:Denkmalspflegerische Plauderei von Diplom-Ingenieur Riemann
:::::„Leergebrannt ist die Stätte,<br>Wilder Stürme rauhes Bette,<br>In den öden Fensterhöhlen Wohnt das Grauen,<br>Und des Himmels Wolken schauen Hoch hinein.“ (Schiller)
Im anglo-amerikanischen Bombenhagel sank ein großer Teil der alten, tausendjährigen Stadt Nordhausen in Trümmer, mit den vernichteten Menschenleben auch das, was diese Menschen in langer Generationenreihe geschaffen: unwiederbringliche Kulturgüter. Neben kostbarem und gediegenem Hausrat, Bibliotheken und bescheidenen Sammlungen sind auch unsere Kunstdenkmäler stark in Mitleidenschaft gezogen oder vernichtet.
Das alte Rathaus, jener Zeuge bürgerlichen Reichtums und Macht der Renaissancezeit brannte völlig bis auf die Umfassungsmauern aus; das Dach des Doms flammte auf, die Glasmalereien, die von der Auffindung des heiligen Kreuzes, von dem Leben der heiligen Mathilde, von dem Apostel der Deutschen und anderen Legenden in einem großen Zyklus: Die Verehrung des heiligen Kreuzes im Laufe der Jahrhunderte, erzählten, zerbarsten, das Blei zerschmolz.
Zwei in der unmittelbarem Nähe einschlagende Bomben beschädigten die St.-Blasii-Kirche schwer; das Dach wurde abgedeckt, die Sparren angeschlagen, das Chorgewölbe drohte einzustürzen, Fundamente wurden abgedückt. Unersetzlich ist der Verlust von zwei Epitaphien von Cranach d. J. und d. Ä.
Der schmerzliche Verlust ist an der romanischen Basilika, der Frauenbergskirche zu1" verzeichnen, das Langschiff ist bis auf die Reste des Westgiebels total zerstört, der Chor stark angeschlagen. Vernichtet sind die Markt- und St.-Jakobi-Kirche, teilweise die Petrikirche. Vollständig ist die Liste der hervorragenden Baudenkmäler nicht, denn es fehlen die Bürgerhäuser, die aber gerade in ihrer Gesamtheit, ihrer Gruppierung um die massiver gebauten, größeren Gebäude den typischen Eindruck Nordhausens ausmachten. Das Bild rundeten die wohlerhaltenen Stadtmauerreste ab, die im norddeutschen Raum gar nicht so oft mehr anzutreffen sind. Ist Alt-Nordhausen auch dahin und nur noch durch wenige alte Fachwerkbauten zu ahnen, so ist doch der Mauerring nicht durch die Bomben zerstört. Und hier gilt es aufzupassen, daß nicht noch diese) Reste, die uns verblieben sind, durch Unvernunft oder Gleichgültigkeit zerstört, oder, was ebenso schlimm ist, durch Schuttauffüllung und sonstige Veränderung der Umgebung vernichtet werden. Ich höre die Stimmen: „Was wollen wir mit den alten Ruinen, wir haben neue übergenug, es ist viel wichtiger, gesunde Wohnungen zu bauen, als auch nur einen Pfennig für diesen Mottenkram auszugeben.“
Es wird dabei vergessen, daß es sich hier um die Erhaltung und Pflege deutschen Kulturerbes handelt. Wir wollen, daß unsere Kinder in dieses Gebiet ein-dringen, aus den Fehlern und Vorzügen lernen, und dazu ist das beste der Anschauungsunterricht. Die Steine reden: Sie erzählen von unseligem Bruderzwist. Stieg nicht Heinrich der Löwe mit seinen Gewappneten über die Stadtmauer und verbrannte die Stadt? Die Steine erzählen von Gewalttat, Unrecht und tapferer Gegenwehr gegen alle Versuche, eine gefestigte und durch Fleiß und Arbeit verbundene Gemeinschaft gewaltsam zu stören.
Es ist nicht so, daß eine umfassende Denkmalpflege im Widerspruch zu einer gesunden, modernen Baukultur steht. Es ist kein Wort darüber zu verlieren, wenn einer neuen Straße, wie der Rautenstraße, ein Stück Stadtmauer zum Opfer fällt, es ist nur zu beklagen, daß die einfach durchschnittene Stadtmauer nicht durch einen anschließenden Neubau, verbunden mit einer Treppenanlage — eine interessante architektonische Aufgabe — abgeschlossen und damit auch gleichzeitig erhalten wird.
Bauen wir getrost moderne Häuser, selbstverständlich ohne Stilnachahmung, im Stadtkern, wobei es eine schwierige, aber schöne Aufgabe ist, die Typenentwürte so zu gestalten, daß sie Rücksicht auf den Charakter der Stadt und die verbliebenen Altbauten nehmen. Vielleicht brauchen nicht alle gut gewölbten alten Keiler der Spitzhacke zum Opfer fallen, was viel Geld kostet, sich natürlich! mcm immer vermeiden/ läßt. Es muß alles versucht werden, durch vorheriges Abräumen Klarheit über die Verwendbarkeit der alten Kellergrundrisse zu schaffen. Das ist ein kleinerer Teil der Denkmalpflege. Ich glaube, daß es zu verantworten Ist, die guten, modernen Typen einmal, auch der Kostenersparnis wegen, zurückzustellen.
Und zur alten Stadtmauer: Diese wird erhalten, der sinnlos angehäufte Schutt zum Beispiel am Primariusgrabeix wird abgeräumt; ein Promenaaenweg, den wir in schöner Weise bereits einmal hatten, wird durch Anpflanzungen zur Fortsetzung des geplanten Grüngürtels bis ins Herz der Altstadt! Unser Stadtmauerring erhält wieder einen praktischen Zweck: Die städtebaulich notwendige Grünanlage ist Vorbedingung für gesundes Wohnen! Und die Mütter können ihre Kleinsten fern vom Staub und Lärm der Straße sonnen.
Wie ausgeführt, sollte es in jedem Falle das Ziel sein, ein Baudenkmal einem Zweck, am besten einen gemeinnützigen, zuzuführen. Dann würden jene Stimmen, von der praktischen Denkmalpflege überzeugt, schweigen, manche „Bilderstürme“ unterbleiben und ein neues Leben aus den Ruinen wachsen.