Nordhausens erste Blütezeit unter der Herrschaft der Geschlechter

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Autor: Hans Silberborth
Titel: Nordhausens erste Blütezeit unter der Herrschaft der Geschlechter
Untertitel:
aus: Geschichte der freien Reichsstadt Nordhausen
Herausgeber: Magistrat
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
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Erscheinungsort:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Abschnitt 2,
Kapitel 4
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Kapitel 5.
Nordhausens erste Blütezeit
unter der Herrschaft der Geschlechter.


Am Tage seiner Abreise von Erfurt, am 1. November 1290, hatte Rudolf von Habsburg den Nordhäuser Bürgern eine Urkunde von weittragender Bedeutung ausgestellt. Diese Urkunde umschrieb die Rechte der Stadt genau und wurde deshalb in Ergänzung des königlichen Willensaktes vom Jahr 1220 die Grundlage für die Stellung Nordhausens innerhalb des Reiches bis zum Verluste seiner Reichsfreiheit im Jahre 1802. Drei Bestimmungen in diesem Privileg sind für die weitere Entwicklung des Rates und der städtischen Freiheiten besonders wichtig: 1.) Die Reichsbeamten sollen der Stadt Nordhausen gestatten, sich ihrer Rechte zu erfreuen; 2.) keiner darf die Nordhäuser Bürger außerhalb der Stadt vor ein Landgericht laden; 3.) Wenn die Stadt Nordhausen einen Rechtshandel hat, sollen zwei ihrer Ratsleute, Syndici oder Prokuratoren, die Gemeinde vertreten.[1] Damit hatte die Stadt Nordhausen ihre Autonomie erlangt, und der Rat der Stadt hatte freie Bahn für seine Betätigung in allen städtischen Angelegenheiten. Nach diesem Privileg durfte die Stadt Nordhausen sich eigene Statuten geben, die Reichsbeamten, Vogt und Schultheiß, hatten sich nicht dareinzumengen. Daß diese städtische Gesetzgebung vor den Rechten des Schultheißen, besonders wo diese im Schultheißengericht Handel und Wandel der Stadt berührten, nicht halt machen würde, daß diese bürgerlichen Satzungen sich selbst Eingriffe in die hohe Gerichtsbarkeit des Vogts erlauben würden, war vorauszusehen, da das Privilegium keinerlei Einschränkungen vorsah, sondern ganz allgemein gehalten war.

Dieser Bewegung zur völligen Freiheit hin war das zweite angeführte Privileg ferner dadurch förderlich, daß es Nordhausen ausdrücklich die eigene Gerichtsbarkeit verlieh, von der aus an kein Gericht eines Landesfürsten, sondern nur an das königliche Gericht appelliert werden konnte. Nordhausen bekam seine eigene niedere und hohe Gerichtsbarkeit. Jener stand noch der Schultheiß, dieser der Vogt vor, doch die Beisitzer waren Nordhäuser Bürger und Ratsherren allein; der Rat mußte schließlich den Ausschlag beim Gerichtsverfahren geben und die Beamten der Aufsichtsbehörde zu bloß äußerlichen Repräsentanten der Staatsgewalt und zu Empfängern der festgesetzten Gebühren herabdrücken.

Das dritte der angeführten Privilegien aber bedeutete nichts anderes, als daß Nordhausen ein Staat wie jeder andere war unter eigenem Regiment, der auf gleichem Fuße mit anderen Mächten des deutschen Reiches verkehren und seine Händel selber austragen durfte. Der Rat hatte damit die Vertretung der Stadt nach außen hin allein in seine Hand bekommen und übernahm auch das Kriegs- und Befestigungswesen der Stadt.

Man kann nicht ohne weiteres urteilen, daß die Autonomie der einzelnen Teilgewalten im deutschen Vaterland zu dessen Unsegen gewesen sei. Sie hätte zum Segen werden können. Denn genau so wie heute die kommunale Selbstverwaltung für das ganze deutsche Volk im höchsten Maße ersprießlich ist, da sie jeden einzelnen zur Mitarbeit und Mitverantwortung erzieht und reichstes Regen und Streben erweckt, genau so hätte auch damals im Mittelalter diese Auflok- kerung wirken können. Daß sie zur Zersplitterung führte und dadurch Deutschland zum Verderben wurde, lag nicht daran, daß den einzelnen Teilen zuviel Macht und zuviel Freiheit gewährt wurde, sondern daran, daß die Spitze zu wenig Macht und zu wenig Freiheit behielt. Starke Zentralgewalt und starke Teilgewalt schließen einander durchaus nicht aus. So hätte z.B. 1290 Nordhausen ohne Schaden des Reiches alle oben angeführten Rechte bekommen können, wenn nur den Reichsbeamten die nötige Aufsichtsgewalt und die nötige Macht, dem Spruche des Reiches Geltung zu verschaffen, gesichert geblieben wäre. Doch scheint dem Deutschen, nicht nur jener Zeit, sondern auch heute, die Fähigkeit zu fehlen, gerecht abzumessen, was dem einzelnen zusteht und was dem Ganzen gebührt. Haben die einzelnen Teile gewisse Rechte erhalten, so suchen sie dieselben auf Kosten des Ganzen ohne Maß zu erweitern, und hat sich das Reich seine Rechte gesichert, so sucht es dieselben auszubauen auf Kosten der Sonderart des einzelnen Gebildes. Am Ausgang des 13. Jahrhunderts war jedenfalls die Zuständigkeit der Teilgewalten schon derart, daß es früher oder später zum gänzlichen Verfall der Zentralgewalt kommen mußte. Auch das Prinzip des Wahlkönigtums hatte sich gänzlich durchgesetzt. Neid und Gewinnsucht der Fürsten verhinderten die Wahl eines machtvollen Herrschers, und die auf ihre Rechte so sehr pochenden Teile des Reiches kamen gerade durch ihre zu große Selbständigkeit selbst in Gefahr, da kein König da war, der „nie stirbt..., der dem Schwachen beisteht und den Bösen schreckt, der den Neid nicht kennet, denn er ist der Größte“.

Auch Nordhausen kam bald nach dem Tode Rudolfs in die Lage zu spüren, was es heißt, wenn der König nicht „der größte“ ist, sondern nur um seiner selbst willen danach strebt, „der größte“ zu werden. Die Kurfürsten hatten aus Eigennutz nicht Rudolfs mächtigen Sohn Albrecht zum König gewählt, sondern Adolf, Grafen von Nassau. Ohne rechtes Ansehen und ohne eigene Macht, suchte dieser alsbald sein königliches Amt dazu auszunutzen, sich eine Hausmacht zu schaffen.

Der Kampf, der um die Lande der Wettiner, Meißen und Thüringen, ging, berührte auch Nordhausen aufs empfindlichste. Albrecht der Entartete von Thüringen, ein Mann, der in seltsamster Weise und ohne jedes Gefühl für die eigene Ehre oder die seines Hauses nur dem Augenblicke lebte, hatte an Adolf die Erbfolge in Thüringen verkauft ohne Rücksicht auf seine beiden Söhne Friedrich und Diezmann. Diese aber verwahrten sich sowohl gegen den Verkauf wie auch gegen die Einziehung Meißens durch den König, auf das sie berechtigte Ansprüche hatten. So kam es zum Kriege, der in den Jahren 1294-1296 eine fürchterliche Geißel für Thüringen werden sollte.

Adolf drang in Thüringen ein, um sich mit Waffengewalt des Landes zu bemächtigen. Im September und Oktober 1294 verwüstete er zunächst die Umgebung von Eisleben, dann das mittlere Thüringen um Erfurt herum. Die Thüringer Adligen hielten es fast sämtlich mit den ritterlichen Söhnen des entarteten Albrecht und scharten sich zur Abwehr zusammen. Nur Dietrich II. von Honstein scheint sich dem Gefolge des Königs angeschlossen zu haben; doch soll er den König ernstlich wegen des furchtbaren Treibens der königlichen Raubscharen zur Rede gestellt, aber nur die Antwort erhalten haben: „Ich kann meine Krieger nicht im Schubsacke bei mir führen.“

Ende Oktober kehrte Adolf ins Meißensche zurück, wandte sich gegen Ende des Jahres aber nochmals gen Norden und erschien im Dezember in den Gauen des südlichen Harzvorlandes. Es war ein außerordentlich kalter Winter. Adolf selbst quartierte sich in Nordhausen ein, seine wüsten Mannen machten es sich in den umliegenden Dörfern bequem. Hier schwelgten sie im Haus und am Herd, lagen auf der Bank und im Bett. Je kleiner die Ortschaften und je einsamer gelegen, desto ungestörter konnten die königlichen Heerscharen ihr frevelhaftes Spiel mit den Bauern treiben. Karl Meyer wird recht haben, daß damals in nächster Umgebung Nordhausens die Ortschaften Rossungen, Gumprechtrode, Niedersalza, Girbuchsrode und Barbararode eingingen, weil die Bauern, soweit sie nicht erschlagen wurden, aus ihren Gehöften nach Nordhausen flüchteten.

