei verschüttet. Er war zwar in den ersten Tagen der Besetzung befehlsgemäß vorsichtig verfahren. Dann aber, als es seit dem 23. Februar an das Verhandeln über den preußischen Schutz ging, machte er, um zum Abschluß zu kommen, Einschüchterungsversuche. Während den ersten Unbilden der Besetzung mehr die große Menge der Bevölkerung ausgeseht war, galten diese Drangsalierungen vor allem den einflußreichen Männern, die über den Abschluß des Schutzvertrags zu bestimmen hatten. Den Bürgermeister Eilhardt drohte er, wenn der Rat sich nicht bald gefügig zeige, würden noch zwei weitere Kompagnien aus dem Hohnsteinschen und ein Halber-städtisches Regiment in die Stadt gelegt. Als darauf der Rat am 26. Februar eine Gegenerklärung abgab, drohte er, den gesamten Rat gefangenzusetzen. Und um die Unterschrift des Rates endlich zu erlangen, tobte er am 1. März, er werde Nordhausen in einen Steinhaufen verwandeln, sie und ihre Nachkommen sollten ihr Geschick beweinen, er habe es mit Canaillen zu tun.
Zeile 82: Zeile 82:
Während es die Nordhäuser bei diesen Aeußerungen nur mit den ihnen allerdings nicht gewohnten Grobheiten eines Militärs zu tun hatten, waren die Reformvorschläge, die der Landeshauptmann der Regierung in Ellrich von Ramee ins Unreine machte, um sich bei den Berliner Ministern zu empfehlen, gefährlicher sowohl in ihren Auswirkungen auf die Stimmung der Bevölkerung als auch für die abgewogenen Verhandlungen kluger, fähiger Männer wie Hofrat Schreiber und Schultheiß Röpenack. Schon am 12. Februar schlug Ramee dem Könige vor, den Streit mit Nordhausen dazu zu benutzen, um sämtliche Stiftsgüter des katholischen Doms in der Grafschaft zu sequestrieren. Es war das in diesem Augenblick der törichtste Vorschlag, den man überhaupt machen konnte. Das Domstift war nämlich in sich zerfallen: Der Dekan Iubet wünschte keinerlei Hoheit über das Nordhäuser Reichsstift anzuerkennen; ein gewisser Nikolaus Günther dagegen und Konrad Fältzer, Senior des Domstiftes, wollten das Stift und seine Liegenschaften unter preußischen Schutz geben, um vor Nachstellungen sicher zu sein. Günther war umdeswillen sogar in Wien, ließ seine Angelegenheiten von dem preußischen Residenten von Bartholdi fördern und suchte die Kaiserin als Patronin des Stifts zu gewinnen. Die Katholiken Nordhausens kamen also Preußen entgegen, verbesserten sogar in Wien die Stimmung des Kaisers gegen Preußen. Diese Hilfe mußte in dem Augenblicke dahin sein, wo Preußen die stiftischen Güter, die es schützen sollte, sich selbst aneignete. Mit Recht schrieb deshalb ein Berliner Minister an den Rand des Rameeschen Berichtes: „Dieses halte ich in jetziger Zeit gar nicht dienlich, auch nicht nötig; denn wenn man der Stadt versichert ist, wird es sich mit dem Stift schon machen.“
Während es die Nordhäuser bei diesen Aeußerungen nur mit den ihnen allerdings nicht gewohnten Grobheiten eines Militärs zu tun hatten, waren die Reformvorschläge, die der Landeshauptmann der Regierung in Ellrich von Ramee ins Unreine machte, um sich bei den Berliner Ministern zu empfehlen, gefährlicher sowohl in ihren Auswirkungen auf die Stimmung der Bevölkerung als auch für die abgewogenen Verhandlungen kluger, fähiger Männer wie Hofrat Schreiber und Schultheiß Röpenack. Schon am 12. Februar schlug Ramee dem Könige vor, den Streit mit Nordhausen dazu zu benutzen, um sämtliche Stiftsgüter des katholischen Doms in der Grafschaft zu sequestrieren. Es war das in diesem Augenblick der törichtste Vorschlag, den man überhaupt machen konnte. Das Domstift war nämlich in sich zerfallen: Der Dekan Iubet wünschte keinerlei Hoheit über das Nordhäuser Reichsstift anzuerkennen; ein gewisser Nikolaus Günther dagegen und Konrad Fältzer, Senior des Domstiftes, wollten das Stift und seine Liegenschaften unter preußischen Schutz geben, um vor Nachstellungen sicher zu sein. Günther war umdeswillen sogar in Wien, ließ seine Angelegenheiten von dem preußischen Residenten von Bartholdi fördern und suchte die Kaiserin als Patronin des Stifts zu gewinnen. Die Katholiken Nordhausens kamen also Preußen entgegen, verbesserten sogar in Wien die Stimmung des Kaisers gegen Preußen. Diese Hilfe mußte in dem Augenblicke dahin sein, wo Preußen die stiftischen Güter, die es schützen sollte, sich selbst aneignete. Mit Recht schrieb deshalb ein Berliner Minister an den Rand des Rameeschen Berichtes: „Dieses halte ich in jetziger Zeit gar nicht dienlich, auch nicht nötig; denn wenn man der Stadt versichert ist, wird es sich mit dem Stift schon machen.“
   
   
Noch tollere Vorschläge machte Ramee am 18. Februar. Dem preußisch gesinnten Nordhäuser Bürgermeister Eilhardt sollte der Titel eines Kgl. Hofrats verliehen werden. Dafür sollte dieser als Bürgermeister die Zölle, die dem preußischen Schulzenamte zu-flossen, erhöhen. Eilhardt könnte 400 Taler Besoldung erhalten; sein Schwager, ein gewesener Amtmann namens Niebecker, könne das Schultheißenamt mit 200 Talern Gehalt bekommen und den bisherigen Schulzen Röpenack sollte man nach Halle hin „avancieren“ lasten, „wiewohl sich mit diesem Manne weder ich noch hier jemand sonst gern meliert“. Am schlimmsten aber war es, daß Ramse zu einigen Ratsmitgliedern schon geäußert hatte, das ganze Altendors, Grimmel, der Siechhos und alles, was jenseits des Wassers (der Zorge) liege, gehöre laut alten Lehnbriesen nicht zu Nordhausen, sondern zu Preußen.<ref>Der Streit um die sogenannte Helmeflur wird uns unten noch beschäftigen.</ref> Daß in dem Augenblicke, wo man zu einer vorläufigen Einigung mit der Stadt kommen wollte, Vorschläge, die aus Erhöhung der Zölle und Abtretung eines Drittels der ganzen Nordhäuser Stadtslur hinzielten, höchst unklug waren, ist klar. Nur mit Mühe konnte Röpenack die Bürger davon überzeugen, daß es sich augenblicklich nur um die Schutzhoheit Preußens handele und Preußen sonst nichts verlange. Und am 22. Februar mußte Röpenack sogar den Hosrat Schreiber um Hilse ersuchen, weil der allzu tüchtige Landeshauptmann von Ramee den preußischen Salzfaktor von Ellrich nach Nordhausen geschickt hatte, um mit dem Magistrat über das Salzmonopol zu verhandeln. Den Mann ließ Schreiber einfach aufhalten, damit er keinen Schaden stiftete. Denn von heute auf morgen ließ sich in jenen Zeiten eine Reichsstadt freilich nicht in das preußische autokratische System einspannen.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
Noch tollere Vorschläge machte Ramee am 18. Februar. Dem preußisch gesinnten Nordhäuser Bürgermeister Eilhardt sollte der Titel eines Kgl. Hofrats verliehen werden. Dafür sollte dieser als Bürgermeister die Zölle, die dem preußischen Schulzenamte zu-flossen, erhöhen. Eilhardt könnte 400 Taler Besoldung erhalten; sein Schwager, ein gewesener Amtmann namens Niebecker, könne das Schultheißenamt mit 200 Talern Gehalt bekommen und den bisherigen Schulzen Röpenack sollte man nach Halle hin „avancieren" lasten, „wiewohl sich mit diesem Manne weder ich noch hier jemand sonst gern meliert“. Am schlimmsten aber war es, daß Ramse zu einigen Ratsmitgliedern schon geäußert hatte, das ganze Altendors, Grimmel, der Siechhos und alles, was jenseits des Wassers (der Zorge) liege, gehöre laut alten Lehnbriesen nicht zu Nordhausen, sondern zu Preußen.<ref>Der Streit um die sogenannte Helmeflur wird uns unten noch beschäftigen.</ref> Daß in dem Augenblicke, wo man zu einer vorläufigen Einigung mit der Stadt kommen wollte, Vorschläge, die aus Erhöhung der Zölle und Abtretung eines Drittels der ganzen Nordhäuser Stadtslur hinzielten, höchst unklug waren, ist klar. Nur mit Mühe konnte Röpenack die Bürger davon überzeugen, daß es sich augenblicklich nur um die Schutzhoheit Preußens handele und Preußen sonst nichts verlange. Und am 22. Februar mußte Röpenack sogar den Hosrat Schreiber um Hilse ersuchen, weil der allzu tüchtige Landeshauptmann von Ramee den preußischen Salzfaktor von Ellrich nach Nordhausen geschickt hatte, um mit dem Magistrat über das Salzmonopol zu verhandeln. Den Mann ließ Schreiber einfach aufhalten, damit er keinen Schaden stiftete. Denn von heute auf morgen ließ sich in jenen Zeiten eine Reichsstadt freilich nicht in das preußische autokratische System einspannen.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
   
   
Nach Behebung mancher Hindernisse waren der Oberst von Tettau, der Hofrat Schreiber und der Schultheiß Röpenack am 23. Februar endlich so weit, daß der Magistrat wenigstens die Bedingungen, die er als Grundlage der Verhandlungen über den Schutz ansehen wollte, bekanntgab. Es waren im wesentlichen dieselben, die am 19. Februar von Nordhausen an den König gegangen waren. Die wichtigsten Punkte waren die Punkte 7 und 9. In Punkt 7 wünschte der Rat mit Preußen einen Schutz auf 12 Jahre abzuschließen, der als Privat- oder Wahlschuh anzusehen war, nicht als Erbschutz. In Punkt 10 machte der Rat über Vogtei und Schulzenamt Vorschläge.
Nach Behebung mancher Hindernisse waren der Oberst von Tettau, der Hofrat Schreiber und der Schultheiß Röpenack am 23. Februar endlich so weit, daß der Magistrat wenigstens die Bedingungen, die er als Grundlage der Verhandlungen über den Schutz ansehen wollte, bekanntgab. Es waren im wesentlichen dieselben, die am 19. Februar von Nordhausen an den König gegangen waren. Die wichtigsten Punkte waren die Punkte 7 und 9. In Punkt 7 wünschte der Rat mit Preußen einen Schutz auf 12 Jahre abzuschließen, der als Privat- oder Wahlschuh anzusehen war, nicht als Erbschutz. In Punkt 10 machte der Rat über Vogtei und Schulzenamt Vorschläge.
Zeile 94: Zeile 94:
Am 3. März ratificierte der König in Cöln den Vertrag, am 6. März bekannte sich die Stadt nochmals zu ihm, und am 13. März wurde er in Nordhausen von beiden Parteien unterschrieben. Schon am 10. März hatte Preußen den Vergleich nach Wien, dem Haag, nach Regensburg und nach Warschau mitgeteilt.
Am 3. März ratificierte der König in Cöln den Vertrag, am 6. März bekannte sich die Stadt nochmals zu ihm, und am 13. März wurde er in Nordhausen von beiden Parteien unterschrieben. Schon am 10. März hatte Preußen den Vergleich nach Wien, dem Haag, nach Regensburg und nach Warschau mitgeteilt.
   
   
Doch weder Preußen noch Nordhausen gedachten ernstlich, diesen Vertrag zu halten. Preußen wollte die Schuhhoheit ausbauen zu einem Besitz der Stadt; Nordhausen strebte die gänzliche Befreiung von Preußen an und betonte, der Vertrag sei erzwungen. Der eigentliche Ansatzpunkt für beide Parteien waren die „Jura“, die Vogtei und das Schulzenamt, deren Befugnisse eine Kommission klären sollte und nie so klären konnte, wie es jeder der beiden Parteien recht war. Denn die Stadt wollte es so darstellen, als ob mit diesen Aemtern gar keine Machtbesugnisse verbunden seien, und Preußen wollte seine Gerechtsame so ausdehnen, daß die Freie Reichsstadt zu einer preußischen Landstadt würde. Ostern 1704, wenn Preußen die beiden Aemter von Nordhausen auslöste und an sich zog, mußte es zu neuem Streite kommen. Das erscheint auch daraus, daß der Magistrat schon am 8. März vor dem Notar Joh. Hermann Eilhardt, dem Bruder des Bürgermeisters, gegen die gesamte Besetzung der Stadt und den erzwungenen Vertrag protestierte. Alles sei gegen das Kaiserliche Privilegium vom 5. Mai 1695 geschehen und deshalb hinfällig.<ref>Original im Nordh. Archiv. Vergl. auch N. F. 1154.</ref>
Doch weder Preußen noch Nordhausen gedachten ernstlich, diesen Vertrag zu halten. Preußen wollte die Schuhhoheit ausbauen zu einem Besitz der Stadt; Nordhausen strebte die gänzliche Befreiung von Preußen an und betonte, der Vertrag sei erzwungen. Der eigentliche Ansatzpunkt für beide Parteien waren die „Jura", die Vogtei und das Schulzenamt, deren Befugnisse eine Kommission klären sollte und nie so klären konnte, wie es jeder der beiden Parteien recht war. Denn die Stadt wollte es so darstellen, als ob mit diesen Aemtern gar keine Machtbesugnisse verbunden seien, und Preußen wollte seine Gerechtsame so ausdehnen, daß die Freie Reichsstadt zu einer preußischen Landstadt würde. Ostern 1704, wenn Preußen die beiden Aemter von Nordhausen auslöste und an sich zog, mußte es zu neuem Streite kommen. Das erscheint auch daraus, daß der Magistrat schon am 8. März vor dem Notar Ioh. Hermann Eilhardt, dem Bruder des Bürgermeisters, gegen die gesamte Besetzung der Stadt und den erzwungenen Vertrag protestierte. Alles sei gegen das Kaiserliche Privilegium vom 5. Mai 1695 geschehen und deshalb hinfällig.<ref>Original im Nordh. Archiv. Vergl. auch N. F. 1154.</ref>
   
   
Bei allen Haupt- und Staatsaktionen ist es aber so, daß man, je mehr man innerlich bereit ist, den soeben erst vollzogenen und in feierlichster Form beschworenen Vertrag zu brechen, desto mehr das Bestreben hat, nach außen hin das herzlichste Einvernehmen zu heucheln. Es ist uns ein Druck vom 11. März 1703 erhalten, der folgende Ileberschrift hat: Demütigster Dankaltar, welchen dem dreieinigen Gotte zu Ehren, als Ihre Kgl. Majestät in Preußen, unser allergnädigster Schuhherr, die Kaiser!. Freie Reichsstadt in dero Schutz aufnahm, auf Befehl eines E. Rats von treuem Herzensgrund am Sonntage oeuli bei ordentlicher Kirchenandacht mit Gebet, Wunsch und Seufzen aufrichtete der Chorus Musicus in Nordhausen. — Im Jahre Christi den 11. März 1703. — Nordhausen, gedruckt bei Augustin Martin Hynitzsch.
Bei allen Haupt- und Staatsaktionen ist es aber so, daß man, je mehr man innerlich bereit ist, den soeben erst vollzogenen und in feierlichster Form beschworenen Vertrag zu brechen, desto mehr das Bestreben hat, nach außen hin das herzlichste Einvernehmen zu heucheln. Es ist uns ein Druck vom 11. März 1703 erhalten, der folgende Ileberschrift hat: Demütigster Dankaltar, welchen dem dreieinigen Gotte zu Ehren, als Ihre Kgl. Majestät in Preußen, unser allergnädigster Schuhherr, die Kaiser!. Freie Reichsstadt in dero Schutz aufnahm, auf Befehl eines E. Rats von treuem Herzensgrund am Sonntage oeuli bei ordentlicher Kirchenandacht mit Gebet, Wunsch und Seufzen aufrichtete der Chorus Musicus in Nordhausen. — Im Jahre Christi den 11. März 1703. — Nordhausen, gedruckt bei Augustin Martin Hynitzsch.
Zeile 105: Zeile 105:
</poem>
</poem>
   
   
Bei dieser offiziellen Stellungnahme des Magistrats ist es kein Wunder, daß einige besonders Beflissene, wie es ja zu allen Zeiten geschieht, noch ein Weiteres taten. „Einige getreu Schutzverwandte führten demütigst ein Schutzopfer auf, in welchem König Friedrich „Friedrich der Große“ genannt wurde und es weiter heißt:
Bei dieser offiziellen Stellungnahme des Magistrats ist es kein Wunder, daß einige besonders Beflissene, wie es ja zu allen Zeiten geschieht, noch ein Weiteres taten. „Einige getreu Schutzverwandte führten demütigst ein Schutzopfer auf, in welchem König Friedrich „Friedrich der Große" genannt wurde und es weiter heißt:
   
   
<poem>
<poem>
Zeile 112: Zeile 112:
</poem>
</poem>
   
   
Natürlich mußten unter denen, die sofort vor dem neuen Herrn Kotau machten, auch ein Schulmeister und ein Pastor sein: Joh. Christoph Sieckel, Collaborator am Gymnasium, der eine lateinische „Acclamatio votiva“ verfaßte, und Albert Ephraim Hempel, Pfarrer zu St. Jakobi, der einen „priesterlichen Glück-und Segenswunsch“ drucken ließ. Sein Machwerk ist 22 Druckseiten lang und schließt mit den Worten: „Sie leben, wachsen, sie grünen und blühen unter dem himmlischen Gnadentau, dem ganzen Lande zum Wachstum und uns zum Aufnehmen, mir und den meinigen zum vergnügten Trost und ersprießlichen Wohltat. Vivat Friedericus I. Rex Borussiae, Elector Brandenburgicus.<ref>Nordh. Archiv Sa 5. — Dresdener Hauptstaatsarchiv, 2982.</ref>
Natürlich mußten unter denen, die sofort vor dem neuen Herrn Kotau machten, auch ein Schulmeister und ein Pastor sein: Joh. Christoph Sieckel, Collaborator am Gymnasium, der eine lateinische „Acclamatio votiva" verfaßte, und Albert Ephraim Hempel, Pfarrer zu St. Jakobi, der einen „priesterlichen Glück-und Segenswunsch" drucken ließ. Sein Machwerk ist 22 Druckseiten lang und schließt mit den Worten: „Sie leben, wachsen, sie grünen und blühen unter dem himmlischen Gnadentau, dem ganzen Lande zum Wachstum und uns zum Aufnehmen, mir und den meinigen zum vergnügten Trost und ersprießlichen Wohltat. Vivat Friedericus I. Rex Borussiae, Elector Brandenburgicus.<ref>Nordh. Archiv Sa 5. — Dresdener Hauptstaatsarchiv, 2982.</ref>
   
   
Am 14. März gab Tettau seinen Offizieren und dem Magistrat ein solennes Mahl.
Am 14. März gab Tettau seinen Offizieren und dem Magistrat ein solennes Mahl.
Zeile 118: Zeile 118:
Als dann gar am 20. März Bürgermeister und Rat bescheinigten, Tettau habe vom 7. Februar bis zum 20. März seine ganze Verpflegung bezahlt, auch habe er scharfe und gute Zucht gehalten, so daß sich die Bürger über nichts beschweren könnten, schien vor der Hand alles in Ordnung zu sein. Gegenüber Schweden und Hannover rechtfertigte sich Preußen, es habe Truppen in die Stadt gelegt, um seine Rechte zu wahren. Wie mit dem sächsischen Regimente, so könne der Niedersächsische Kreis auch mit dem preußischen zufrieden sein. Die letzten Truppen würden aus Nordhausen verschwinden, wenn Celte das Stift Hildesheim freigebe.<ref>Brief vom 27. März 1703.</ref>
Als dann gar am 20. März Bürgermeister und Rat bescheinigten, Tettau habe vom 7. Februar bis zum 20. März seine ganze Verpflegung bezahlt, auch habe er scharfe und gute Zucht gehalten, so daß sich die Bürger über nichts beschweren könnten, schien vor der Hand alles in Ordnung zu sein. Gegenüber Schweden und Hannover rechtfertigte sich Preußen, es habe Truppen in die Stadt gelegt, um seine Rechte zu wahren. Wie mit dem sächsischen Regimente, so könne der Niedersächsische Kreis auch mit dem preußischen zufrieden sein. Die letzten Truppen würden aus Nordhausen verschwinden, wenn Celte das Stift Hildesheim freigebe.<ref>Brief vom 27. März 1703.</ref>
   
