Schulordnung des Königlichen Gymnasiums zu Nordhausen

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Textdaten
Autor: Königliches Gymnasium Nordhausen
Titel: Schulordnung des Königlichen Gymnasiums zu Nordhausen
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Nordhausen : Eberhardt
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Digitalisat:
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Schulordnung


des


Königlichen Gymnasiums


zu


Nordhausen.






1898.
Druck von Fr. Eberhardt in Nordhausen



§ 1.

Die Aufnahme neuer Schüler findet in der Regel zu Ostern statt; doch steht auch der Aufnahme zu Michaelis bei solchen Schülern kein Bedenken entgegen, welche sich das Pensum des ersten Halbjahres der bezüglichen Klasse bereits angeeignet haben; nur ausnahmsweise können Schüler auch zu anderen Terminen aufgenommen werden. Die Aufnahme in die Sexta ist in der Regel nicht vor dem vollendeten neunten Lebensjahre zulässig.

§ 2.

Bei der Aufnahme, deren regelmässige Termine jedesmal bekannt gemacht werden, ist ein Geburts- und ein Impfschein, bez. bei Schülern, die das zwölfte Jahr zurückgelegt haben, ein Wiederimpfschein vorzulegen. Ausserdem haben Schüler, welche bereits eine Schule besuchten, von dieser ein vorschriftsmässiges Abgangszeugnis beizubringen. Bei Schülern, welche nicht von einer gleichartigen Anstalt kommen, entscheidet eine Aufnahmeprüfung über die ihnen anzuweisende Klasse. Von äusserlich nicht erkennbaren körperlichen Leiden und Gebrechen eines Schülers ist dem Direktor Kenntnis zu geben.

§ 3.

Jeder Schüler ist den Gesetzen der Anstalt unbedingt unterworfen. Auch Eltern und Angehörige können ohne Erlaubnis der Lehrer keinen Schüler von der Ordnung des Ganzen, also auch nicht von einzelnen Unterrichtszweigen und Unterrichtsstunden entbinden. Dispensation vom Turnen kann nur auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses für eine bestimmte Zeit oder wegen eines augenscheinlichen Gebrechens eintreten. Dispensation vom Gesangunterricht findet nur wegen gänzlichen Mangels an musikalischem Gehör oder vorübergehend für die Zeit des Stimmwechsels statt.

Jeder fakultative Unterricht darf, wenn er einmal angetreten ist, nicht innerhalb des laufenden Semesters wieder aufgegeben werden.

§ 4.

Auswärtige Eltern haben bei der Anmeldung ihrer Söhne sich zugleich über ein angemessenes Unterkommen derselben bei einem Bewohner hiesiger Stadt auszuweisen, welcher geeignet ist und die Verpflichtung übernimmt, über das sittliche Betragen und den Fleiss der ihm anvertrauten Schüler nach den Bestimmungen der Schule zu wachen und vorkommenden Falls von pflichtwidrigem Verhalten den Klassenlehrer in Kenntnis zu setzen. Jeder Wohnungswechsel unterliegt der Zustimmung des Klassenlehrers und des Direktors. Sollte ein Pensionshalter den übernommenen Verpflichtungen nicht nachkommen, so müsste von seiten der Schule ein Wechsel der Pension veranlasst werden.

§ 5.

Jeder Schüler ist verpflichtet, sämtliche zum Unterricht notwendigen Bücher, Schreib- und Zeichengerätschaften in brauchbarem Zustande zur Verfügung zu haben. Das Urteil über deren Brauchbarkeit steht dem Lehrer zu; insonderheit sind überschriebene oder sonst ungeeignete Bücher nicht zulässig.

§ 6.

Jeder Schüler ist verpflichtet zu strenger Wahrhaftigkeit, gewissenhaftem Fleiss, reger Aufmerksamkeit, zur Pünktlichkeit im Schulbesuch und zu ehrerbietigem Entgegenkommen gegen jeden Lehrer der Anstalt. Seinen Mitschülern soll er in verträglicher und freundlicher Weise begegnen, auch dem Publikum gegenüber eine bescheidene Haltung und ein anständiges Benehmen zeigen.

§ 7.

Die Schule erwartet, dass die Zöglinge den öffentlichen Gottesdienst regelmässig besuchen und dass die konfirmierten evangelischen Schüler sich an den gemeinschaftlichen Schulkommunionen beteiligen.

§ 8.

Ist ein Schüler durch Krankheit oder sonstige nicht vorherzusehende Umstände verhindert, die Schule zu besuchen, so ist davon wenn möglich noch an demselben Tage schriftliche Anzeige zu machen. Beim Wiedererscheinen ist ein ordnungsmässig ausgestellter Entschuldigungsschein mit Angabe der versäumten Zeit vorzulegen. Andere Schulversäumnisse bedürfen der vorgängigen Erlaubnis, die vom Ordinarius und nächst- dem vom Direktor zu erbitten ist, die aber nur in ganz besonderen Fällen gewährt werden kann. Schulfeierlichkeiten sind in Bezug auf Versäumnis und Beurlaubung den Unterrichtsstunden gleichzuachten.

