Aus dem Innungsleben der kaiserl. freien Reichsstadt Nordhausen im 17. und 18. Jahrhundert

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Textdaten
Autor: Hermann Heineck
Titel: Aus dem Innungsleben der kaiserl. freien Reichsstadt Nordhausen im 17. und 18. Jahrhundert
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aus: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde, 37. Jahrgang, S. 71-92
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Erscheinungsdatum: 1904
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Kurzbeschreibung: Traditionen und Organisationsstrukturen der Handwerkszünfte in Nordhausen, darunter die Aufnahme- und Ausbildungsprozesse sowie die damit verbundenen Gebräuche und Regelungen. Ferner die Rolle des Rates bei der Aufsicht und die sozialen sowie rechtlichen Aspekte des Zunftlebens
Digitalisat: zs.thulb.uni-jena.de
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Von Hermann Heineck, Nordhausen.

Etwa 600 Jahre lässt sich das Innungsleben in der Stadt Nordhausen zurückverfolgen, von dem reiche Urkunden und Aktenbände im Städtischen Archiv Kunde geben. Aus dem überreichen Stoffe wollen wir hier nur eine Auswahl bieten und besonders von dem Lehrlings-, Gesellen- und Meisterwerden sprechen und von den Gebräuchen und Missbräuchen des 17. und 18. Jahrhunderts, die damit zusammenhängen. Wie auch sonst im Reich üblich, fanden die Rechte und Pflichten der Nordhäuser Zünfte ihren Ausdruck in den Statuten und Privilegien, welche noch bis zum Jahre 1791 herunter, also bis in die letzte freireichsstädtische Zeit erteilt sind.

Die sämtlichen Zünfte in Nordhausen waren ungeschlossen, niemals auf eine bestimmte Anzahl Mitglieder beschränkt. Zum Teil waren es einfache Innungen, z.B. der Bäcker, der Schneider, zum Teil kombinierte, wie sie die Krämer, Sattler, Kürschner und Weißgerber, die Schuhmacher und Lohgerber vorzogen. Die Aufsicht über die Zünfte, die Bestätigung ihrer Privilegien übte der Rat als Inhaber des Reichsschultheißenamtes aus, daher kam es, dass beispielsweise in der Zeit der preußischen Herrschaft (1703—1715) der König von Preußen die reichsstädtischen Privilegien der Seifensieder und Lichtzieher im Jahre 1708 bestätigte.

Während im 13. und 14. Jahrhundert die Innungen bestimmte Straßen bewohnten — Beweise dafür sind die zahlreichen Namen wie Bäckerstraße, in den Kramen, Schuhgasse, Töpferstraße, Webergasse usw. —, war dieser Gebrauch im 17. und 18. Jahrhundert nur noch für die Innung der Stellmacher in Kraft. Es setzten nämlich die „Gewissen und festgegründeten Artikel eines löblichen und ehrbaren Handwerks der Stell- und Rademacher" 1768 in Artikel VI folgendes fest:

„Soll derjenige, er sei ein Fremder oder auch ein Einheimischer, welcher allhier Meister werden will, vor dem Hagen von eines hochedelgeborenen und hochweisen Rats Marstalle an gerechnet bis herunter an des S.T. Herrn Bürgermeister Niemans Behausung oder auch auf der anderen Seite von dem sogenannten Ilfelder Hofe an bis an der Frau Rel. Joachimin Behausung ein eigentümliches Haus haben und besitzen und soll ihm sonst an keinem anderen Orte in der Stadt sein Handwerk zu betreiben zugelassen oder gestattet werden."

An der Spitze der Innungen standen die Obermeister, in der Regel die ältesten Meister; bei einem derselben wurde die Meisterlade aufbewahrt, deren Schlüssel in den Händen des zweiten Obermeisters und des Gewerkschreibers waren. In der Lade lagen Privilegien, außerdem das Meisterbuch, das Kassenbuch und die vorhandenen Gelder, soweit sie nicht zinstragend angelegt waren. Den Ober- oder Altmeistern lag es ob, die Vierteljahrsversammlungen durch den Jungmeister einberufen zu lassen, bei entsprechender Geldstrafe waren die Gewerksgenossen verbunden, sich zu diesen Versammlungen einzufinden und weder zu früh noch zu spät zu erscheinen. Diese Zusammenkünfte fanden in den Gildehäusern statt, von denen eine Anzahl noch jetzt bekannt sind. So lag das Schuhmachergildehaus am Kornmarkt (jetzt Nr. 3), das Lohgerbergildehaus am Lohmarkt (jetzt Nr. 15), das Haus der Tuchmachergilde an der Frauenbergerstiege (jetzt Nr. 24), das Bäckergildehaus in der Rautengasse (jetzt Nr. 24).

In den Zunstversammlungen wurden die Lehrjungen bei offener Lade aufgedungen und losgesprochen, Gesellen zu Meistern gemacht, Auswärtige ins Handwerk aufgenommen und dergleichen mehr. Auch Streitigkeiten der Meister untereinander oder mit den Gesellen wurden vor offener Lade geschlichtet, wobei es freilich dem Unzufriedenen unbenommen blieb, die Obrigkeit, d.h. den Rat bezgl. Reichsschultheißen anzurufen.

Wer als Lehrjunge in ein Zunftgewerbe aufgenommen werden wollte, musste ehrliche Herkunft nachweisen. Unehrlich war noch 1700 der Schäfer, Totengräber, Bader, Nachtwächter und die auch später noch als solche galten, Schinder, Scharfrichter und Juden. Der Lehrling wurde auf Probe angenommen, deren Dauer bei den verschiedenen Gewerken ganz verschieden war. So dauerte die Probe bei den Krämern 12 Wochen, die Lehrzeit 6 Jahre, bei den Zeug- und Raschmachern 6 Wochen, die Lehre 4 Jahre, bei den Zimmerleuten 14 Wochen, die Lehre 3 Jahre und bei den Gold-, Silber- und Seidenknopfmachern die Probe 4 Wochen, die Lehrzeit aber 5 Jahre. Nach festgesetzter Zeit wurde der Lehrling dem Handwerk vorgestellt und sein Name in das Gesellenbuch eingetragen. Das nannte man Aufdingen. Die Höhe des Lehrgeldes beruhte meist auf freier Verabredung, hingegen waren für das Aufdingen und Lossprechen bestimmte, zum Teil ganz ansehnliche Beträge zu erlegen. So bezahlten die Zimmerleute 7 Taler 15 Groschen und 2 Flaschen Gose, für Lossprechen 6 Taler 15 Groschen und 2 Flaschen Gose, die Krämer für Aufdingen 10 Taler 6 Groschen 2 Gulden in die Lade, für Lossprechen 10 Taler 6 Groschen und die Kosten für den Lehrbrief u.s.w.

Während der Lehrjahre war der Meister verpflichtet, den Lehrburschen in allen Arten seines Handwerks zu unterweisen. Auch hatte er ihn zum Besuche des Gottesdienstes anzuhalten und seine sittliche Führung zu überwachen.

Lief der Junge aus der Lehre fort, so ging er rechtlich seines Lehrgeldes verlustig, doch hatte das Handwerk das Recht, bei entstandenen Streitfällen die Schlichtung zu übernehmen.

Starb der Lehrmeister vor Beendigung der Lehrzeit, so wurde der Lehrjunge von der Innung einem anderen Meister zugewiesen. Starb aber der Lehrjunge, so bestimmte darüber Artikel 19 der Schuhmacher und Lohgerber:

„Wo hinfort ein Meister, es sei Schuhmacher oder Gerber, einen Lehrknaben nach Handwerks Gewohnheit angenommen hat zum Lernen, und es sich nach dem Willen Gottes zutragen und begeben würde, dass der Lehrjunge, ehe die Lehrjahre verflossen und um wären, stürbe, so soll der Meister keinen anderen Lehrjungen annehmen, bis dass die Jahre, welche der Lehrjunge noch zu lernen gehabt hätte, um und verflossen sind."

Die Zahl der Lehrlinge war auf einen festgesetzt; hatte ein Lehrmeister drei oder mehr Jahre einen Lehrling gehabt, so musste er ebenso viele Jahre aussetzen, ehe er wieder einen Lehrling anlernen durfte; die Jungmeister durften überhaupt eine Zeitlang keinen Lehrling annehmen.

Dabei musste er aufangs erlegen einen Reichsthaler und alle Quartal(e) sein Mutgeld als 12 Groschen. Versehe er es auch mit einem Quartal, so müsste er die Mutjahre von Neuem anfangen. Macht er einen guten Montag ohne taugliche Ursache, so gibt er 4 Groschen in die Gilde.

Wenn er nun die Jahre vollbracht und nunmehr sein Meisterstück zu verfertigen antritt

a) als ein Schuhmacher, so macht er erstlich ein Paar gute, untadelhafte Wasserstiefel und einen ledernen, zum Zeitschrift der HarjvereinS XXXVII, 6

Feuer brauchbaren Wassereimer im Beisein der Herren und Handwerksmeister mit eigener Hand.

b) Ein Gerber soll ein halbdecker Kuhleder gleichfalls im Beisein der Herren und Handwerksmeister untadelig ausarbeiten und so selbige gar sind, soll er solche einer ehrbaren Gilde auf dem Schuhhofe zeigen; alsdann soll er zum Meister angenommen werden.

Zuletzt soll er zur Meisterpflicht 18 Taler bares Geld und 1 Taler Musketengeld geben, wovon einem edlen Rat 6 Taler nebst den Stiefeln zugestellt wird. Von Seiten der Lohgerber soll ein edler Rat für die einmalige Pfundhaut 6 Taler und 6 Mark zugestellt werden. Er soll auch der ganzen löblichen Gewerkschaft ein Fass gutes Bier zu geben schuldig sein.

Gold- Silber- und Seidenknopfmacher 1723.

Zum Meisterstück soll gemacht werden

  1. ein Banderoll oder Trompeterquaste von Seide, ein Pfund Seide schwer, wozu er auch couleurte Seide nehmen mag.
  2. ein Mantelknopf von Gold, erhöht zu 12 Passagen.
  3. eine Eichel von Gold zu 14 Passagen, welches alles in des Altmeisters Hause innerhalb 3 Wochen verfertigt werden muss. Es soll von diesen 3 Meisterstücken jedes Mal eines einem hochedlen Rate anheimfallen dergestalt, dass der erste Meister das Banderoll, der zweite den Mantelknopf, der dritte aber die Eichel von Golde entrichtet und die folgenden Meister aus solche Weise continuieren.

Artikel 5. Wenn das Meisterstück fertig ist, soll es im Beisein der sämtlichen Meister aufgewiesen und von denselben besehen, auch dabei geurteilt werden, ob die Arbeit tüchtig sei. Wenn solches nicht recht befunden würde, soll er nach Billigkeit darüber gestraft werden.

Zeug- und Raschmacher 1731.

Hat nun einer sein Mutjahr vollbracht oder sich der Gebühr nach legitimiert, soll er 2 Meisterstücke machen als

  1. Stück vermengete Sarse, 20 Ellen lang und 6 Viertel breit, kein Viertel zu lang oder zu kurz und
  2. Stück einfachen Vordrat oder
  3. Stück Couleur mit Seiden vermenget, 20 Ellen lang, 5 Viertel breit, kein Viertel zu lang oder zu kurz, wozu ihm denn die Proben, welches das Meisterstück sein soll, aus der Meisterlade sollen gereicht werden, von welchen eines einem hochedlen Rate zukommen soll.

Er soll selbige Meisterstücke in der Obermeister Gegenwart bäumen und einziehen.

Sollten nun Litzen fehlen oder übrig sein, soll er für jede Litze 3 Gr. und für jedes Rohr 12 Gr. geben, auch da es zu lang oder zu kurz sein sollte, soll er für ein Viertel 12 Gr. Strafe geben. Uebrigens aber sollen die Obermeister Macht haben, nach Belieben ihn zu besuchen und acht darauf zu haben, bis er es verfertiget, für welche Visiten der Stückgeselle den Obermeistern und Geschworenen, überhaupt einem jeden, 1 Taler zur Erkenntlichkeit geben soll.

Zur Meisterpflicht zahlt er 10 Taler, wenn er in Nordhausen gelernt, sonst 16 Taler und 6 Pfd. Zinn. Als Meistersohn zahlt er für 1 Meisterstück 5 Taler und 3 Pfd. Zinn, oder wenn er eines Meisters Tochter oder Witwe geheiratet hat, zahlt er für 1 Meisterstück 6 Taler und 4 Pfd. Zinn.

Zimmermeister 1791.

3 Jahr gelernet.

3 „ gewandert, 1 Jahr d. Meisters Sohn.

Es muss derjenige, so allhier Meister werden will, in Gegenwart der sämtlichen Meister zum Meisterstücke

ein Haus mit einem Walmdache zu Winkel, mit einem liegenden Dachstuhle 511 Winkel, Grundrisse, Prospekt und Durchschnitte voll Trägern und Balken nebst der Treppe, die im Grundrisse und Durchschnitte zu sehen sein muss,

desgleichen einen Turm mit einem Achteck und zweimal durchsichtig, sowohl im Prospekt als Durchschnitt nebst dem Dachstuhl nach dem ihm von dem Handwerke zu gebenden Maße abzeichnen und reißen,

desgleichen jedes Stück des Turmes so und dergestalt, wie es abgebunden werden muss, ebenfalls abzeichnen.

Würde dieses gefertigte Meisterstück fehlerhaft sein oder gar untauglich befunden werden, so soll im ersten Falle derselbe eine Geldstrafe erlegen, im 2. Falle aber, wenn es ganz und gar untauglich sein sollte, nach zuvoriger Anzeige bei einem Hochedlen Magistrate und dessen Genehmigung abgewiesen werden, bis er in seiner Profession geschickter geworden ist.

Es gibt 1 Fremder 10 Gld. f. Essen, den 4 Obermeistern je 2 Taler, jeden Meister je 1 Taler.

Kupferschmiede 1772.

Wenn ein fremder Geselle, der keines Mitmeisters Sohn ist, das Meisterrecht gewinnen will, so soll selbiger zuvor 3 Jahre gewandert haben und sich dessenfalls mit seinen Kundschaften und Attestaten legitimieren und überdies seinen Geburts- und Lehrbrief beibringen. Hat er aber keine 3 Jahre, sondern nur 2 gewandert, so soll selbiger für das eine noch fehlende Wanderjahr 24 Reichstaler erlegen, wovon 12 Reichstaler in eines hochedlen Rates Kämmerei und 12 Reichstaler in unsere Meisterlade kommen.

Dann soll derselbe 6 Meisterstücke machen, als

  1. einen kupfernen Kaffeekessel, welcher 4 Maß Wasser in sich enthält, plattrund und mit einem hohlen Fuß, 1⁄2 Zoll hoch und den Deckel, dass er inwendig in den Hals hineinschließt, mit Kopf und Zarge aus einem Stück.
  2. Eine Feuerkieke von Messing mit durchbrochenem Laubwerk und Blumen geziert nebst einem dazugehörigen Kohlenbehälter von starkem Eisenblech.
  3. Einen kupfernen Wasserständer, welcher 3 Eimer Wasser, jeden von 4 Stübchen, in sich enthält und inwendig verzinnt sein muss.

Diese 3 Stücke bekommen die regierenden Herren Bürgermeister, einer von denen regierenden Herren Bürgermeistern bekommt den Kaffeekessel und die Feuerkieke, der zweite den Wasserständer.

  1. Einen Stömbkeffel, 2 Fuß und 2 Zoll weit, mit kupfernen Ringen, welcher am Boden abgehämmert und an der Seite geschlagen sein muss.
  2. Eine Ofenblase, 1 Fuß, 4 Zoll weit, welche am Boden, an der Seite und auf dem Gelenke geschlagen sein muss.
  3. Eine Bratröhre von starkem Eisenblech.

Diese 6 Stücke muss er im Beisein zweier Schaumeister, welche bei versammelter Innung ernannt werden, verfertigen. Wenn er solches verfertiget hat und er zur Aufzeigung derselben sich bei dem Obermeister meldet, so soll gegen Erlegung der Handwerksgebühr die Innung gefordert, die Meisterstücke besichtigt und wenn solche für gut befunden, derselbe gegen Erlegung von 15 Reichstalern Meistergeldes für einen Meister erkannt werden. Ferner zahlt er noch den 2 Schaumeistern einem jeden einen Reichstaler für ihre Versäumnis und demjenigen Meister, bei welchem er die Meisterstücke verfertiget, 2 Reichstaler für Kohlen und Werkzeugbenutzung.

Kupferschmiede 1805.

Nordhaufen, den 23. Juli 1805 wurde die Innung der Kupferschmiede auf Gesuch des Gesellen und Stückmeisters Johann Heinrich Kropff versammelt, um dessen verfertigte Meisterstücke zu besichtigen. Es sind aber solche sehr fehlerhaft befunden worden, und sind vorzüglich nachstehend benannte Fehler daran:

  1. Der Kaffeekessel. An diesem Stück ist zu erinnern, dass der Deckel mit Knopf und Zarge zwar aus einem Stück ist, allein der Knopf ist nicht getrieben, sondern ausgebohrt und ist nur durch Abdrehen von einem anderen verschönert; im Halse schließt derselbe nicht, weil er nicht rund ist. Die Kloben stehen nicht gerade, das Rohr ist „scheib", der Fuß nicht gerade.
  2. Die Feuerpfaune ist sehr fehlerhaft, der Bügel steht nicht in der Mitte, auch überdies verkehrt, überall ist dieselbe ungleich.
  3. Der Ständer hat große Fehler, er ist schief, wenn er steht, ist an der Seite schlecht gehämmert, das Unterteil bauchig, der Deckel schließt nicht.
  4. Der Kessel ist sehr fehlerhaft, die Ringe abgeplatzt, der Draht ganz ungleich, folglich verwerflich.
  5. Die Ofenblase ist entzwei, schlecht gemacht, verwerflich.
  6. Die Bratröhre ist auch sehr schlecht gemacht, verwerflich.

Weil nun diese angezeigten Fehler der Stückmeister für wahr erkannt und dabei die Innung gebeten, ihm keine Weitläufigkeit zu machen, sondern ihm die Fehler zu gut lassen hingehen, er wolle dafür die Innung auch heute mit einem kleinen Traktement auf seine eigenen Kosten bewirten und in Zukunft als Meister einholen, was an diesen Stücken vernachlässigt sei, so haben sämtliche Meister sich solches endlich gefallen lassen, jedoch mit dem Vorbehalt, dass der Stückmeister sich mit eigenhändiger Unterschrift bekenntlich mache, dass alles Vorstehende in der Wahrheit begründet sei, welches er dann auch nach wohlbedächtiger Durchlesung mit freiem Willen unterschrieben.

Johann Heinrich Kropff.


Die Erteilung des Meisterrechts geschah vor versammelter Zunft bei offener Lade, am Meisteressen waren auch die Frauen der zünftigen Handwerksmeister beteiligt.

Die Rechte des neuen Meisters bestanden vor allem darin, dass er nun für eigene Rechnung arbeiten konnte, aber nur die Gegenstände, zu denen seine Zunft berechtigt war. Auch durfte er 1 oder 2 Gesellen halten, nach einer gewissen Zeit auch einen Lehrjungen annehmen. Weiter war ihm gestattet, Märkte und Messen zu bereisen. Auf dem Wochenmarkt hatte er meistens einen bestimmten Stand, dessen Größe bei einigen Zünften festgelegt war.

Als Zunftmeister durfte er die zum Betriebe seines Handwerks nötigen Materialien sich selbst verschreiben oder von Kaufleuten entnehmen. Seine Witwe hatte das Recht, das Handwerk fortzutreiben, solange sie sich nicht mit dem Angehörigen einer anderen Zunft verheiratete; seine Kinder erhielten ihre Meisterkinderprivilegien. Auch war ihm gestattet, Haus-Brauerei, Ackerbau und Viehzucht zu treiben, ein Nebengewerbe, das für manchen Nordhäuser Handwerksmeister die eigentliche Quelle seines Wohlstandes wurde.

Diesen Rechten gegenüber standen mancherlei Pflichten. Die Handwerksmeister waren verbunden, bei den Versammlungen des Gewerkes zu erscheinen, die bestimmten Beiträge zu zahlen und aus ihrer Reihe die sogenannten „ratsgefreundeten Handwerksmeister" zu stellen. Bei Beerdigung eines Mitmeisters oder seiner Frau leisteten sie das Gefolge, bei Feuersgefahr waren Maurer und Zimmerleute durch die Statuten zur Hilfeleistung verpflichtet. Alle diese Sachen regelte der Gildebrief, die Privilegien oder Satzungen, deren Inhalt im Laufe der Jahre sich allmählich mit den sich anders gestaltenden Lebensbedingungen änderte.

Mit dem fortschreitenden Handwerk entstand eine immer größer werdende Teilung der einzelnen Handwerke. Es gab später nicht nur mehr Schlosser, sondern zu ihrer Zunft gehörten auch die Sporen-, Büchsen-, Uhr- und Windenmacher. Die Schmiede sonderten sich im Laufe der Jahrhunderte in Huf-, Nagel-, Messer-, Grob- und Bohrschmiede u.s.w.

Mit welchen Schwierigkeiten es verbunden war, im Laufe der Zeit die einzelnen Handwerke auseinander zu halten, davon legen die Akten Zeugnis ab, welche die Archive der Städte, nicht zum wenigsten auch das Stadtarchiv Nordhausen, füllen. Als Beispiel möge die Einung dienen, welche am Ende des 17. Jahrhunderts (1671) zwischen Schlossern und Bohrschmieden in Nordhausen erzielt wurde. Danach sollte Schlosserarbeit sein:

  1. Alles was von Schlosserware mag gemacht werden.
  2. Alles was von Blech gemacht wird.
  3. Alles was genietet und gelötet wird mit Kupfer oder Messing.
  4. Alles was geschwärzt und verzinnt wird.
  5. Alles was poliert, geschmiergelt, blau und weiß geschnalzt, geädert und geätzt wird.

Als Bohrschmiedearbeit sollte gelten:

Allerhand Rohren, groß und klein, Kloben-, Fournier- und Lüngesägen, Zimmermanns-, Bogen- und Laubsägen, Sägeblätter, große und kleine Meißel, Stech- und Schneidezeug, weiße und schwarze Zangen, Schusterzangen, breite Zangen, spitze Zangen, Schnitzmesser, krumme Messer, Krummschaben, Hämmer groß und klein, Zirkel, Hobeleisen, Kehlzeug, Barbierzeug, Streichstahl, Türeisen, Winkeleisen, eiserne Tröge, Sattlernadeln, Weinhippen, Buchsbaumscheeren, Locheisen, Hohlröhren, Schnitterklingen, Würstebiegel.

Als gemeinsame Arbeit wäre anzusehen:

Schusterkneife, Feile, gleiche und krumme Oerther, Feilen. Raspeln, Werkmesser, Wagebalken, geschmiedete Leuchter, Lichtputzen, Drahtleuchter, Hohltocken, Lochsägen, Scheeren, Maultrompeten, Glocken und Schellen.

Solche mühsam erzielte Einung musste natürlich versagen mit dem Augenblicke, wo neue Erfindungen in Werkzeugen, z.B. in Maschinenteilen gemacht wurden. —

Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Verbrüderung dem Handwerk seine Kraft gab, sie verbürgte nicht bloß größere Handfertigkeit, sie wirkte auch moralisch, da das Zunftwesen nur mit einem gewissen Anspruch auf bürgerliche Ehre bestehen kann.

Diese Kraftentfaltung betätigte sich im 14. und 15. Jahrhundert in den innern politischen Zwistigkeiten, in bem Streit um die Ratssitze, — durch den Sturm aufs Riesenhaus 1375 wurden die Innungen der Gewandschneider, Schneider, Wollweber, Bäcker, Schmiede, Krämer und Sattler, Kürschner und Weißgerber, Schuhmacher und Lohgerber, sowie der Knochenhauer ratssähig — diese Kraft betätigte sich auch nach außen in den Kämpfen und Fehden des ausgehenden 14. und des 15. Jahrhunderts.

Als später geordnetere Zustände eintraten, machte sich diese überschüssige Kraft in Reibereien zwischen den einzelnen Gewerben Luft, wobei alles darauf hinauslief, dem zünftigen Meister möglichst viel Vorteil zu verschaffen, dem Fremden aber möglichst das Eindringen in die Zunft zu erschweren.

Wer unehelicher Geburt war, wurde nirgends aufgenommen, auch nicht, wer eines Baders oder Totengräbers Sohn war. Dem Fremden wurden nicht nur mehr Wanderjahre auferlegt, er musste noch ein Jahr muten. War Jahrmarkt, so durften die fremden Händler nur an den 3 ersten Tagen feilbieten, ihre Ware wurde genau von den Innungsmeistern geprüft und musste nach bestimmten Grundsätzen angefertigt und bewertet sein. Der Fremde, welcher mutete, ehe er Meister werden konnte, durfte sich, z.B. bei den Schuhmachern und Lohgerbern, genau nur am Tage vor Johannis Baptistae und sonst an keinem Tage im Jahre bei dem regierenden Handwerksmeister anmelden. „Würde er aber den Termin unangemeldet vorbeigehen lassen, wird er solch Jahr zum Meister nicht angenommen."

Auch nach anderer Richtung hin brächte die Ordnung der Zünfte mancherlei Unnatürliches mit sich, so die törichten Ceremonien und die anstößigen Handwerksbräuche. Diese Bräuche und Satzungen, Formen und Formeln, welche namentlich beim Lossprechen der Lehrjungen, bei den Gesellen auf der Wanderschaft, beim Meisterwerden, beim Quartal und den sog. Morgensprachen beobachtet wurde, hatten zunächst den Zweck, überall Zucht und Ordnung zu halten, durch Stärkung des Korporationsgeistes auch eine sittliche Wirkung auszuüben und wurden darum in verschiedenen Statuten von Nordhäuser Innungen als heilsam gefordert. Später aber wurde dieses Nebensächliche zur Hauptsache, und aus zweckvollen, würdigen Formen nichtssagende Spielereien. So war der Lehrmeister gehalten, diese Formeln genau zu beachten, so musste der Lehrling diese genau einlernen und üben, wenn er nicht in Strafe kommen wollte.

In den Bäckergesellenartikeln von 1729 lesen wir:

„Weil denn auch von den Alten die Einrichtung geschehen, dass die Jugend hierdurch etwas vortragen lernt, also soll ferner darauf gehalten werden, und also bei jeder Zusammenkunft bei dem Eintritt und so oft einer entwichen, ein jeder unsern Handwerksgruß bringen. Wem ein Wort fehlt und den Gruß nicht kann vorbringen, soll er 1 Gr. verbüßen, welches denn bei anderem gewöhnlichen Vortrage gleichfalls hiernach zu observieren."

Das Zeremoniell der Gesellenschenke der Nordhäuser Barett- und Straußenstricker haben wir aus dem Statut von 1685 bereits angeführt.

Wirkliches Ärgernis aber erregten die Zünfte, als sie überall anfingen, religiöse Formen bei Begehung ihrer Zeremonien zu verwenden. Aus einer Schrift vom Jahre 1717 lernen wir diese Unsitte kennen, die auch den Gebräuchen z.B. bei Lossprechung eines Lehrlings in Nordhausen nicht fremd geblieben ist.

„Bei dem Gesellenmachen wird dem Jungen, der nunmehr ausgelernt und zum Gesellen gemacht werden soll, ein Vater aus den versammelten Gesellen erwählt, der den Jungen gleichsam als sein Kind zur Taufe bringen und dem Gesellenstande einverleiben lassen soll. Aus den Gesellen wird dann ein anderer zum Pfaffen gemacht, der den neuen Gesellen tauft. Man erwählt ihm auch 2-3 Paten, die ihn aus der Taufe heben. Nun wird er närrisch angeputzt, ihm eine lächerliche Krone aufgesetzt, er wird barbiert, indem man ihm mit Kohle vorerst einen Bart macht; anstatt der Seife benutzt man Ziegelstein, anstatt des Schermessers ein stumpfes Brotmesser, statt Kräuseleisens benutzt man eine Feuerzange, welche man dem neuen Gesellen in die Haare wickelt und womit man ihn in die Höhe zieht.

Hierauf halten sie mit dem neuen Gesellen einen Umzug oder Prozession, einer geht mit einem metallenen Becken voran, vorn und hinten nach werden alte Besen getragen, der als Pfaffe verkleidete Gesell bespritzt mit einem nassen Strohbüschel die Umstehenden. Dabei singen sie ora pro nobis, sanctus, lieber dominus und ähnliches.

Ist dieses beendet, so setzt man den neuen Gesellen auf einen Stuhl, aus einem dicken Buche liest der Pfaffe die Fastnachtspredigt[1] vom blauen Schustermontag und anderem Unsinn."

  1. „Dieweil aber der Fastnacht s predigt hierbei gedacht worden, achte ich für nötig, von derselben auch etwas zu sagen. Ich habe viele Jahre her von der Handwerksgesellen Fastnachtspredigt so viel gehört, aber nie gemeint, dass es ein so greuliches und gotteslästerliches Ding drum wäre. Als ich aber vor kurzer Zeit solche Fastnachtspredigt kaufen und bringen lassen, bin ich über den Inhalt von Herzen erschrocken und betrübt worden, kann auch nicht anders denken (als daß) derjenige, so diese sogenannte Predigt abgefasst, sei wahrhaftig ein Werkzeug des Teufels und geistlich von ihm besessen gewesen."