   
Trotz dieser Beteuerungen gingen die Verdächtigungen gegen Preußen weiter. In den Dörfern um Nordhausen herum, in Petersdorf, in Niedersachswerfen, in Neustadt saßen die hanno-verschen Agenten und schärten den Haß. Und diese Glut unter dünner Decke mußte weiter schwelen, weil der Kaiser nicht bereit war, das Feuer auszutreten. Er hätte Kurhannover gern mit dem Erbschutz belehnt. Als aber der preußische Resident von Bartholdi dagegen Einspruch erhob, unterließ er es mit Rücksicht auf die große Politik. Andererseits dachte er aber gar nicht daran, den preußischen Schuh über die Reichsstadt zu sanktionieren, ein Verhalten, das Nordhausen darin bestärkte, sich an keine Abmachung und an keinen Vertrag zu halten; denn die Stadt hatte bei Abschluß des Schutzvertrages ausdrücklich auf die kaiserliche Bestätigung bestanden, und Friedrich I. hatte diese Forderung anerkannt.<ref>Die Nordhäuser Aktenstücke betonen immer wieder, der Vertrag gelte nur bei Kaiserlicher Konfirmation. Tatsächlich suchte auch Nordhausen durch den Agenten Koch beim Kaiser den Schutz nach, und Bartholdi unterstützte ihn dabei. Der Kaiser bestätigte den Schutz nicht, weil der Reichshofrat schon „vor Jahr und Tag“ den Schutz Hannover zugesprochen habe. Brief Kochs an Nordhausen 14. IV. 03.</ref>
Trotz dieser Beteuerungen gingen die Verdächtigungen gegen Preußen weiter. In den Dörfern um Nordhausen herum, in Petersdorf, in Niedersachswerfen, in Neustadt saßen die hanno-verschen Agenten und schärten den Haß. Und diese Glut unter dünner Decke mußte weiter schwelen, weil der Kaiser nicht bereit war, das Feuer auszutreten. Er hätte Kurhannover gern mit dem Erbschutz belehnt. Als aber der preußische Resident von Bartholdi dagegen Einspruch erhob, unterließ er es mit Rücksicht auf die große Politik. Andererseits dachte er aber gar nicht daran, den preußischen Schuh über die Reichsstadt zu sanktionieren, ein Verhalten, das Nordhausen darin bestärkte, sich an keine Abmachung und an keinen Vertrag zu halten; denn die Stadt hatte bei Abschluß des Schutzvertrages ausdrücklich auf die kaiserliche Bestätigung bestanden, und Friedrich I. hatte diese Forderung anerkannt.<ref>Die Nordhäuser Aktenstücke betonen immer wieder, der Vertrag gelte nur bei Kaiserlicher Konfirmation. Tatsächlich suchte auch Nordhausen durch den Agenten Koch beim Kaiser den Schutz nach, und Bartholdi unterstützte ihn dabei. Der Kaiser bestätigte den Schutz nicht, weil der Reichshofrat schon „vor Jahr und Tag" den Schutz Hannover zugesprochen habe. Brief Kochs an Nordhausen 14. IV. 03.</ref>
   
   
Wir hatten gesehen, daß nicht alle Teile der Bevölkerung ablehnend gegenüber Preußen waren. Die Klagen über die Ausnutzung der Bewohnerschaft durch die brauberechtigten Bürger wollten nicht verstummen, und nicht verstummen wollten die Klagen über parteiische Justiz, wessentwegen auch der wiedergenesene Bürgermeister Weber angefeindet wurde. Der Syndikus Harprecht aber hatte sich ganz auf die Seite Preußens geschlagen und gab ihm bereitwillig Auskunft über die Handhabung der Nordhäuser Gerichtsbarkeit. Um gegen den Rat eine Waffe in die Hand zu bekommen, wurde Harprecht, der einmal wieder in dem jetzt preußischen Quedlinburg weilte, sogar am 19. Mai 1703 von dem preußischen Vicekanzler Meyer und Hofrat Pott über die Mißstände im Rechtswesen vernommen.
Wir hatten gesehen, daß nicht alle Teile der Bevölkerung ablehnend gegenüber Preußen waren. Die Klagen über die Ausnutzung der Bewohnerschaft durch die brauberechtigten Bürger wollten nicht verstummen, und nicht verstummen wollten die Klagen über parteiische Justiz, wessentwegen auch der wiedergenesene Bürgermeister Weber angefeindet wurde. Der Syndikus Harprecht aber hatte sich ganz auf die Seite Preußens geschlagen und gab ihm bereitwillig Auskunft über die Handhabung der Nordhäuser Gerichtsbarkeit. Um gegen den Rat eine Waffe in die Hand zu bekommen, wurde Harprecht, der einmal wieder in dem jetzt preußischen Quedlinburg weilte, sogar am 19. Mai 1703 von dem preußischen Vicekanzler Meyer und Hofrat Pott über die Mißstände im Rechtswesen vernommen.
Zeile 130: Zeile 130:
Aber der Truppen wurden nicht nur nicht weniger, sondern sie waren in der Stadt auch überall im Wege. Natürlich besaß der Kommandant noch immer die Stadtschlüssel, und vor allem blieben zwei wichtige Pforten geschlossen und wurden zunächst trotz mehrfacher Petitionen nicht geöffnet: Die Kuttelpforte und die Wasserpforte. Die wertvollsten Fluren der Nordhäuser lagen im Westen und im Südwesten der Stadt, der Fußgängerverkehr in dieser Richtung bewegte sich beinahe ausschließlich durch die Kuttelpforte, denn das ganze Gelände der Unterstadt bis zum heutigen Bahnhof, durch das heute der Hauptverkehr geht, war ja beinahe ausschließlich Oed- und Sumpfland. Gerade diese Pforte war geschlossen; aller Verkehr mußte durch das scharf bewachte Neuewegstor. Erst nach langen Verhandlungen und mehrfachen Eingaben an den König wurden am 7. Juli beide Pforten geöffnet.
Aber der Truppen wurden nicht nur nicht weniger, sondern sie waren in der Stadt auch überall im Wege. Natürlich besaß der Kommandant noch immer die Stadtschlüssel, und vor allem blieben zwei wichtige Pforten geschlossen und wurden zunächst trotz mehrfacher Petitionen nicht geöffnet: Die Kuttelpforte und die Wasserpforte. Die wertvollsten Fluren der Nordhäuser lagen im Westen und im Südwesten der Stadt, der Fußgängerverkehr in dieser Richtung bewegte sich beinahe ausschließlich durch die Kuttelpforte, denn das ganze Gelände der Unterstadt bis zum heutigen Bahnhof, durch das heute der Hauptverkehr geht, war ja beinahe ausschließlich Oed- und Sumpfland. Gerade diese Pforte war geschlossen; aller Verkehr mußte durch das scharf bewachte Neuewegstor. Erst nach langen Verhandlungen und mehrfachen Eingaben an den König wurden am 7. Juli beide Pforten geöffnet.
   
   
Wenn im Juli 1703 auch der regelmäßige Verkehr wieder-hergestellt schien, so hinderte die Besetzung der Stadt doch den Handel. Ganz besonders bemerkbar machte sich das, als es auf den Sommer zuging. Die Ueberwachung der Tore, die Belegung von Wachtstuben und Plätzen mit Soldaten, die Abneigung des friedlichen Bauern und Handelsmanns, auf den Straßen und in den Gaststätten überall mit Militär in Berührung zu kommen, alles das ließ die Umwohner die Stadt, welche der natürliche Mittelpunkt der Landschaft war, meiden. Wieder und wieder klagte der Rat, der Handel gehe zurück, besonders der „Fruchthandel“, d. h. der Getreidehandel, liege darnieder und ziehe sich nach den Nachbarorten, wenn die Soldaten die Stadt nicht verließen. Anderer Ansicht war von Sydo, der nach Berlin berichtete, von einer Beeinträchtigung des Handels könne keine Rede sein. Am 4. August lehnte der König in Liebenwalde das Gesuch der Nordhäuser um gänzliche Zurückziehung der Truppen ab.
Wenn im Juli 1703 auch der regelmäßige Verkehr wieder-hergestellt schien, so hinderte die Besetzung der Stadt doch den Handel. Ganz besonders bemerkbar machte sich das, als es auf den Sommer zuging. Die Ueberwachung der Tore, die Belegung von Wachtstuben und Plätzen mit Soldaten, die Abneigung des friedlichen Bauern und Handelsmanns, auf den Straßen und in den Gaststätten überall mit Militär in Berührung zu kommen, alles das ließ die Umwohner die Stadt, welche der natürliche Mittelpunkt der Landschaft war, meiden. Wieder und wieder klagte der Rat, der Handel gehe zurück, besonders der „Fruchthandel", d. h. der Getreidehandel, liege darnieder und ziehe sich nach den Nachbarorten, wenn die Soldaten die Stadt nicht verließen. Anderer Ansicht war von Sydo, der nach Berlin berichtete, von einer Beeinträchtigung des Handels könne keine Rede sein. Am 4. August lehnte der König in Liebenwalde das Gesuch der Nordhäuser um gänzliche Zurückziehung der Truppen ab.
   
   
Dringlich wurde Nordhausen, als am 9. August die letzten Celleschen Truppen die Stadt Hildesheim verlassen hatten.<ref>Gebauer, die Hildesheimer Unruhen vom Winter 1702/03. Zeitschr. des Harzvereins f. Gesch. u. A. 50. Iahrg., 65 ff.</ref> Preußen hatte mehrfach betont, es werde seine Truppen aus Nordhausen zurückziehen, wenn Celle Hildesheim freigebe. Am 31. August bat Nordhausen nochmals um die Befreiung von der Last der Einquartierung. Preußen kam dem Verlangen nicht nach. Es hatte seine guten Gründe dafür. Zwar hatte der König am 14. August in Wien und im Haag wissen lassen, er zöge auch die noch in Nordhausen vorhandenen zwei Kompagnien heraus und belasse nur 25 Mann in der Stadt, wenn Hannover versichere, daß es nie in die Stadt einrücke. Aber Hannover gab diese Erklärung nicht ab; und die Preußen blieben in Nordhausen.
Dringlich wurde Nordhausen, als am 9. August die letzten Celleschen Truppen die Stadt Hildesheim verlassen hatten.<ref>Gebauer, die Hildesheimer Unruhen vom Winter 1702/03. Zeitschr. des Harzvereins f. Gesch. u. A. 50. Iahrg., 65 ff.</ref> Preußen hatte mehrfach betont, es werde seine Truppen aus Nordhausen zurückziehen, wenn Celle Hildesheim freigebe. Am 31. August bat Nordhausen nochmals um die Befreiung von der Last der Einquartierung. Preußen kam dem Verlangen nicht nach. Es hatte seine guten Gründe dafür. Zwar hatte der König am 14. August in Wien und im Haag wissen lassen, er zöge auch die noch in Nordhausen vorhandenen zwei Kompagnien heraus und belasse nur 25 Mann in der Stadt, wenn Hannover versichere, daß es nie in die Stadt einrücke. Aber Hannover gab diese Erklärung nicht ab; und die Preußen blieben in Nordhausen.
Zeile 146: Zeile 146:
Schon die Haltung Nordhausens im Laufe des Jahres 1703 bewies Preußen, daß der Stadt von irgendwoher zum Ausharren und zum Widerstand Mut gemacht sein mußte. Daß man in Wien und in Regensburg der Stadt wohlwollte, war allgemein bekannt, daß sie bei Hannover mit noch mehr als bloßem Wohlwollen rechnen konnte, wußte die Stadt; doch die Niedergeschlagenheit nach Abschluß des Schutzvertrages war groß, weil kein starker Wille vorhanden war, der zum Ausharren ermutigte und der zur Organisation der Abwehr befähigt war. Der Bürgermeister Frommann war ein alter verbrauchter Mann, der Syndikus Harprecht stand dort, wo für seine Selbstsucht am meisten heraussprang, Kegel, Titius und Bohne waren tüchtige Männer, aber ohne jede Leidenschaft, die nun einmal vorhanden sein muß, wenn Außergewöhnliches gelingen soll. Weiter aber schien das Städtchen keine Köpfe von Bedeutung zu herbergen. Da erwuchs ihm einer in dem Notar und Ratsherrn Johann Günther Hoffmann, einem Mann, der gewiß kaum überdurchschnittlich begabt war, dem aber verbissene Zähigkeit und unermüdliche Tatkraft eigen waren. Dieser Mann an der Spitze aller bisher bevorrechteten Bürger flößte den Nordhäusern von neuem Mut ein, wies sie auf ihre zahlreichen Bundesgenossen hin, mahnte wieder und wieder zum Durchhalten.
Schon die Haltung Nordhausens im Laufe des Jahres 1703 bewies Preußen, daß der Stadt von irgendwoher zum Ausharren und zum Widerstand Mut gemacht sein mußte. Daß man in Wien und in Regensburg der Stadt wohlwollte, war allgemein bekannt, daß sie bei Hannover mit noch mehr als bloßem Wohlwollen rechnen konnte, wußte die Stadt; doch die Niedergeschlagenheit nach Abschluß des Schutzvertrages war groß, weil kein starker Wille vorhanden war, der zum Ausharren ermutigte und der zur Organisation der Abwehr befähigt war. Der Bürgermeister Frommann war ein alter verbrauchter Mann, der Syndikus Harprecht stand dort, wo für seine Selbstsucht am meisten heraussprang, Kegel, Titius und Bohne waren tüchtige Männer, aber ohne jede Leidenschaft, die nun einmal vorhanden sein muß, wenn Außergewöhnliches gelingen soll. Weiter aber schien das Städtchen keine Köpfe von Bedeutung zu herbergen. Da erwuchs ihm einer in dem Notar und Ratsherrn Johann Günther Hoffmann, einem Mann, der gewiß kaum überdurchschnittlich begabt war, dem aber verbissene Zähigkeit und unermüdliche Tatkraft eigen waren. Dieser Mann an der Spitze aller bisher bevorrechteten Bürger flößte den Nordhäusern von neuem Mut ein, wies sie auf ihre zahlreichen Bundesgenossen hin, mahnte wieder und wieder zum Durchhalten.
   
   
Im April und Mai 1703 fand sich Nordhausen noch vollkommen mit seiner Unterwerfung ab. Preußen erhielt die hinterhältige Erklärung des Rates, er habe durchaus freiwillig die Schutzhoheit Preußens angenommen; der Agent Koch wurde angewiesen, beim Kaiser die Konfirmation des Schutzes nachzu-suchen. Daß diese Bestätigung nicht erfolgte, lag nicht am bösen Willen Nordhausens, sondern an der kaiserlichen Politik, die, wie Koch schrieb, die Regelung hinausschieben wollte bis nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges. Zugleich machte der Agent der Stadt Hoffnung, daß diese spätere Regelung niemals im Sinne Preußen ausfallen werde. Man wußte also in Nordhausen, daß der Kaiser die Stadt nicht ohne weiteres Preußen überlassen werde. Dann hörte man von dem sächsischen Einspruch in Wien, man hörte Offneys Versprechungen. Da setzte der Ratsherr Joh. Günther Hoffmann durch, daß der Rat ihn, zur Informierung über den Stand der Dinge draußen, nach Hannover sandte. Und hier in Hannover wurde dem Abgesandten Mut gemacht. Hannover werde sich Nordhausens nicht schlechter annehmen als der eigenen Länder, hieß es, und Hannovers Resident Erasmus von Huldeberg in Wien wurde angewiesen, am Kaiserlichen Hofe für die Stadt zu werben. Zugleich gab man Nordhausen den Rat, einen Mann nach Wien zu schicken, der dem hannöverschen Residenten als Sachberater zur Seite stehen könne. Dann werde Nordhausens Sache daselbst mit Eifer betrieben.
Im April und Mai 1703 fand sich Nordhausen noch vollkommen mit seiner Unterwerfung ab. Preußen erhielt die hinterhältige Erklärung des Rates, er habe durchaus freiwillig die Schutzhoheit Preußens angenommen; der Agent Koch wurde angewiesen, beim Kaiser die Konfirmation des Schutzes nachzu-suchen. Daß diese Bestätigung nicht erfolgte, lag nicht am bösen Willen Nordhausens, sondern an der kaiserlichen Politik, die, wie Koch schrieb, die Regelung hinausschieben wollte bis nach Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges. Zugleich machte der Agent der Stadt Hoffnung, daß diese spätere Regelung niemals im Sinne Preußen ausfallen werde. Man wußte also in Nordhausen, daß der Kaiser die Stadt nicht ohne weiteres Preußen überlassen werde. Dann hörte man von dem sächsischen Einspruch in Wien, man hörte Offneys Versprechungen. Da setzte der Ratsherr Ioh. Günther Hoffmann durch, daß der Rat ihn, zur Informierung über den Stand der Dinge draußen, nach Hannover sandte. Und hier in Hannover wurde dem Abgesandten Mut gemacht. Hannover werde sich Nordhausens nicht schlechter annehmen als der eigenen Länder, hieß es, und Hannovers Resident Erasmus von Huldeberg in Wien wurde angewiesen, am Kaiserlichen Hofe für die Stadt zu werben. Zugleich gab man Nordhausen den Rat, einen Mann nach Wien zu schicken, der dem hannöverschen Residenten als Sachberater zur Seite stehen könne. Dann werde Nordhausens Sache daselbst mit Eifer betrieben.
   
   
Diese gute Botschaft, die Hoffmann heimbrachte, zusammen mit der Arbeit Offneys in der Nähe Nordhausens, bewirkten den Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung. Der Schultheiß Röpenack vermerkte ihn natürlich bald, war aber auch durch den Syndikus Harprecht — dieser Vertrauensmann der Stadt war der Vertrauensmann Preußens — auf dem Laufenden über die Gründe des Umschwungs. Schon am 20. Juli 1703 mußte er nach Berlin berichten, die Stimmung des Rates sei so sieghaft, daß „die Wohlgesinnten fast zaghaft würden“; der Rat habe sich vernehmen lassen, „diejenigen, so gut brandenburgisch wären, würde man schon finden“. Allenthalben werde gesprochen: Nimmermehr sollte Kgl. Majestät den Schutz behalten. Was geschehen sei, sei durch Gewalt erzwungen, man wolle es nur lassen Frieden werden. Wer zum Obersten von Sydo oder zu Röpenack halte, werde öffentlich verfolgt. Harprecht müsse nachts heimlich zu ihm kommen.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
Diese gute Botschaft, die Hoffmann heimbrachte, zusammen mit der Arbeit Offneys in der Nähe Nordhausens, bewirkten den Umschwung in der Stimmung der Bevölkerung. Der Schultheiß Röpenack vermerkte ihn natürlich bald, war aber auch durch den Syndikus Harprecht — dieser Vertrauensmann der Stadt war der Vertrauensmann Preußens — auf dem Laufenden über die Gründe des Umschwungs. Schon am 20. Juli 1703 mußte er nach Berlin berichten, die Stimmung des Rates sei so sieghaft, daß „die Wohlgesinnten fast zaghaft würden"; der Rat habe sich vernehmen lassen, „diejenigen, so gut brandenburgisch wären, würde man schon finden“. Allenthalben werde gesprochen: Nimmermehr sollte Kgl. Majestät den Schutz behalten. Was geschehen sei, sei durch Gewalt erzwungen, man wolle es nur lassen Frieden werden. Wer zum Obersten von Sydo oder zu Röpenack halte, werde öffentlich verfolgt. Harprecht müsse nachts heimlich zu ihm kommen.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
   
   
Gewissermaßen in Siegesstimmung bat die Stadt Nordhausen am Ende dieses ersten Jahres, wo sie von preußischen Truppen besetzt war, nochmals den Kaiser um ein „Mandat, daß Preußen alles im alten Zustande wiederherstelle und die Stadt nicht weiter belästige“.<ref>Bitte an den Kaiser vom 3. Dez. 1703.</ref>
Gewissermaßen in Siegesstimmung bat die Stadt Nordhausen am Ende dieses ersten Jahres, wo sie von preußischen Truppen besetzt war, nochmals den Kaiser um ein „Mandat, daß Preußen alles im alten Zustande wiederherstelle und die Stadt nicht weiter belästige“.<ref>Bitte an den Kaiser vom 3. Dez. 1703.</ref>
Zeile 162: Zeile 162:
Dieses erste Thomasiussche Gutachten machte in Berlin solchen Eindruck, daß der König beschloß, sich in der Durchfechtung seiner Rechte fortan des Thomasius zu bedienen. Am 24. August schrieb er aus Schönhausen an den Juristen, sein kurzer Bericht habe recht gefallen, er solle nunmehr eine grundsätzliche Ausarbeitung über die Schutzhoheit einrichten und ferner darstellen, wie „die Sache mit dem Magistrate am besten anzugreifen“.
Dieses erste Thomasiussche Gutachten machte in Berlin solchen Eindruck, daß der König beschloß, sich in der Durchfechtung seiner Rechte fortan des Thomasius zu bedienen. Am 24. August schrieb er aus Schönhausen an den Juristen, sein kurzer Bericht habe recht gefallen, er solle nunmehr eine grundsätzliche Ausarbeitung über die Schutzhoheit einrichten und ferner darstellen, wie „die Sache mit dem Magistrate am besten anzugreifen“.
   
   
Thomasius war dieser Auftrag durchaus nicht willkommen. Er entfaltete ja gerade in jenen Jahren, wo der große Rechtsgelehrte Stryck, der Dekan der Hallischen Iuristenfakultät, älter und schwächer wurde, eine ganz außerordentliche Lehrtätigkeit und war außerdem im Begriffe, zwei seiner bedeutenden Werke zum Abschluß zu bringen. Dennoch entzog er sich dem Wunsche des Königs nicht und bat nur für den ersten Auftrag, sich über die Schutzhoheit zu äußern, um weitere Unterlagen. Das andere Begehren des Königs allerdings, praktische Vorschläge wegen der Behandlung der Nordhäuser Angelegenheit zu machen, suchte er sich vom Halse zu schaffen, indem er meinte, es komme bei diesen Fragen nicht nur auf punctum iuris an, sondern auf „viele politische Etatsabsichten“, wofür die „Prudenz eines tüchtigen Hofmannes geeigneter sei als die Wissenschaft eines Professors Juris“. Doch auch da ließ ihn der König nicht aus, und er mußte sich nicht bloß zu Ratschlägen bequemen, sondern er sollte in Nordhausen handelnd eingreifen.
Thomasius war dieser Auftrag durchaus nicht willkommen. Er entfaltete ja gerade in jenen Jahren, wo der große Rechtsgelehrte Stryck, der Dekan der Hallischen Iuristenfakultät, älter und schwächer wurde, eine ganz außerordentliche Lehrtätigkeit und war außerdem im Begriffe, zwei seiner bedeutenden Werke zum Abschluß zu bringen. Dennoch entzog er sich dem Wunsche des Königs nicht und bat nur für den ersten Auftrag, sich über die Schutzhoheit zu äußern, um weitere Unterlagen. Das andere Begehren des Königs allerdings, praktische Vorschläge wegen der Behandlung der Nordhäuser Angelegenheit zu machen, suchte er sich vom Halse zu schaffen, indem er meinte, es komme bei diesen Fragen nicht nur auf punctum iuris an, sondern auf „viele politische Etatsabsichten", wofür die „Prudenz eines tüchtigen Hofmannes geeigneter sei als die Wissenschaft eines Professors Juris“. Doch auch da ließ ihn der König nicht aus, und er mußte sich nicht bloß zu Ratschlägen bequemen, sondern er sollte in Nordhausen handelnd eingreifen.
   