§ 9.

Das Schulgebäude wird 15 Minuten vor Beginn des Unterrichts geöffnet. Nach Betreten des Schulgebäudes hat der Schüler im Klassenzimmer seinen Platz einzunehmen. In den Zwischenpausen begeben sich alle Schüler bei günstiger Witterung auf den Schulhof; hier ist das Spielen zwar erlaubt, jedoch darf dasselbe nicht in Lärmen und Rohheiten ausarten. Gestattet des Wetter den Aufenthalt im Freien nicht, so haben sich die Schüler auch während der Pausen in den Klassen in der Regel auf ihren Plätzen zu halten, oder sich auf Anordnung des Lehrers, während das Schulzimmer gelüftet wird, zeitweilig auf den Korridor zu begeben. Beim Eintritt des Lehrers muss der Schüler bereits alles Nötige für die beginnende Lektion vorbereitet haben. Ein fremdes Klassenzimmer zu betreten ist einem Schüler nur in besonderen Fallen gestattet. Um den Schulhof oder das Schulgebäude während der Zwischenpausen zu verlassen, bedarf der Schüler der Erlaubnis des Ordinarius oder des die Aufsicht führenden Lehrers.

§ 10.

Die Schüler sind für die saubere Haltung ihres Platzes verantwortlich. Jede vorsätzliche oder fahrlässige Beschädigung des Schulgebäudes, der Schulgeräte, sowie sonstigen Schuleigentums ist strafbar und verpflichtet ausserdem zum Schadenersatz.

§ 11.

Die Fertigstellung irgend welcher schriftlichen Aufgaben vor Beginn des Unterrichts oder während der Pausen ist streng untersagt. Abzuliefernde häusliche Arbeiten sind vor Beginn der ersten Vormittagsstunde abzugeben. Dinge, die dem Unterrichte fremd oder denselben gar zu stören geeignet sind, dürfen nicht in die Schulräume mitgebracht werden.

§ 12.

Nach Schluss der Lektionen hat jeder Schüler, soweit er nicht in besonderem Falle durch einen Lehrer zu kürzerem Verweilen veranlasst worden ist, das Gymnasium alsbald zu verlassen und sich in gesitteter Weise nach Hause zu begeben. Bücher u. s. w. dürfen nur mit Erlaubnis des Ordinarius in der Schule zurückgelassen werden.

§ 13.

Die Schule erachtet es als ihre Pflicht, das Verhalten der Schüler auch ausserhalb des Schulhauses nach ihren Erziehungs- und Bildungszwecken, namentlich in folgenden Punkten zu regeln. Sie untersagt den Schülern:

a. Das Tabak rauchen als dem jugendlichen Alter schädlich und für das Verhältnis eines Schülers unpassend; nur den Schülern der Prima und bei ausdrücklicher Erlaubnis des Vaters auch den Sekundanern ist es gestattet. In der Oeffentlichkeit oder in Gegenwart eines Lehrers zu rauchen ist unbedingt verboten.
b. Den Besuch von Wirtshäusern und Conditoreien in der Stadt und deren nächster Umgebung ohne Begleitung der Eltern oder geeigneter Stellvertreter; nur den Primanern und auch den Ober-Sekundanern wird der Besuch gewisser Restaurationen auf Widerruf gestattet.
c. Zusammenkünfte in den Wohnungen auswärtiger Schüler zum Zweck von Gelagen, Kartenspielen und dergleichen.
d. Kauf, Verkauf und Tausch von Büchern, Heften und anderen Gegenständen ohne ausdrückliche Genehmigung der Eltern.
e. Das Lesen von Büchern aus öffentlichen Leihbibliotheken.
f. Den Besuch von öffentlichen Gerichtsverhandlungen und politischen Versammlungen. Theater, Bälle und öffentliche Veranstaltungen dürfen die auswärtigen Schüler nur mit Erlaubnis des Ordinarius besuchen; die ein heimischen bedürfen dazu der Erlaubnis ihrer Eltern, doch haben sie, und zwar in der Regel vorher, ihrem Ordinarius Anzeige davon zu machen.
g. Alles Auffällige und Ungeziemende in Tracht und Haltung, das Hantieren mit Schusswaffen, Rappieren und dgl., alle in Nachäffung studentischer Formen gebildeten Verbindungen, sowie überhaupt jeden Verein der Schüler unter sich oder mit Nichtschülern, dessen Zweck nicht dem Direktor angezeigt und von demselben ausdrücklich gebilligt ist.