Hier hielt unterdessen König Adolf Hof und ließ sich’s wohl sein auf Kosten der Bürger. In seinem Gefolge befanden sich der Erzbischof von Magdeburg, der Bischof von Merseburg und die Markgrafen von Brandenburg. Die Herzöge Heinrich und Albrecht von Braunschweig trafen während des Aufenthaltes des Königs in Nordhausen ein. Damals war es auch, wo Adolf von Nassau mit dem gepfeilten Otto IV. von Brandenburg, der gewisse Anrechte auf Thüringen hatte, einig ward.

Am 9. Januar wandte sich der König nach Mühlhausen, um hier den Bürgern ebenso auf der Tasche zu liegen; doch traten die Mühlhäuser etwas kräftiger gegen die zuchtlosen Scharen auf, so daß Adolf alsbald einen recht kläglichen und unrühmlichen Rückzug antreten mußte.[2]

So nahm König Adolf für diesmal Abschied aus Nordthüringen und von Nordhausen. Ein trauriger König schied, und ein trauriger Aufenthalt war zu Ende, und vielleicht hat der Himmel die Gebete der Bürger, die unterm Sprechen wohl zum Fluche wurden, erhört: Kein erwählter Römischer König hat seitdem jemals wieder den Fuß auf Nordhäuser Boden gesetzt. In den ersten Tagen des Januar 1295 war es das letztemal, daß ein König des alten Reiches in Nordhausens Mauern weilte. Die Luxemburger und Habsburger beschränkten sich später auf Süd- und Westdeutschland. Die Schaffung einer Residenz und die verbesserten Verkehrsmittel machten nach und nach ein Umherziehen des königlichen Hof- haltes überflüssig. Die unmittelbare persönliche Berührung der Könige mit allen deutschen Volksstämmen hörte auf.

Viel nachhaltiger als das schnell vorbeiziehende Ungewitter war für die Reichsstädte Nordhausen und Mühlhausen, daß der ewig geldbedürftige König sie verpfändete, um zu Geld zu kommen. Und zum größten Schaden der Städte fand dieses böse Beispiel bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts hinein getreuliche Nachahmung bei Adolfs Nachfolgern auf Deutschlands Thron, die ebenso goldhungrig waren wie er. Denn die einflußlosen Fürsten, die zu Königen gewählt wurden, mußten sich erst die nötigen Mittel für ihre Politik von ihren Untertanen erpressen. Bei einer solchen Einstellung hätte auch die Reichsstadt Nordhausen mehrfach beinah ihre Reichsfreiheit verloren. Um zu Geld zu kommen oder um Verbindlichkeiten einzulösen, verpfändeten sie die Kaiser des öfteren, und jedesmal waren solche Operationen für die Stadt, die ihre Freiheit behalten wollte, mit größten Opfern verbunden. So wurde die Stadt zusammen mit Mühlhausen dafür, daß Erzbischof Gerhardt von Mainz für die Wahl Adolfs von Nassau eingetreten war, dem Mainzer versprochen. Doch kam es nicht zu der Auslieferung, sondern am 4. Oktober 1294 verpfändete Adolf von Nassau die Stadt an Albrecht von Thüringen. Dasselbe Schicksal erduldete Nordhausen nochmals am 7. Mai 1323, wo Ludwig der Baier es abermals an Thüringen-Meißen verpfändete. Dennoch wurde Nordhausen nie eine thüringische Landstadt. Jedesmal übernahm es für den König namhafte Zahlungen, löste sich selbst damit aus und blieb beim Reiche. Das erste Mal dauerte es mehr als 10 Jahre, von 1294-1305, ehe sich Landgraf Albrecht von Thüringen für befriedigt erklärte; erst am 7. März 1305 bezeugte er auf der Wartburg, daß Nordhausen alles bezahlt habe, was der Kaiser ihm schuldig gewesen sei.

In diesen Zeiten der Bruderkämpfe war es nicht einmal vorteilhaft, nur Freie Reichsstadt zu sein ohne einen Rückhalt als den an einem schwachen und mit einem Nebenbuhler im Streite liegenden Kaiser. Besonders die mächtigen Hon- steiner wurden der Stadt wieder und wieder gefährlich. Deshalb bestellte auf ihre Bitten am 5. Juli 1313 Kaiser Heinrich VII. zu Pisa den Brandenburger Heinrich von Landsberg zum „Richter und Verteidiger“ für Nordhausen. Doch scheint dieser einmalige, von einem todkranken Kaiser gegebene Befehl kaum von einiger Tragweite geworden zu sein; und da 1320 die Askanier in Brandenburg ohnedies ausstarben, so verliert diese Verbindung Nordhausens mit Brandenburg für die Stadt jede Bedeutung. Im Gegenteil, kurz darauf kam die Reichsstadt durch König Ludwig den Baier dadurch in neue Bedrängnis, daß dieser sie sowohl wie Mühlhausen an den Markgrafen Friedrich von Meißen verpfändete.

Ludwig hatte dem Markgrafen seine Tochter Mechthild verlobt und ihr als Mitgift 10.000 Mark Silbers versprochen, für die die beiden Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen aufkommen sollten. So wurde also Nordhausen 1323 abermals verschachert, und erst 10 Jahre später, im Jahre 1333, konnte die Stadt durch Zahlung von 3000 Mark Silber ihre Unabhängigkeit wiedererlangen. Doch hatte diese zweite Verpfändung eine tiefe Wunde hinterlassen, indem sie die Grundlage dafür wurde, daß seit den vierziger Jahren des 14. Jahrhunderts Thüringen-Meißen und damit später Sachsen die Schutzherrlichkeit und das Schulzenamt endgültig über Nordhausen zugesprochen erhielten.[3]

Im Jahre 1323 hatte Ludwig der Baier aber nur die Stadt und ihre Bevölkerung an Thüringen verpfändet, das wichtige Schultheißenamt hatte er davon abgetrennt, um aus ihm noch gesondert Kapital zu schlagen. Dieses hatte er am 21. August 1323 für 500 Mark an die honsteinsche jüngere Linie verpfändet. In deren Besitz war es von 1323-1342, dann wurde das Pfand, da es vom Kaiser nicht eingelöst wurde, von den Thüringern durch Kauf erworben.

Doch auch die Stadt selbst hatte noch einige Anfechtungen zu erleiden. Auch von Ludwigs Nachfolger, dem Kaiser Karl IV., wurde Nordhausen noch zweimal verpfändet, einmal an Thüringen, ein anderes Mal an Karls Gegenkönig, Günther von Schwarzburg, dem er 20.000 Mark Silber auszuzahlen versprach und dem er deshalb mehrere wichtige Reichsstädte abtrat. Dennoch brach unter ihm, etwa seit 1350, die Zeit an, wo sich die deutsche Stadt immer mehr durchsetzte und nicht bloß Städtebünde, sondern selbst einzelne Städte mit Erfolg ihren Landesherren oder dem Reiche die Stirne zu bieten wagten.

Zusammenfassend ist also noch einmal festzustellen: Man muß dreierlei unterscheiden: die Stadt, die Vogtei und das Schulzenamt samt der Schutzherrlichkeit. Die Stadt war dauernd Freie Reichsstadt und nur 1323 bis 1333 an Thüringen verpfändet, die Vogtei war und blieb dauernd im Besitze der Honstei- ner, das Schulzenamt war mehrfach verpfändet, zuletzt 1323 bis 1342 an die Honsteiner, von denen es dann Sachsen-Thüringen erwarb.

Die Notlage des Reiches und die Abhängigkeit der Kaiser bedeuteten im 14. Jahrhundert jedenfalls wie für jede Reichsstadt, so auch für Nordhausen schwere Belastungen. Die Kaiser waren in den seltensten Fällen Beschützer ihrer Städte, meistens waren sie geradezu ihre Aussauger. Wenn man hinzunimmt die tausend Fehden jener Zeit, die Verwüstungen, die sie mit sich brachten, die Streitigkeiten mit einer zuweilen anmaßenden Kirche, Seuchen und Pestilenz, die schwere Menschenopfer forderten, schließlich noch die inneren Unruhen, welche die Straßen der Stadt nicht selten durchtobten, dann kann wahrlich von einer Gunst der Zeiten und Verhältnisse keine Rede sein. Wenn man dann aber trotz alledem in derselben Zeit eine erste große Blüte der deutschen Städte, darunter Nordhausens, feststellen kann, so wird einmal daraus ersichtlich, wie die Natur sich trotz aller Hemmnisse durchsetzt, wenn die Zeit erfüllet ist, so wird zum anderen damit aber auch erwiesen, wie stark und tüchtig das junge deutsche Bürgertum sich damals allen Gewalten zum Trotz entfaltete.