   
Im September 1703 weilte Röpenack in Halle, gab Thomasius die Unterlagen und besprach den gesamten Fragenkomplex mit ihm. Darauf erfolgte dann im Oktober ein längeres Gutachten des Thomasius und darauf am 17. November ein sehr gnädiges Schreiben des Königs an ihn, er solle zusammen mit dem Wirklichen Geheimen Rate Freiherrn von Danckelmann einer Kommission angehören, die um die Weihnachtszeit in Nordhausen ihres Amtes zu walten hätte. Diese Kommission sollte nicht nur die Schutzhoheit sestlegen und die Kompetenzen der Aemter prüfen, sondern auch, eine dritte und sehr schwierige Aufgabe, die Grenze zwischen der Grafschaft Hohnstein und der Stadt Nordhausen soweit sie strittig war, nach den alten Hohnsteinschen Lehnsbriefen bestimmen und für Preußen als Inhaber der Grafschaft in Anspruch nehmen, was ihm zukäme. Dieser Anspruch Preußens auf die sogenannte Helmeflur wird uns unten noch ausgiebig zu beschäftigen haben.<ref>Beilage V. hinter Kapitel II. Gutachten des Thomasius.</ref>
Im September 1703 weilte Röpenack in Halle, gab Thomasius die Unterlagen und besprach den gesamten Fragenkomplex mit ihm. Darauf erfolgte dann im Oktober ein längeres Gutachten des Thomasius und darauf am 17. November ein sehr gnädiges Schreiben des Königs an ihn, er solle zusammen mit dem Wirklichen Geheimen Rate Freiherrn von Danckelmann einer Kommission angehören, die um die Weihnachtszeit in Nordhausen ihres Amtes zu walten hätte. Diese Kommission sollte nicht nur die Schutzhoheit sestlegen und die Kompetenzen der Aemter prüfen, sondern auch, eine dritte und sehr schwierige Aufgabe, die Grenze zwischen der Grafschaft Hohnstein und der Stadt Nordhausen soweit sie strittig war, nach den alten Hohnsteinschen Lehnsbriefen bestimmen und für Preußen als Inhaber der Grafschaft in Anspruch nehmen, was ihm zukäme. Dieser Anspruch Preußens auf die sogenannte Helmeflur wird uns unten noch ausgiebig zu beschäftigen haben.<ref>Beilage V. hinter Kapitel II. Gutachten des Thomasius.</ref>
Zeile 174: Zeile 174:
Der König hatte zunächst an der Kommission festgehalten, die um Weihnachten 1703 mit der Stadt in Güte verhandeln und und einen Ausweg suchen sollte. Noch am 12. Januar 1704 ließ er Röpenack in dieser Richtung instruieren; auch an den schon früher genannten Unterhändlern war festgehalten worden. Nach wie vor sollten Kanzler von Danckelmann, Professor Thomasius und Schultheiß Röpenack die Verhandlungen aufnehmen. Doch die Tätigkeit der Kommission in Nordhausen verzögerte sich. Vor allem wollte Thomasius nichts übereilen und die Ansprüche Preußens in jeder Beziehung fest untermauern. Am 26. Januar schrieb er aus Halle an den König, er könne jetzt genau nachweisen, daß Nordhausen ohne Erlaubnis des Reichsvogts, d. h. also Preußens, keinen Schutzherrn wählen dürfe. Zu diesem Nachweis sei aber nötig, daß er das ganze Werk de advocatia armata des bisher auf diesem Gebiete maßgebenden Martin Schönberg „umstoße“. Dazu brauche er aber Zeit. Deshalb schlage er nach Rücksprache mit Danckelmann vor, man solle der Stadt Nordhausen, von der Preußen die Aemter Ostern 1704 übernehmen wollte, dieselben noch ein Jahr psandweise lassen. Darüber könne Röpenack mit der Stadt verhandeln.
Der König hatte zunächst an der Kommission festgehalten, die um Weihnachten 1703 mit der Stadt in Güte verhandeln und und einen Ausweg suchen sollte. Noch am 12. Januar 1704 ließ er Röpenack in dieser Richtung instruieren; auch an den schon früher genannten Unterhändlern war festgehalten worden. Nach wie vor sollten Kanzler von Danckelmann, Professor Thomasius und Schultheiß Röpenack die Verhandlungen aufnehmen. Doch die Tätigkeit der Kommission in Nordhausen verzögerte sich. Vor allem wollte Thomasius nichts übereilen und die Ansprüche Preußens in jeder Beziehung fest untermauern. Am 26. Januar schrieb er aus Halle an den König, er könne jetzt genau nachweisen, daß Nordhausen ohne Erlaubnis des Reichsvogts, d. h. also Preußens, keinen Schutzherrn wählen dürfe. Zu diesem Nachweis sei aber nötig, daß er das ganze Werk de advocatia armata des bisher auf diesem Gebiete maßgebenden Martin Schönberg „umstoße“. Dazu brauche er aber Zeit. Deshalb schlage er nach Rücksprache mit Danckelmann vor, man solle der Stadt Nordhausen, von der Preußen die Aemter Ostern 1704 übernehmen wollte, dieselben noch ein Jahr psandweise lassen. Darüber könne Röpenack mit der Stadt verhandeln.
   
   
Selbst mit diesem Vorschläge war der König einverstanden, und Röpenack sollte dementsprechend Befehl erhalten.<ref> Brief vom 2. Februar an Thomasius.</ref> erstanden, und Röpenack sollte dementsprechend Befehl erhalten?) Aus dieser Einstellung des Königs und seiner Ratgeber ersieht man nicht nur die Langmut Preußens, sondern auch die völlig falsche Vorstellung von der Haltung Nordhausens. Die Stadt, je länger, je mehr zum Widerstände geneigt, mußte in dem Jahre, in welchem ihr noch weiterhin die Aemter überlassen blieben, neue Waffen in die Hand bekommen. Innerhalb der Stadt mußte der Einfluß des preußischen Schultheißen sinken, der nichts zu tun hatte, als sich durch die Erhebung der Zölle unbeliebt zu machen, die preußenfreundlichen Bürger mußten durch Preußens unsichere, schwankende Politik irre werden an seinem festen Willen, in der Stadt tatsächlich Fuß zu fassen. Außerhalb der Stadt aber hatte Hannover Zeit, nach neuen Gegenmaßnahmen Ausschau zu halten. Dieser in Verken-nung der ganzen Lage gemachte Vorschlag des Thomasius war ganz aus dem Geiste des Gelehrten heraus geschehen, der Freude an der wissenschaftlichen Beweisführung hatte und Abscheu vor wirklichem Handeln. Daß zugleich auch der Verwaltungsbeamte Danckelmann ungern den Vorsitz in der Kommission, von der er sich wenig Erfolg versprach, angenommen hatte, ist schon oben erwähnt; so war er aus persönlichen Gründen mit Thomasius' Vorschlag einverstanden.<ref>Am Schluß seiner Deduktion: Kurze, jedoch gründliche Deduction, daß die Stadt Nordhausen nicht befugt sei, einen anderen Schutzherrn anzunehmen als S. Kgl. Majestät in Preußen, in dem Artikel 27 „Anhang eines ferneren Gutachtens, wie die Nordhausische Affäre anzugreifen“, schlägt Thomasius vor: Ostern 1704 läuft der Termin ab; die Wiedereinlösung der Aemter soll geschehen. Die Kommissionsarbeit hat sich aber verzögert, so daß bis Ostern wenig Fruchtbares herausspringt. Deshalb soll der Termin um ein Jahr verlängert werden. Bei Anwesenheit des Königs von Polen in den preußischen Kurlanden soll mit ihm wegen Satisfaktion betreffs verschwiegener Reluitionsgelder und Cedierung der Aemter verhandelt werden. Pr. St. a. a. O.</ref>
Selbst mit diesem Vorschläge war der König einverstanden, und Röpenack sollte dementsprechend Befehl erhalten.<ref> Brief vom 2. Februar an Thomasius.</ref> erstanden, und Röpenack sollte dementsprechend Befehl erhalten?) Aus dieser Einstellung des Königs und seiner Ratgeber ersieht man nicht nur die Langmut Preußens, sondern auch die völlig falsche Vorstellung von der Haltung Nordhausens. Die Stadt, je länger, je mehr zum Widerstände geneigt, mußte in dem Jahre, in welchem ihr noch weiterhin die Aemter überlassen blieben, neue Waffen in die Hand bekommen. Innerhalb der Stadt mußte der Einfluß des preußischen Schultheißen sinken, der nichts zu tun hatte, als sich durch die Erhebung der Zölle unbeliebt zu machen, die preußenfreundlichen Bürger mußten durch Preußens unsichere, schwankende Politik irre werden an seinem festen Willen, in der Stadt tatsächlich Fuß zu fassen. Außerhalb der Stadt aber hatte Hannover Zeit, nach neuen Gegenmaßnahmen Ausschau zu halten. Dieser in Verken-nung der ganzen Lage gemachte Vorschlag des Thomasius war ganz aus dem Geiste des Gelehrten heraus geschehen, der Freude an der wissenschaftlichen Beweisführung hatte und Abscheu vor wirklichem Handeln. Daß zugleich auch der Verwaltungsbeamte Danckelmann ungern den Vorsitz in der Kommission, von der er sich wenig Erfolg versprach, angenommen hatte, ist schon oben erwähnt; so war er aus persönlichen Gründen mit Thomasius' Vorschlag einverstanden.<ref>Am Schluß seiner Deduktion: Kurze, jedoch gründliche Deduction, daß die Stadt Nordhausen nicht befugt sei, einen anderen Schutzherrn anzunehmen als S. Kgl. Majestät in Preußen, in dem Artikel 27 „Anhang eines ferneren Gutachtens, wie die Nordhausische Affäre anzugreifen", schlägt Thomasius vor: Ostern 1704 läuft der Termin ab; die Wiedereinlösung der Aemter soll geschehen. Die Kommissionsarbeit hat sich aber verzögert, so daß bis Ostern wenig Fruchtbares herausspringt. Deshalb soll der Termin um ein Jahr verlängert werden. Bei Anwesenheit des Königs von Polen in den preußischen Kurlanden soll mit ihm wegen Satisfaktion betreffs verschwiegener Reluitionsgelder und Cedierung der Aemter verhandelt werden. Pr. St. a. a. O.</ref>
   
   
Da wurde nun der König durch Röpenacks Berichte über den wahren Stand der Dinge in Nordhausen aufgeklärt. Röpenack schrieb ganz offen, die Stimmung in Nordhausen sei so, daß man sich auf Kommisfionsverhandlungen überhaupt nicht mehr einlassen werde. Gesahr war im Verzüge. Deshalb sah man in Berlin zunächst von allen weiteren juristischen Gutachten ab und beschloß zu handeln. Am 12. Februar wurde Röpenack unterrichtet, Preußen sei gewillt, Ostern 1704 Vogtei und Schultheißenamt endgültig in eigene Verwaltung zu nehmen und den Pfandschilling der Stadt dafür auszuzahlen. Röpenack solle sich nach der genauen Höhe der Pfandsumme erkundigen und Vorschläge machen, wo das Geld ausgezahlt werden könne.
Da wurde nun der König durch Röpenacks Berichte über den wahren Stand der Dinge in Nordhausen aufgeklärt. Röpenack schrieb ganz offen, die Stimmung in Nordhausen sei so, daß man sich auf Kommisfionsverhandlungen überhaupt nicht mehr einlassen werde. Gesahr war im Verzüge. Deshalb sah man in Berlin zunächst von allen weiteren juristischen Gutachten ab und beschloß zu handeln. Am 12. Februar wurde Röpenack unterrichtet, Preußen sei gewillt, Ostern 1704 Vogtei und Schultheißenamt endgültig in eigene Verwaltung zu nehmen und den Pfandschilling der Stadt dafür auszuzahlen. Röpenack solle sich nach der genauen Höhe der Pfandsumme erkundigen und Vorschläge machen, wo das Geld ausgezahlt werden könne.
Zeile 209: Zeile 209:
Die Vorschläge beider Referenten wurden gutgeheißen; Preußen war sich nunmehr über sein Vorgehen im klaren. Daran konnte auch nichts mehr ändern, daß Bartholdi aus Wien berichtete, der Bearbeiter der Nordhausen-Preußischen Angelegenheit im Hofrate von Kirchner stehe auf dem Standpunkte, man könne die alten Rechte der Vogtei und des Schulzenamtes nicht mehr feststellen, Preußen müsse sie so ausüben, wie es durch Sachsen geschehen sei.<ref>Brief vorn 21. Juni 1704. — Wichtig ist der Standpunkt von Kirchners insofern, als er nicht mehr den Erwerb der Aemter ohne kaiserliche Konfirmation überhaupt in Frage stellt.</ref>
Die Vorschläge beider Referenten wurden gutgeheißen; Preußen war sich nunmehr über sein Vorgehen im klaren. Daran konnte auch nichts mehr ändern, daß Bartholdi aus Wien berichtete, der Bearbeiter der Nordhausen-Preußischen Angelegenheit im Hofrate von Kirchner stehe auf dem Standpunkte, man könne die alten Rechte der Vogtei und des Schulzenamtes nicht mehr feststellen, Preußen müsse sie so ausüben, wie es durch Sachsen geschehen sei.<ref>Brief vorn 21. Juni 1704. — Wichtig ist der Standpunkt von Kirchners insofern, als er nicht mehr den Erwerb der Aemter ohne kaiserliche Konfirmation überhaupt in Frage stellt.</ref>
   
   
Im übrigen informierte sich Preußen genau über die Haltung der auswärtigen Mächte, die Thomasius als wichtig bezeichnet hatte. Bartholdi mußte in Wien mit dem schwedischen Gesandten verhandeln und konnte berichten, daß sich Schweden neutral verhalte und wahrscheinlich auch nichts einzuwenden habe, wenn Preußen für Magdeburg in das Direktorium des Niedersächsischen Kreises eintrete.<ref>Brief vom 9. Juli 1704.</ref> Sehr interessant ist ferner der Bericht des Freiherrn von Spanheim, des preußischen Gesandten in London, der mitteilte, daß England an Preußens Bundesgenossenschaft im Spanischen Erbfolgekriege sehr viel liege: „Ihre Majestät von Britannien halte Preußen für Ihren besten Bundesgenossen“, daß also England die Nordhäuser Sache gleichgültig sei, daß dagegen das Haus Hannover Stellung gegen Preußen nehme, weil es seine Truppen nicht aus der Reichsstadt herausgenvmmen habe, nachdem Celle Hildesheim verlassen habe. Aehnlich wie Spanheim über England berichtete von Schmettau aus dem Haag über Holland. Schwierigkeiten bereiteten diese Mächte umso weniger, als soeben am 2. Juli 1704 die Verbündeten mit Hilse Preußens den ersten großen Sieg „an der Donau“ über die Franzosen erfochten hätten.<ref>Gemeint ist die Schlacht bei Höchstädt.</ref>
Im übrigen informierte sich Preußen genau über die Haltung der auswärtigen Mächte, die Thomasius als wichtig bezeichnet hatte. Bartholdi mußte in Wien mit dem schwedischen Gesandten verhandeln und konnte berichten, daß sich Schweden neutral verhalte und wahrscheinlich auch nichts einzuwenden habe, wenn Preußen für Magdeburg in das Direktorium des Niedersächsischen Kreises eintrete.<ref>Brief vom 9. Juli 1704.</ref> Sehr interessant ist ferner der Bericht des Freiherrn von Spanheim, des preußischen Gesandten in London, der mitteilte, daß England an Preußens Bundesgenossenschaft im Spanischen Erbfolgekriege sehr viel liege: „Ihre Majestät von Britannien halte Preußen für Ihren besten Bundesgenossen", daß also England die Nordhäuser Sache gleichgültig sei, daß dagegen das Haus Hannover Stellung gegen Preußen nehme, weil es seine Truppen nicht aus der Reichsstadt herausgenvmmen habe, nachdem Celle Hildesheim verlassen habe. Aehnlich wie Spanheim über England berichtete von Schmettau aus dem Haag über Holland. Schwierigkeiten bereiteten diese Mächte umso weniger, als soeben am 2. Juli 1704 die Verbündeten mit Hilse Preußens den ersten großen Sieg „an der Donau" über die Franzosen erfochten hätten.<ref>Gemeint ist die Schlacht bei Höchstädt.</ref>
   
   
Bei diesen im allgemeinen recht günstigen Nachrichten brauchte sich Preußen nicht davon beunruhigen zu lassen, daß Hannover in Wien weiter gegen den Rivalen arbeitete und auch nach Preußen hin wissen ließ, es werde nicht nur selbst Widerstand leisten, sondern auch den Niedersächsischen Kreis mobil machen, da neben Nordhausen auch Mühlhausen und Goslar von Preußen bedroht seien.<ref>Hannover schrieb am 9. August an den Kaiser: Die zögernde Haltung Wiens habe Preußen übermütig gemacht. Es heiße, daß es zu 3 Kompagnien noch 3 weitere und 100 Dragoner in Nordhausen einrücken laßen wolle, um den Magistrat zu ängstigen. Preußen gebrauche als Vorwand für die Verstärkung daß Hannover Truppen marschieren laste. Daran habe Hannover nie gedacht, es habe alle seine Truppen für Kaiser und Reich fortgeschickt. Der Kaiser solle nun endlich eingreifen. Nordh. Archiv, N. F. 757.</ref>
Bei diesen im allgemeinen recht günstigen Nachrichten brauchte sich Preußen nicht davon beunruhigen zu lassen, daß Hannover in Wien weiter gegen den Rivalen arbeitete und auch nach Preußen hin wissen ließ, es werde nicht nur selbst Widerstand leisten, sondern auch den Niedersächsischen Kreis mobil machen, da neben Nordhausen auch Mühlhausen und Goslar von Preußen bedroht seien.<ref>Hannover schrieb am 9. August an den Kaiser: Die zögernde Haltung Wiens habe Preußen übermütig gemacht. Es heiße, daß es zu 3 Kompagnien noch 3 weitere und 100 Dragoner in Nordhausen einrücken laßen wolle, um den Magistrat zu ängstigen. Preußen gebrauche als Vorwand für die Verstärkung daß Hannover Truppen marschieren laste. Daran habe Hannover nie gedacht, es habe alle seine Truppen für Kaiser und Reich fortgeschickt. Der Kaiser solle nun endlich eingreifen. Nordh. Archiv, N. F. 757.</ref>
Zeile 221: Zeile 221:
Als Instruktion für sein Verhalten bekam Röpenack folgende Anweisung: Er habe beide Aemter zu übernehmen und auszuüben; auch die geistliche Gerichtsbarkeit liege in seinen Händen. Er könne Ratsherrn und Bürger ohne Unterschied vor die Gerichte ziehen. Die Exekution in Kriminalsachen habe er vor dem Rathause vor- zunehmen. Wenn er Widerstand finde, solle er das Militär in Anspruch nehmen. Alle Ausschreibungen geschähen sortan im Namen Gottes des Allmächtigen, von wegen des Heiligen Römischen Reiches und von wegen Ihrer Kgl. Majestät in Preußen. Er habe ferner das Patronat über die Zünfte zu übernehmen und Erkundigungen einzuziehen, ob nicht auch das Patronat über die Geistlichkeit, die Schule und die Spitäler möglich sei. Das gesamte Zollwesen und den Scheffelpfennig solle er übernehmen, Eingriffe des Rates nicht dulden, sondern jeden Widerstand mit Arrest bestrafen.
Als Instruktion für sein Verhalten bekam Röpenack folgende Anweisung: Er habe beide Aemter zu übernehmen und auszuüben; auch die geistliche Gerichtsbarkeit liege in seinen Händen. Er könne Ratsherrn und Bürger ohne Unterschied vor die Gerichte ziehen. Die Exekution in Kriminalsachen habe er vor dem Rathause vor- zunehmen. Wenn er Widerstand finde, solle er das Militär in Anspruch nehmen. Alle Ausschreibungen geschähen sortan im Namen Gottes des Allmächtigen, von wegen des Heiligen Römischen Reiches und von wegen Ihrer Kgl. Majestät in Preußen. Er habe ferner das Patronat über die Zünfte zu übernehmen und Erkundigungen einzuziehen, ob nicht auch das Patronat über die Geistlichkeit, die Schule und die Spitäler möglich sei. Das gesamte Zollwesen und den Scheffelpfennig solle er übernehmen, Eingriffe des Rates nicht dulden, sondern jeden Widerstand mit Arrest bestrafen.
   
