Wer wandern will. 84 Ausflüge in die Umgebung Nordhausens

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Vorwort

Zwei Gründe vornehmlich haben den Verfasser und Verleger veranlaßt, mit einem neuen Führer für Nordhausen und Umgebung hervorzutreten: 1) Der nach dem Kriege nunmehr wieder langsam erwachenden Freude am Wandern weiterhin Anregung zu geben, am Wandern, das wie nichts anderes jung und alt kräftig, lebensfroh und gesund erhält; 2) die Liebe zur heimatlichen Scholle zu festigen und zu stärken durch die Vermittlung der Erkenntnis, daß im kleinen, beschränkten Kreise der Heimat doch die Geschichte der ganzen Menschheit lebendig ist und daß in den Wundern der engen heimatlichen Natur doch .die Schönheit der ganzen weiten, großen Gottesnatur gesehen und begriffen werden kann.

Mit Rücksicht auf diese Ziele durfte das Büchlein keine Wegbeschreibung bis ins einzelne enthalten, sondern es soll nur eine Anregung zur Auswahl der Wanderungen geben. Zugleich ist dem Verfasser wohl bewußt, daß jede gute Karte besser als die eingehendste Auseinandersetzung orientiert, und es war deshalb gerade sein Bestreben, auf das hinzuweisen, was aus einer Karte nicht ersehen werden kann. Wenn der Leser aber bei der Angabe der Wege eine gewisse ungleichmäßige Behandlung in der Ausführlichkeit bemerkt, so wird er das nicht als einen Mangel ansehen, sondern diese verschiedene Bearbeitung darin begründet findeh, daß für den trefflich mit Wegweisern ausgezeichneten Harz nicht die sorgfältige Beschreibung nötig war wie für das Eichsfeld und die Hainleite, wo eine Bezeichnung der Wege durch Wegweiser nur selten vorgesehen ist. Gerade aber auf die Schönheiten auch dieser oft mit Unrecht vernachlässigten Gegenden aufmerksam zu machen, ist als eine weitere Aufgabe des Buches anzusehen.

Dem ganzen Charakter des Führers entsprechend mußte fernerhin abgesehen werden von jeder Empfehlung alles dessen, was mehr zufällig als unbedingt mit dem Boden verwachsen erscheint. Der Wirtshäuser ist deshalb nicht gedacht, auf die Einrichtungen für den Fremdenverkehr und den Kurbetrieb ist nur beiläufig hingewiesen, die Erwähnung moderner Verkehrsmittel erscheint nur da, wo sie für die Wanderung unbedingt nötig ist Auch sonst ist allem Unwesentlichen am Bilde unserer Landschaft möglichst geringe Beachtung geschenkt; historische Daten, Zahlenangaben von Höhen über dem Meeresspiegel, Einwohnerzahlen und dergl. sollen unser Gedächtnis so wenig wie möglich belasten. Auch mit Ortsnamen ist deshalb möglichst sparsamumgegangen, und mancher Bergrücken, den wir ersteigen, und manches Waldtal, das wir durchwandern, ist ohne Namen geblieben. Ja, selbst kleine Richtungsveränderungen im Wege sind in diesem „Führer“ nicht immer aufgenommen worden, da es schien, daß eine zu ausführliche Wegbeschreibung zu stark Wichtigeres in den Hintergrund treten lassen müßte. Zudem mußte, um den Preis des Buches möglichst billig zu gestalten, mit dem Worte gekargt werden.

Bei gewissen Daten hat dem Verfasser die Literatur der Heimat gute Dienste geleistet; besonders sind für historische Fakta die verdienstvollen Schriften K. Meyers und H. Heines unentbehrlich. Im allgemeinen hat Verfasser aber keinen anderen Rat zu Hülfe genommen als den seiner eigenen Augen. Jede der von ihm aufgeführten Türen ist von ihm nicht einmal, sondern mehrfach abgeschritten, allerdings zunächst nicht zu dem Zwecke, ein Büchlein darüber zu schreiben. Deshalb haben ihm bei Inangriffnahme des Werkes selten eigene Aufzeichnungen Vorgelegen; das Gedächtnis aber mag zuweilen irren. Sollten sich durch diese Arbeitsweise gar Fehler eingeschlichen haben, so wird gebeten, dem Verfasser alsbald Mitteilung zu machen. — Ob aber in der ganzen Auffassung und Behandlung des Stoffes dieser Führer überhaupt etwas Neues und nur ihm Eigentümliches bringt, mag der geneigte Leser beurteilen.

Zur Benutzung des Führers sei gesagt: Es wird in den ersten Wanderungen die nähere Umgebung Nordhausens behandelt. Bei den Ausflügen in den Harz bedingt, wenigstens für Nordhausen, das Ilfelder Tal einen so bedeutsamen Einschnitt, daß es tunlich schien, zunächst den Südharz westlich und dann östlich dieses Tales abzuwandern. Eichsfeld, Hainleite, Kyffhäuser schließen sich an. Die Türen sind nur so weit aufgezeichnet, als man Nordhausen noch als besten Ausgangspunkt für die Wanderungen bezeichnen kann. Deshalb ist auch nur eine zweitägige Wanderung (Sachsenburg) aufgenommen. Im übrigen findet man im Inhaltsverzeichnisse die Stichwörter.— Bei Bezeichnung der Wegrichtungen sind möglichst die Himmelsrichtungen herangezogen worden; wo aber mit „rechts“ und .„links“ gearbeitet wird, bedeutet die Anweisung stets die Seite, die sich von der bisher verfolgten Marschrichtung aus ergibt. — Die Länge des Weges nach Kilometern anzugeben, war bei den vielfach verschlungenen, selten mit Maßsteinen ausgezeichneten Pfaden ein Ding der Unmöglichkeit. Es ist deshalb die Marschdauer in Stunden angegeben. (1 km = etwa 12 Minuten.) Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß für Ruhepausen und Besichtigungen keine Zeit eingesetzt ist. Die jedesmal angegebene Zahl schließt allein die Marschstunden ein.