Das Jahr 1290 hatte der Stadt die Bahn freigemacht für ihr Vorwärtskommen. Nach den ältesten, uns nicht erhaltenen Statuten ging Nordhausen im kurzen Zeitraum von 60 Jahren noch dreimal daran, sich Gesetze zu geben, weil die Entwicklung immer wieder neue Festsetzungen, nach denen die Bürger ihr Leben einrichten konnten, erforderte. Die ältesten Statuten wurden zwischen 1280 und 1290, die zweiten 1308, die letzten um 1350 aufgestellt. Alle späteren Gesetze sind großenteils nur Wiederholungen dieser älteren. Schon daraus wird der Glanz und das Machtbewußtsein der Bürgerschaft jener Zeit ersichtlich, daß sie sich damals einen rechtlichen Rahmen schuf, der Jahrhunderte lang paßte. Dann tritt diese Selbständigkeit aber auch zu Tage, wenn man die Rechte betrachtet, die den beiden Aufsichtsbeamten, dem Vogt und dem Schultheiß, verblieben waren.[4]

16Der Vogt hatte als oberster Reichsbeamter noch die Befugnis, dreimal im Jahre das voithdinc abzuhalten. Die Gerichtsbarkeit, hohe wie niedere, war ihm schon großenteils entzogen. Die Voruntersuchung leitete jedesmal das Schöffengericht unter Vorsitz des Schultheißen, und erst wenn die Untersuchung völlig abgeschlossen war, wurde der Verbrecher dem Vogte ausgeliefert. Dieser hatte nur das Urteil auf dem Markte in aller Öffentlichkeit zu sprechen und den Stab über den Übeltäter zu brechen. Da aber alle Angelegenheiten der Stadt, besonders die der Verwaltung, Finanzen und des Heerwesens gemäß den ihr seit 1290 zustehenden Rechten fortan vom Rate selbst in die Hand genommen wurden, erübrigte sich bald auch das dreimalige Vogtthing im Jahre. Der Brauch kam schon im 14. Jahrhundert in Vergessenheit; die Sitzungen des Vogts wurden reine Gerichtssitzungen. Das geht auch aus den Fassungen des Schulzenbuches hervor. Die erste Redaktion aus der Zeit um 1300 hat noch ... sed in tribus iudiciis, que voitdinc dicuntur, et tribus consimilibus iudiciis.[5] Die deutsche Revision dieses Gesetzbuches aus dem Jahre 1538, die im allgemeinen wörtlich übersetzt, sagt nur: der voith spricht kein urtheil nicht, ... sundem in drei gerichten und dergleichen. - Also nur die Urteilverkündung bei Strafprozessen blieb dem Vogt. Sein Amt wurde sehr schnell eine völlig einflußlose Sinekure. Man ließ ihm nach altem Brauche noch gewisse Abgaben zukommen, von irgendwelcher realen Macht und tatsächlichen Bedeutung war er nicht mehr.

Seitdem aber der Vogt seine Stellung verloren hatte, konnte die Bürgerschaft umso tatkräftiger gegen den Schultheißen und seinen Pflichtenkreis anlaufen, um auch diesem Reichsbeamten das Heft aus der Hand zu winden und seine Befugnisse zu übernehmen. Das war allerdings viel schwieriger; denn dem Schultheißen kamen Obliegenheiten zu, die sich nicht nur nicht allmählich überlebten, sondern vielmehr mit der anwachsenden Stadt von immer größerer, insbesondere wirtschaftlicher Bedeutung wurden.

Wir hatten gesehen, wie schon nach 1220 die Anforderungen an den königlichen Aufsichtsbeamten über Handel, Gewerbe und Marktgericht so gewachsen waren, daß er, ein Adliger und zunächst diesem Pflichtenkreise fernstehend, gar nicht mehr das ganze Feld seiner Betätigung überschauen konnte und daß er deshalb in weitgehendem Maße Bürger heranziehen mußte. Immerhin war sein Amt selbst nach den kaiserlichen Privilegien vom Jahre 1290 nicht ganz bedeutungslos.

Als königlicher Beamter genoß der Schultheiß innerhalb seines Amtsbereiches eine Reihe von Vorrechten. Überall, wo er als Bevollmächtigter des Königs auftrat, war er von Verpflichtungen, die andere Bürger zu leisten hatten, befreit, wo er dagegen als Privatmann handelte oder als solcher innerhalb einer Genossenschaft stand, hatte er dieselben Leistungen aufzubringen wie jeder andere. So war er befreit von der Grundsteuer, denn Nordhausen stand auf dem Boden des Reichs, und der Reichsbeamte brauchte deshalb die auf diesem Boden ruhende Abgabe nicht zu zahlen. Dagegen mußte er natürlich von Gütern, die er während seiner Amtstätigkeit nicht als Schultheiß, sondern als Privatmann erwarb, Zins zahlen wie jeder andere. Ebenso war es die Stadt ihm schuldig, ihn von den gewöhnlichen Aufgaben und Pflichten eines Bürgers zu befreien. Er tat keinen Wachtdienst, er brauchte sich nicht zum Feuerlöschen zur Verfügung zu stellen. Das Umgeld, das auf das Bierbrauen gelegt war, brauchte er für zwei Bier, d.h. für die Menge, die er und seine Familie für ihren Lebensunterhalt benötigten, nicht zu bezahlen; wollte er mehr brauen, so hatte er dafür Umgeld wie jeder andere zu entrichten.

War er einerseits als Beamter von allen Lasten befreit, so hatte er andererseits als Angehöriger eines bestimmten Standes dieselben Lasten wie jeder andere zu tragen. Daher bestand die Anordnung, daß er, wenn er ein Handwerker war, allen seinen Verpflichtungen gegen die Zunft, der er angehörte, nachkommen mußte.

Der ursprüngliche Pflichtenkreis des Schulzen tritt in einzelnen weiteren Gerechtsamen und Einnahmen hervor, die er auch in die spätere Zeit, wo er fast zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken war, hinüberrettete. Wir hatten schon gesehen, daß sein ältester und vornehmster Beruf die wirtschaftliche Beaufsichtigung des gesamten königlichen Grund und Bodens war. Daher rührte die Befugnis, die er bis in die Neuzeit hinein besaß, von allen Häusern und Erbgütern 28 Pfennig zu vereinnahmen. Jedes Haus in Nordhausen stand auf königlichem Boden, und deshalb zahlte der Besitzer eine Steuer nicht nur an die Stadt, sondern auch an den Vertreter des Reiches. Ebenso war es bei den Liegenschaften, die der Eigentümer direkt vom Reiche zu Lehen hatte, bei Gütern, die die Bauern als sogenannte Erbzinsgüter in erblichem Nießbrauch hatten; auch hiervon ging eine Steuer an den Schultheißen. Da aber keiner, der nicht Haus oder Grund und Boden in Nordhausen hatte, Bürger der Stadt werden konnte, so erteilte der Schultheiß im 13. Jahrhundert auch noch das Bürgerrecht. Als seit 1290 die Stadt hierfür zuständig wurde, zeigten doch die 28 Pfennig, die auch weiterhin für Erteilung des Bürgerrechtes an den Schultheißen zu zahlen waren, noch die alte Abhängigkeit. Der Rat der Stadt war zwar völlig selbständig in der Aufnahme von Bürgern geworden, aber wenigstens die Fiktion einer Oberaufsicht durch den Schultheißen war durch die Abgabe noch aufrechterhalten.

Eng mit dem Handel der Stadt zusammen hing der Verkehr von und nach dem Marktorte, und deshalb stand dem Schulzen auch das Geleitrecht zu. Jeder, der durch städtisches Gebiet reiste, wurde an den Grenzen in Empfang genommen, ihm die Erlaubnis zur Durchreise und zum Hausieren gegeben, ihm während dieser Durchreise Schutz zugesichert, und dafür hatte er an den Schultheißen das Geleitgeld zu zahlen. Erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts übertrug Karl V. den Nordhäusern das Geleitrecht.

Endlich kann man auch darin noch die Befugnisse des Schulzen über Grund und Boden erkennen, daß er bis in die ersten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts hinein die Berechtigung hatte, Hypothekenbriefe auszustellen. Erst damals machte ihm die Stadt auch dieses Recht streitig. Doch sein für die Stadt wichtigstes Amt bestand in der Ausübung der Marktgerichtsbarkeit. In erster Linie war der Schultheiß der Vorsitzende des Schöffengerichts, das die Zivilgerichtsbarkeit innehatte. Sein Titel war praefectus, die beiden Beisitzer hießen iudices, Schöffen, Gerichtsfronen oder discreciores civitatis. Zu diesen Schöffen wurden schon im 13. Jahrhundert einheimische Bürger herangezogen, die der Schultheiß als Sachverständige besonders nötig hatte.