   
Die Kommission verhandelte vom 2.—9. September in Nordhausen, übernahm am 5. September die Kriminal- und Civilgerichtsbarkeit, am 6. September Zoll und Geleit. Nordhausen unter Anführung von Bürgermeister Paulandt weigerte sich standhaft, das angebotene Geld von 13 215 Talern 12 Groschen an- zunehmen; das Geld mußte in ein Eichenfaß getan werden, das von den Kommissaren versiegelt wurde. Röpenack erhielt seinen Sohn Johann Walter Röpenack als Sekretär für das Civilgericht und hielt am 8. September im Walkenrieder Hof seinen ersten Gerichtstag. Schöppen neben Röpenack waren die beiden preußischen Juristen Joh. Günther Riemann und Franz Heinrich Wachsmuth. Zum Zeichen der Strafgerichtsbarkeit wurden am Walkenrieder Hofe auch zwei Halseisen angebracht, eins nach der Ritterstraße, eins nach dem Neuen Wege hin. Sie wurden von Röpenack selbst in die Mauer gesteckt. Doch Nordhäuser Maurer gaben sich nicht dazu her, die Halseisen einzulassen; ein preußischer Soldat, der Maurergeselle war, mußte das Werk vollbringen. Die Nordhäuser Torwirte weigerten sich, dem Schultheißen über die eingenommenen Zölle Auskunft zu geben, sie wurden abgesetzt und durch Soldaten ersetzt, die nunmehr am Altendorfe, am Siechen-, Sundhäuser-, Töpfer-, Vielen- und Grimmeltore Zolleinnehmer spielten. So wurde Nordhausen mit Gewalt in preußische Verwaltung und Gerichtspflege genommen.<ref>Beilage VI zu Kapitel II. Die Vorgänge in den ersten Tagen des Septembers 1704 in Nordhausen. — Nordh. Archiv N. F. 1764. — Pr. St. a. a. O. — Dresden 2968.</ref>
Die Kommission verhandelte vom 2.—9. September in Nordhausen, übernahm am 5. September die Kriminal- und Civilgerichtsbarkeit, am 6. September Zoll und Geleit. Nordhausen unter Anführung von Bürgermeister Paulandt weigerte sich standhaft, das angebotene Geld von 13 215 Talern 12 Groschen an- zunehmen; das Geld mußte in ein Eichenfaß getan werden, das von den Kommissaren versiegelt wurde. Röpenack erhielt seinen Sohn Johann Walter Röpenack als Sekretär für das Civilgericht und hielt am 8. September im Walkenrieder Hof seinen ersten Gerichtstag. Schöppen neben Röpenack waren die beiden preußischen Juristen Ioh. Günther Riemann und Franz Heinrich Wachsmuth. Zum Zeichen der Strafgerichtsbarkeit wurden am Walkenrieder Hofe auch zwei Halseisen angebracht, eins nach der Ritterstraße, eins nach dem Neuen Wege hin. Sie wurden von Röpenack selbst in die Mauer gesteckt. Doch Nordhäuser Maurer gaben sich nicht dazu her, die Halseisen einzulassen; ein preußischer Soldat, der Maurergeselle war, mußte das Werk vollbringen. Die Nordhäuser Torwirte weigerten sich, dem Schultheißen über die eingenommenen Zölle Auskunft zu geben, sie wurden abgesetzt und durch Soldaten ersetzt, die nunmehr am Altendorfe, am Siechen-, Sundhäuser-, Töpfer-, Vielen- und Grimmeltore Zolleinnehmer spielten. So wurde Nordhausen mit Gewalt in preußische Verwaltung und Gerichtspflege genommen.<ref>Beilage VI zu Kapitel II. Die Vorgänge in den ersten Tagen des Septembers 1704 in Nordhausen. — Nordh. Archiv N. F. 1764. — Pr. St. a. a. O. — Dresden 2968.</ref>
   
   
Röpenack scheute sich nicht, jetzt alle seine Machtbefugnisse zu gebrauchen. Widerstrebenden erging es recht übel. Preußische Soldaten standen bereit, sie vor die Gerichte zu schleppen; in Kellern und Gefängnissen, „darinnen sie fast krepieren müssen“, wurden sie solange gehalten, bis sie das preußische Gericht anerkannten, hohe Geldstrafen wurden verhängt. Die Zollerhöhungen traten in Kraft, und zu den alten zollpflichtigen Waren traten neue hinzu.
Röpenack scheute sich nicht, jetzt alle seine Machtbefugnisse zu gebrauchen. Widerstrebenden erging es recht übel. Preußische Soldaten standen bereit, sie vor die Gerichte zu schleppen; in Kellern und Gefängnissen, „darinnen sie fast krepieren müssen", wurden sie solange gehalten, bis sie das preußische Gericht anerkannten, hohe Geldstrafen wurden verhängt. Die Zollerhöhungen traten in Kraft, und zu den alten zollpflichtigen Waren traten neue hinzu.
   
   
Während Hannover besonders politisch stark an Nordhausen interessiert war, wurde das der Reichsstadt benachbarte Sachsen durch die Zölle vor allem wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen. Dauernd liefen in Dresden Beschwerden der sächsischen Untertanen ein, daß die Nordhäuser Zölle geändert seien „zum Verderb des hiesigen Commercii“. Auch bei Sachsen erregte deshalb das preußische Vorgehen Anstoß.
Während Hannover besonders politisch stark an Nordhausen interessiert war, wurde das der Reichsstadt benachbarte Sachsen durch die Zölle vor allem wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen. Dauernd liefen in Dresden Beschwerden der sächsischen Untertanen ein, daß die Nordhäuser Zölle geändert seien „zum Verderb des hiesigen Commercii“. Auch bei Sachsen erregte deshalb das preußische Vorgehen Anstoß.
Zeile 229: Zeile 229:
Um die Bürgerschaft zu beruhigen und sich den neuen Zustand der Dinge einspielen zu lassen, nahm Preußen im Laufe des September und Oktober alle neu eingerückten Soldaten aus der Stadt wieder heraus; Herr von Sydo ging im Dezember auf sein Gut zur Erholung. Doch diese Maßnahmen hatten, im Verein mit der feindseligen Haltung Hannovers und Sachsens gegen Preußen, bei der Stadt gerade den entgegengesetzten Erfolg. Nordhausen blieb zu äußerstem Widerstände entschlossen. Die Stadt selbst und ebenso Kurhannover wandten sich alsbald nach der Uebernahme der Aemter an den Kaiser. Kein anderer als der Bürgermeister Frommann gab den Preußen darüber Auskunft. Der Charakter dieses alten, nunmehr bald neunzigjährigen Mannes, der sicher seine Verdienste um die Vaterstadt hatte, erscheint bei allen seinen Handlungen und Aeußerungen in merkwürdig gebrochenem Lichte. Daß er sein Amt als Bürgermeister zu seinem Vorteil ausgenuht hatte wie die meisten anderen auch, unterliegt keinem Zweifel, daß er seine überragende Stellung benutzt hatte, um seinen Günstlingen Aemter und Einnahmen zu verschaffen und feine Widersacher niederzuhalten, ist bekannt. Jetzt, bei der preu- sischen Invasion war er derjenige, der dauernd hin und her wechselte. An den Kommissionsverhandlungen hatte er, angeblich wegen seines Alters, nicht teilgenommen, hatte aber den Rat gegeben, bis zum äußersten zu widerstehen. Bald danach verriet er dem Obersten von Sydo bei einem Besuche, den dieser ihm ab- stattete, daß der Rat an den Kaiser geschrieben habe. Dann bat er den Obersten, er möchte in Berlin auf einen Vergleich hinwirken. Das könne vielleicht fo geschehen, daß der preußische Resident in Wien den Kaiser zu diesem Vorschläge veranlasse.<ref>Die Aeußerung Frommanns wurde von Berlin auch an Bartholdi in Wien weitergegeben und täuschte dort den preußischen Gesandten, der dem Reichshofrat von Kirchner vorstellte, er habe Nachricht, daß Nordhausen selbst einen Vergleich wünsche, wenn Wien dazu rate. Bartholdi mu6te aber von Kirchner erfahren, daß Nordhausen beim Hofrate neuerlich eine weitläufige Schrift gegen Preußen eingereicht habe. — Bericht Bartholdis vom 4. Oktober.</ref>
Um die Bürgerschaft zu beruhigen und sich den neuen Zustand der Dinge einspielen zu lassen, nahm Preußen im Laufe des September und Oktober alle neu eingerückten Soldaten aus der Stadt wieder heraus; Herr von Sydo ging im Dezember auf sein Gut zur Erholung. Doch diese Maßnahmen hatten, im Verein mit der feindseligen Haltung Hannovers und Sachsens gegen Preußen, bei der Stadt gerade den entgegengesetzten Erfolg. Nordhausen blieb zu äußerstem Widerstände entschlossen. Die Stadt selbst und ebenso Kurhannover wandten sich alsbald nach der Uebernahme der Aemter an den Kaiser. Kein anderer als der Bürgermeister Frommann gab den Preußen darüber Auskunft. Der Charakter dieses alten, nunmehr bald neunzigjährigen Mannes, der sicher seine Verdienste um die Vaterstadt hatte, erscheint bei allen seinen Handlungen und Aeußerungen in merkwürdig gebrochenem Lichte. Daß er sein Amt als Bürgermeister zu seinem Vorteil ausgenuht hatte wie die meisten anderen auch, unterliegt keinem Zweifel, daß er seine überragende Stellung benutzt hatte, um seinen Günstlingen Aemter und Einnahmen zu verschaffen und feine Widersacher niederzuhalten, ist bekannt. Jetzt, bei der preu- sischen Invasion war er derjenige, der dauernd hin und her wechselte. An den Kommissionsverhandlungen hatte er, angeblich wegen seines Alters, nicht teilgenommen, hatte aber den Rat gegeben, bis zum äußersten zu widerstehen. Bald danach verriet er dem Obersten von Sydo bei einem Besuche, den dieser ihm ab- stattete, daß der Rat an den Kaiser geschrieben habe. Dann bat er den Obersten, er möchte in Berlin auf einen Vergleich hinwirken. Das könne vielleicht fo geschehen, daß der preußische Resident in Wien den Kaiser zu diesem Vorschläge veranlasse.<ref>Die Aeußerung Frommanns wurde von Berlin auch an Bartholdi in Wien weitergegeben und täuschte dort den preußischen Gesandten, der dem Reichshofrat von Kirchner vorstellte, er habe Nachricht, daß Nordhausen selbst einen Vergleich wünsche, wenn Wien dazu rate. Bartholdi mu6te aber von Kirchner erfahren, daß Nordhausen beim Hofrate neuerlich eine weitläufige Schrift gegen Preußen eingereicht habe. — Bericht Bartholdis vom 4. Oktober.</ref>
   
   
Ganz anders war die Haltung des Nordhäuser Rates, offenbar jetzt unter dem Einflüsse des Rechtsanwaltes und Ratsherrn Joh. Günther Hoffmann, der immer mehr in den Vordergrund trat. Nordhausen dachte gar nicht daran nachzugeben oder an faule Kompromisse, sondern beschwerte sich schon am 15. August beim Kaiser über die neue Einquartierung, und richtete am 2. Oktober eine in energischen Worten gehaltene Bittschrift an den Kaiser, in der die Stadt über die neuen „Attentate“ berichtete und darum bat, der Kaiser möchte, solange sich der Hofrat noch nicht über das Verhältnis Nordhausens zu Preußen geäußert habe, Preußen jede Tätlichkeit verbieten. Als dann die Gerichtssitzungen des Schultheißen Röpenack in Gang kamen, führte die Stadt am 1. November nochmals heftigste Klage über die fortgesetzten Beeinträchtigungen ihrer Gerechtsame, vor allem über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in der von Preußen beliebten Form.
Ganz anders war die Haltung des Nordhäuser Rates, offenbar jetzt unter dem Einflüsse des Rechtsanwaltes und Ratsherrn Ioh. Günther Hoffmann, der immer mehr in den Vordergrund trat. Nordhausen dachte gar nicht daran nachzugeben oder an faule Kompromisse, sondern beschwerte sich schon am 15. August beim Kaiser über die neue Einquartierung, und richtete am 2. Oktober eine in energischen Worten gehaltene Bittschrift an den Kaiser, in der die Stadt über die neuen „Attentate" berichtete und darum bat, der Kaiser möchte, solange sich der Hofrat noch nicht über das Verhältnis Nordhausens zu Preußen geäußert habe, Preußen jede Tätlichkeit verbieten. Als dann die Gerichtssitzungen des Schultheißen Röpenack in Gang kamen, führte die Stadt am 1. November nochmals heftigste Klage über die fortgesetzten Beeinträchtigungen ihrer Gerechtsame, vor allem über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in der von Preußen beliebten Form.
   
   
Diesen Bitten sekundierte Kurfürst Georg Ludwig von Hannover, der am 19. September in den Kaiser drang, gegen Preußen endlich einzuschreiten, und seinen Residenten Erasmus in Wien anwies, „keine Zeit noch Gelegenheit zu versäumen, aller dien- samer Orten aufs nachdrücklichste und beweglichste“ die Not Nordhausens vorzustellen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 2830.</ref> Und wie Nordhausen notariell sämtliche Eingriffe des Schultheißen in feine Rechte festlegen ließ, so unterstützte Hannover die Stadt in der Wahrung ihrer Rechte, indem der Kurfürst alle seine Untertanen am 30. Dezember anwies, bei Streitigkeiten mit Nordhäuser Bürgern nur vor dem Rate in Nordhausen, nicht vor dem preußischen Schultheißen zu klagen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 1764.</ref>
Diesen Bitten sekundierte Kurfürst Georg Ludwig von Hannover, der am 19. September in den Kaiser drang, gegen Preußen endlich einzuschreiten, und seinen Residenten Erasmus in Wien anwies, „keine Zeit noch Gelegenheit zu versäumen, aller dien- samer Orten aufs nachdrücklichste und beweglichste" die Not Nordhausens vorzustellen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 2830.</ref> Und wie Nordhausen notariell sämtliche Eingriffe des Schultheißen in feine Rechte festlegen ließ, so unterstützte Hannover die Stadt in der Wahrung ihrer Rechte, indem der Kurfürst alle seine Untertanen am 30. Dezember anwies, bei Streitigkeiten mit Nordhäuser Bürgern nur vor dem Rate in Nordhausen, nicht vor dem preußischen Schultheißen zu klagen.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 1764.</ref>
   
   
Schließlich, da sich in Wien noch immer nichts für die bedrängte Reichsstadt regte, entschloß sich die Stadt, auch auf Anraten Hannovers, selbst einen Abgesandten nach der Reichshauptstadt zu schicken. Dazu war Joh. Günther Hoffmann ausersehen, der am 21. November eine lehrreiche Instruktion mit auf den Weg bekam. Er sollte beim Reichshofrate vorstellen, daß die preußische Schuhhoheit erzwungen sei, daß jetzt Tag für Tag Gewalttaten geschähen und die vor den Schultheißen Zitierten durch Soldaten vorgeführt würden. Er sollte einen kaiserlichen Befehl gegen Preußen erwirken, daß erstens alles in den vorigen Stand gesetzt würde, daß ferner der Schultheiß sich solange, wie der Streit beim Reiche anhängig sei, jeder Tätigkeit enthalte, und daß drittens sämtliche Truppen die Stadt verließen. Da Nordhausen Preußen die Aemter überhaupt streitig machen wollte, der Hofrat — z. B. von Kirchner — aber den Verkauf Sachsens an Preußen anerkannt hatte, mußte Hoffmann bei heiklen Punkten sehr vorsichtig verfahren. So erhielt Hoffmann die weitere Anweisung: Wenn er gefragt werde, wie es um die Annahme des Wiederkaufsgeldes stehe, so solle er antworten, Wien habe allein die Entscheidung, weil der Prozeß ja noch schwebe und sie als Partei keine Entschließungen fassen dürsten. Aus die Frage, welche Bewandtnis es mit den Juribus aus sich habe, solle er antworten: Nordhausen habe die völlige Immedietät, das jus territoriale nebst dem mero et mixto imperio, in geistlichen und weltlichen Dingen Jurisdiktion, tam civilis quam criminalis, ius collectandi den Scheffelpfennig, freie Verwaltung von Schulen, Kirchen, Klöstern, Hospitälern. Die Stadt lasse ihr Votum in Regensburg führen, gehöre als selbständiges Kreismitglied dem Niedersächsischen Kreise an. — Der Scheffelpfennig sei ein Wegegeld (pedagium) zur Erhaltung von Brücken, Wegen und Stegen, habe nie zum Schulzenamt gehört. Ferner habe Preußen schon 1700 die Zölle erhöht. Das dürfe gemäß der Kapitulation Kaiser Leopolds, Art. 21, nicht geschehen ohne die Einwilligung des Kaisers und des gesamten Kollegiums Electoralis. Schließlich: Wegen des Schutzes solle der Abgesandte betonen, daß sich Nordhausen seit alters seinen Schutzherrn wählen könnte.<ref>Nordh. Arch. N. F. 17. — Ein kaiserliches Edikt vom 4. März 1666 verbot, neue Zölle zu erheben oder alte zu erhöhen, wenn nicht sämtliche Kurfürsten ihre Einwilligung gegeben hätten. Hierauf berief sich Nordhausen.</ref>
Schließlich, da sich in Wien noch immer nichts für die bedrängte Reichsstadt regte, entschloß sich die Stadt, auch auf Anraten Hannovers, selbst einen Abgesandten nach der Reichshauptstadt zu schicken. Dazu war Ioh. Günther Hoffmann ausersehen, der am 21. November eine lehrreiche Instruktion mit auf den Weg bekam. Er sollte beim Reichshofrate vorstellen, daß die preußische Schuhhoheit erzwungen sei, daß jetzt Tag für Tag Gewalttaten geschähen und die vor den Schultheißen Zitierten durch Soldaten vorgeführt würden. Er sollte einen kaiserlichen Befehl gegen Preußen erwirken, daß erstens alles in den vorigen Stand gesetzt würde, daß ferner der Schultheiß sich solange, wie der Streit beim Reiche anhängig sei, jeder Tätigkeit enthalte, und daß drittens sämtliche Truppen die Stadt verließen. Da Nordhausen Preußen die Aemter überhaupt streitig machen wollte, der Hofrat — z. B. von Kirchner — aber den Verkauf Sachsens an Preußen anerkannt hatte, mußte Hoffmann bei heiklen Punkten sehr vorsichtig verfahren. So erhielt Hoffmann die weitere Anweisung: Wenn er gefragt werde, wie es um die Annahme des Wiederkaufsgeldes stehe, so solle er antworten, Wien habe allein die Entscheidung, weil der Prozeß ja noch schwebe und sie als Partei keine Entschließungen fassen dürsten. Aus die Frage, welche Bewandtnis es mit den Juribus aus sich habe, solle er antworten: Nordhausen habe die völlige Immedietät, das jus territoriale nebst dem mero et mixto imperio, in geistlichen und weltlichen Dingen Jurisdiktion, tam civilis quam criminalis, ius collectandi den Scheffelpfennig, freie Verwaltung von Schulen, Kirchen, Klöstern, Hospitälern. Die Stadt lasse ihr Votum in Regensburg führen, gehöre als selbständiges Kreismitglied dem Niedersächsischen Kreise an. — Der Scheffelpfennig sei ein Wegegeld (pedagium) zur Erhaltung von Brücken, Wegen und Stegen, habe nie zum Schulzenamt gehört. Ferner habe Preußen schon 1700 die Zölle erhöht. Das dürfe gemäß der Kapitulation Kaiser Leopolds, Art. 21, nicht geschehen ohne die Einwilligung des Kaisers und des gesamten Kollegiums Electoralis. Schließlich: Wegen des Schutzes solle der Abgesandte betonen, daß sich Nordhausen seit alters seinen Schutzherrn wählen könnte.<ref>Nordh. Arch. N. F. 17. — Ein kaiserliches Edikt vom 4. März 1666 verbot, neue Zölle zu erheben oder alte zu erhöhen, wenn nicht sämtliche Kurfürsten ihre Einwilligung gegeben hätten. Hierauf berief sich Nordhausen.</ref>
   
   
In Wien selbst übergab Hoffmann, abgesehen davon, daß er ganz allgemein für seine Heimatstadt eintrat, noch eine besondere Schrift über die wirtschaftlichen Belange Nordhausens, die durch die preußischen Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen waren. In dieser Schrift war besonders dargelegt, daß der Scheffelpfennig nie zum Schulzenamte gehört habe, sondern ein Wegegeld sei, daß er deshalb auch von der Stadt und nicht von Preußen vereinnahmt werden dürfe; ferner wurde gegen die Zollerhöhungen protestiert.
In Wien selbst übergab Hoffmann, abgesehen davon, daß er ganz allgemein für seine Heimatstadt eintrat, noch eine besondere Schrift über die wirtschaftlichen Belange Nordhausens, die durch die preußischen Maßnahmen in Mitleidenschaft gezogen waren. In dieser Schrift war besonders dargelegt, daß der Scheffelpfennig nie zum Schulzenamte gehört habe, sondern ein Wegegeld sei, daß er deshalb auch von der Stadt und nicht von Preußen vereinnahmt werden dürfe; ferner wurde gegen die Zollerhöhungen protestiert.
Zeile 241: Zeile 241:
Den paar preußischen Beamten in Nordhausen und an ihrer Spitze dem Schultheißen Röpenack wurde wahrhaftig das Leben sauer gemacht.
Den paar preußischen Beamten in Nordhausen und an ihrer Spitze dem Schultheißen Röpenack wurde wahrhaftig das Leben sauer gemacht.
   
   
Der preußische König und seine Ratgeber aber ließen sich jetzt nicht mehr von dem einmal beschrittenen Wege abbringen. Im Gegenteil: Geheimrat von Lüdecke erhielt am 27. September zwar des Königs Dank für seine Tätigkeit in Nordhausen, doch hieß der König es nicht recht, daß er aus Entgegenkommen auf das ius ecclesiasticum verzichtet habe. Ferner erging unter dem 12. Dezember eine energische Mahnung des Königs an den Rat, dem Schultheißen alle Prozeßakten auszuliesern und zu triuni ressiiin, dem 6. Januar, wo die Bürgerschaft dem Rate den Treueid leistete, nicht daraus zu bestehen, daß die Bürger nach alter Weise schwören müßten, daß sie vor niemandem als dem Rate Recht suchten. Wenn der Rat diese Eidesformel nicht ab- ändere, „so haben wir bereits solche Vorsehung getan, daß Euch der Gebühr nach begegnet werden soll“. Dagegen wandten sich wiederum am 18. Dezember die Nordhäuser: Ihre „in Münchschrift vorhandenen Statuten bewiesen ihre Rechte; im übrigen wollten sie alles dem Kaiser anheimstellen.“<ref>Pr. St. a. a. O…</ref>
Der preußische König und seine Ratgeber aber ließen sich jetzt nicht mehr von dem einmal beschrittenen Wege abbringen. Im Gegenteil: Geheimrat von Lüdecke erhielt am 27. September zwar des Königs Dank für seine Tätigkeit in Nordhausen, doch hieß der König es nicht recht, daß er aus Entgegenkommen auf das ius ecclesiasticum verzichtet habe. Ferner erging unter dem 12. Dezember eine energische Mahnung des Königs an den Rat, dem Schultheißen alle Prozeßakten auszuliesern und zu triuni ressiiin, dem 6. Januar, wo die Bürgerschaft dem Rate den Treueid leistete, nicht daraus zu bestehen, daß die Bürger nach alter Weise schwören müßten, daß sie vor niemandem als dem Rate Recht suchten. Wenn der Rat diese Eidesformel nicht ab- ändere, „so haben wir bereits solche Vorsehung getan, daß Euch der Gebühr nach begegnet werden soll“. Dagegen wandten sich wiederum am 18. Dezember die Nordhäuser: Ihre „in Münchschrift vorhandenen . . . Statuten bewiesen ihre Rechte; im übrigen wollten sie alles dem Kaiser anheimstellen.“<ref>Pr. St. a. a. O. . . .</ref>
   
   
Darüber daß mit der Uebergabe der Aemter an Röpenack der Widerstand der Stadt noch nicht gebrochen sei, war sich Preußen selbst im klaren. Es war deshalb zunächst darauf bedacht, die Organisation seines Gerichtswesens in Nordhausen auszu- bauen. Dazu wurde wiederum Thomasius berufen, und dieser bat, den Obersten von Sydo, der ein „Mann von klugem Nachsinnen“ sei, zugleich mit ihm nach Berlin zu berufen. Beide weilten im Oktober in Berlin, wo Thomasius seine Gerichtsverfassung und Prozeßordnung für Nordhausen ausarbeitete. Mancherlei Anfragen bei Röpenack in Nordhausen und Lüdecke in Quedlinburg waren dazu nötig.
Darüber daß mit der Uebergabe der Aemter an Röpenack der Widerstand der Stadt noch nicht gebrochen sei, war sich Preußen selbst im klaren. Es war deshalb zunächst darauf bedacht, die Organisation seines Gerichtswesens in Nordhausen auszu- bauen. Dazu wurde wiederum Thomasius berufen, und dieser bat, den Obersten von Sydo, der ein „Mann von klugem Nachsinnen" sei, zugleich mit ihm nach Berlin zu berufen. Beide weilten im Oktober in Berlin, wo Thomasius seine Gerichtsverfassung und Prozeßordnung für Nordhausen ausarbeitete. Mancherlei Anfragen bei Röpenack in Nordhausen und Lüdecke in Quedlinburg waren dazu nötig.
   
