Bearbeiten von „Boelcke-Kaserne Nordhausen

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[[Datei:Boelcke Kaserne Nordhausen.jpg|thumb|Bis auf drei Garagenhallen ist von der Boelcke-Kaserne nur noch wenig zu sehen. Die Garagen wurden 1996 umgebaut und modernisiert.]]
[[File:Boelcke Kaserne Nordhausen.jpg|thumb|Bis auf drei Garagenhallen ist von der Boelcke-Kaserne nur noch wenig zu sehen. Die Garagen wurden 1996 umgebaut und modernisiert.]]
'''Boelcke-Kaserne Nordhausen''' (auch ''Luftnachrichten-Kaserne Nordhausen'') wurde 1935 für die Luftwaffe erbaut.
'''Boelcke-Kaserne Nordhausen''' (auch ''Luftnachrichten-Kaserne Nordhausen'') wurde 1935 für die Luftwaffe erbaut.


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1940 erhielt das Objekt die endgültige Bezeichnung „Luft-Nachrichten-Schule 1“.<ref name="dittmann38"/> Die LNS1 bildete Bordfunker und Flak-Bodenfunker aus. Im September 1942 konnte mit einer Belegung von 148 Ausbildungssoldaten die höchste Auslastung erreicht werden.<ref name="dittmann38"/> Von 1942 bis 1944 wurden auch Soldaten der rumänischen Luftwaffe geschult.  
1940 erhielt das Objekt die endgültige Bezeichnung „Luft-Nachrichten-Schule 1“.<ref name="dittmann38"/> Die LNS1 bildete Bordfunker und Flak-Bodenfunker aus. Im September 1942 konnte mit einer Belegung von 148 Ausbildungssoldaten die höchste Auslastung erreicht werden.<ref name="dittmann38"/> Von 1942 bis 1944 wurden auch Soldaten der rumänischen Luftwaffe geschult.  


Nach dem Heimatforscher [[Fred Dittmann]] soll die Kaserne 1944 ausspioniert worden sein.<ref>Fred Dittmann: ''Fliegerhorst und Luft-Nachrichten-Schule Nordhausen 1''. Bad Langensalza: Rockstuhl, 2006. S. 42ff.</ref> So hörte am 14. April 1944 Oberleutnant Musterl, Luftaufsicht [[Fliegerhorst]], in seinem Kopfhörer einen genauen Bericht eines Feindsenders über eine gerade beendete Geburtagsfeier des Kompaniechefs der 4. AK, Leutnant König, mit Namen der Gäste und Titeln der gespielten Musik.<ref name="dittmann42">Fred Dittmann: Fliegerhorst und Luft-Nachrichten-Schule 1., S. 42 ff.</ref> Also musste ein gegnerischer Agent in der Luftnachrichtenschule (LNS) Nordhausen spionieren. Trotz „gewaltiger Untersuchungen“ konnte der Verbindungsmann zum Gegner nie ermittelt werden.<ref name="dittmann42"/>
Am 14. April 1944 hörte Oberleutnant Musterl, Luftaufsicht [[Fliegerhorst]], in seinem Kopfhörer einen genauen Bericht eines Feindsenders über eine gerade beendete Geburtagsfeier des Kompaniechefs der 4. AK, Leutnant König, mit Namen der Gäste und Titeln der gespielten Musik.<ref name="dittmann42">Fred Dittmann: Fliegerhorst und Luft-Nachrichten-Schule 1., S. 42 ff.</ref> Also musste ein gegnerischer Agent in der Luftnachrichtenschule (LNS) Nordhausen spionieren. Trotz „gewaltiger Untersuchungen“ konnte der Verbindungsmann zum Gegner nie ermittelt werden.<ref name="dittmann42"/> Im Mai 1944 kehrte der Kommandeur der LNS, Oberstleutnant Hans Hinn, mit der Kuriermaschine aus Berlin zurück und verkündete den Offizieren das Ende der LNS: „Der Standort Nordhausen wird geschlossen. Die Situation der Lage erfordere einen Einsatz aller Kräfte an der Front.“<ref name="dittmann42"/> Ende August 1944 wurde der Ausbildungsbetrieb eingestellt und die Bordfunkerschule aufgelöst.<ref name="dittmann42"/>