Vor das Schulzengericht gehörten in ältester Zeit nur handels- und gewerberechtliche Angelegenheiten, ferner besaß es die Zuständigkeit über das Pfand-, Schuld- und Erbrecht. Die gesamte übrige Gerichtsbarkeit, besonders die Strafgerichtsbarkeit, besaß der Vogt. Da aber der Schulze auch die Marktpolizei ausübte, so zog er bald auch strafrechtliche Fälle vor sein Gericht. So besaß er schon am Ausgang des 13. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit über Friedensbrüche, über Räubereien während des Marktes und über Eigentumsvergehen jeder Art. Die Stadt aber hatte ein Interesse daran, die Kompetenzen des Schulzengerichts möglichst weit zu ziehen, da sie ja durch die Schöffen in diesem Gerichte ausschlaggebend war, während ihr dem Vogte gegenüber keine Handhabe gegeben war, ihren Einfluß zur Geltung zu bringen. Ja im alten Schultheißenbuche des 14. Jahrhunderts finden wir schon die Bestimmung: si scultetus egerit in aliquem pro furto vel pro spolio vel pro qualicumque causa, et si secundum ius evaserit, solutus erit ab advocato pro tali causa. Hier tritt ganz deutlich zutage, daß dem Schultheißen neben der Zivilgerichtsbarkeit nur über Diebstahl und Raub abzuurteilen obgelegen hatte; dann aber fügt man hinzu: vel pro qualicumque causa „oder über irgend eine andere Sache“. Nach diesem Schulzenbuche führte also der Schultheiß auch die Voruntersuchung in jeder Strafsache, und erst, wenn die Schuld des Angeklagten feststand, verwies man den Prozeß an das Blutgericht des Vogts. Flüchtete der Verbrecher, so ließ der Schultheiß ihn verfolgen durch seine Büttel, leitete die Voruntersuchung und stellte dem Geschädigten das entwendete Gut wieder zu. So erweiterte das Schulzengericht gegenüber der Vogtei seine Befugnisse mit Hilfe der Städter, und dann, nachdem der Vogt zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken war, gingen diese gegen das Amt des Schultheißen vor. Die ursprünglichen Kompetenzen und insbesondere die gesamte Oberaufsicht über das Schulzenamt durch den Vogt läßt sich nur noch daran erkennen, daß ihm ein Drittel aller Gerichtsfälle vom Schulzengericht abgegeben werden mußte.

Der Schultheiß hegte die Gerichtsbank mit der Frage, ob jetzt Richtens Zeit sei. Wenn sie bejaht wurde, „stand“ das Gericht. Dann trat man in die Verhandlungen ein; ein Gerichtsschreiber und ein Büttel standen dem Schulzen zur Seite. Wie beim gesamten Gerichtsverfahren des Mittelalters, so spielte auch im Zivilgericht der Reinigungseid der Hauptrolle. Er wurde bei gehegter Bank vor dem Schultheißen abgelegt; nur Juden legten ihn vor der Judenschule ab; doch entsandte der Schultheiß einen Boten dazu. Schwere Strafe, nämlich eine Buße über 3 Pfund Silbers, traf den, der den Eid leichtfertig und ohne Erlaubnis des Schulzen ablegte. Den Urteilsspruch fand das Gericht bei geringeren Sachen allein. Selbstverständlich fiel die Stimme des Schultheißen als Vorsitzenden des Gerichts zunächst gewichtig in die Wagschale; erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bestritten die Nordhäuser dem Schulzen das Recht, den Urteilsspruch mitzufinden, und beanspruchten dieses Recht allein für die beiden Schöffen, auf die sie ja, da sie aus ihrer Mitte genommen waren, von viel größerem Einfluß waren als auf den Schultheißen. Diesem sollte, abgesehen vom Hegen des Gerichts und der Eidabnahme, nur noch die Verkündung des Spruches zustehen.

Wenn wichtigere oder schwer zu beurteilende Angelegenheiten zur Verhandlung standen, so daß das Schöffengericht nicht allein den Spruch abzugeben wagte, so „borgte“ man sich das Urteil, holte ein „Weistum“ ein. Im allgemeinen wandte man sich dabei an Goslar, dann, wenn das Goslarer Urteil nicht befriedigte, an Mühlhausen. Bei außergewöhnlich wichtigen Prozessen holte man sich das Urteil auch von ganz berühmten Schöffenstühlen, vor allem von Magdeburg, und ließ es sich dann auch gehörig Geld kosten, wie denn hinter einem Magdeburger Weistum anzumerken nicht vergessen wird: „unde hat gekost 23 Rinsche gülden“. Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurde es übrigens üblich, die Prozeßakten an den Rat der Stadt einzuschicken und diesen nach seiner Meinung zu fragen, so daß allmählich der Syndikus der Stadt Nordhausen den Ausschlag bei der Urteilsfällung gab. Dieser Brauch, der gewohnheitsmäßig schon früh geübt wurde, erhielt Rechtskraft durch ein königliches Privileg vom 10. August 1349, wo Karl IV. zu Köln der Stadt Nordhausen gewährte, daß die Urteile des Rates „Kraft und Macht“ haben sollten. Und in einer zweiten Urkunde, die am 10. September 1354 in Zürich gegeben worden war, erweiterte der städtefreundliche Kaiser noch die Aufsichtsbefugnis der Stadt über das Schulzengericht. Diese beiden Urkunden neben der Rudolfs vom Jahre 1290 waren die Grundlagen, von denen aus die Hoheit der Stadt weiter ausgebaut werden konnte.

Im übrigen waren die Befugnisse und Einkünfte des Schultheißen durch sein Aufsichtsamt über den Verkehr und den Handel der Stadt bestimmt. Eine seiner wichtigsten Obliegenheiten in dieser Beziehung war die Überwachung der Münze zu Nordhausen. Im 12. und im Anfang des 13. Jahrhunderts standen die Münzmeister, monetarii oder magistri monetae, die ebenso wie Vogt und Schultheiß Ministeriale der Burg waren, noch fast selbständig neben diesen Beamten und traten auch selbständig in Urkunden auf.[6] Seitdem aber die Tätigkeit des Schulzen auf die Stadt beschränkt war, wurde ihm die Münze mitunterstellt, und der monetarius erschien nunmehr nur noch als Unterbeamter des Schultheißen. Dieser verpachtete meistens die Münzen an Unternehmer, behielt aber jederzeit die Oberaufsicht. Er bestimmte nach höheren Anweisungen Gewicht und Feingehalt der Geldstücke, er schloß auch mit anderen Städten über die Anerkennung der Nordhäuser Münze und ihren Wert Verträge ab. So sind z.B. aus älterer Zeit vom 30. März 1322 und 14. Juli 1360 Verträge über die Münze mit Ellrich auf uns gekommen. In den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts galten 30 Schilling gleich einer Mark Silber, in den sechziger Jahren 50 Schilling, 1382 gar 52 Schilling gleich einer Mark.[7] Diese Verträge wurden nötig nach der Zeit, wo die Honsteiner um 1340 und 1350 das Schulzenamt besessen und damit einen wahren Raubbau betrieben hatten. Sie zeigen, wie wichtig selbst in jenen Zeiten, deren Handel doch noch großenteils auf der Naturalwirtschaft fußte, eine vollwertige Münze war, und daß die Verschlechterung der Münze zu der Zeit, wo die Honsteiner Besitzer des Schulzenamts waren, dem Handel und Verkehr sofort größten Schaden zufügte.

Aus der Münze flössen dem Schultheißen auch die stattlichsten Einnahmen zu, die sich schon im 14. Jahrhundert auf 30 bis 70 Mark jährlich beliefen. Stets war in Nordhausen die Ausprägung von Münzen üblich wie die in Sachsen und Thüringen. Der Nordhäuser Verkehr und Warenaustausch zeigte im Mittelalter nach Süden. So gab z.B. am 9. Oktober 1448 Wilhelm von Sachsen als Inhaber des Schulzenamtes in Nordhausen der Stadt das Recht, für 400 Gulden Münzen auszuprägen, wie die zu Eisenach, Weißensee und Saalfeld, und 1538 lautet eine Bestimmung: „Item man zu Northausen münzet, so hat unser gnediger Herr von Doringen die schlegeschatze daran.“ Dieser wünschte auch nach der neuen vom Kaiser Maximilian geschaffenen Kreiseinteilung das Ausmünzen gemäß der Obersächsischen Kreisordnung, obgleich Nordhausen dem Niedersächsischen Kreise zugeteilt war und in der Tat schon seit dem 15.Jahrhundert wirtschaftlich mit Quedlinburg, Halberstadt, Braunschweig und Lüneburg ebenso im Verkehr stand wie mit den thüringischen Städten.

Zur Aufrechterhaltung der Münzstätte und für ihre Überwachung flössen dem Schultheißen die Einkünfte von dem sogenannten „großen“ Zolle und die Abgaben einer Reihe von nach Nordhausen hin steuerpflichtigen Dörfern zu. Unter dem „großen“ Zoll verstand man die Steuer, welche auf dem nach Nordhausen eingeführten Wein ruhte und die zwischen 4 Pfennig für einen Wagen mit Wein und 1 Pfennig für eine Weinkarre schwankte. Wein, der nicht zum Selbstverbrauch oder sofortigen Ausschank verwertet wurde, sondern den man zu späterem Verkauf erst lagern ließ, wurde doppelt so hoch besteuert. Von den Dörfern zahlten im 14. Jahrhundert Bielen, Windehausen, Urbach, Görsbach, Grumbach bei Bielen, Vorrieth bei Kleinfurra, Eire, Horn und Wiechstädt besonders Hafer zur Nordhäuser Münze,[8] im 16. Jahrhundert leistete auch noch Steinbrücken eine Abgabe, von Crimderode kamen 4 Schock Reisholz, das Kloster von Ilfeld steuerte jährlich ein Fuder Holz, das Walkenrieder 10 Ellen graues Tuch bei. Ilfeld und Walkenried waren zu der Abgabe wegen ihrer in Nordhausen befindlichen Klosterhöfe verpflichtet, aus denen sie ja mancherlei merkatorischen Vorteil zogen.