   
Thomasius schlug nun für Nordhausen ein reichsvogteiliches Obergericht oder Appellationsgericht vor, das mit einem Direktor und vier Assessoren besetzt werden sollte. Der König sollte den Direktor und einen Assessor berufen, die Wahl der drei anderen Assessoren sollte dem Rate zustehen. Dieses Obergericht sollte als Berusungsinstanz für die niederen Gerichte im Jahre zweimal 8 Tage tagen. Von dem Gerichte sollte noch an den Kaiser appelliert werden dürfen, aber nur nach Hinterlegung einer Summe von 5—100 Talern, die verfallen wären, wenn keine sententia reformatoria zu erhalten gewesen sei.
Thomasius schlug nun für Nordhausen ein reichsvogteiliches Obergericht oder Appellationsgericht vor, das mit einem Direktor und vier Assessoren besetzt werden sollte. Der König sollte den Direktor und einen Assessor berufen, die Wahl der drei anderen Assessoren sollte dem Rate zustehen. Dieses Obergericht sollte als Berusungsinstanz für die niederen Gerichte im Jahre zweimal 8 Tage tagen. Von dem Gerichte sollte noch an den Kaiser appelliert werden dürfen, aber nur nach Hinterlegung einer Summe von 5—100 Talern, die verfallen wären, wenn keine sententia reformatoria zu erhalten gewesen sei.
Zeile 249: Zeile 249:
Unter dem Obergericht sollte das Schulzengericht stehen, dessen Vorsitzenden der König in Preußen ernenne, zu dessen beiden Beisitzern aber der Rat dem Könige 4 tüchtige Ratspersonen präsentieren sollte, von denen dann zwei in Berlin ausgewählt werden sollten. Die Kommission habe im September 1704 die Beisitzer nur ernannt, weil der Rat bisher jede Mitarbeit verweigert habe.
Unter dem Obergericht sollte das Schulzengericht stehen, dessen Vorsitzenden der König in Preußen ernenne, zu dessen beiden Beisitzern aber der Rat dem Könige 4 tüchtige Ratspersonen präsentieren sollte, von denen dann zwei in Berlin ausgewählt werden sollten. Die Kommission habe im September 1704 die Beisitzer nur ernannt, weil der Rat bisher jede Mitarbeit verweigert habe.
   
   
Thomasius schlug also für die kleine Reichsstadt eine recht umständliche und kostspielige Organisation vor. Lüdecke stimmte zu, Röpenack dagegen erhob Bedenken. Vielleicht tat er das nur, weil er von einem Appellationsgericht in Nordhausen, dessen Direktor nicht er selbst wurde, eine persönliche Beeinträchtigung befürchtete. Doch war sein Einspruch auch sachlich berechtigt: Die Thomasiussche Rechtsverfassung war zu kompliziert, und Preußen konnte es sich nicht leisten, eine derartig großzügige Organisation aufzubauen, solange seine Ansprüche auf die Stadt noch nicht völlig gesichert waren. Mit Recht betonte Röpenack, Thomasius habe sein Gericht ex iure et observantia Germaniae deduciert, wogegen der Rat sogleich protestieren werde, da für ihn das Reichsgericht die einzige Appellationsinstanz sei. Röpenack forderte deshalb Aufschub für die Ausführung des Planes. Tatsächlich ist dann auch aus dem Vorschläge des Hallischen Rechtsgelehrten nichts geworden.<ref>Pr. St. a. a. O. Neben der Gerichtsordnung des Thomasius finden sich von ihm eine Unmenge Betrachtungen Nordhäuser Verhältnisse und praktische Ratschläge. So heißt es über Harprecht, er sei Nordhausens geschicktester Mann, mäste aber verschwinden, weil er dem Rate und der Bürgerschaft verhaßt sei. Man solle ihn in Preußen unterbringen; damit werde die Stadt ihrer besten Stütze beraubt. — Der beste Prediger sei Titius, der für Preuüen schon halb gewonnen sei; man müsse diesen Mann im Auge behalten. Titius war der Sohn des bedeutenden Syndikus Ivh. Titius, also der Bruder des Sekretärs Titius und des damals hochberühmten Rechtsgelehrten Gottlieb Gerhard Titius, eines Schülers und Freundes des Thomasius. Der Pastor Titius ging 1706 an die Ulrichskirche nach Magdeburg. — Thomasius äußert sich weiter: Pastor prirnurius Joh. Nik. Rohrmann habe einer Weibsperson im Beichtstuhl Unzucht zugemutet. Weil er aber mit einem Bürgermeister nahe verwandt sei, sei die Frau „festgesetzt und spargiert worden, als ob sie nicht recht bei Sinnen.“ Dieser Rohrmann müsse deshalb für den Rat gegen Preußen eintreten. Gegen ihn könne nun aber das Obergericht vorgehen.</ref>
Thomasius schlug also für die kleine Reichsstadt eine recht umständliche und kostspielige Organisation vor. Lüdecke stimmte zu, Röpenack dagegen erhob Bedenken. Vielleicht tat er das nur, weil er von einem Appellationsgericht in Nordhausen, dessen Direktor nicht er selbst wurde, eine persönliche Beeinträchtigung befürchtete. Doch war sein Einspruch auch sachlich berechtigt: Die Thomasiussche Rechtsverfassung war zu kompliziert, und Preußen konnte es sich nicht leisten, eine derartig großzügige Organisation aufzubauen, solange seine Ansprüche auf die Stadt noch nicht völlig gesichert waren. Mit Recht betonte Röpenack, Thomasius habe sein Gericht ex iure et observantia Germaniae deduciert, wogegen der Rat sogleich protestieren werde, da für ihn das Reichsgericht die einzige Appellationsinstanz sei. Röpenack forderte deshalb Aufschub für die Ausführung des Planes. Tatsächlich ist dann auch aus dem Vorschläge des Hallischen Rechtsgelehrten nichts geworden.<ref>Pr. St. a. a. O. Neben der Gerichtsordnung des Thomasius finden sich von ihm eine Unmenge Betrachtungen Nordhäuser Verhältnisse und praktische Ratschläge. So heißt es über Harprecht, er sei Nordhausens geschicktester Mann, mäste aber verschwinden, weil er dem Rate und der Bürgerschaft verhaßt sei. Man solle ihn in Preußen unterbringen; damit werde die Stadt ihrer besten Stütze beraubt. — Der beste Prediger sei Titius, der für Preuüen schon halb gewonnen sei; man müsse diesen Mann im Auge behalten. Titius war der Sohn des bedeutenden Syndikus Ivh. Titius, also der Bruder des Sekretärs Titius und des damals hochberühmten Rechtsgelehrten Gottlieb Gerhard Titius, eines Schülers und Freundes des Thomasius. Der Pastor Titius ging 1706 an die Ulrichskirche nach Magdeburg. — Thomasius äußert sich weiter: Pastor prirnurius Ioh. Nik. Rohrmann habe einer Weibsperson im Beichtstuhl Unzucht zugemutet. Weil er aber mit einem Bürgermeister nahe verwandt sei, sei die Frau „festgesetzt und spargiert worden, als ob sie nicht recht bei Sinnen.“ Dieser Rohrmann müsse deshalb für den Rat gegen Preußen eintreten. Gegen ihn könne nun aber das Obergericht vorgehen.</ref>
   
   
Dennoch ist deutlich sichtbar, wie Preußen seine Stellung in der Stadt zu festigen bestrebt ist. Die Haltung beider Parteien aber, Preußens wie Nordhausens, läßt erkennen, daß höchste Spannungen in der Weihnachtszeit des Jahres 1704 vorhanden waren. Rein äußerlich mußte der Zusammenprall dadurch gegeben sein, daß einerseits Preußen endlich die Annahme der Gelder erzwingen und am 6. Januar 1705 auf keinen Fall den Bürgereid in der alten Form zulassen wollte, daß andererseits der Kaiser und der Reichshofrat durch den Nordhäuser Abgesandten Hoffmann zu energischem Eingreifen gedrängt wurden.
Dennoch ist deutlich sichtbar, wie Preußen seine Stellung in der Stadt zu festigen bestrebt ist. Die Haltung beider Parteien aber, Preußens wie Nordhausens, läßt erkennen, daß höchste Spannungen in der Weihnachtszeit des Jahres 1704 vorhanden waren. Rein äußerlich mußte der Zusammenprall dadurch gegeben sein, daß einerseits Preußen endlich die Annahme der Gelder erzwingen und am 6. Januar 1705 auf keinen Fall den Bürgereid in der alten Form zulassen wollte, daß andererseits der Kaiser und der Reichshofrat durch den Nordhäuser Abgesandten Hoffmann zu energischem Eingreifen gedrängt wurden.
Zeile 255: Zeile 255:
Wegen der Gelder, die noch immer in einem großen eichenen Fasse verpackt und von einem Posten bewacht dalagen, hatte Röpenack schon am 29. November angesragt und am 11. Dezember den seltsamen Bescheid bekommen, er und der Oberst von Sydo sollten Militär bereithalten, das zuspringen sollte, wenn die Ratsherrn aus das Rathaus gingen und die Rathauspsorte gerade ossenstände. Die Soldaten sollten dann die Tür mit Gewalt offenhalten, bis das Geld in das Rathaus geschasst sei. Dieser Beseht wurde aber nicht sogleich ausgesührt, weil Sydo in Urlaub weilte, und am 29. Dezember kam die Anweisung, mit der Ausführung bis nach dem 7. Januar 1705, d. h. bis nach dem kritischen Tage der Ratswahl zu warten.
Wegen der Gelder, die noch immer in einem großen eichenen Fasse verpackt und von einem Posten bewacht dalagen, hatte Röpenack schon am 29. November angesragt und am 11. Dezember den seltsamen Bescheid bekommen, er und der Oberst von Sydo sollten Militär bereithalten, das zuspringen sollte, wenn die Ratsherrn aus das Rathaus gingen und die Rathauspsorte gerade ossenstände. Die Soldaten sollten dann die Tür mit Gewalt offenhalten, bis das Geld in das Rathaus geschasst sei. Dieser Beseht wurde aber nicht sogleich ausgesührt, weil Sydo in Urlaub weilte, und am 29. Dezember kam die Anweisung, mit der Ausführung bis nach dem 7. Januar 1705, d. h. bis nach dem kritischen Tage der Ratswahl zu warten.
   
   
Wegen der Auslassung der Worte im Bürgereide „an keinem anderen Orte als vor Uns, dem Rate, zu klagen und Justiz zu suchen“ hatte der König mehrfach an Nordhausen geschrieben, der Rat hatte sich aber am 18. Dezember geweigert, die seit alters gebräuchliche Eidesformel abzuändern. Im Gegenteil, die Stadt sah die beanstandeten Worte in dem Eide als einen Beweis dafür an, daß der Rat die Jurisdiktion von jeher gehabt habe. Am 25. Dezember sandte dann Röpenack nochmals einen Notar an Bürgermeister Paulandt mit der Nachfrage, was die Nordhäuser am 6. Januar zu tun gedächten und ob sie nun gewillt seien, dem Könige von Preußen das Homagium zu leisten. Paulandt erteilte die Antwort, sie hätten vom Kaiser keine Anweisung erhalten.
Wegen der Auslassung der Worte im Bürgereide „an keinem anderen Orte als vor Uns, dem Rate, zu klagen und Justiz zu suchen" hatte der König mehrfach an Nordhausen geschrieben, der Rat hatte sich aber am 18. Dezember geweigert, die seit alters gebräuchliche Eidesformel abzuändern. Im Gegenteil, die Stadt sah die beanstandeten Worte in dem Eide als einen Beweis dafür an, daß der Rat die Jurisdiktion von jeher gehabt habe. Am 25. Dezember sandte dann Röpenack nochmals einen Notar an Bürgermeister Paulandt mit der Nachfrage, was die Nordhäuser am 6. Januar zu tun gedächten und ob sie nun gewillt seien, dem Könige von Preußen das Homagium zu leisten. Paulandt erteilte die Antwort, sie hätten vom Kaiser keine Anweisung erhalten.
   
   
Bei dieser Haltung der Stadt hielten es die maßgebenden Kreise in Berlin für angebracht, in einem Königlichen Edikt an Nordhausen nochmals die Rechte Preußens und die Beweggründe für sein Handeln der Nordhäuser Bürgerschaft darzulegen. Die Vorarbeit für dieses Edikt hatte die gewandte Feder des Christian Thomasius geleistet, der schon Anfang November den Auftrag dafür erhalten und am 18. November sein Konzept an den Grasen von Wartenberg eingereicht hatte. Das dann unter Cölln, den 23. Dezember herausgegangene Edikt, gez. Friedrich — Graf von Wartenberg, stimmt in großen Teilen mit dem Vorschläge des Thomasius überein. Es wurde gedruckt und ist noch heute in vielen Exemplaren vorhanden. In dem Erlasse wird zunächst scharf Stellung gegen den Rat genommen, der des Königs Geduld mißbrauche. Bürger, die ihr Recht vor dem preußischen Schultheißen suchten, würden eingeschüchtert und mit Strafen bedroht. Der Rat selbst komme bei Röpenack mit nichtigen Protesten ein. Fortan werde gegen dergleichen „Turbatores“ mit gehöriger Ahndung verfahren. Dann folgt eine von Thomasius übernommene sehr eindrucksvolle Stelle: „Wir wollen hierdurch alle und jede, denen es wegen ihrer Reichs Freiheit ein Ernst ist, erinnert haben, wohl zu beherzigen und zu erwägen, daß dieselbe fürnehmlich darinnen bestehe, wann ein jedweder, auch der ärmste und geringste Bürger sich getrosten kann, daß ihm ohne Ansehen der Person sowohl wider Vornehme oder Niedere bei täglich vorkommenden Fällen unparteiische Justiz werde administriert werden, und daß hingegen … bekannt, wie zum öfteren Mächtigere in einer Stadt mit dem Namen der Freiheit spielen und für sich selbst zwar eine unbeschränkte Freiheit gebrauchen, ihre Mitbürger unter dem Schein der Gerechtigkeit oder auch wohl ohne Scheu durch offenbare Gewalt unterdrücken…“ Danach geht das Edikt darauf ein, wie Preußen die Gerichtshöfe zu besetzen gedenke und daß bei der Wahl der Beisitzer Nordhausen nicht ausgeschaltet sein solle. Beschwerden dürften ruhig vorgebracht werden; die Reichsfreiheit werde nicht gekränkt, sondern beschützt. Dann sollten aber auch sie, die Nordhäuser, allen „widrigen Machinationen“ entgegentreten. Dem Magistrate hätte wohl obgelegen, „dasjenige, was zwischen Uns und der Stadt bisher traktiert worden, mit Euch, der ganzen Bürgerschaft, zu überlegen und euer Gutachten darüber einzuholen, dieses aber gleichwohl nicht geschehen…, sondern von etlichen wenigen Personen, welche einige seither das Regiment allein an sich gezogen und auf allerhand Weise eure als freien Reichsbürgern zustehende Freiheit zu schwächen getrachtet, alles geschlossen und traktieret worden.“ Der König überlasse es dem Nachsinnen der Bürger, ob es jetzt nicht Zeit sei, diesen bisher allein herrschenden Leuten das Handwerk zu legen und dahin zu arbeiten, „daß die bisher gekränkte Regimentsform… wiederum auf den alten Fuß gesetzt werden möge.“
Bei dieser Haltung der Stadt hielten es die maßgebenden Kreise in Berlin für angebracht, in einem Königlichen Edikt an Nordhausen nochmals die Rechte Preußens und die Beweggründe für sein Handeln der Nordhäuser Bürgerschaft darzulegen. Die Vorarbeit für dieses Edikt hatte die gewandte Feder des Christian Thomasius geleistet, der schon Anfang November den Auftrag dafür erhalten und am 18. November sein Konzept an den Grasen von Wartenberg eingereicht hatte. Das dann unter Cölln, den 23. Dezember herausgegangene Edikt, gez. Friedrich — Graf von Wartenberg, stimmt in großen Teilen mit dem Vorschläge des Thomasius überein. Es wurde gedruckt und ist noch heute in vielen Exemplaren vorhanden. In dem Erlasse wird zunächst scharf Stellung gegen den Rat genommen, der des Königs Geduld mißbrauche. Bürger, die ihr Recht vor dem preußischen Schultheißen suchten, würden eingeschüchtert und mit Strafen bedroht. Der Rat selbst komme bei Röpenack mit nichtigen Protesten ein. Fortan werde gegen dergleichen „Turbatores" mit gehöriger Ahndung verfahren. Dann folgt eine von Thomasius übernommene sehr eindrucksvolle Stelle: „Wir wollen hierdurch alle und jede, denen es wegen ihrer Reichs Freiheit ein Ernst ist, erinnert haben, wohl zu beherzigen und zu erwägen, daß dieselbe fürnehmlich darinnen bestehe, wann ein jedweder, auch der ärmste und geringste Bürger sich getrosten kann, daß ihm ohne Ansehen der Person sowohl wider Vornehme oder Niedere bei täglich vorkommenden Fällen unparteiische Justiz werde administriert werden, und daß hingegen … bekannt, wie zum öfteren Mächtigere in einer Stadt mit dem Namen der Freiheit spielen und für sich selbst zwar eine unbeschränkte Freiheit gebrauchen, ihre Mitbürger unter dem Schein der Gerechtigkeit oder auch wohl ohne Scheu durch offenbare Gewalt unterdrücken…" Danach geht das Edikt darauf ein, wie Preußen die Gerichtshöfe zu besetzen gedenke und daß bei der Wahl der Beisitzer Nordhausen nicht ausgeschaltet sein solle. Beschwerden dürften ruhig vorgebracht werden; die Reichsfreiheit werde nicht gekränkt, sondern beschützt. Dann sollten aber auch sie, die Nordhäuser, allen „widrigen Machinationen" entgegentreten. Dem Magistrate hätte wohl obgelegen, „dasjenige, was zwischen Uns und der Stadt bisher traktiert worden, mit Euch, der ganzen Bürgerschaft, zu überlegen und euer Gutachten darüber einzuholen, dieses aber gleichwohl nicht geschehen…, sondern von etlichen wenigen Personen, welche einige seither das Regiment allein an sich gezogen und auf allerhand Weise eure als freien Reichsbürgern zustehende Freiheit zu schwächen getrachtet, alles geschlossen und traktieret worden.“ Der König überlasse es dem Nachsinnen der Bürger, ob es jetzt nicht Zeit sei, diesen bisher allein herrschenden Leuten das Handwerk zu legen und dahin zu arbeiten, „daß die bisher gekränkte Regimentsform… wiederum auf den alten Fuß gesetzt werden möge.“
   
   
Am 29. Dezember erging eine neue Botschaft an die Bürger, sie sollten sich nicht zu dem Eide am Ratswahltage, dem 6. Januar, drängen lassen. Werde dieser Eid geschworen, so seien sie schon jetzt davon entbunden.<ref>Nordh. Archiv Sa. 5.</ref>
Am 29. Dezember erging eine neue Botschaft an die Bürger, sie sollten sich nicht zu dem Eide am Ratswahltage, dem 6. Januar, drängen lassen. Werde dieser Eid geschworen, so seien sie schon jetzt davon entbunden.<ref>Nordh. Archiv Sa. 5.</ref>
   