Im Mai 1944 kehrte der Kommandeur der LNS, Oberstleutnant Hans Hinn, mit der Kuriermaschine aus Berlin zurück und verkündete den Offizieren das Ende der LNS: „Der Standort Nordhausen wird geschlossen. Die Situation der Lage erfordere einen Einsatz aller Kräfte an der Front.“<ref name="dittmann42"/> Ende August 1944 wurde der Ausbildungsbetrieb eingestellt und die Bordfunkerschule aufgelöst.<ref name="dittmann42"/>
[[File:Luftaufnahme der Stadt Nordhausen 1944.jpg|thumb|US-Luftaufnahme der Stadt Nordhausen (1944). Am unteren Bildrand ist der Fliegerhorst von Nordhausen und am rechten mittleren Bildrand die [[Boelcke-Kaserne]] zu erkennen.]]
 
[[Datei:Luftaufnahme der Stadt Nordhausen 1944.jpg|thumb|US-Luftaufnahme der Stadt Nordhausen (1944). Am unteren Bildrand ist der Fliegerhorst von Nordhausen und am rechten mittleren Bildrand die [[Boelcke-Kaserne]] zu erkennen.]]


Neben dem Gefangenenlager bzw. Außenlager von Dora-Mittelbau waren 1944/45 auch Wolhynien- und Bessarabiendeutsche, ausländische Zwangsarbeiter und Wachmannschaften der SS untergebracht. <ref name="NN"/>
Neben dem Gefangenenlager bzw. Außenlager von Dora-Mittelbau waren 1944/45 auch Wolhynien- und Bessarabiendeutsche, ausländische Zwangsarbeiter und Wachmannschaften der SS untergebracht. <ref name="NN"/>
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=== Außenlager von Mittelbau-Dora ===
=== Außenlager von Mittelbau-Dora ===
[[Datei:Schema Boelcke-Kaserne Nordhausen.svg|thumb|Schema des Außenlagers]]
[[File:Schema Boelcke-Kaserne Nordhausen.svg|thumb|Schema des Außenlagers]]
Um den 8. Januar 1945 wurde in zwei Fahrzeughallen der Kaserne ein Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora eingerichtet. Zu dieser Zeit betrug die Belegstärke einige hundert Häftlinge, deren Zahl bis Anfang April 1945 auf 6.000 Personen stieg.<ref>Jens-Christian Wanger: ''Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora'', Göttingen 2001, S. 509</ref> Das Außenlager umfasste mit „Halle I“ vier Blöcke sowie eine Häftlingsküche, in der zweiten, durch Stacheldraht isolierten Halle lagen die Blöcke 5, 6 und 7 und das Revier.
Um den 8. Januar 1945 wurde in zwei Fahrzeughallen der Kaserne ein Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora eingerichtet. Zu dieser Zeit betrug die Belegstärke einige hundert Häftlinge, deren Zahl bis Anfang April 1945 auf 6.000 Personen stieg.<ref>Jens-Christian Wanger: ''Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora'', Göttingen 2001, S. 509</ref> Das Außenlager umfasste mit „Halle I“ vier Blöcke sowie eine Häftlingsküche, in der zweiten, durch Stacheldraht isolierten Halle lagen die Blöcke 5, 6 und 7 und das Revier.


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==== Luftangriff auf die Kaserne und Besetzung ====
==== Luftangriff auf die Kaserne und Besetzung ====
[[Datei:Luftangriffe auf Nordhausen - Boelcke-Kaserne Luftbild.jpg|thumb|Die völlig zerstörte Kaserne (rechts oben) auf einem US-Luftbild am 10. April 1945]]
[[File:Boelcke-Kaserne-Tote HäftlingeA.jpg|thumb|Männliche Einwohner Nordhausens tragen unter Bewachung von Angehörigen der US-Armee tote Häftlinge aus der Boelcke-Kaserne und legen sie vor dem Weitertransport in Massengräber davor ab. Bei Weigerung drohte Entzug der Lebensmittelmarken]]
[[Datei:Boelcke-Kaserne-Tote HäftlingeA.jpg|thumb|Männliche Einwohner Nordhausens tragen unter Bewachung von Angehörigen der US-Armee tote Häftlinge aus der Boelcke-Kaserne und legen sie vor dem Weitertransport in Massengräber davor ab. Bei Weigerung drohte Entzug der Lebensmittelmarken]]