Neben der Münze gehörte zu den Aufgaben des Schultheißen die Erhebung und Überwachung des Zolls. Von allen Waren, die in die Stadt eingeführt und dort verkauft wurden, wurde ein Zoll erhoben; nur die Waren, besonders Getreide ünd Lebensmittel, welche ein Bürger draußen aufgekauft hatte, um seinen eigenen Bedarf zu decken, waren zollfrei. Der Zoll ward erst entrichtet, wenn die Ware in der Stadt abgesetzt war.[9] Als Strafe für unverzollte, ohne Steuermarke ans Stadttor gelangende Waren sieht das Schulzenbuch von 1538 eine Geldbuße an den Schultheißen von 1 Pfund Geld 20 Schneebergern vor. Wenn die Ware zu geringfügig war, mußte der Versuch der Hinterziehung wenigstens mit 1 Gulden gebüßt werden. Eingeführt in die Stadt aber wurden besonders die Produkte der ländlichen Umgebung: Getreide, Mohn, Hanf, Hopfen, Holz, Weidenruten. Von weiterher kamen Fische, insbesondere Heringe, ferner Wein, Met, Bier, aber auch Farbstoffe wie z.B. Waid. Doch auch Fertigfabrikate der Umgebung sowohl, wie der weitesten Feme gelangten nach Nordhausen, insbesondere Webwaren aus Wolle und Leinwand. Waren unter dem Werte von 1 Schilling ließ man zollfrei durch. Ebenso waren für die beiden Jahrmärkte im Frühjahr und Herbst Erleichterungen gewährt. Dann wurde für alles, was in einer Bude verkauft wurde, nur 2 Pfennige Zoll entrichtet; wenn der Verkäufer auf dem Jahrmarkt aber keine Bude besaß, zahlte er den gewöhnlichen Zoll, da ja jede Übersicht über das zum Verkauf Gebrachte fehlte und ein solcher Handel dem Jahrmarkt nicht zugerechnet wurde. Im späteren Mittelalter besuchten die Jahrmärkte auch gern einheimische und fremde Fleischer und Bäcker, die dann ähnlich wie alle übrigen Budenbesitzer besteuert wurden.

Ganz besonders tritt aber die Abhängigkeit der Stadt vom Schultheißen als Marktherm und Inhaber des Kaufmanns- und Gewerbegerichts hervor durch die Abgaben, welche die Innungen jährlich dem Schultheißen zu leisten hatten. Abgesehen davon, daß jeder Inhaber für seinen Stand auf den zunächst zwei, später drei Wochenmärkten ein kleines Standgeld zu entrichten hatte, mußten auch die einzelnen Interessengemeinschaften, die Zünfte, zum Zeichen der Anerkennung der schultheißlichen Gewerbehoheit alljährlich eine Abgabe entrichten. Sie unterlag naturgemäß in den vier Jahrhunderten von 1300-1700 Schwankungen, ist aber stets festgehalten worden. So entrichteten 1538 die Kaufleute 10 Schillinge (zu 9 Pfennig), die Schneider 3, die Fleischer 20, die Gerber 10, die Bäcker 6, die Wollweber 4, die Leinweber 6, die Schuhmacher 30, die Schmiede 4, die Krämer 4 Schillinge. Das Schulzenbuch aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts zählt neben diesen noch die Filtores, die Filzer, und die Picariatores, die Becherer, auf, enthält dagegen noch nicht die Schneider.[10]

Sämtliche Einnahmen aus dem Zivilgericht, der Marktherrlichkeit, den Zöllen und der Münze mit geringen Ausnahmen hatte der Schultheiß an seine Oberherm, seit 1352 also dauernd an Thüringen und Sachsen, abzuführen. Nur den Zoll für einige geringwertige Waren wie für Käse, Nüsse und Kastanien konnte er für sich einbehalten; ferner fiel ihm die Hälfte der Gerichtsstrafen zu, doch mußte er dafür die beiden Schöffen während der Gerichtssitzungen unterhalten. Im übrigen bezog er im 16. und 17. Jahrhundert ein jährliches Einkommen von 20 Talern und war von den städtischen Steuern befreit.

Aus allen diesen Darlegungen wird ersichtlich, daß das Schultheißenamt für die Stadt hochbedeutsam war, jedenfalls von viel größerer Wichtigkeit und viel weittragenderem Einfluß als die Vogtei. Das, worauf die ganze Daseinsberechtigung einer Stadt innerhalb eines Gesamtorganismus beruht, das, worauf die Bewohner einer Stadt ihr ganzes Sein begründen, das gesamte Wirtschaftsleben stand in irgendeiner Beziehung und meist auch in irgendeiner Abhängigkeit zum und vom Schulzenamt. Dementsprechend behandelten auch die Bürger das Amt: Es streckte seine Befugnisse in alle städtischen Verhältnisse, und deshalb mußte jeder Bürger zu ihm irgend eine Stellung nehmen; es erschien, je länger, je mehr, als die wirtschaftliche und staatliche Selbständigkeit einengend, und deshalb mußte jeder freie Bürger es als unbequeme Last empfinden.

Obenhin ist daher schon immer angedeutet worden, daß die Stadt Nordhausen bestrebt war, sich nach und nach die Rechte des Amtes anzueignen; wirklich erworben, wie es die Nachbarstadt Mühlhausen tat, hat Nordhausen das Schulzenamt erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts und ist erst damit eigentlich wirklich „Freie“ Reichsstadt geworden; aber an widerrechtlichen Eingriffen in das Schulzenamt, an Abtrennen einzelner Befugnisse von ihm, an durch keine Urkunden zu belegenden Behauptungen über das Machtbereich der Stadt, schließlich sogar an völligen Kassierungen des Amtes durch die Stadt hat es zu keiner Zeit gefehlt, von dem Augenblicke an, wo Nordhausen 1220 wirklich Reichsstadt geworden war, bis zu dem Augenblick, wo es 1715 seine volle Souveränität von Preußen erkaufte.

Diese Schmälerung der Rechte des Reiches durch Nordhausen war ja auch leicht möglich; überall bot sich ja eigentlich das Schulzenamt den Eingriffen und Zugriffen der Stadt dar. Das lag ganz einfach an den eigenartigen mittelalterlichen Verfassungs-und Verwaltungsverhältnissen. Innerhalb eines nach möglichster Selbständigkeit strebenden Gemeinwesens war der Schultheiß der einzige Vertreter der gesamtstaatlichen Hoheitsrechte, keiner leistete ihm dabei Hilfe, ja das Reich selbst oder der Staat, an den das Reich seine Hoheitsrechte abgetreten hatte, besaß kaum mehr Interesse an deren Wahrung, als daß ihm der Anspruch auf das Amt gewisse Einnahmen davon sicherte. Man ist fast versucht zu erklären, daß das Mittelalter einen recht konservativen Zug an sich trug, daß es auf Tradition und verbriefte Rechte außerordentlich viel gab, wenn man sieht, wie ein Amt von solcher Bedeutung wie das Schulzenamt für Nordhausen, eigentlich durch keine reale Macht, sondern nur durch das Herkommen und durch alte, meist sogar halb in Vergessenheit geratene oder abhanden gekommene Urkunden gesichert, sich überhaupt solange hat behaupten können. Hinter dem Schultheißen stand bei Ausübung seines Amtes niemand, er war ganz und gar auf die Hilfe der Bürger angewiesen. Seine wichtigsten Berater, die Schöffen, mußte er aus der Bürgerschaft nehmen; ebenso waren die ausführenden Beamten, die Zollbeamten, die Büttel, die Gerichtsdiener Einwohner der Stadt. Alles, was mit dem Amte zusammenhing und darin irgendeine Tätigkeit ausübte, war städtisch.

Dennoch kann man sagen, daß, obgleich während des ganzen 14. Jahrhunderts die städtische Macht ausgebaut wurde, das Amt doch bis ins 15. Jahrhundert hinein, abgesehen von kleinen Einbußen, Bestand gehabt hat. Erst seit etwa 1450 ist ein wirkliches Abbröckeln einer Befugnis nach der anderen ganz offensichtlich.

Abgesehen von diesen Einschränkungen durch die Amtsgewalt des Schultheißen regierten sich die Bürger selbständig. Doch nahmen zunächst nur die Gefreundten, die Geschlechter an der Verwaltung der Stadt teil; erst im Laufe des 14. Jahrhunderts macht sich ein allmählich immer stärker werdender Druck der Bevölkerung, die Mitbestimmung verlangte, bemerkbar. Welche Aufgaben aber im Mittelalter dem Rate zufielen, ist ein für das deutsche Städtewesen so wichtiges Kapitel, daß wir auch hier auf sie eingehen wollen, besonders da sie bisher für Nordhausen noch nicht näher umschrieben worden sind.

Schon lange vor dem Jahre 1290 hatte sich der Rat der Stadt Nordhausen in einem Rathause für seine Sitzungen und Beratungen eine geeignete Stätte geschaffen. Wir pflichten Karl Meyer bei, daß dieses älteste Versammlungshaus zwischen den beiden Gäßchen, die heute das Westende der Krämerstraße nach dem Steinweg hin bilden, gestanden hat.