   
Ein gewisser Langmut und ein öfteres Einlenken und Entgegenkommen ist Preußen nicht abzusprechen, wenn auch unbestreitbar ist, daß es seine Rechte über Nordhausen viel zu weit zog und von der viel berufenen Immedietät nichts übrig geblieben wäre, wenn sich Preußen durchgesetzt hätte. Die Gegenwirkungen kamen diesmal vor allem aus Wien, wo Hoffmann für Nordhausen ein ganz anderer Sachwalter war als der Agent Koch, der denjenigen am besten vertrat, von dem er die meisten Gelder bezog. Auf Hoffmanns Vorstellungen ist es zurückzuführen, daß unter dem 20. Dezember 1704 ein Schreiben des Kaisers mit beigefügtem Mandatum Caesarei an die Stadt und eine „gemessene Abmahnung“ an Preußen ging. Der Kaiser zeigt sich mit dem Verhalten Nordhausens völlig einverstanden und befiehlt dem Rate, „daß Ihr in Eurem bisherigen rühmlichen Eifer und guten Vorhaben zu des allgemeinen von Uns Euch anvertrauten Stadtwesens Besten und Conservation derselben notorischen Immedietät continuieret und zu Praejudiz ein oder anderen desselben ohne unser Vorwissen und gnädigste Bewilligung Euch in keine Traktaten einlasset.“ Das „nebengehende Patent“ sollen sie sofort „gehörigen Ortes publicieren und zu männiglicher Wissenschaft in der Stadt bringen.“
Ein gewisser Langmut und ein öfteres Einlenken und Entgegenkommen ist Preußen nicht abzusprechen, wenn auch unbestreitbar ist, daß es seine Rechte über Nordhausen viel zu weit zog und von der viel berufenen Immedietät nichts übrig geblieben wäre, wenn sich Preußen durchgesetzt hätte. Die Gegenwirkungen kamen diesmal vor allem aus Wien, wo Hoffmann für Nordhausen ein ganz anderer Sachwalter war als der Agent Koch, der denjenigen am besten vertrat, von dem er die meisten Gelder bezog. Auf Hoffmanns Vorstellungen ist es zurückzuführen, daß unter dem 20. Dezember 1704 ein Schreiben des Kaisers mit beigefügtem Mandatum Caesarei an die Stadt und eine „gemessene Abmahnung" an Preußen ging. Der Kaiser zeigt sich mit dem Verhalten Nordhausens völlig einverstanden und befiehlt dem Rate, „daß Ihr in Eurem bisherigen rühmlichen Eifer und guten Vorhaben zu des allgemeinen von Uns Euch anvertrauten Stadtwesens Besten und Conservation derselben notorischen Immedietät continuieret und zu Praejudiz ein oder anderen desselben ohne unser Vorwissen und gnädigste Bewilligung Euch in keine Traktaten einlasset.“ Das „nebengehende Patent" sollen sie sofort „gehörigen Ortes publicieren und zu männiglicher Wissenschaft in der Stadt bringen.“
   
   
In dem Schreiben an König Friedrich in Preußen wurde vom Kaiser der mit Kursachsen geschlossene Kontrakt für mangelhaft, die erhandelten Jura für illiquid erklärt. Die Räumung der Stadt wurde befohlen.
In dem Schreiben an König Friedrich in Preußen wurde vom Kaiser der mit Kursachsen geschlossene Kontrakt für mangelhaft, die erhandelten Jura für illiquid erklärt. Die Räumung der Stadt wurde befohlen.
Zeile 281: Zeile 281:
Am 6. Februar 1705 erfolgte dann der schon lange gefürchtete Gewaltstreich. Wie es schon im November 1704 von Berlin empfohlen war, ließ Sydo das Rathaus durch Militär gewaltsam öffnen, die Zugänge mit Doppelposten besetzen, im Innern Türen und Kisten aufbrechen und alle Akten, die Röpenack als für sich von Wert bezeichnete, herausholen. Ganze Wagenladungen von Aktenbündeln wurden nach dem Walkenrieder Hofe abgefahren. Damit hatte Röpenack die Unterlagen für die Fortsetzung der Prozesse in der Hand. Doch merkte er bald, daß noch immer einiges fehlte. Er vermutete die fehlenden Aktenstücke, da der Syndikus Harprecht nicht mehr amtierte, im Hause des Sekretärs Heidenreich, der sich deshalb zwei Haussuchungen gefallen lassen mußte.
Am 6. Februar 1705 erfolgte dann der schon lange gefürchtete Gewaltstreich. Wie es schon im November 1704 von Berlin empfohlen war, ließ Sydo das Rathaus durch Militär gewaltsam öffnen, die Zugänge mit Doppelposten besetzen, im Innern Türen und Kisten aufbrechen und alle Akten, die Röpenack als für sich von Wert bezeichnete, herausholen. Ganze Wagenladungen von Aktenbündeln wurden nach dem Walkenrieder Hofe abgefahren. Damit hatte Röpenack die Unterlagen für die Fortsetzung der Prozesse in der Hand. Doch merkte er bald, daß noch immer einiges fehlte. Er vermutete die fehlenden Aktenstücke, da der Syndikus Harprecht nicht mehr amtierte, im Hause des Sekretärs Heidenreich, der sich deshalb zwei Haussuchungen gefallen lassen mußte.
   
   
Die 13 000 Taler Wiederkaufsgelder aber, die seit den Septemberverhandlungen des Vorjahres, von einem preußischen Posten bewacht, dagelegen hatten, wurden dem Magistrat nunmehr nochmals angeboten. Sydo schickte zwei Fähnriche zu dem worthalten- den Bürgermeister Weber und verlangte von diesem die Annahme. Dieser verweigerte sie und betonte, der Kaiser habe seiner Reichsstadt geboten, sich auf nichts einzulassen, auch kein Geld anzunehmen, auch auf dem Walkenrieder Hofe vor dem preußischen Schultheißen nicht zu klagen. Nordhausen sei eine kaiserliche Stadt. Darauf ließ sich einer der Fähnriche vernehmen: Es werde nun nicht mehr „kaiserlich“ heißen.<ref>Nordh. Archiv, N.F. 597.</ref> Sydo aber blieb nach dieser Weigerung Webers nichts anderes übrig, als die guten blanken Taler, die keiner haben wollte, in ihrem Eichenfaß verpackt in das Rathaus rollen und in den Kämmereikasten stecken zu lassen. Hier blieb das Geld unangetastet bis zum Jahre 1715.
Die 13 000 Taler Wiederkaufsgelder aber, die seit den Septemberverhandlungen des Vorjahres, von einem preußischen Posten bewacht, dagelegen hatten, wurden dem Magistrat nunmehr nochmals angeboten. Sydo schickte zwei Fähnriche zu dem worthalten- den Bürgermeister Weber und verlangte von diesem die Annahme. Dieser verweigerte sie und betonte, der Kaiser habe seiner Reichsstadt geboten, sich auf nichts einzulassen, auch kein Geld anzunehmen, auch auf dem Walkenrieder Hofe vor dem preußischen Schultheißen nicht zu klagen. Nordhausen sei eine kaiserliche Stadt. Darauf ließ sich einer der Fähnriche vernehmen: Es werde nun nicht mehr „kaiserlich" heißen.<ref>Nordh. Archiv, N.F. 597.</ref> Sydo aber blieb nach dieser Weigerung Webers nichts anderes übrig, als die guten blanken Taler, die keiner haben wollte, in ihrem Eichenfaß verpackt in das Rathaus rollen und in den Kämmereikasten stecken zu lassen. Hier blieb das Geld unangetastet bis zum Jahre 1715.
   
   
Fast war es nun so, als ob das Wort des naseweisen Fähnrichs wahr werden sollte. In den nächsten acht Jahren ruhte Preußens schwere Hand auf Nordhausen, und die Stadt war nur noch dem Namen nach Freie Reichsstadt. Die Gerichtsbarkeit war völlig an Preußen ausgeliefert, die Polizeigewalt war abhängig vom Schultheißen und vom Stadtkommandanten, Eingriffe in die kirchliche Verwaltung und in die der Hospitäler waren an der Tagesordnung, wichtige Einnahmen, wie vor allem die willkürlich erhöhten Zölle, flossen in die preußischen Kasten. Dazu kam in den Folgejahren der Anspruch Preußens auf einen großen Teil der reichsstädtischen Feldflur.
Fast war es nun so, als ob das Wort des naseweisen Fähnrichs wahr werden sollte. In den nächsten acht Jahren ruhte Preußens schwere Hand auf Nordhausen, und die Stadt war nur noch dem Namen nach Freie Reichsstadt. Die Gerichtsbarkeit war völlig an Preußen ausgeliefert, die Polizeigewalt war abhängig vom Schultheißen und vom Stadtkommandanten, Eingriffe in die kirchliche Verwaltung und in die der Hospitäler waren an der Tagesordnung, wichtige Einnahmen, wie vor allem die willkürlich erhöhten Zölle, flossen in die preußischen Kasten. Dazu kam in den Folgejahren der Anspruch Preußens auf einen großen Teil der reichsstädtischen Feldflur.
Zeile 289: Zeile 289:
Daß Preußen selbst rein äußerlich daranging, aus der Reichsstadt eine preußische Landstadt zu machen, ersieht man daraus, daß der König nach dem Tode seiner Gemahlin Sophie Charlotte von der Stadt Trauergeläut verlangte.<ref>Gestorben am 1. Februar 1705.</ref> Nordhausen lehnte es ab.
Daß Preußen selbst rein äußerlich daranging, aus der Reichsstadt eine preußische Landstadt zu machen, ersieht man daraus, daß der König nach dem Tode seiner Gemahlin Sophie Charlotte von der Stadt Trauergeläut verlangte.<ref>Gestorben am 1. Februar 1705.</ref> Nordhausen lehnte es ab.
   
   
Die Mächte aber, denen die Selbständigkeit der Stadt am Herzen lag, ließen es weiter bei Worten bewenden und scheuten sich vor der Tat. Der in Wien weilende Nordhäusische Abgeordnete Hoffann sah bald ein, daß vom Kaiser wenig Unterstützung zu erwarten sei und schrieb deshalb an seine Heimatstadt, sie solle sich weiter an Hannover um Hilfe wenden. Doch Hannover fand auch nur Worte und wies nur seinen Wiener Residenten von Huldeberg an, Hoffmann bei den Bittgängen zu unterstützen. Huldeberg, der Agent Koch und Hoffmann antichambrierten dann bei den maßgebenden Reichshofratsmitgliedern und erreichten schließlich am 12. März 1705 auch ein Reichshofratkonklusum, auf Grund dessen der Kaiser sich am 6. April einigermaßen energisch gegen Preußen vernehmen ließ: Preußen habe sich über den Hofrat beschwert, der in der Nordhäuser Angelegenheit Beschlüsse gefaßt habe, ohne daß Preußen als andere Partei vorher zu Worte gekommen sei. Preußen habe auch reichlich scharf betont, es werde seinen Weg weiterschreiten, da es die Jura rechtmäßig erworben habe. Der Kaiser lasse augenblicklich dahingestellt, ob der Vertrag Brandenburg-Sachsen überhaupt ohne Genehmigung des Kaisers abgeschlossen werden durfte. Jedenfalls stünden einige unstatthafte Maßnahmen Preußens fest: Es habe eine unstreitig reichsunmit- telbare Stadt mit Truppen belegt, habe dem Magistrat die Stadtschlüssel abgenommen, die Bürgerschaft entwaffnet, Edikte angeheftet, Ratspersonen „mit Einlegen vieler Söldner“ belästigt. Die Jura würden so ausgelegt, daß von Reichsfreiheit keine Rede mehr sein könne. Bei diesen Verhältnissen könne der Kaiser ohne Hintansetzung des kaiserlichen Amtes und der beschworenen Wahlkapitulation nicht anders, als Preußen befehlen, die Miliz sofort herauszuziehen und den gesamten früheren Stand der Stadt wie- derherzustellen. Hildesheim sei längst „evacuiert“, und Hannover habe unter dem 20. Januar 1705 eine Erklärung in Wien abgegeben, daß es selbst nicht daran denke, Nordhausen zu besetzen.<ref>Preußen hatte sich am 20. Januar 1705 in Wien beschwert, daß es nicht gehört worden sei. — Nordh. Archiv, N. F. 17. N. F. 757. Dresden, Hauptstaatsarchiv 2908.</ref>
Die Mächte aber, denen die Selbständigkeit der Stadt am Herzen lag, ließen es weiter bei Worten bewenden und scheuten sich vor der Tat. Der in Wien weilende Nordhäusische Abgeordnete Hoffann sah bald ein, daß vom Kaiser wenig Unterstützung zu erwarten sei und schrieb deshalb an seine Heimatstadt, sie solle sich weiter an Hannover um Hilfe wenden. Doch Hannover fand auch nur Worte und wies nur seinen Wiener Residenten von Huldeberg an, Hoffmann bei den Bittgängen zu unterstützen. Huldeberg, der Agent Koch und Hoffmann antichambrierten dann bei den maßgebenden Reichshofratsmitgliedern und erreichten schließlich am 12. März 1705 auch ein Reichshofratkonklusum, auf Grund dessen der Kaiser sich am 6. April einigermaßen energisch gegen Preußen vernehmen ließ: Preußen habe sich über den Hofrat beschwert, der in der Nordhäuser Angelegenheit Beschlüsse gefaßt habe, ohne daß Preußen als andere Partei vorher zu Worte gekommen sei. Preußen habe auch reichlich scharf betont, es werde seinen Weg weiterschreiten, da es die Jura rechtmäßig erworben habe. Der Kaiser lasse augenblicklich dahingestellt, ob der Vertrag Brandenburg-Sachsen überhaupt ohne Genehmigung des Kaisers abgeschlossen werden durfte. Jedenfalls stünden einige unstatthafte Maßnahmen Preußens fest: Es habe eine unstreitig reichsunmit- telbare Stadt mit Truppen belegt, habe dem Magistrat die Stadtschlüssel abgenommen, die Bürgerschaft entwaffnet, Edikte angeheftet, Ratspersonen „mit Einlegen vieler Söldner" belästigt. Die Jura würden so ausgelegt, daß von Reichsfreiheit keine Rede mehr sein könne. Bei diesen Verhältnissen könne der Kaiser ohne Hintansetzung des kaiserlichen Amtes und der beschworenen Wahlkapitulation nicht anders, als Preußen befehlen, die Miliz sofort herauszuziehen und den gesamten früheren Stand der Stadt wie- derherzustellen. Hildesheim sei längst „evacuiert", und Hannover habe unter dem 20. Januar 1705 eine Erklärung in Wien abgegeben, daß es selbst nicht daran denke, Nordhausen zu besetzen.<ref>Preußen hatte sich am 20. Januar 1705 in Wien beschwert, daß es nicht gehört worden sei. — Nordh. Archiv, N. F. 17. N. F. 757. Dresden, Hauptstaatsarchiv 2908.</ref>
   
   
Demgegenüber verlangte der preußische Resident von Bartholdi wieder und wieder, der Hofrat solle keinen Beschluß fassen, ohne Preußen vorher gehört zu haben. Er erreichte damit nichts, weil man in Wien ganz offensichtlich Preußen von vornherein die Absicht unterstellte, Nordhausen zu annektieren. Ja, der Gegensatz zwischen Wien und Berlin nahm noch an Schärfe zu, als der alte Kaiser Leopold am 5. Mai 1705 gestorben war und sein Sohn Joseph die Herrschaft antrat. Der junge Herrscher stand ganz unter dem Einfluß seines Erziehers, des Fürsten Salm; er war ehrgeizig, tatkräftig und von dem jugendlichen Glauben beseelt, dem morschen Reiche neue Kraft verleihen zu können durch selbstbewußte Betonung des kaiserlichen Ansehens. Einem solchen Kaiser mußten solche Eigenmächtigkeiten, wie sie jetzt mit des Kaisers Stadt Nordhausen geschahen, im höchsten Maße zuwider sein. Das benutzten auch Nordhausen und Hannover. Der Bitte Nordhausens vom 30. Mai 1705 um Unterstützung kam Georg Ludwig am 16. Juni nach, indem er sich an Wien wandle und, ganz richtig die Einstellung des jungen Kaisers beurteilend, den Herrscher auf die Gefährlichkeit des Beispieles, das Preußen mit der Vergewaltigung Nordhausens gab, für das gesamte Reich aufmerksam machte. Mit Hannover vereinte der Agent Koch den ganzen Sommer hindurch seine Bitten um Hilfeleistung.
Demgegenüber verlangte der preußische Resident von Bartholdi wieder und wieder, der Hofrat solle keinen Beschluß fassen, ohne Preußen vorher gehört zu haben. Er erreichte damit nichts, weil man in Wien ganz offensichtlich Preußen von vornherein die Absicht unterstellte, Nordhausen zu annektieren. Ja, der Gegensatz zwischen Wien und Berlin nahm noch an Schärfe zu, als der alte Kaiser Leopold am 5. Mai 1705 gestorben war und sein Sohn Joseph die Herrschaft antrat. Der junge Herrscher stand ganz unter dem Einfluß seines Erziehers, des Fürsten Salm; er war ehrgeizig, tatkräftig und von dem jugendlichen Glauben beseelt, dem morschen Reiche neue Kraft verleihen zu können durch selbstbewußte Betonung des kaiserlichen Ansehens. Einem solchen Kaiser mußten solche Eigenmächtigkeiten, wie sie jetzt mit des Kaisers Stadt Nordhausen geschahen, im höchsten Maße zuwider sein. Das benutzten auch Nordhausen und Hannover. Der Bitte Nordhausens vom 30. Mai 1705 um Unterstützung kam Georg Ludwig am 16. Juni nach, indem er sich an Wien wandle und, ganz richtig die Einstellung des jungen Kaisers beurteilend, den Herrscher auf die Gefährlichkeit des Beispieles, das Preußen mit der Vergewaltigung Nordhausens gab, für das gesamte Reich aufmerksam machte. Mit Hannover vereinte der Agent Koch den ganzen Sommer hindurch seine Bitten um Hilfeleistung.
Zeile 309: Zeile 309:
Daß Hannover, obwohl ihm durch die Verhältnisse im Reiche und im Kreise die Hände gebunden waren, sich Nordhausens an- nahm, ermunterte die Stadt zu weiterem Ausharren und Widerstände. Der Bürgermeister Weber nannte die, welche vor dem preußischen Schultheißen und nicht vor dem Rate Recht suchten, Schelme und suchte sie einzuschüchtern. Insgeheim tagten die Schöffen des Rates selbst und sprachen Strafen aus oder verhängten über solche, die vom Königlichen Gerichte schon abgestraft worden waren, neue und andere Strafen. Später drohte der aus Wien zurückgekehrte Bürgermeister Hoffmann den Ratsherrn mit Absetzung, die sich an den Schultheißen wandten. Er ermähnte auch die Prediger, bei der Seelsorge und von der Kanzel herab für die Stadt einzutreten und den Widerstand zu stärken.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
Daß Hannover, obwohl ihm durch die Verhältnisse im Reiche und im Kreise die Hände gebunden waren, sich Nordhausens an- nahm, ermunterte die Stadt zu weiterem Ausharren und Widerstände. Der Bürgermeister Weber nannte die, welche vor dem preußischen Schultheißen und nicht vor dem Rate Recht suchten, Schelme und suchte sie einzuschüchtern. Insgeheim tagten die Schöffen des Rates selbst und sprachen Strafen aus oder verhängten über solche, die vom Königlichen Gerichte schon abgestraft worden waren, neue und andere Strafen. Später drohte der aus Wien zurückgekehrte Bürgermeister Hoffmann den Ratsherrn mit Absetzung, die sich an den Schultheißen wandten. Er ermähnte auch die Prediger, bei der Seelsorge und von der Kanzel herab für die Stadt einzutreten und den Widerstand zu stärken.<ref>Pr. St. a. a. O.</ref>
   
   
Preußen, dessen Besprechungen mit Hannover gescheitert waren, das sich in seinen Hoffnungen im Kreise getäuscht sah, das den erneuten Widerstand der Stadt bemerkte, zog die Zügel noch schärfer an. Nachdem Röpenack von der Widersetzlichkeit und den Uebergriffen einzelner Ratsglieder am 23. August 1706 berichtet hatte, erhielt er unter dem 30. September den Befehl, jeden Uebergriff aufs härteste zu ahnden. „Nun wird es sich zeigen, wieweit dieselben (die Ratsmitglieder) unsere Langmut mißbrauchen werden“, hieß es drohend in dem Schreiben.
Preußen, dessen Besprechungen mit Hannover gescheitert waren, das sich in seinen Hoffnungen im Kreise getäuscht sah, das den erneuten Widerstand der Stadt bemerkte, zog die Zügel noch schärfer an. Nachdem Röpenack von der Widersetzlichkeit und den Uebergriffen einzelner Ratsglieder am 23. August 1706 berichtet hatte, erhielt er unter dem 30. September den Befehl, jeden Uebergriff aufs härteste zu ahnden. „Nun wird es sich zeigen, wieweit dieselben (die Ratsmitglieder) unsere Langmut mißbrauchen werden", hieß es drohend in dem Schreiben.
   
   
Ein derartig barsches Auftreten konnte sich Preußen gegen Ende des Jahres 1706 leisten, weil mehrere für den Staat recht günstige Ereignisse eingetreten waren: Georg Ludwigs Aufmerksamkeit war an einen größeren Schauplatz gefesselt, seitdem er nach dem Tode des Reichsfeldherrn Ludwig von Baden auf Wunsch der Engländer im September der Anführer der Reichsarmee in Süddeutschland gegen Villars geworden war. In demselben Monat, am 7. September, hatte Prinz Eugen von Savoyen den großen Sieg von Turin davongetragen, an dem die preußischen Hilfsvölker einen Hauptanteil hatten; man mußte diesem wertvollen Bundesgenossen gegenüber einen Pflock zurückstecken. Ferner hatte Preußen schon seit dem Dezember 1706 freundschaftliche Besprechungen mit Karl XII. gepflogen, die im August 1707 zu einem verbindlichen Abkommen führten: Preußen anerkannte Stanislaus Lescinsky gegen den Kurfürsten von Sachsen August II., Karl XII. versprach dafür den Preußen die Stadt Elbing. Dieses Einvernehmen mit den Schweden spricht auch aus einer Mitteilung des Königs aus Cölln vom 9. Februar 1707, in welcher er Röpenack nach Nordhausen anzeigt, daß zwar schwedische Truppen in der Nähe der Reichsstadt stünden, ihre Aktion aber gegen Sachsen und nicht etwa gegen Preußen gerichtet sei, er also für Nordhausen nichts zu fürchten habe. Für das Reich und Oesterreich hochgefährliche Alliancen schienen sich da anzubahnen, ein Grund mehr, Preußen zu bemißtrauen, aber augenblicklich auch ein Grund, es vorsichtig zu behandeln. Und schließlich hatte der ehrgeizige, seit Jahrzehnten erfolglose Staat im Jahre 1707 insofern eine kleine Genugtuung, als er aus dem oranischen Erbe wenigstens das Schweizer NeufchLtel an sich bringen konnte. Preußen stand also jetzt, obgleich fast völlig zerfallen mit dem Kaiser, doch verhältnismäßig selbstsicher seinen Aufgaben gegenüber.
Ein derartig barsches Auftreten konnte sich Preußen gegen Ende des Jahres 1706 leisten, weil mehrere für den Staat recht günstige Ereignisse eingetreten waren: Georg Ludwigs Aufmerksamkeit war an einen größeren Schauplatz gefesselt, seitdem er nach dem Tode des Reichsfeldherrn Ludwig von Baden auf Wunsch der Engländer im September der Anführer der Reichsarmee in Süddeutschland gegen Villars geworden war. In demselben Monat, am 7. September, hatte Prinz Eugen von Savoyen den großen Sieg von Turin davongetragen, an dem die preußischen Hilfsvölker einen Hauptanteil hatten; man mußte diesem wertvollen Bundesgenossen gegenüber einen Pflock zurückstecken. Ferner hatte Preußen schon seit dem Dezember 1706 freundschaftliche Besprechungen mit Karl XII. gepflogen, die im August 1707 zu einem verbindlichen Abkommen führten: Preußen anerkannte Stanislaus Lescinsky gegen den Kurfürsten von Sachsen August II., Karl XII. versprach dafür den Preußen die Stadt Elbing. Dieses Einvernehmen mit den Schweden spricht auch aus einer Mitteilung des Königs aus Cölln vom 9. Februar 1707, in welcher er Röpenack nach Nordhausen anzeigt, daß zwar schwedische Truppen in der Nähe der Reichsstadt stünden, ihre Aktion aber gegen Sachsen und nicht etwa gegen Preußen gerichtet sei, er also für Nordhausen nichts zu fürchten habe. Für das Reich und Oesterreich hochgefährliche Alliancen schienen sich da anzubahnen, ein Grund mehr, Preußen zu bemißtrauen, aber augenblicklich auch ein Grund, es vorsichtig zu behandeln. Und schließlich hatte der ehrgeizige, seit Jahrzehnten erfolglose Staat im Jahre 1707 insofern eine kleine Genugtuung, als er aus dem oranischen Erbe wenigstens das Schweizer NeufchLtel an sich bringen konnte. Preußen stand also jetzt, obgleich fast völlig zerfallen mit dem Kaiser, doch verhältnismäßig selbstsicher seinen Aufgaben gegenüber.
Zeile 321: Zeile 321:
Mochte aber auch die Haltung des Kaisers bedrohlich erscheinen, — Preußen hatte sie nicht zu fürchten. Es fuhr fort, seine Ansprüche auf die Nordhäuser Feldflur zu erheben, die Ratswahl fiel auch im Jahre 1708 aus, weil Preußen den alten Gehorsamseid der Bürger für den Rat nicht zuließ, und als Nordhausen wieder Hannover um Hilfe anging, erhielt es zum ersten Male keine beruhigende Nachricht, sondern die Mitteilung, die Kriegskonjunktur sei augenblicklich schlecht, Hilfe könne man nicht versprechen, sondern nur den Rat geben durchzuhalten und bessere Zeiten abzuwarten.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 284.</ref>
Mochte aber auch die Haltung des Kaisers bedrohlich erscheinen, — Preußen hatte sie nicht zu fürchten. Es fuhr fort, seine Ansprüche auf die Nordhäuser Feldflur zu erheben, die Ratswahl fiel auch im Jahre 1708 aus, weil Preußen den alten Gehorsamseid der Bürger für den Rat nicht zuließ, und als Nordhausen wieder Hannover um Hilfe anging, erhielt es zum ersten Male keine beruhigende Nachricht, sondern die Mitteilung, die Kriegskonjunktur sei augenblicklich schlecht, Hilfe könne man nicht versprechen, sondern nur den Rat geben durchzuhalten und bessere Zeiten abzuwarten.<ref>Nordh. Archiv, N. F. 284.</ref>
   
   
Tatsächlich beherrschte Preußen die Reichsstadt im Jahre 1708 mehr denn je. Daß die Besetzung, die nun schon ins sechste Jahr ging, für die Dauer gedacht war, sieht man auch an dem Reglement, das im Juli 1708 für die Mannschaften in Nordhausen herauskam. Es enthielt Bestimmungen über das Verhalten der Soldaten untereinander, regelte den Zapfenstreich, gab Anordnungen für das Verhältnis zur Bürgerschaft und für das Verhalten der Schildwachen am Schlagbaum: Alle einpassierenden Leute mußten „examiniert“ werden, aber mit „Bescheidenheit“. Ferner wurden Patrouillen für die Zollzettelausgabe und für die beiden großen Nordhäuser Jahrmärkte vorgesehen und Bestimmungen über das „Rühren des Spiels“ erlassen.<ref>S. Beilage VII zu Kapitel II.</ref>
Tatsächlich beherrschte Preußen die Reichsstadt im Jahre 1708 mehr denn je. Daß die Besetzung, die nun schon ins sechste Jahr ging, für die Dauer gedacht war, sieht man auch an dem Reglement, das im Juli 1708 für die Mannschaften in Nordhausen herauskam. Es enthielt Bestimmungen über das Verhalten der Soldaten untereinander, regelte den Zapfenstreich, gab Anordnungen für das Verhältnis zur Bürgerschaft und für das Verhalten der Schildwachen am Schlagbaum: Alle einpassierenden Leute mußten „examiniert" werden, aber mit „Bescheidenheit“. Ferner wurden Patrouillen für die Zollzettelausgabe und für die beiden großen Nordhäuser Jahrmärkte vorgesehen und Bestimmungen über das „Rühren des Spiels" erlassen.<ref>S. Beilage VII zu Kapitel II.</ref>
   
   
Der Schultheiß Röpenack setzte sich allmählich durch trotz dauernden Einspruches des Rates und seiner Drohungen gegen Bürger, die vor das preußische Gericht gingen. Neben der Bearbeitung aller Kriminalsachen und der Ausübung der gesamten Civilgerichtsbarkeit griff der Schultheiß auch willkürlich in Polizeiangelegenheiten ein. Selbst die kirchliche Gerichtsbarkeit, die immer vom Konsistorium ausgeübt worden war, beanspruchte der Schultheiß, übte die Aufsicht bei Eheschließungen aus und ließ sogar die „sacerdotum copulationem“ Auswärtiger von nicht nordhäusischen Geistlichen in seinem Amtshaus, im Walkenrieder Hofe, vornehmen, als die Nordhäuser Geistlichen sich weigerten, seinem Geheiße zu folgen. Auch die Einsicht in die Verwaltung der milden Stiftungen ließ er sich nicht nehmen.<ref>Die Konsistorialakten wurden Röpenack nicht ausgehändigt. Wahrscheinlich suchte er sie auf alle mögliche Weise zu erhalten. Damit hängt vielleicht Harprechts Verhalten zusammen. Der Syndikus Harprecht, der schon lange nicht mehr amtierte, weil er nichts mehr zu tun hatte und der Bürgerschaft nicht genehm war, wurde im Februar 1708 entlasten. Dennoch behielt er wichtige Ratsakten, die er auch trotz Ratsbefehls vom 14. April 1708 nicht herausgab. Am 27. April wurden abermals die Kurrentakten von ihm verlangt. Auch um das Aktenstück handelte es sich, das Akten über die Hochzeit des Bürgermeisters Kromann mit der Tochter des Konrektors Weber, die vor der Hochzeit geschwängert war, enthielt. — Nordh. Archiv, N. F. 17. Vergl. Silberborth, a. a. O. 497. — In den Zeilen, wo die regierenden Männer in schamlosester Weise die Mittel der Stadt ausnutzten, kam es öfter vor, daß sie sich städtische Akten und Titel aneigneten, die sie selbst nach ihrem Ausscheiden oder nach ihrem Tode ihre Erben nicht Herausgaben. So hatte die Stadt größte Schwierigkeit, wichtige Akten von den Frommanschen Erben herauszuerhalten. Sogar Hannover wurde deshalb bemüht. Frommann gest. 6. IV. 1706.</ref>
Der Schultheiß Röpenack setzte sich allmählich durch trotz dauernden Einspruches des Rates und seiner Drohungen gegen Bürger, die vor das preußische Gericht gingen. Neben der Bearbeitung aller Kriminalsachen und der Ausübung der gesamten Civilgerichtsbarkeit griff der Schultheiß auch willkürlich in Polizeiangelegenheiten ein. Selbst die kirchliche Gerichtsbarkeit, die immer vom Konsistorium ausgeübt worden war, beanspruchte der Schultheiß, übte die Aufsicht bei Eheschließungen aus und ließ sogar die „sacerdotum copulationem" Auswärtiger von nicht nordhäusischen Geistlichen in seinem Amtshaus, im Walkenrieder Hofe, vornehmen, als die Nordhäuser Geistlichen sich weigerten, seinem Geheiße zu folgen. Auch die Einsicht in die Verwaltung der milden Stiftungen ließ er sich nicht nehmen.<ref>Die Konsistorialakten wurden Röpenack nicht ausgehändigt. Wahrscheinlich suchte er sie auf alle mögliche Weise zu erhalten. Damit hängt vielleicht Harprechts Verhalten zusammen. Der Syndikus Harprecht, der schon lange nicht mehr amtierte, weil er nichts mehr zu tun hatte und der Bürgerschaft nicht genehm war, wurde im Februar 1708 entlasten. Dennoch behielt er wichtige Ratsakten, die er auch trotz Ratsbefehls vom 14. April 1708 nicht herausgab. Am 27. April wurden abermals die Kurrentakten von ihm verlangt. Auch um das Aktenstück handelte es sich, das Akten über die Hochzeit des Bürgermeisters Kromann mit der Tochter des Konrektors Weber, die vor der Hochzeit geschwängert war, enthielt. — Nordh. Archiv, N. F. 17. Vergl. Silberborth, a. a. O. 497. — In den Zeilen, wo die regierenden Männer in schamlosester Weise die Mittel der Stadt ausnutzten, kam es öfter vor, daß sie sich städtische Akten und Titel aneigneten, die sie selbst nach ihrem Ausscheiden oder nach ihrem Tode ihre Erben nicht Herausgaben. So hatte die Stadt größte Schwierigkeit, wichtige Akten von den Frommanschen Erben herauszuerhalten. Sogar Hannover wurde deshalb bemüht. Frommann gest. 6. IV. 1706.</ref>
   
   
Das wirtschaftliche Leben wurde durch die willkürlich erhöhten Zölle beeinflußt und beaufsichtigt. Um die einflußreichsten und wohlhabendsten Bürger, um die Brauerschaft klein zu kriegen, gestattete der Schultheiß wider alles Herkommen den Ausschank fremder Biere. Bei Truppenverschiebungen mußten Vorspanndienste geleistet werden. Der gesamte Zu- und Abstrom der Bevölkerung unterlag durch die Ueberwachung der Tore einer strengen Aufsicht.<ref>Landeshauptarchiv. Wolfenbüttel. — Nordh. Archiv N. F. 284</ref>
Das wirtschaftliche Leben wurde durch die willkürlich erhöhten Zölle beeinflußt und beaufsichtigt. Um die einflußreichsten und wohlhabendsten Bürger, um die Brauerschaft klein zu kriegen, gestattete der Schultheiß wider alles Herkommen den Ausschank fremder Biere. Bei Truppenverschiebungen mußten Vorspanndienste geleistet werden. Der gesamte Zu- und Abstrom der Bevölkerung unterlag durch die Ueberwachung der Tore einer strengen Aufsicht.<ref>Landeshauptarchiv. Wolfenbüttel. — Nordh. Archiv N. F. 284</ref>
Zeile 331: Zeile 331:
Bei diesen Verhältnissen kam Nordhausen auch einmal wieder auf Sachsen zurück. Sachsen war ja von Schweden schwer bedrängt worden, und Preußen hatte gegen den sächsischen Kurfürsten den Polen Lescinsky auf Wunsch Schwedens als König von Polen anerkannt. Es waren also Spannungen zwischen Sachsen und Preußen vorhanden. Das suchte sich Nordhausen zunutze zu machen und bat Sachsen um Vermittlung. Sachsen kam dem Wunsche im Februar 1709 auch nach und zwar vor allem deshalb, weil seine Untertanen selbst durch die Maßnahmen Preußens litten. Sächsisches Hoheitsgebiet grenzte mit dem Kreise Sangerhausen ja unmittelbar an Nordhausens Stadtgebiet; die wirtschaftlichen Beziehungen waren rege, besonders die Brauer bezogen aus sächsischen Landen Weizen und Gerste. Deshalb machte Sachsen auch in erster Linie auf die wirtschaftliche Schädigung aufmerksam, die durch die Drosselung des Brauwesens und durch die Beanspruchung eines Teiles der Stadtslur durch Preußen eingetreten seien. Ferner ward es dahingehend vorstellig, daß Preußen nicht mehr Gerechtsame in Nordhausen verlangen könne, als Sachsen, von dem es diese erhandelt, innegehabt habe.
Bei diesen Verhältnissen kam Nordhausen auch einmal wieder auf Sachsen zurück. Sachsen war ja von Schweden schwer bedrängt worden, und Preußen hatte gegen den sächsischen Kurfürsten den Polen Lescinsky auf Wunsch Schwedens als König von Polen anerkannt. Es waren also Spannungen zwischen Sachsen und Preußen vorhanden. Das suchte sich Nordhausen zunutze zu machen und bat Sachsen um Vermittlung. Sachsen kam dem Wunsche im Februar 1709 auch nach und zwar vor allem deshalb, weil seine Untertanen selbst durch die Maßnahmen Preußens litten. Sächsisches Hoheitsgebiet grenzte mit dem Kreise Sangerhausen ja unmittelbar an Nordhausens Stadtgebiet; die wirtschaftlichen Beziehungen waren rege, besonders die Brauer bezogen aus sächsischen Landen Weizen und Gerste. Deshalb machte Sachsen auch in erster Linie auf die wirtschaftliche Schädigung aufmerksam, die durch die Drosselung des Brauwesens und durch die Beanspruchung eines Teiles der Stadtslur durch Preußen eingetreten seien. Ferner ward es dahingehend vorstellig, daß Preußen nicht mehr Gerechtsame in Nordhausen verlangen könne, als Sachsen, von dem es diese erhandelt, innegehabt habe.
   
   
Von dieser sächsischen Hilfestellung versprach sich Nordhausen damals soviel, daß es seinen Bürgermeister Hoffmann, der im Frühjahr 1709 aus seine dritte Reise nach Wien ging, den Weg über Dresden nehmen ließ. Hier in Dresden lag Hossmann wochenlang krank, konnte dann aber doch seine Beschwerden gegen Preußen vorbringen; er bat auch um Sachsens Verwendung, damit die preußischen Truppen Nordhausen verließen. Doch Sachsen hatte mit seinem Briefe vom Februar 1709 nur eine falsche Hoffnung erweckt. Es geschah von diesem Staate, der unter dem völlig haltlosen August dem Starken eine völlig haltlose Politik trieb, nichts weiter in der Nordhäusischen Angelegenheit.<ref>Wie unordentlich und gewissenlos Teile der sächsischen Verwaltung damals arbeiteten, erweist auch der Briefwechsel Preußens mit Sachsen wegen der Aushändigung der Akten über die Aemter in Nordhausen. Preußen, das wieder und wieder gedrängt und am II. April 1708 zum letzten Male in dieser Angelegenheit geschrieben hatte, erhielt am 25. April die Antwort, der Kaiser habe dem Kurhaus Sachsen wegen der alten gräflich-hohensteinschen Lehen nie einen Lehnbrief ausgestellt. Deshalb könne auch in Wien keiner Nachricht davon geben. In Wittenberg könnten wohl Akten liegen; gegen deren Herausgabe würden aber die fürstlichen Häuser Weimar und Altenburg sein, da sie „gegen sotane Alienation“ verschiedentlich gesprochen hätten. Sie hätten an diesen Reichsiuribus die Mitlehnschaft. „Wir bekennen freimütig, daß wir von der Beschaffenheit der Dinge die erforderliche Wissenschaft damals (bei Abschluß mit Preußen) nicht erhalten haben.“ — Dresd. Hauptstaatsarchiv, 10 1</ref>
Von dieser sächsischen Hilfestellung versprach sich Nordhausen damals soviel, daß es seinen Bürgermeister Hoffmann, der im Frühjahr 1709 aus seine dritte Reise nach Wien ging, den Weg über Dresden nehmen ließ. Hier in Dresden lag Hossmann wochenlang krank, konnte dann aber doch seine Beschwerden gegen Preußen vorbringen; er bat auch um Sachsens Verwendung, damit die preußischen Truppen Nordhausen verließen. Doch Sachsen hatte mit seinem Briefe vom Februar 1709 nur eine falsche Hoffnung erweckt. Es geschah von diesem Staate, der unter dem völlig haltlosen August dem Starken eine völlig haltlose Politik trieb, nichts weiter in der Nordhäusischen Angelegenheit.<ref>Wie unordentlich und gewissenlos Teile der sächsischen Verwaltung damals arbeiteten, erweist auch der Briefwechsel Preußens mit Sachsen wegen der Aushändigung der Akten über die Aemter in Nordhausen. Preußen, das wieder und wieder gedrängt und am II. April 1708 zum letzten Male in dieser Angelegenheit geschrieben hatte, erhielt am 25. April die Antwort, der Kaiser habe dem Kurhaus Sachsen wegen der alten gräflich-hohensteinschen Lehen nie einen Lehnbrief ausgestellt. Deshalb könne auch in Wien keiner Nachricht davon geben. In Wittenberg könnten wohl Akten liegen; gegen deren Herausgabe würden aber die fürstlichen Häuser Weimar und Altenburg sein, da sie „gegen sotane Alienation" verschiedentlich gesprochen hätten. Sie hätten an diesen Reichsiuribus die Mitlehnschaft. „Wir bekennen freimütig, daß wir von der Beschaffenheit der Dinge die erforderliche Wissenschaft damals (bei Abschluß mit Preußen) nicht erhalten haben.“ — Dresd. Hauptstaatsarchiv, 10 1</ref>
   
   
Seit Ende des Jahres 1708 regte sich endlich Hannover wieder stärker im Sinne Nordhausens. Es mußte für Nordhausen vor allem eintreten, weil Preußen je länger, je mehr Nordhausens Stadtgebiet antastete.
Seit Ende des Jahres 1708 regte sich endlich Hannover wieder stärker im Sinne Nordhausens. Es mußte für Nordhausen vor allem eintreten, weil Preußen je länger, je mehr Nordhausens Stadtgebiet antastete.
Zeile 341: Zeile 341:
In seinem Gutachten vom 9. Oktober beschäftigt sich Thomasius nur mit der ersten Frage. Dabei ist bezeichnend für ihn, daß er sich erstens ganz freimacht von vorangegangenen Werken über denselben Gegenstand und zweitens den Fall Nordhausen nicht speciell behandeln, sondern die Rechte von Vogtei und Schultheißenamt ganz allgemein untersuchen will „secundum mores Germanorum“.
In seinem Gutachten vom 9. Oktober beschäftigt sich Thomasius nur mit der ersten Frage. Dabei ist bezeichnend für ihn, daß er sich erstens ganz freimacht von vorangegangenen Werken über denselben Gegenstand und zweitens den Fall Nordhausen nicht speciell behandeln, sondern die Rechte von Vogtei und Schultheißenamt ganz allgemein untersuchen will „secundum mores Germanorum“.
   
   
Alle alten Autores, so schreibt er, „die ich von Mynsingeri und Gailii Zeiten an aufgeschlagen“, sind „meinem Intent mehr zuwider gewesen, als daß ich daraus was Nützliches hätte excerpieren können“. Am liebsten hätte er deshalb, als er das ihm von Hofrat Röpenack zugesandte Frankfurter Gutachten erhalten habe, das Werk gar nicht angefangen.
Alle alten Autores, so schreibt er, „die ich von Mynsingeri und Gailii Zeiten an aufgeschlagen", sind „meinem Intent mehr zuwider gewesen, als daß ich daraus was Nützliches hätte excerpieren können“. Am liebsten hätte er deshalb, als er das ihm von Hofrat Röpenack zugesandte Frankfurter Gutachten erhalten habe, das Werk gar nicht angefangen.
   
   
Hinsichtlich der Aemter meint er, „daß die Reichsvogteien und Reichsschultheißenämter zusammen regulärster alle actus iurisdictionis tam criminalis quam civilis, das Reichsvogteiamt auch das regale potestatis iudicaris selbst ehedem beständig exerciert, wobei denn zugleich origo et progreß gezeigt worden, warum man diese gegründete Meinung bishero entweder unterdrückt hat oder doch dieselbe unbekannt geblieben ist.“ — Darauf folgen: Theses Inaugurales de iurisdictionis et Magustratuum differentia secundum mires Germanorum. In 107 Abschnitten setzt Thomasius das Recht der Aemter auseinander und kommt dabei zu dem Ergebnis, wie es oben im Texte angedeutet ist.
Hinsichtlich der Aemter meint er, „daß die Reichsvogteien und Reichsschultheißenämter zusammen regulärster alle actus iurisdictionis tam criminalis quam civilis, das Reichsvogteiamt auch das regale potestatis iudicaris selbst ehedem beständig exerciert, wobei denn zugleich origo et progreß gezeigt worden, warum man diese gegründete Meinung bishero entweder unterdrückt hat oder doch dieselbe unbekannt geblieben ist.“ — Darauf folgen: Theses Inaugurales de iurisdictionis et Magustratuum differentia secundum mires Germanorum. In 107 Abschnitten setzt Thomasius das Recht der Aemter auseinander und kommt dabei zu dem Ergebnis, wie es oben im Texte angedeutet ist.
Zeile 364: Zeile 364:
Ferner: Der Verpfändungsvergleich zwischen Hohnstein und Nordhausen vom Jahr 1546, in welchem erklärt werde, daß zur Vogtei nur meva exeeutio gehöre, sei nichtig, denn 1. sei das Original nicht vorhanden, 2. sei der Graf von Hohnstein nicht fähig, ohne Einwilligung des Oberlehnsherrn das Reichslehen zu vergeben, 3. die Confirmatio Imperatoris könne nicht aufgebracht werden, 4. und wenn schon, so habe schon 1688 die Frankfurter Iuristenfakultät dargetan, daß auch die Einwilligung des Bischofs von Halberstadt nötig gewesen wäre. 5. Da in einem anderen Vergleich vom Jahre 1543 steht, sie gingen bei Moritz von Sachsen zu Lehen, wäre auch Sachsens Consens nötig gewesen. — Nach dem Absterben der Hohnsteiner sei Sachsen belehnt worden, und Sachsen habe die Verpfändung der Vogtei an Nordhausen gut geheißen; der Rat habe aber die Klausel, die Vogtei bestehe nur in mera executione, dem Kurfürsten von Sachsen verschwiegen.
Ferner: Der Verpfändungsvergleich zwischen Hohnstein und Nordhausen vom Jahr 1546, in welchem erklärt werde, daß zur Vogtei nur meva exeeutio gehöre, sei nichtig, denn 1. sei das Original nicht vorhanden, 2. sei der Graf von Hohnstein nicht fähig, ohne Einwilligung des Oberlehnsherrn das Reichslehen zu vergeben, 3. die Confirmatio Imperatoris könne nicht aufgebracht werden, 4. und wenn schon, so habe schon 1688 die Frankfurter Iuristenfakultät dargetan, daß auch die Einwilligung des Bischofs von Halberstadt nötig gewesen wäre. 5. Da in einem anderen Vergleich vom Jahre 1543 steht, sie gingen bei Moritz von Sachsen zu Lehen, wäre auch Sachsens Consens nötig gewesen. — Nach dem Absterben der Hohnsteiner sei Sachsen belehnt worden, und Sachsen habe die Verpfändung der Vogtei an Nordhausen gut geheißen; der Rat habe aber die Klausel, die Vogtei bestehe nur in mera executione, dem Kurfürsten von Sachsen verschwiegen.
   