§ 14.

Die häusliche Arbeitszeit wird für das Sommerund Wintersemester seitens der Schule in der Weise geregelt, dass die Ausgehezeit ohne besondere Erlaubnis des Ordinarius oder ohne besonderen Auftrag der Eltern nicht über eine bestimmte Stunde abends ausgedehnt werden darf.

§ 15.

Es ist den Schülern untersagt, ohne Genehmigung des Ordinarius und des Direktors Privatstunden zu geben. Ebenso empfiehlt es sich, dass jeder Schüler, der in einem der Schulgegenstände Privatunterricht nehmen will, vorher dazu den Rat der Schule einholt; der Regel nach werden solche Hilfen als unnötig und für die Charakterbildung sogar als nachteilig gelten müssen. Zur Beteiligung am Tanzunterricht bedarf es der vorgängigen Anzeige beim Direktor unter Nachweis des Wunsches der Eltern.

§ 16.

Geldsammlungen unter den Schülern, welchen Zweck sie auch haben mögen, sind für jeden einzelnen Fall erst dann gestattet, wenn die ausdrückliche Genehmigung des Direktors erfolgt ist.

§ 17.

Um durch Anerkennung die Schüler aufzumuntern und, wo es erforderlich ist, durch Hinweisung auf die Mängel sie zur Selbsterkenntnis und zur Besserung zu führen, sowie um die Verbindung zwischen Schule und Vaterhaus lebendig zu erhalten, erteilt die Schule nach Massgabe der gesetzlichen Vorschriften in regelmässigen Perioden ausführliche Zensuren. Diese sind, von dem Vater oder dessen Stellvertreter unterschrieben, beim Wiederbeginn des Unterrichts dem Ordinarius vorzulegen. Ausserdem behält sich die Schule vor, in besonderen Fällen den Eltern Mitteilung zukommen zu lassen, ist auch zur Auskunft an dieselben jederzeit bereit.

§ 18.

Strafen sucht die Schule grundsätzlich zu vermeiden und durch Ermahnung und Unterweisung und durch Regelung der Zeit und der Thätigkeit unnötig zu machen. Wo dieselben gleichwohl angewandt werden müssen, liegt die väterliche Absicht zu Grunde, zur Besserung und Sinnesänderung zu führen. Die Abstufung derselben ist von der Vorgesetzten Behörde festgesetzt, ihre Anwendung geschieht unter Berücksichtigung der Individualität und des Alters des Schülers. Erweisen sich alle Erziehungs- und Zuchtmittel der Schule erfolglos, oder lässt ein Schüler sich gar Vergehen zu Schulden kommen, die gemeingefährlich für die Disziplin überhaupt sind, so bleibt nur die Verweisung von der Anstalt übrig.

§ 19.

Die Abmeldung von der Schule muss durch den Vater oder den Vormund schriftlich oder mündlich beim Direktor erfolgen. Das Abgangs-Zeugnis wird nur ausgehändigt, wenn der Nachweis geführt ist, dass die von der Schule entliehenen Bücher und Zeichenvorlagen zurückgeliefert und die Verpflichtungen gegen die Gymnasial -Kasse erfüllt sind.

Jeder abgehende Schüler bleibt bis zu seiner Entlassung der Disziplin der Schule unterworfen, sowie jeder Zögling der Anstalt auch während der Ferien das Bewusstsein von seinen Pflichten gegen die Schule zu bethätigen hat.

§ 20.

Diese Schulordnung ist von dem Vater oder dessen Stellvertreter, event. auch von dem Pensionshalter des Schülers zu unterschreiben, von dem Schüler sorgfältig aufzubewahren und bei seinem Abgänge von der Schule zurückzugeben. Auch erwarten wir, dass das Haus Hand in Hand mit der Schule gehe, wie andererseits die Schule die Zucht und das Wohl der ihr anvertrauten Zöglinge in dem Geiste erziehender Liebe und wahrer Humanität im Auge haben wird. Vor allem verlangen wrir von unseren Schülern, dass sie im G eiste der Pietät gegen die Anstalt und ihre Lehrer es sich angelegen sein lassen, alle Gesetze mit Freudigkeit und Liebe zu erfüllen. Bei einem solchen Geiste wird dann auch jeder Schüler bei seinem Abgänge von der Schule das Bedürfnis empfinden, sich von seinen Lehrern in angemessener Weise zu verabschieden.

Nordhausen, im Februar 1898.
Direktor und Lehrerkollegium.




Vorstehende Schulordnung wird hiermit von uns genehmigt.

Magdeburg, den 4. April 1898. (J. Nr. 2920 S.)
Königliches Provinzial-Schulkollegium.
(gez.) Trosien.




Unterschrift des Vaters oder dessen Stellvertreters, event. auch des Pensionshalters: