Schneckenzucht in Bleicherode

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Textdaten
Autor: Wilhelm Kolbe (?)
Titel: Schneckenzucht in Bleicherode
Untertitel:
aus: Heimatland. Illustrierte Blätter für die Heimatkunde des Kreises Grafschaft Hohenstein, des Eichsfeldes und der angrenzenden Gebiete
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1911 (Nr. 17)
Verlag:
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Schneckenzucht in Bleicherode. „Vor einigen Jahren haben viele Einwohner dieses Orts eine curieuse Nahrung gehabt, die wohl schwerlich an vielen Orten anzutreffen. Sie haben nähmlich die großen Schnecken, so man zu essen pflegt, bei vielen tausend Schocken aus dasigen Bergen gesammelt und zusammengelesen, dieselben in ihren Gärten aufbehalten, zu dem Ende sie einen Wellholzhaufen gemacht, welcher von einem Wassergräbgen nmschlossen gewesen, oder sie auch nur mit Holz umlagert, damit sie nicht davon kommen können, und solche nachgehends mit Kohlblättern, auch einem Kraute von solcher Art, so im Wasser wüchset, gefüttert, bis sich die Schnecken geschlossen. Alsdann haben sie solche zum Verkauf in benachbarte Orte gefahren und getragen. Man hat wohl eher ganze vierspännige Wägen voll solcher aufgefütterten Schnecken mit guten Gewinn nach Leipzig gefahren und dort verkauft, nachdem aber vor einiger Zeit ein solcher gewinnsüchtiger Handelsmann das Unglück gehabt, daß er auf der Reise von einer warmen Witterung überfallen und wie er nach Leipzig kommt, der ganze Wagen lebendig worden, so daß er seinen ganzen Karren in den Kot schütten muß, so ist hernach manchen der Appetit vergangen, sich durch diese Schneckenfütterung zu bereichern.” So erzählt von Rohr in seinen 1739 herausgegebenen geographischen und historischen Merkwürdigkeiten des Oberharzes.

 Der Nordhäuser Pastor Lesser berichtet in seiner Testaceo Theologia von 1744: „Noch vor wenig Jahren hatten verschiedene Einwohner des Städtleins Bleicherode ihre Nahrung von Erdschnecken, welche sie in großer Menge auf den dasigen Bergen zusammen lasen und in ihren Gärten aufhuben. Sie machten entweder Hütten oder Wellholzhaufen, umschlossen den Ort mit Wassergräbgen, damit die Schnecken nicht davon kriechen konnten. Hernach fütterten sie solche mit Kohblättern, bis sich die Schnecken schlossen, daß sie verführet werden. Es ist aber solcher Handel nunmehro in Abnehmen kommen, weil man vorgiebt, daß die Kosten die Mühe nicht bezahlen, welche man darauf wenden müßte. Doch pflegen noch arme Einwohner die Schnecken zusammenzulesen und sie schockweise allhier zu Markte zu bringen.” Die Erinnerung an die Schneckenzucht hat sich bis beute im Volke erhalten, nämlich in dem Spitznamen für die Bleicheröder, die man „Schneckenhengste" nennt. — Die Schneckenzucht ist übrigens in neuer Zeit in unserer Heimat wieder in Aufnahme gekommen, in dem im Kreise Heiligenstadt gelegenen Dorfe Geisleden züchtet man seit einem Jahrzebnt Schnecken. Schon 1904 betrug die Ausfuhr eine balbe Million; von hier aus verpflanzte sich dieser eigenartige Erwerbszweig nach Faulungen, Lengenfeld und Treffurt, das im vorigen Jahre 20 Zentner verschickte. Die Tiere werden als Eilgut an Großzüchtereien versandt, die sie weiter mästen und dann meistens in Frankreich als begehrte Delikatesse verkaufen.