Hier lagen die Gewandkammem der Gewandschnitter, der ältesten und vornehmsten Gilde Nordhausens, deren Mitglieder als Patrizier im Rate saßen und die ihr Kauf- und Gildehaus zugleich als Rathaus benutzten.

Doch schon um 1280, wahrscheinlich bald nach dem Sturze der Reichsritterschäft und der Zerstörung der Reichsburg, gingen die reichen Kaufleute daran, in unmittelbarer Nähe der Marktkirche, auf dem Platze, auf dem es noch heute steht, ein neues Rathaus zu bauen. Auch jetzt war in ihm die Mehrzahl der Räumlichkeiten den Kaufleuten für das Feilhalten ihrer Waren vorbehalten. Es besaß 12 obere, 16 mittlere und 16 untere Kaufkammem. Doch seine wesentliche Bedeutung bestand darin, daß es der Mittelpunkt für die städtische Verwaltung war.

Dieses neue Rathaus genügte nur 80 Jahre den Ansprüchen der Bürgerschaft; im Jahre 1360 wurde es umgebaut. Nachdem dieses neue Rathaus gebaut und dorthinein die Gewandkammem gelegt worden waren, nannte man das älteste Rathaus antiquum mercatorium, das „alte“ Kaufhaus. Das Rathaus in seiner neuen Gestalt vom Jahre 1360 war nun die Stätte, von wo aus die Ratsregimenter die Stadt Nordhausen lenkten und verwalteten.[11]

Es ist verständlich, daß in den Anfangszeiten des Rates, wo sich noch keine ganz fest umrissene Geschäftsordnung herausgebildet und wo die Behörde den Bürgern gegenüber noch keine feste Stellung und Tradition hatte, die Verwaltungstätigkeit auf manche Schwierigkeiten stieß. Hinzu kam noch, daß der Charakter der Zeit einem reibungslosen, friedfertigen Verkehr der menschlichen Gesellschaft durchaus widerstrebte. Bei hoch und niedrig war das Wort grob und schnell die Tat. Die stolzen Patriziergeschlechter kannten weder untereinander Rücksicht noch dem geringen Manne gegenüber, und dieser selbst war weit entfernt, sich in die ihm auf erlegte Ordnung ohne weiteres zu fügen. Erst im 15. Jahrhundert zog größere Ruhe ein, kam größere Stetigkeit in den Geschäftsgang, festigten sich die Verhältnisse im Innern der Stadt.

Aus dieser Sachlage heraus sind die Verordnungen zu verstehen, die die Rechte der Ratsherrn zu umschreiben trachteten, den Verkehr untereinander regelten und ihre Stellung innerhalb der Gesamtbürgerschaft festlegten. Je älter die Statuten sind, desto mehr Anordnungen finden sich ausgesprochen und zwischen den Zeilen, welche gerade Übergriffe zu verhindern suchten; unter der Gesamtzahl der Gesetze befinden sich gerade in den älteren Zeiten viel, die sich mit der Sicherung des Rates beschäftigen.

Die vornehmen Geschlechter hatten die Reichsritter entthront. Die gemeinsame Sache hatte sie zusammengeschweißt, und fest hielten sie zusammen gegen oben und unten, darauf bedacht, ihre Rechte zu wahren. Doch so sehr sie aufeinander angewiesen waren, so ließ es ihre Streitbarkeit und ihr Stolz doch nicht zu, daß sie sich auch nur einem ihresgleichen unterordneten oder im Rate und mit der Tat vor einem der ihrigen zurückwichen. So trug ihre Herrschaft durchaus das Antlitz jeder oligarchischen Herrschaft: nach oben hin war sie anarchisch, untereinander waren sie monarchisch, nach unten hin war sie despotisch. Die Rechte der Aufsichtsbehörde suchten diese Ratmannen immer weiter einzuschränken, und in den Zeiten nachsichtiger und schwacher Schutzherrn galten ja schon im 14. Jahrhundert tatsächlich Vogt und Schultheiß überhaupt nichts mehr. In den Nordhäuser Statuten werden die Reichsbeamten gar nicht erwähnt; man tut so, als seien sie für die Stadt nicht vorhanden.

Bei den Sitzungen der Geschlechter untereinander, bei den Ratsversammlungen ging es nicht selten lebhaft genug zu. Beschimpfungen, ja Tätlichkeiten kamen vor, so daß die Statuten Bestimmungen treffen mußten, die dergleichen Ausschreitungen ahndeten. Auch der Hinweis darauf, daß die Beratungen streng vertraulich sein sollen, kommt immer wieder vor und beweist, daß die Herren vom Rate zuweilen die Lust verspürten, ihrem übervollen Herzen vor aller Welt Luft zu machen und dadurch den Interessen der bevorrechteten Kaste zu schaden. Besonders aber war es nötig, die Stellung der Patrizier nach unten zu sichern. Deshalb legen die Statuten dem eine doppelte Buße auf, der einen Ratsherren tötet, lähmt, verwundet, über ihn das Schwert zückt, ihn mißhandelt oder mit Worten beleidigt. Ebenso ist der gesamte Rat vor Angriffen geschützt. Üble Nachrede und böswillige Kritik an den Maßnahmen des Rates wird bestraft, Schmähungen bei der Ratswahl gegen in den Rat Gewählte werden mit 5 Mark Silbers und 5 Jahren Verbannung geahndet. Widersetzlichkeiten gegen Befehle des Rates werden ähnlich bestraft. Interessant ist es, daß die ältesten Statuten vor 1300 zwar Bestimmungen aufweisen über den Verkehr der Bürger mit den Behörden innerhalb und außerhalb des Rathauses, daß aber erst die späteren Statuten aus dem 14. Jahrhundert, also aus der Zeit der eigentlichen Ständekämpfe, Ahndungen vorsehen wegen Störungen der Ratssitzungen durch einen Auflauf oder gar durch Eindringen der Bürger in die Versammlung. Niemand darf sich mit Gewalt Gehör zu schaffen suchen. Der Bürger darf auf das Rathaus kommen, muß aber unbewaffnet sein, er darf zwar Einspruch dort erheben, aber mit der nötigen Wohlanständigkeit und Ehrerbietung. Ein wirklicher Einfluß wird den niederen Bürgern zunächst überhaupt nicht, später nur durch die Mittelsmänner aus den Zünften und den Vierteln der Stadt zugestanden.[12]

Die Befugnisse dieser bevorrechteten, durch zwiefältige Buße geschützten Ratsherren sind sämtlich aus dem Aufsichtsrecht über den Markt und seinen Verkehr abzuleiten. Der Markt bildet die Grundlage für die gesamte Verfassung und Verwaltung der Stadt, er ist die Keimzelle, von wo aus sich die Rechte des Rates und der Bürgerschaft in demselben Maße vergrößerten, wie die Stadt selbst und ihr Handel und Wandel. Schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatten sich die Reichsbeamten nur das vorbehalten, was leicht übersehbar und verwaltbar war, was dennoch erfreuliche Einnahmen gewährte und was zugleich von der übrigen Verwaltung der Stadt, für die man doch keine Organe hatte und die man deshalb den Bürgern überlassen mußte, leicht abtrennbar war. Das waren der Zoll und die Münze. Diese blieben deshalb auch längste Zeit Reichsgut, wenn auch die Münze mit gewissen Einschränkungen. Das Dritte, was sich der Schutzherr der Stadt für seinen Vertreter, den Schultheißen, vorbehielt, war die Zivil- und niedere Strafgerichtsbarkeit. Doch war hier die Abgrenzung zwischen städtischer und oberherrlicher Kompetenz nicht so leicht vorzunehmen, und so bot denn das Schultheißengericht auch oft genug Anlaß zu Konflikten aller Art. Auf der einen Seite standen die Rechte des Schultheißen, dem eigentlich die gesamte Gewerbe- und Handelsgerichtsbarkeit zustand, auf der anderen Seite standen die weniger rechtmäßig begründeten als allmählich historisch erworbenen Rechte des Rates, der die gewohnheitsmäßige Handhabung der Verwaltung und die Aufsicht über den gesamten Produktions- und Konsumtionsprozeß innehatte.

Dieser Handel und Wandel spielte sich auf dem Markte ab und benötigte in erster Linie des Friedens. Deshalb war es auch die vornehmste Aufgabe des Rates, den Marktfrieden zu gewährleisten. Die Hälfte aller Bestimmungen der ältesten Statuten handelt daher von der Wahrung des Marktfriedens. Der König hatte einst der Ansiedlung den Markt geschenkt, und der Königsfrieden lag über der Stadt, aber ihn beschützen mußte der Rat. Jeder, der den Marktfrieden brach, handelt deshalb „wider des rates geböte“ und wurde vom Rate gebüßt. Ja, auch des einzelnen Ratmannen wichtigste Aufgabe war die Bewahrung des Friedens. Wo es zu Streitigkeiten kam, hatte der Ratmann, der gerade anwesend war, Frieden zu gebieten. Jeder hatte ihm zu gehorchen und gegebenenfalls Hilfe zu leisten, denn: he is in der stat botschaft. Der Ratmann, der diese seine vornehmste Pflicht vernachlässigte, verfiel selbst der Strafe.