Bei den [[Luftangriffe auf Nordhausen|Luftangriffen am 3. und 4. April 1945 auf Nordhausen]] wurde die Boelcke-Kaserne schwer getroffen; die Bomben detonierten auf den Lagerstraßen und in den Unterkunftsblöcken.<ref name="Boelcke_2">Peter Kuhlbrodt: ''Schicksalsjahr 1945 – Inferno Nordhausen.'' 1995, ISBN 3-929767-09-0.</ref> Allein in einer mit Tuberkulose-Kranken belegten Flugzeughalle sollen 450 Menschen den Tod gefunden haben.<ref>Wagner: ''Produktion des Todes.'' S. 280</ref> Nach dem Luftangriff setzten sich die SS-Wachmannschaften ab. Einige Gefangene konnten während des Bombenangriffs fliehen und versteckten sich in der Region; viele wurden aufgegriffen und erschossen.<ref>Jens-Christian Wagner: ''Produktion des Todes''. S. 284.</ref> Die Gebäude waren nicht als Gefangenenlager oder Lazarettgebäude mit einem Roten Kreuz gekennzeichnet.
Bei den [[Luftangriffe auf Nordhausen|Luftangriffen am 3. und 4. April 1945 auf Nordhausen]] wurde die Boelcke-Kaserne schwer getroffen; die Bomben detonierten auf den Lagerstraßen und in den Unterkunftsblöcken.<ref name="Boelcke_2">Peter Kuhlbrodt: ''Schicksalsjahr 1945 – Inferno Nordhausen.'' 1995, ISBN 3-929767-09-0.</ref> Allein in einer mit Tuberkulose-Kranken belegten Flugzeughalle sollen 450 Menschen den Tod gefunden haben.<ref>Wagner: ''Produktion des Todes.'' S. 280</ref> Nach dem Luftangriff setzten sich die SS-Wachmannschaften ab. Einige Gefangene konnten während des Bombenangriffs fliehen und versteckten sich in der Region; viele wurden aufgegriffen und erschossen.<ref>Jens-Christian Wagner: ''Produktion des Todes''. S. 284.</ref>


Das Kasernengelände war laut [[Walter Geiger]] mit der Angriffsorder des englischen Bomber Commands in High Wycombe vom 3. April 1945 „pinpoint“ des zu bombardierenden Nordhäuser Stadtgebietes.<ref>Walter Geiger: ''[[Nordhausen im Bombervisier]]'', Nordhausen: Neukirchner, 2000, S. 110.</ref> Das in Breite und Länge exakt dimensionierte Angriffsgebiet „town and military barracks Nordhausen“ erstreckte sich bis etwa zur Linie Wallrothstraße/Wilhelm-Nebelung-Straße. Daneben wird die These diskutiert, die Kaserne sei das Hauptziel der Luftangriffe am 3. und 4. April 1945 gewesen, da man hier „aus Berlin evakuierte Befehlsstellen der Wehrmacht und hohe Funktionäre der NSDAP“ vermutete. Dem wird entgegengehalten, dass die Schließung der Luftnachrichtenschule und die Unterbringung von KZ-Häftlingen und als Zwangsarbeiter verwendeter Kriegsgefangene den Alliierten bekannt war.  
Das Kasernengelände soll das Hauptziel der Luftangriffe am 3. und 4. April 1945 gewesen sein, da hier aus Berlin evakuierte Befehlsstellen der Wehrmacht und hohe Funktionäre der NSDAP vermutet wurden. Die Gebäude waren nicht als Gefangenenlager oder Lazarettgebäude mit einem Roten Kreuz gekennzeichnet.  


Rund 1.300 Leichen wurden nach dem Eintreffen der US-Armee aus den Trümmern geborgen.<ref name=Wagner2008"/> Ob sie direkt durch das Bombardement getötet oder durch Verhungern oder Krankheit gestorben sind, lässt sich nicht mehr feststellen. Der Häftling George Stein (Internierung 1943 bis 1945), berichtet in der Dokumentation ''Nordhausen – Hitlers Raketenfabrik'', dass die Häftlinge im Raketenbau 60 Raketen in der 12-Stunden-Tagschicht und 60 Raketen in der 12-Stunden-Nachtschicht produzieren mussten. Beim Bombenangriff am 3. April 1945 nachmittags um ca. 16 Uhr waren die Zwangsarbeiter der Tag-Schicht nicht in der Boelcke-Kaserne, ebenso beim Bombenangriff am 4. April 1945 vormittags um ca. 9 Uhr.<ref>Nordhausen – Hitlers Raketenfabrik, Run-Time 0:24:14</ref> Bei beiden Tagesangriffen traf es die vermutlich schlafenden Häftlinge der Nachtschicht.
Rund 1.300 Leichen wurden nach dem Eintreffen der US-Armee aus den Trümmern geborgen.<ref name=Wagner2008"/> Ob sie direkt durch das Bombardement getötet oder durch Verhungern oder Krankheit gestorben sind, lässt sich nicht mehr feststellen. Der Häftling George Stein (Internierung 1943 bis 1945), berichtet in der Dokumentation ''Nordhausen – Hitlers Raketenfabrik'', dass die Häftlinge im Raketenbau 60 Raketen in der 12-Stunden-Tagschicht und 60 Raketen in der 12-Stunden-Nachtschicht produzieren mussten. Beim Bombenangriff am 3. April 1945 nachmittags um ca. 16 Uhr waren die Zwangsarbeiter der Tag-Schicht nicht in der Boelcke-Kaserne, ebenso beim Bombenangriff am 4. April 1945 vormittags um ca. 9 Uhr.<ref>Nordhausen – Hitlers Raketenfabrik, Run-Time 0:24:14</ref> Bei beiden Tagesangriffen traf es die vermutlich schlafenden Häftlinge der Nachtschicht.
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Am 11. April 1945 gegen 11:00 Uhr trafen die Infanteristen des 414. Regiments der 104. Infanteriedivision in der schwer zerstörten Boelcke-Kaserne ein.<ref name="Möller35"/> Zuvor nahmen sie den angrenzenden [[Fliegerhorst]] ein. Im Bereich des KZ-Außenlagers fanden sie hunderte Leichen, die verstreut auf dem zerfurchten Gelände lagen. Über den Tag der Ankunft der US-Soldaten und den Augenzeugenberichten gibt es eine Vielzahl von teils widersprüchlichen Berichten.<ref name="Möller35">Jürgen Möller: ''Konzentrationslager Mittelbau-Dora.'' Bad Langensalza 2018, S. 35.</ref> Ihnen ist jedoch allen gemein, dass der Anblick von Leichen und der Zerstörung erschütternd für die Männer waren. In mehreren Hangars gab es keine Überlebenden, und in anderen fanden sich nur wenige lebende Insassen, die zwischen den Leichen lagen. Die Situation war so katastrophal, dass die Sanitäter der 104. Infanteriedivision dringend medizinische Verstärkung und Versorgung anfordern mussten. Trotz der Errichtung eines Lazaretts starben in den nächsten Tagen 2.000 Häftlinge.<ref name=Wagner2008"/> Insgesamt kamen 3.000 Häftlinge in den drei Monaten des Bestehens des Boelcke-Lagers ums Leben.<ref name=Wagner2008"/>
Am 11. April 1945 gegen 11:00 Uhr trafen die Infanteristen des 414. Regiments der 104. Infanteriedivision in der schwer zerstörten Boelcke-Kaserne ein.<ref name="Möller35"/> Zuvor nahmen sie den angrenzenden [[Fliegerhorst]] ein. Im Bereich des KZ-Außenlagers fanden sie hunderte Leichen, die verstreut auf dem zerfurchten Gelände lagen. Über den Tag der Ankunft der US-Soldaten und den Augenzeugenberichten gibt es eine Vielzahl von teils widersprüchlichen Berichten.<ref name="Möller35">Jürgen Möller: ''Konzentrationslager Mittelbau-Dora.'' Bad Langensalza 2018, S. 35.</ref> Ihnen ist jedoch allen gemein, dass der Anblick von Leichen und der Zerstörung erschütternd für die Männer waren. In mehreren Hangars gab es keine Überlebenden, und in anderen fanden sich nur wenige lebende Insassen, die zwischen den Leichen lagen. Die Situation war so katastrophal, dass die Sanitäter der 104. Infanteriedivision dringend medizinische Verstärkung und Versorgung anfordern mussten. Trotz der Errichtung eines Lazaretts starben in den nächsten Tagen 2.000 Häftlinge.<ref name=Wagner2008"/> Insgesamt kamen 3.000 Häftlinge in den drei Monaten des Bestehens des Boelcke-Lagers ums Leben.<ref name=Wagner2008"/>
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Unter diesem Eindruck zeigten sich die Soldaten betroffen und fassungslos. In den nächsten Tagen schlug dies in Wut um, was viele deutsche Kriegsgefangene, insbesondere Männer der Waffen-SS, zu spüren bekamen.<ref name="Möller35"/> Mehr als 400 deutsche Zivilisten, die in unmittelbarer Nähe des Lagers lebten, wurden gezwungen, die Leichen zu bergen. Als eine weitere Reaktionen auf das Vorgefundene befahl Brig.Gen. Boudinot als Strafmaßnahme, dass Nordhausen eine Woche lang von „Angehörigen der Nationen, die mit Deutschland im Krieg stehen oder von Deutschland versklavt wurden“ geplündert werden darf.<ref>Peter Kuhlbrodt: ''Nordhausen unter dem Sternenbanner''., S. 41.</ref>
Unter diesem Eindruck zeigten sich die Soldaten betroffen und fassungslos. In den nächsten Tagen schlug dies in Wut um, was viele deutsche Kriegsgefangene, insbesondere Männer der Waffen-SS, zu spüren bekamen.<ref name="Möller35"/> Mehr als 400 deutsche Zivilisten, die in unmittelbarer Nähe des Lagers lebten, wurden gezwungen, die Leichen zu bergen. Als eine weitere Reaktionen auf das Vorgefundene befahl Brig.Gen. Boudinot als Strafmaßnahme, dass Nordhausen eine Woche lang von „Angehörigen der Nationen, die mit Deutschland im Krieg stehen oder von Deutschland versklavt wurden“ geplündert werden darf.<ref>Peter Kuhlbrodt: ''Nordhausen unter dem Sternenbanner''., S. 41.</ref>
[[Datei:Boelcke-Kaserne Nordhausen 1945.jpg|thumb|Nordhäuser Bürger bei Aufräumungsarbeiten auf dem Gelände der Boelcke-Kaserne]]


Amerikanische Soldaten fotografierten und filmten die Bedingungen im Lager, die in internationalen Medien weite Verbreitung fanden. Nordhausen wurde in vielen Teilen der Welt zum bestimmenden Bild des „nationalsozialistischen Lagerterrors“.<ref>Megargee, Geoffrey P. (ed.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. 1. Bloomington: United States Holocaust Memorial Museum. ISBN 978-0-253-35328-3, S. 970, 990.</ref> Einige US-Zeitungen stellten einen expliziten Zusammenhang zwischen den Greueltaten in Nordhausen und der Raketenproduktion im Kohnstein her.<ref>Neufeld, Michael J.: "Creating a Memory for the German Rocket Program for the Cold War“. Remembering the space age: Proceedings of the 50th Anniversary Conference. Government Printing Office. ISBN 978-1-4700-3180-0. S. 71.</ref>
Amerikanische Soldaten fotografierten und filmten die Bedingungen im Lager, die in internationalen Medien weite Verbreitung fanden. Nordhausen wurde in vielen Teilen der Welt zum bestimmenden Bild des „nationalsozialistischen Lagerterrors“.<ref>Megargee, Geoffrey P. (ed.): Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. 1. Bloomington: United States Holocaust Memorial Museum. ISBN 978-0-253-35328-3, S. 970, 990.</ref> Einige US-Zeitungen stellten einen expliziten Zusammenhang zwischen den Greueltaten in Nordhausen und der Raketenproduktion im Kohnstein her.<ref>Neufeld, Michael J.: "Creating a Memory for the German Rocket Program for the Cold War“. Remembering the space age: Proceedings of the 50th Anniversary Conference. Government Printing Office. ISBN 978-1-4700-3180-0. S. 71.</ref>
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<gallery widths="250" heights="180" caption="Boelcke-Kaserne im April 1945">
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Datei:Two survivors of Nordhausen among corpses.jpg|Zwei Häftlinge im Stroh umgeben von Leichen
File:Two survivors of Nordhausen among corpses.jpg|Zwei Häftlinge im Stroh umgeben von Leichen
Datei:Boelcke-Kaserne-Überlebender.jpg|Häftling mit Krückstock sitzt nach der Befreiung in einem Sessel vor der Boelcke-Kaserne
File:Boelcke-Kaserne-Überlebender.jpg|Häftling mit Krückstock sitzt nach der Befreiung in einem Sessel vor der Boelcke-Kaserne
Datei:Burial of Nordhausen victims.jpg|Geborgene Leichen
File:Burial of Nordhausen victims.jpg|Geborgene Leichen
Datei:NordhausenApril1945.jpg|Opfer
File:NordhausenApril1945.jpg|Opfer
Datei:WWII Europe, Germany, Concentration Camps, "Two men sitting after liberation from Lager-Nordhausen Death Camp" - NARA - 196311.tiff|Zwei Häftlinge sitzen vor einem Gebäude
File:WWII Europe, Germany, Concentration Camps, "Two men sitting after liberation from Lager-Norhausen Death Camp" - NARA - 196311.tif|Zwei Häftlinge sitzen vor einem Gebäude
Datei:Boelcke-Kaserne-Tote Häftlinge.jpg|Tote Häftlinge
File:Boelcke-Kaserne-Tote Häftlinge.jpg|Tote Häftlinge
Datei:Nordhausen Concentration Camp.jpg|Deutsche zivile Opfer der Luftangriffe in der Nähe der Boelcke-Kaserne
File:Nordhausen Concentration Camp.jpg|Deutsche zivile Opfer der Luftangriffe in der Nähe der Boelcke-Kaserne
Datei:Nordhausen 6 (3956423347).jpg|Nordhäuser Bürger bergen die Leichen in der Kaserne
Datei:Nordhausen 2 (3956414937).jpg|
Datei:Nordhausen 5 (3957200652).jpg
</gallery>
</gallery>
==== Personal ====
{| class="wikitable"
! Position !! Name !! Dienstzeit !! Lebensdaten
|-
| Lagerführer: || SS-Obersturmführer Heinrich Josten || ? || 11.12.1893
|-
| Schutzhaftlagerführer: || SS-Hauptscharführer Josef Kestel || ? || 20.10.1904
|-
| Arbeitseinsatzführer: || SS-Oscha. Hans Zogalla || ? (26.3.1945) || 19.9.1898
|-
| Rapportführer: || SS-Uscha. Bruno Setzenpfand || ? || 15.2.1902
|-
|  || SS-Uscha. Wilhelm Stiegele || ? || 19.10.1908
|-
| Lagerarzt: || SS-Hauptsturmführer Dr. Heinrich Schmidt || 03/45 - 04/45 || 27.3.1912
|-
| Lagerältester: || Emil Bonn || 09.01.1945-? || RD 91800
|}


=== Nachkriegszeit ===
=== Nachkriegszeit ===
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Am 7. August 1946 kam die Kaserne schließlich an die Stadt durch den Chef der Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration für Thüringen, Garde-Generalmajor Iwan Sasonowitsch Kolesnitschenko. Er ordnete an, dass die Nordhäuser Bevölkerung die Kasernengebäude abgetragen und die gewonnenen Baumaterialien in erster Linie zum Aufbau von Wohnungen und Kleinbetrieben verwendet werden soll. Noch im August wies Oberbürgermeister Schultes die Stadtverwaltung an, „sämtlich zur Verfügung stehenden Kräfte sofort zur Boelcke-Kaserne abzustellen, um das gesamte Elektro-Installationsmaterial zu bergen.“<ref name="NN"/> Nordhäuser Firmen wurden ferner beauftragt, Wandfliesen und -Platten abzubauen. Auch in den Folgejahren wurden bei Aufräumarbeiten Leichen gefunden, die Bevölkerung nannte das Areal „Aasrasen“.  
Am 7. August 1946 kam die Kaserne schließlich an die Stadt durch den Chef der Verwaltung der Sowjetischen Militäradministration für Thüringen, Garde-Generalmajor Iwan Sasonowitsch Kolesnitschenko. Er ordnete an, dass die Nordhäuser Bevölkerung die Kasernengebäude abgetragen und die gewonnenen Baumaterialien in erster Linie zum Aufbau von Wohnungen und Kleinbetrieben verwendet werden soll. Noch im August wies Oberbürgermeister Schultes die Stadtverwaltung an, „sämtlich zur Verfügung stehenden Kräfte sofort zur Boelcke-Kaserne abzustellen, um das gesamte Elektro-Installationsmaterial zu bergen.“<ref name="NN"/> Nordhäuser Firmen wurden ferner beauftragt, Wandfliesen und -Platten abzubauen. Auch in den Folgejahren wurden bei Aufräumarbeiten Leichen gefunden, die Bevölkerung nannte das Areal „Aasrasen“.  


[[Datei:Denkmal Boelcke-Kaserne Nordhausen.jpg|thumb|Gedenkstein für die Opfer des KZ-Außenlagers]]
[[File:Denkmal Boelcke-Kaserne Nordhausen.jpg|thumb|Gedenkstein für die Opfer des KZ-Außenlagers]]


Die Hallen längs zur Eisenbahn sowie die ersten fünf Blocks unmittelbar gegenüber den Hallen wurden 1947 der Industrie zur Verfügung gestellt. Bis 1950 siedelten sich die Betriebe ''VVB Thüringer Altstoff- und Schrotthandel Nordhausen'' (2,8 ha), ''VVB Bau Thüringen'', ''KWU der Stadt Nordhausen'' (3,6 ha), ''Schachtbau- und Bohrbetriebe Nordhausen'' (14,8 ha) und ''ABUS Maschinenbau Nordhausen'' (3,35 ha) an.
Die Hallen längs zur Eisenbahn sowie die ersten fünf Blocks unmittelbar gegenüber den Hallen wurden 1947 der Industrie zur Verfügung gestellt. Bis 1950 siedelten sich die Betriebe ''VVB Thüringer Altstoff- und Schrotthandel Nordhausen'' (2,8 ha), ''VVB Bau Thüringen'', ''KWU der Stadt Nordhausen'' (3,6 ha), ''Schachtbau- und Bohrbetriebe Nordhausen'' (14,8 ha) und ''ABUS Maschinenbau Nordhausen'' (3,35 ha) an.
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1996 wurden die drei noch bestehenden Garagenhallen umgebaut und modernisiert. Das Nordhäuser Ausbildungszetrum vom Bildungswerk Bau (BiW) Hessen-Thüringen fand dort ihren Sitz.
1996 wurden die drei noch bestehenden Garagenhallen umgebaut und modernisiert. Das Nordhäuser Ausbildungszetrum vom Bildungswerk Bau (BiW) Hessen-Thüringen fand dort ihren Sitz.
== Zitate ==
*„Nach den Luftangriffen und der Besetzung Nordhausens durch die US-Armee am 11. April 1945 war das Grauen des Krieges noch in den Gesichtern meiner Eltern abzulesen, wenn mein Vater vom Zwangseinsatz an der Boelcke-Kaserne kam. Männliche Einwohner Nordhausens mussten Hunderte Leichen von KZ-Häftlingen, die dort an Krankheit und Unterernährung gestorben oder durch Bomben der Royal Air Force ums Leben gekommen waren, zu einem Massengrab gegenüber dem Neuen Friedhof tragen. Bevor mein sichtlich erschütterter Vater in die Wohnung trat, versuchte meine Mutter, ihn mit Sagrotan-Lösung von oben bis unten zu desinfizieren.“ — ''[[Manfred Neuber]]: [[Als der Zigarren-Verkäufer die Straßen kehren musste]], Januar 2017.''


== Literatur ==
== Literatur ==
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== Externe Verweise ==
== Externe Verweise ==
* Video: [https://commons.wikimedia.org/wiki/Datei:Nordhausen_concentration_camp_newsreel.webm Die US-Wochenschau nach der Befreiung des Konzentrationslagers Boelcke-Kaserne]
* Video: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nordhausen_concentration_camp_newsreel.webm Die US-Wochenschau nach der Befreiung des Konzentrationslagers Boelcke-Kaserne]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
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