   
„Wie nun aus diesen bisher erzählten Umständen genügsam abzunehmen, daß S. Königl. Majestät in Preußen hohe Ursache haben, diesen Leuten nicht ein Wort zu trauen, sondern die gerühmten Documenta, darauf sie sich beziehen, und aus welchen sie ihr Kapital und Wiederkaufssumme fordern, zuförderst in original! produeieren und wohl durchsehen zu lassen, ob sich kein Falsum und andere Mängel dabei ereigne, also ist nun auch zu untersuchen, wie hoch sich dann die Summe belaufe, die der Rat praetendiere.“ Das geschieht nun.
„Wie nun aus diesen bisher erzählten Umständen genügsam abzunehmen, daß S. Königl. Majestät in Preußen hohe Ursache haben, diesen Leuten nicht ein Wort zu trauen, sondern die gerühmten Documenta, darauf sie sich beziehen, und aus welchen sie ihr Kapital und Wiederkaufssumme fordern, zuförderst in original! produeieren und wohl durchsehen zu lassen, ob sich kein Falsum und andere Mängel dabei ereigne, also ist nun auch zu untersuchen, wie hoch sich dann die Summe belaufe, die der Rat . . . praetendiere.“ Das geschieht nun.
   
   
Schließlich, nachdem Thomasius ausführlich auseinandergesetzt, warum Preußen auf seine Jura unbedingt bestehen müsse, kommt er auf sein eigentliches Thema, wie Preußen in den Genuß seiner Jura kommen könne. Preußen könne viam juris und viam facti wählen. Die reine via iuris sei aber ungangbar: „Der Prozeß in den höchsten Judiciis des Reiches ist offenbarlich verderbt und der Staat und das ganze Reich irregulär ... wo aber die Sache also bewandt ist, da ist auch nach natürlichem und gemeinem Völkerrecht einem jeden erlaubt, sein Recht selbst zu suchen, so gut er kann.“ Doch, so meint Thomasius, könnte Nordhausen beim Kaiser immerhin Schwierigkeiten machen, deshalb schlage er „die viam ainieain vor, die aus der via iuris et via facti zusammengesetzt ist oder doch von beiden participiert.“ Deshalb solle man 1. an eine Kommission denken, die mit Nordhausen einen Vergleich schließt. 2. Diese Sache möge laufen, wie sie wolle, man solle die Bestätigung des Kaisers zu bekommen suchen für die Abtretung der Aemter von Sachsen an Preußen. Auch die Einwilligung aller beteiligten sächsischen Fürsten sei ganz gut. — Wenn der Rat gar keine Vernunft annehme, solle Preußen die via iaeti beschreiten, d. h. also Gewalt anwenden. Das sei in diesem Falle dann zu entschuldigen. — Manuskript in den Akten des Pr. St.... a. a. o.
Schließlich, nachdem Thomasius ausführlich auseinandergesetzt, warum Preußen auf seine Jura unbedingt bestehen müsse, kommt er auf sein eigentliches Thema, wie Preußen in den Genuß seiner Jura kommen könne. Preußen könne viam juris und viam facti wählen. Die reine via iuris sei aber ungangbar: „Der Prozeß in den höchsten Judiciis des Reiches ist offenbarlich verderbt und der Staat und das ganze Reich irregulär ... wo aber die Sache also bewandt ist, da ist auch nach natürlichem und gemeinem Völkerrecht einem jeden erlaubt, sein Recht selbst zu suchen, so gut er kann.“ Doch, so meint Thomasius, könnte Nordhausen beim Kaiser immerhin Schwierigkeiten machen, deshalb schlage er „die viam ainieain vor, die aus der via iuris et via facti zusammengesetzt ist oder doch von beiden participiert.“ Deshalb solle man 1. an eine Kommission denken, die mit Nordhausen einen Vergleich schließt. 2. Diese Sache möge laufen, wie sie wolle, man solle die Bestätigung des Kaisers zu bekommen suchen für die Abtretung der Aemter von Sachsen an Preußen. Auch die Einwilligung aller beteiligten sächsischen Fürsten sei ganz gut. — Wenn der Rat gar keine Vernunft annehme, solle Preußen die via iaeti beschreiten, d. h. also Gewalt anwenden. Das sei in diesem Falle dann zu entschuldigen. — Manuskript in den Akten des Pr. St.... a. a. o.
Zeile 376: Zeile 376:
Gleich die ersten Verhandlungen am 2. und 3. Sept. waren schwierig. Sie wurden geführt in der Eckstube des ersten Stockwerkes des Walkenrieder Hofes, die teils nach der Ritterstraße hin, teils nach dem Neuen Wege geht. Für die Stadt verhandelten hier Syndikus Harprecht, Sekretär Heidenreich und Senator Joh. Günther Hossmann, der fortan immer stärker hervortritt.
Gleich die ersten Verhandlungen am 2. und 3. Sept. waren schwierig. Sie wurden geführt in der Eckstube des ersten Stockwerkes des Walkenrieder Hofes, die teils nach der Ritterstraße hin, teils nach dem Neuen Wege geht. Für die Stadt verhandelten hier Syndikus Harprecht, Sekretär Heidenreich und Senator Joh. Günther Hossmann, der fortan immer stärker hervortritt.


Nordhausen weigerte sich, sowohl im Walkenrieder Hofe wie auf dem Rathause zu verhandeln; es bot die Ratsstube des Weinkellers, die nach „dem Rathause oder dem Fleischmarkte“ hinaus- geht, an. Lüdecke weigerte sich zunächst, im „Wirtshause“ zu verhandeln, ging dann aber doch aus den Vorschlag ein, warnte jedoch die Nordhäuser, ihre „bishero gefühlte conduite zu ändern“, sonst habe er Instruktion, „wie sie sich gubernieren sollten“. Die Nordhäuser setzten der Drohung die Halsstarrigkeit entgegen: Der Kaiser habe ihnen Manutenenz gegeben, und Georg Wilhelm von Eelle als Kreisdirektor habe ihnen erst am 29. März 1704 geraten, sich „wohl vorzusehen und des Ausschlags des Rechtens und der kaiserlichen Decision zu erwarten.“
Nordhausen weigerte sich, sowohl im Walkenrieder Hofe wie auf dem Rathause zu verhandeln; es bot die Ratsstube des Weinkellers, die nach „dem Rathause oder dem Fleischmarkte" hinaus- geht, an. Lüdecke weigerte sich zunächst, im „Wirtshause" zu verhandeln, ging dann aber doch aus den Vorschlag ein, warnte jedoch die Nordhäuser, ihre „bishero gefühlte conduite zu ändern", sonst habe er Instruktion, „wie sie sich gubernieren sollten“. Die Nordhäuser setzten der Drohung die Halsstarrigkeit entgegen: Der Kaiser habe ihnen Manutenenz gegeben, und Georg Wilhelm von Eelle als Kreisdirektor habe ihnen erst am 29. März 1704 geraten, sich „wohl vorzusehen und des Ausschlags des Rechtens und der kaiserlichen Decision zu erwarten.“


Am 4. September gelang es dann wenigstens 9 Ratsmitglieder unter Bürgermeister Paulandts Führung auf dem Ratskeller vor die Kommission zu bekommen. Lüdecke legte dar, daß Preußen die Aemter übernehme, die Gelder dafür auszahle. Einige Truppen blieben in der Stadt als Zeichen der Schutzhoheit; deshalb müsse auch der Kommandierende die Torschlüssel haben. Ihr Gewerbe und Nahrung werde nicht gehindert. — Darauf antwortete Harprecht für die Stadt, sie dürften sich auf Befehl des Kaisers in kein Unterhandeln einlassen. Nordhausen hoffe, Preußen werde nach S. Kgl. Maj. in Preußen Symbolo „Suum cuique“ handeln und nicht mehr begehren, als Sachsen gehabt habe. — Darauf Lüdecke: Preußen begehre nicht mehr, als was nach deutschem Rechte zu Vogtei und Schulzenamte gehöre. — Darauf geriet man in einen Wortstreit über die Kompetenzen der Aemter, den Lüdecke damit beschloß, daß Preußen sich nicht aushalten lassen könne, und Nordhausen damit, daß die Stadt nicht den Zorn des Kaisers und des Niedersächsischen Kreises aus sich ziehen dürfe.
Am 4. September gelang es dann wenigstens 9 Ratsmitglieder unter Bürgermeister Paulandts Führung auf dem Ratskeller vor die Kommission zu bekommen. Lüdecke legte dar, daß Preußen die Aemter übernehme, die Gelder dafür auszahle. Einige Truppen blieben in der Stadt als Zeichen der Schutzhoheit; deshalb müsse auch der Kommandierende die Torschlüssel haben. Ihr Gewerbe und Nahrung werde nicht gehindert. — Darauf antwortete Harprecht für die Stadt, sie dürften sich auf Befehl des Kaisers in kein Unterhandeln einlassen. Nordhausen hoffe, Preußen werde nach S. Kgl. Maj. in Preußen Symbolo „Suum cuique" handeln und nicht mehr begehren, als Sachsen gehabt habe. — Darauf Lüdecke: Preußen begehre nicht mehr, als was nach deutschem Rechte zu Vogtei und Schulzenamte gehöre. — Darauf geriet man in einen Wortstreit über die Kompetenzen der Aemter, den Lüdecke damit beschloß, daß Preußen sich nicht aushalten lassen könne, und Nordhausen damit, daß die Stadt nicht den Zorn des Kaisers und des Niedersächsischen Kreises aus sich ziehen dürfe.


Dann gab die Kommission dem kommandierenden Offizier von Stockheim den Befehl, die Gelder heranzuschaffen. Es waren 10 215 Taler 12 Groschen, nämlich
Dann gab die Kommission dem kommandierenden Offizier von Stockheim den Befehl, die Gelder heranzuschaffen. Es waren 10 215 Taler 12 Groschen, nämlich
Zeile 392: Zeile 392:
Am 6. und 7. Sept. geschah nichts. Am 8. Sept. hielt Röpenack den ersten Gerichtstag; auch wurden die Halseisen am Walkenrieder Hofe angebracht.
Am 6. und 7. Sept. geschah nichts. Am 8. Sept. hielt Röpenack den ersten Gerichtstag; auch wurden die Halseisen am Walkenrieder Hofe angebracht.


Am 9. Sept. wurde das Geld in ein neues Eichenfaß getan und versiegelt. Es sollte bis 1715 in Nordhausen ungenützt liegen bleiben. Die Nordhäuser Torwirte wurden abgesetzt, preußische Soldaten eingesetzt. Zolltafeln und Zollstöcke mit der Ausschrift: „Kgl. Pr. Reichs-Zoll und Geleit in der Kais. Fr. Reichsstadt Nordhausen“ wurden angefertigt.
Am 9. Sept. wurde das Geld in ein neues Eichenfaß getan und versiegelt. Es sollte bis 1715 in Nordhausen ungenützt liegen bleiben. Die Nordhäuser Torwirte wurden abgesetzt, preußische Soldaten eingesetzt. Zolltafeln und Zollstöcke mit der Ausschrift: „Kgl. Pr. Reichs-Zoll und Geleit in der Kais. Fr. Reichsstadt Nordhausen" wurden angefertigt.


Die Kommissare Lüdecke und Schreiber berichteten am 4. und am 9. Sept. über die Vorgänge nach Berlin: Um den Anschein zu vermeiden, als ob Preußen die Stadt völlig unterwerfen wolle, hätten sie auf mehrere Punkte ihrer Instruktion verzichtet. So hätten sie „punktum homagii“ ausgegeben. Es wäre ihnen auch trotz des Militärs in Nordhausen gar nicht möglich gewesen, von der Bürgerschaft oder auch nur vom Rate den Treueid aus den König in Preußen zu bekommen. Ebenso hätten sie nach Anhören des Thomasius auf die iura ecclesiastica verzichtet. Ferner hätten sie sich gescheut, das Rathaus durch Militär öffnen zu lassen. — Am 9. Sept. stellte die Kommission vor allem vor: Einige Rechtsuchende seien schon vor dem preußischen Gericht erschienen. Doch müßten alle Nordhäuser Bürger zu trium regum (6. Januar) jedes Jahres dem Rate schwören, ihre Klagesachen nirgends anders als vor dem Rate der Stadt Nordhausen zu suchen. Deshalb müsse dieser Eid geändert werden. — Da die bisherigen Torwirte nicht mehr ihre Schuldigkeit täten, seien Soldaten eingestellt, die für ihre Tätigkeit täglich 2 Groschen von den Zolleinnahmen erhielten. Schließlich machten die Kommissare noch den Vorschlag, einen Appellationsgerichtshof einzusetzen. Thomasius werde deshalb Vorschläge unterbreiten. Nach Wien hin müsse der König seinen Residenten von Bartholdi anweisen, damit Nordhausen nicht etwa ohne Wissen Preußens ein Kaiserliches Dekret erhalte, das alle Maßnahmen zunichte mache.
Die Kommissare Lüdecke und Schreiber berichteten am 4. und am 9. Sept. über die Vorgänge nach Berlin: Um den Anschein zu vermeiden, als ob Preußen die Stadt völlig unterwerfen wolle, hätten sie auf mehrere Punkte ihrer Instruktion verzichtet. So hätten sie „punktum homagii" ausgegeben. Es wäre ihnen auch trotz des Militärs in Nordhausen gar nicht möglich gewesen, von der Bürgerschaft oder auch nur vom Rate den Treueid aus den König in Preußen zu bekommen. Ebenso hätten sie nach Anhören des Thomasius auf die iura ecclesiastica verzichtet. Ferner hätten sie sich gescheut, das Rathaus durch Militär öffnen zu lassen. — Am 9. Sept. stellte die Kommission vor allem vor: Einige Rechtsuchende seien schon vor dem preußischen Gericht erschienen. Doch müßten alle Nordhäuser Bürger zu trium regum (6. Januar) jedes Jahres dem Rate schwören, ihre Klagesachen nirgends anders als vor dem Rate der Stadt Nordhausen zu suchen. Deshalb müsse dieser Eid geändert werden. — Da die bisherigen Torwirte nicht mehr ihre Schuldigkeit täten, seien Soldaten eingestellt, die für ihre Tätigkeit täglich 2 Groschen von den Zolleinnahmen erhielten. Schließlich machten die Kommissare noch den Vorschlag, einen Appellationsgerichtshof einzusetzen. Thomasius werde deshalb Vorschläge unterbreiten. Nach Wien hin müsse der König seinen Residenten von Bartholdi anweisen, damit Nordhausen nicht etwa ohne Wissen Preußens ein Kaiserliches Dekret erhalte, das alle Maßnahmen zunichte mache.


Lüdecke und Schreiber reisten am 10. Sept. ab, Thomasius am 11. Sept., weil er noch über Nordhäuser Grenzsachen verhandeln mußte. Vergl. Nordh. Archiv unter Sa 5 und Dresden, Hauptstaatsarchiv, 10 161.
Lüdecke und Schreiber reisten am 10. Sept. ab, Thomasius am 11. Sept., weil er noch über Nordhäuser Grenzsachen verhandeln mußte. Vergl. Nordh. Archiv unter Sa 5 und Dresden, Hauptstaatsarchiv, 10 161.
Zeile 406: Zeile 406:
Zollzettel werden am Königshofe ausgegeben. Da dort an Markttagen großes Gedränge herrscht, muß eine Schildwache aufziehen. An den zwei Jahrmärkten werden Patrouillen ausgeschickt, die Diebereien verhindern sollen. Exerciert wird in der Stadt, nicht draußen.
Zollzettel werden am Königshofe ausgegeben. Da dort an Markttagen großes Gedränge herrscht, muß eine Schildwache aufziehen. An den zwei Jahrmärkten werden Patrouillen ausgeschickt, die Diebereien verhindern sollen. Exerciert wird in der Stadt, nicht draußen.


An den Schlagbäumen stehen Schildwachen; die Bäume sind stets herabgelassen, damit an Markttagen niemand durchschlichst. Alle einpassierenden Leute müssen examiniert werden, aber mit Bescheidenheit. Kein Soldat soll sich unterstehen, etwa fischen zu gehen oder in die Gärten der Bürger. Damit gute Wacht gehalten werde, soll kein Unteroffizier bei Strafe des Pfahls von 6 Stunden, kein Gefreiter oder Soldat bei Strafe des Spießrutenlaufens auf der Wachtparade „besoffen“ sein. Auch auf ihren Posten dürfen sie sich nicht „vollsaufen, noch viel weniger von ihrem Posten weggehen und in den nächsten Bierhäusern sich finden lassen“. Bei Strafe des Pfahls (Unteroffiziere), der Spießruten (Gefr. und Gemeine) sollen sie sich nicht mit den Stadtsoldaten einlassen. „Alles Saufen, Spielen, Schlagen, Mausen“ ist zu unterlassen, auch mit ihren Wirten, Kindern, Gesinde keinen Streit noch Schlägerei anfangen. (Strafe der Spießruten.) Ohne Paß darf kein sächsischer Soldat in die Stadt gelassen werden. Wachen dürfen von niemandem Trinkgeld fordern.
An den Schlagbäumen stehen Schildwachen; die Bäume sind stets herabgelassen, damit an Markttagen niemand durchschlichst. Alle einpassierenden Leute müssen examiniert werden, aber mit Bescheidenheit. Kein Soldat soll sich unterstehen, etwa fischen zu gehen oder in die Gärten der Bürger. Damit gute Wacht gehalten werde, soll kein Unteroffizier bei Strafe des Pfahls von 6 Stunden, kein Gefreiter oder Soldat bei Strafe des Spießrutenlaufens auf der Wachtparade „besoffen" sein. Auch auf ihren Posten dürfen sie sich nicht „vollsaufen, noch viel weniger von ihrem Posten weggehen und in den nächsten Bierhäusern sich finden lassen“. Bei Strafe des Pfahls (Unteroffiziere), der Spießruten (Gefr. und Gemeine) sollen sie sich nicht mit den Stadtsoldaten einlassen. „Alles Saufen, Spielen, Schlagen, Mausen" ist zu unterlassen, auch mit ihren Wirten, Kindern, Gesinde keinen Streit noch Schlägerei anfangen. (Strafe der Spießruten.) Ohne Paß darf kein sächsischer Soldat in die Stadt gelassen werden. Wachen dürfen von niemandem Trinkgeld fordern.


Zapfenstreich ist im Sommer um 9 Uhr, im Winter um ½8. Danach gehen Patrouillen durch die Stadt, damit sich kein Soldat außerhalb seines Quartiers befindet. Der Stadtlieutenant soll sich nicht unterstehen, ohne Vorwissen des kommandierenden Offiziers das „Spiel schlagen zu lassen“, wie es bei der Wahl eines Bürgermeisters, bei der Flurpredigt, zu Neujahr, beim Maiensetzen schon geschehen ist. Auch Trommelschlagen beim Setzen des Bierschanks ist verboten.
Zapfenstreich ist im Sommer um 9 Uhr, im Winter um ½8. Danach gehen Patrouillen durch die Stadt, damit sich kein Soldat außerhalb seines Quartiers befindet. Der Stadtlieutenant soll sich nicht unterstehen, ohne Vorwissen des kommandierenden Offiziers das „Spiel schlagen zu lassen", wie es bei der Wahl eines Bürgermeisters, bei der Flurpredigt, zu Neujahr, beim Maiensetzen schon geschehen ist. Auch Trommelschlagen beim Setzen des Bierschanks ist verboten.


Die Tore sind im Sommer nachts von 10–3 Uhr, im Winter von 7–7 Uhr zuzuhalten. Sonn- und Festtags während der Predigt sind die Tore geschlossen zu halten. Jeder, der während der Predigt im Wirtshaus sitzt, wird in Arrest gesteckt, auch Handwerksburschen und Knechte. —
Die Tore sind im Sommer nachts von 10–3 Uhr, im Winter von 7–7 Uhr zuzuhalten. Sonn- und Festtags während der Predigt sind die Tore geschlossen zu halten. Jeder, der während der Predigt im Wirtshaus sitzt, wird in Arrest gesteckt, auch Handwerksburschen und Knechte. —
Bitte kopiere keine Inhalte, die nicht deine eigenen sind, benutze keine urheberrechtlich geschützten Werke ohne Erlaubnis des Urhebers!
Du gibst uns hiermit deine Zusage, dass du den Text selbst verfasst hast, dass der Text Allgemeingut (public domain) ist, oder dass der Urheber seine Zustimmung gegeben hat. Falls dieser Text bereits woanders veröffentlicht wurde, weise bitte auf der Diskussionsseite darauf hin. Bitte beachte, dass alle NordhausenWiki-Beiträge automatisch unter der „a Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 3.0 License“ stehen (siehe NordhausenWiki:Urheberrechte für Einzelheiten).
Abbrechen Bearbeitungshilfe (wird in einem neuen Fenster geöffnet)