Nordhausen, im April 1921.
Dr. Silberborth.

Nordhausen

Auf zwei Rundgängen durch die Stadt Nordhausen soll der Wanderer zunächst das Wesentliche der Stadt kennen lernen, die der Ausgangspunkt aller der in diesem Buche erwähnten Wanderungen und Reisen ist. Gerade bei der Wahl dieser Rundgänge muß aber darauf hingewiesen werden, daß dieselben nur einen Vorschlag unter vielen anderen darstellen sollen. Wer als Fremdling in unsere Stadt kommt und in ihr gute Freunde und Bekannte wohnen hat, wird sich durch diese leiten lassen. Je nach seinem Interesse, der Länge seines Aufenthaltes, der Lage seines Wohnortes innerhalb der Stadt wird er bald diese, bald jene Sehenswürdigkeit bevorzugen. Wem aber jede Unterstützung fehlt, dem mag hier eine Handhabe geboten sein, das Wichtigste und Sehenswerte Nordhausens kennen zu lernen.

1.

Bahnhof, Bahnhofstraße, auf dieser über die Zorge, Neustadtstraße, Lesserstiege, Neue Straße, Primariusgraben, Kutteltreppe, Königshof, Lutherplatz, Marktplatz, Kornmarkt, Kranichstraße, Domstraße mit dem katholischen Dome, Wassertreppe, Grimmel, Grimmelallee, auf dieser nordwärts bis zum Anfang der Kastanienallee, am Altentore, Barfüßerstraße, Kranichstraße, Kornmarkt, Rautenstraße, Vor dem Vogel, Neustadtstraße, Bahnhofstraße, Bahnhof.

Die Lesserstiege vermittelt als eine der vielen Stiegen und Treppen Nordhausens den Fußgängerverkehr zwischen der in der Talsohle gelegenen Unterstadt und der Oberstadt. An ihrer Westseite bemerkt man die 1749 aus Steinen der Walkenrieder Klosterruine (s. unten Wanderung 32) erbaute Jakobikirche. — Am Primariusgraben berührt man eins der schönsten Fleckchen auf Nordhäuser Boden. Die von Türmen gekrönten Ueberreste der Stadtmauer zeigen dem Beschauer ein Stück Nordhäuser Geschichte, und der wunderherrliche Blick auf die Unterstadt und darüber hinaus in die Fluren der Zorge- und Helmeaue erschließt ihm ein selten schönes Landschaftsbild. — Mit dem Königshofe betritt der Wanderer die älteste Burganlage Nordhausens, da sie schon Heinrich I. 920 gegründet hat. Die Nordfront des Königshofes bildet heute das Reichspostamt. — Auf dem Lutherplatz erhebt sich das 1855 errichtete Lutherdenkmal. Hier findet alljährlich am Martinstage eine Reformationsfeier statt. An der Adlerapotheke auf diesem Platze ist eine Gedenktafel für den in Nordhausen geborenen Reformator Justus Jonas angebracht. An der Südfront des Platzes erhebt sich das uralte Gesellschaftshaus „zu dem Riesen“, das Riesenhaus. — An und in der Nähe des Marktplatzes fesselt zunächst das Rathaus den Blick. Die älteste Änlage dieses Gebäudes stammt aus dem Jahre 1360; doch ist dieses Rathaus größtenteils ein Raub der Flammen geworden. Der jetzige Bau stammt aus den Jahren 1609 und 1710. Vor der Südwestecke bemerkt man ein stattliches Rolandbild, das 1609 neu aufgestellt und 1717 wieder hergerichtet wurde. Hinter dem Rathause liegt die Marktoder Nikolaikirche. Ihre Türme hat sie bei der großen Feuersbrunst im Jahre 1710 verloren. Das Sehenswürdigste in dieser Kirche ist ihr Alabasteraltar aus dem 17. Jahrhundert. Am Ostrande des Marktplatzes zieht die Rautenstraße hin, und an ihr ist ein neues stattliches Rathaus erbaut worden. Man versäume nicht, einen Blick in das Innere dieses Gebäudes zu tun und sich vielleicht von dem Wärter auch einen der nach Südosten hin liegenden Räume des zweiten Stockwerkes aufschließen zu lassen. Man genießt von hier aus ein Straßen- und Städtebild, das seinesgleichen sucht. — Auf dem Kornmarkte steht der Neptunsbrunnen, ein Kunstwerk Riteschels. — Im katholischen Dome fesseln vor allem die im hohen Chore aufgestellten Chorstühle, die durch ihre figürlichen Darstellungen aus dem Beginn des 15. Jahrhunderts von hohem Interesse und Wert sind. — Während wir in der Grimmeiallee die neuen Gebäude des Elektrizitätswerkes und der Badeanstalt im Westen, des Landratsamtes im Osten bemerken, versäumen wir am Ende der Barfüßerstraße nicht, einen Abstecher östlich nach der Blasiikirche zu machen. Ihr wertvollster Schmuck sind zwei Bilder des 16. Jahrhunderts: Ein ecce homo - Bildnis des älteren Kranach aus dem Jahre 1529 und ein noch bedeutend wertvolleres Werk des jüngeren Kranach vom Jahre 1555, die Erweckung des Lazarus darstellend, ein Epitaphium des berühmten Bürgermeisters Meyenburg.