Über den so gefriedeten Markt und seinen Verkehr führte der Rat die Aufsicht. Sollte der Handel hier aber wirklich für die Bevölkerung ersprießlich sein, so war es besonders wichtig, daß mit bestimmten, von der Obrigkeit anerkannten Münzen gezahlt und einheitliches Maß und Gewicht bei Kauf und Verkauf benutzt wurde. Wenn nun freilich auch die Münze dadurch, daß sie unter die Kompetenzen des Schultheißen fiel, der Beaufsichtigung durch den Rat entzogen war, trifft das doch nur für die Ausprägung zu und für die Einnahme, die aus dem Regal flössen. Sowie die Münze in den Handel trat, griff der Rat ein; denn in diesem Augenblicke hatte ja der Schultheiß keine Organe mehr, seine Münze, etwa vor Nachahmung und Fälschung, zu schützen, und gerade das ist das Wesentliche für das Gedeihen der Stadt. Denn durch schlechte und falsche Münze wird der Marktbetrieb gestört und geschädigt. Deshalb sind in den Statuten auch Bestimmungen über die Nordhäuser Münze aufgenommen. Schon 1308 wird festgelegt, daß derjenige niemals Bürger werden soll, der mit Nordhäuser Münze die Stadt verläßt, sich anderwärts niederläßt und dort das Nordhäuser Geld nachzuahmen sucht. Auch der, welcher solche Münzen einwechselt oder wechseln läßt, wird mit Strafe bedroht. Der Einheitlichkeit wegen war ferner dem Rate daran gelegen, daß die Bürger Nordhausens möglichst nur Nordhäuser Geld in Zahlung nahmen und gaben. Zugleich erreichte er dadurch, daß die Nordhäuser Münze galt, soweit sich das Einzugsgebiet des Nordhäuser Marktes erstreckte. Von den Höhen des Harzes bis südlich der Hainleite, von Heiligenstadt bis über Kelbra hinaus war daher Nordhäuser Geld das gangbarste. Allerdings konnte man gleichwertige Münzen auch gegen Nordhäuser umtauschen. Daß auch diese Bestimmungen über den Geldwechsel vom Rate ausgingen, ist selbstverständlich, da die Kaufleute die besten Fachleute für Gültigkeit und Wert fremder Geldsorten waren. - So erscheint gerade beim Münzwesen sehr schön die Abgrenzung der schutzherrlichen und städtischen Befugnisse: Alles, was mit der Ausprägung der Münze zusammenhängt, ist königliches Regal, alles, was mit dem Verkehr der Münze in der Öffentlichkeit zusammenhängt, unterliegt der Aufsicht der Stadt.

Neben der Regelung und Vereinheitlichung der Zahlungsmittel erstreckte sich weiterhin die Sorge des Rates auf Maß und Gewicht. Diese nahmen insofern eine andere Stellung ein als die Münze, als sie nie in den königlichen Urkunden erscheinen, sondern die Aufsicht über sie von vornherein der Stadt zusteht, unbedingt eine Folge davon, daß der mittelalterliche Staat, wie Below schon ausgeführt hat, selbst den kleinsten Gemeinden die Sorge für rechtes Maß und Gewicht überläßt. Dieses Verhalten des Staates ist auch verständlich, weil die Münze als Tauschmittel für die Gesamtheit dient, Maß und Gewicht aber nur beim Handel und Verkehr von Einzelpersonen von allerdings einschneidendster Bedeutung sind. Hier haben wir es mit rein kaufmännischen Instrumenten zu tun, alles Kaufmännische aber hält sich der mittelalterliche Staat vom Leibe, weil es ihm dabei doch nicht gelingt, beaufsichtigend und regelnd einzugreifen. Maß und Gewicht unterstehen also durchaus der Verwaltung des Rates. Ihre Überwachung ist aber eine umso wichtigere Angelegenheit, als bei der Vielheit der gebräuchlichen Maße und Gewichte und der Ungenauigkeit bei der Herstellung dem Betrüge Tür und Tor geöffnet war. Deshalb wurden auch Vergehen gegen Maß und Gewicht verhältnismäßig nur leicht geahndet; denn häufig war gar nicht nachweisbar, ob bloße Fahrlässigkeit oder wirkliche Fälschung vorlag. Trotzdem war natürlich dem Wirtschaftsleben sehr viel an genauem Maß und Gewicht gelegen, und der Rat suchte mit Verfügungen den Handel vor Ausbeutung zu schützen. „Wer unrechtes Gewicht, Scheffel, Ellenmaß, Molmetze hat, gibt dem Rate 1 Mark.“[13]

Das wichtigste Instrument zur Bestimmung genauen Gewichts war die Rats- wage, die in ältester Zeit wahrscheinlich im Rathause untergebracht war, im ausgehenden Mittelalter aber mitten auf dem Kommarkte stand. Auf ihr mußten alle größeren Warenmengen gewogen werden; nur dem Detailhandel waren eigene Wagen gestattet. So konnten die Wollweber bis zu 3 Steinen Gewicht (1 Stein = 20 Pfund), die Krämer bis zu 7 Pfund, die Kupferschmiede bis zu 10 Pfund ohne Nachprüfung verkaufen. Jeder größere Posten mußte aber auf der Ratswage abgewogen werden. Dafür wurde ein geringes Wiegegeld, meistens ein Scherf, die kleinste Münze, von dem Ratswagenmeister erhoben. Für Tuche hatte die Stadt eine eigene Wage, die Schröterwage, auf der neues Gewand von 2 Ellen aufwärts gewogen werden mußte.

Die Hauptsache bei der Bestimmung des genauen Gewichts waren die Gewichtsstücke. Um völlig einwandfreies Gewicht zu haben, besaß die Stadt die Gewichtsstücke in dreifacher Ausfertigung. Die einen der Gewichte hatten die 4 Kämmerer der Stadt in Verwahrung, die anderen lagen in der Bomkammer, einem Anbau an das Rathaus. Diese dienten gewöhnlich dem Gebrauche. Die dritten wurden im „Gewölbe der Privilegien“ aufbewahrt, d.h. im Archiv auf dem Rathause; diese galten als die maßgebenden. Sie wurden nur gebraucht, um die Richtigkeit der anderen nachzuprüfen.

Schon in dieser Tätigkeit des Rates erscheint eine der Hauptobliegenheiten der städtischen Organe: dem Produzenten das Seine zukommen zu lassen und den Konsumenten vor Ausbeutung zu schützen. Dieses Bestreben zeigen auch weiterhin alle Bestimmungen des Handels, die der Rat als Inhaber des Marktes vornahm. Teilweise sind sie sehr einschneidend und mußten von den Handelsleuten häufig als recht lästig empfunden werden, wurden aber mit Rücksicht darauf, daß durch sie für jeden ein geringes, aber sicheres Auskommen gewährleistet wurde, in Kauf genommen; ja, wenn der Staat nicht eingriff, legten die Kaufleute und Handwerker selbst ihrem Handel und Gewerbe Fesseln an, um keinen zu reich, keinen ganz arm werden zu lassen. Diese Mittelstandspolitik, welche die Bewegungsfreiheit, die Rührigkeit und den Wagemut des Einzelnen stark beschränkte, entsprang aus einem starken demokratischen Gefühl des Mittelalters für die Gleichheit aller Angehörigen eines Standes. Sie alle nannten sich Bürger, und diese sollten alle unter annähernd gleichen Lebensbedingungen leben. Zur Überwachung des Handels hatte der Rat 2 Ratmannen bestimmt.

So verbot der Rat der Stadt Nordhausen den Vorkauf. Erst wenn zu einer ganz bestimmten Zeit das Marktfähnlein herausgesteckt erschien, war damit der Markt eröffnet, und der Handel begann. Dabei mußten zunächst die Bedürfnisse der einheimischen Bürger befriedigt werden, und erst dann, wenn dies geschehen, wurden auch Fremde zum Markte zugelassen. Ganz besonders aber betrieb der Rat Mittelstandspolitik durch seine Verfügungen über das Kredit- und Genossenschaftswesen. Anfang des 14. Jahrhunderts war es Einzelpersonen oder einer Gesellschaft überhaupt verboten, einen Kauf oder Verkauf über 24 Mark lötigen Silbers zu tätigen. Einige Jahrzehnte später durften zwar Waren, deren Wert 20 Mark überstiegen, eingekauft und auch weiterverhandelt werden, doch man glaubte, daß in Nordhausen ohne Unredlichkeit kaum jemand überhaupt imstande sei, so en gros einzukaufen. Deshalb wurden eigens 2 Ratmannen ernannt, die zu prüfen hatten, ob ein solcher Handel auch wirklich ehrlich vor sich gegangen sei. Kompaniegeschäfte waren im allgemeinen überhaupt verboten. Beim Verkauf gesalzener Fische durfte nur ein Kompagnon angenommen werden. Ebenso war der Kettenhandel unterbunden. Der Kaufmann, der in Nordhausen verkaufte, sollte sogleich an die Bürger, nicht erst an Unterhändler verkaufen.

Ferner dienten dem ökonomischen Gleichgewicht aller Bürger wichtige Bestimmungen über das Geben und Nehmen von Kredit. Unser modernerer Handel beruht ja gerade auf dem Kreditwesen, und dieses regt den Unternehmungsgeist des Einzelnen an, führt allerdings auch zur Armut auf der einen, zur Anhäufung ungesunden Reichtums auf der anderen Seite. Im Mittelalter war der Einkauf mit geliehenem Gelde im allgemeinen verboten. Schon 1308 wurde es verboten, Korn, Hopfen oder Wolle mit geborgtem Gelde zu erstehen, nur Bier durfte auf diese Weise gekauft werden. So konnte es zu einem Großkaufmannsstand kaum kommen.[14]

Gehen alle diese Bestimmungen darauf aus, jedem sein täglich Brot zu sichern und keinen zu reich und mächtig werden zu lassen, so lassen sie doch erkennen, daß die sozialen Unterschiede zwischen den beiden sich politisch gegenüberstehenden Gruppen der Bürgerschaft, den Patriziern und Plebejern, durchaus nicht völlig verwischt waren. Sah man innerhalb der Gemeinschaft der Standesange- hörigen auch auf möglichste Gleichheit, so sollte doch ein merkbarer Abstand zwischen vornehm und gering vorhanden sein. Aus diesem Grunde privilegierten die städtischen Statuten eine Innung, die der Gewandschnitter, der eigentlichen mercatores, stark. Bei ihnen war der Absatz nicht abhängig von ihrer Hände Arbeit, sondern sie verkauften nur von ihnen nicht hergestellte Waren, konnten deshalb leicht zu größeren Umsätzen gelangen als andere Handwerker und dadurch einen gewissen, allerdings durch die Nachfrage der nicht allzu kaufkräftigen Heimat begrenzten Reichtum aufhäufen. Die Gefreundten hatten in dem ersten Jahrhundert des Ratsregiments die politische Macht so gut wie allein in Händen und gebrauchten sie auch zu ihren persönlichen Vorteilen. Wo sie amtierten, im Rathause, hatten sie auch ihre Verkaufsstände, aus denen sie ihre Tuche verkauften. Besonders das mittlere und obere Stockwerk war ihnen vorbehalten, die unteren Gewölbe durften auch andere Händler mieten und dort ihre Waren feilhalten, niemals aber durfte es ein „Tücher“ sein, ein Kaufmann, der dieselben Waren verkaufte, wie die Gewandschnitter in den oberen Kammern. Auch gewisse Handwerker, die ähnliche oder gleiche Waren anfertigen und deshalb auch auf den Markt bringen konnten, wie sie sie verkauften, z.B. die Woll- und Leineweber, suchten sie als Konkurrenten durch Bestimmungen möglichst auszuschalten. Jeder Nordhäuser Bürger durfte bei diesen für sich und sein Gesinde Stoffe nur auf ein Jahr weben lassen. Der Handel wiederum mit nicht selbst gewirkten, sondern aufgekauften Tuchen war überhaupt jedem, der nicht Gewandschnitter war, verboten und verboten besonders auch der Verschnitt solches auf unrechtmäßige Weise erworbenen Tuches. Am eigenartigsten berührt aber die Bestimmung, daß kein Bürger auf seinen Leib Geld leihen durfte, daß sich also niemand in Schuldknechtschaft begeben durfte außer bei einem „unsen bürgen ufdem hüs“, d.h. also bei den Ratsherren, den Patriziern, die vornehmlich aus Gewandschnittem bestanden. Jedem, außer ihnen, war es verboten, Bürger in persönliche Abhängigkeit von sich zu bringen. Bürger zwischen 40 und 50 Jahren erhielten 10 Mark geliehen bei einem jährlichen Zins von 1 Mark, zwischen 50 und 60 Jahren 8 Mark, und bei noch älteren entschied der Rat, wie hoch die ihnen geliehene Summe sein durfte, für die sie jährlich 1 Mark Zins zu zahlen hatten. Da den Leuten meist nicht mit Geld, sondern mit Nahrungsmitteln gedient war, wurde zugleich der Marktscheffel Getreide auf 8 Mark festgesetzt, den die in Abhängigkeit Geratenen durch einen jährlichen Zins von einer Mark abzahlen mußten.[15]

So sorgte der Rat bei aller Mittelstandspolitik doch dafür, daß er nicht zu kurz kam. Vor allem ließ er es sich aber angelegen sein, den Handel seiner Bürger vor fremder Konkurrenz zu schützen.

Die Fremden besaßen in Nordhausen nur zu den beiden Jahrmärkten, dem Frühjahrs- und dem Herbstmarkte, volle Verkaufsfreiheit. Dann war auch der Zoll für die Waren herabgesetzt, und somit waren die Jahrmarkts tage die Tage, an denen ihnen völlige Gleichberechtigung mit den Einheimischen gewährt war. Dafür, daß sie nicht gar zu lange in Konkurrenz mit dem heimischen Markte traten, sorgten schon die Zünfte, die den Stadtbüttel eigens dafür besoldeten, daß er nicht zuließ, daß die Fremden noch nach Schluß des Jahrmarktes in ihren Buden verkauften. Auf den Wochenmärkten, die zunächst nur sonnabends, aber schon seit Mitte des 14. Jahrhunderts auch dienstags[16] stattfanden, waren fremde Händler, abgesehen von Lebensmittelverkäufem, meistens Hökern, nicht zugelassen. Nur eine Innung hatte hier zu ihrem Leidwesen mit der Konkurrenz des flachen Landes zu kämpfen, die der Fleischer. Daß sie diese nur unwillig ertrugen, einmal sogar tätlich gegen die ungern gesehenen Gäste vorgingen und deshalb vom Rate ums Jahr 1360 etwa 50 Fleischerfamilien aus Nordhausen verbannt wurden, beweist die Hartnäckigkeit, mit der die einheimischen Händler eine Monopolstellung zu wahren oder zu erstreben suchten. Doch diese Bestrebungen fanden an der richtigen Erkenntnis des Rates eine Schranke, daß sich die Bürgerschaft für die lebensnotwendigen Artikel keine allmächtige Monopolstellung gefallen lassen konnte. Deshalb war auch den Bäckern geboten, stets genügend Brot auf ihren Verkaufbänken zu haben, und um Lebensmittel eher in die Stadt hineinzubekommen als solche hinausgehen zu lassen, durften die Höker Eier, Butter und Käse im Weichbilde der Stadt nicht aufkaufen.

Ausdrücklich wird in den Einungen als Grundsatz aufgestellt: Die Märkte, die der Rat und die Räte und die Vierteile und die Handwerksmeister eingesetzt haben, müssen allen, reich und arm, zugute kommen. Es ist unverkennbar, daß der Rat, wenn er auch hier und da einzelne Standesorganisationen bevorzugte, im allgemeinen doch das Bestreben hatte, die Sonderinteressen denen der Allgemeinheit unterzuordnen.

Danach standen die Fremden unter ständiger Aufsicht der Marktpolizei. Besonders war streng der wilde Handel auf der Straße oder in den Absteigequartieren der Fremden untersagt. Ja, um diesen der Marktaufsicht sich entziehenden Handel zu unterbinden, war es den Wirten sogar verboten, solche zu beherbergen. Fremde durften rechtsgültige Geschäfte nur im Wagehause abschließen. Fremden Krämern war zwar das Feilhalten ihrer Waren an einer Kirche gestattet, aber nicht länger als zwei Tage nacheinander. Es ist jedoch interessant, daß der Rat im Ubertretungsfalle nicht selbst die Missetäter bestrafte, sondern es der Innung der Krämer überließ, die Fremden zu vertreiben; offenbar war also dieses Statut eine Konzession an die angesehene Krämerzunft, doch suchte der Rat, indem er sich weigerte, selbst einzugreifen, die Auswirkungen des Monopols der Krämer nach Möglichkeit zu verhindern. - Die Marktpolizei handhabte im Auftrage des Rates ein Marktmeister.

Neben der Überwachung des Handels gehörte zu den Obliegenheiten der Marktpolizei die Beaufsichtigung der Gewerbe. Die Gewerbetreibenden waren in Zünften oder Innungen zusammengeschlossen, deren das Schultheißenbuch aus der Zeit um 1300 elf nennt; sechs und nach Hinzutritt der Schneider sieben Zünfte wählten nach 1350 einen Vertreter in den Rat, neun Zünfte besetzten später den Rat mit je zwei ihrer Zunftmeister. Das äußerst blühende Braugewerbe war nicht zunftgemäß zusammengeschlossen, die Tagelöhner, zu denen auch die Bauhandwerker gehörten, bildeten keine Zunft. Müller, Schäfer, Barbiere und Scharfrichter waren überhaupt unehrliche Leute.

Die älteste Aufsichtsbehörde für alle Gewerbe war der Schultheiß; doch trat dieser die eigentliche Überwachung schon vor 1300 an den Rat ab. Da dieser aber zunächst aus ackerbau- und handeltreibenden Patriziern bestand, kümmerte er sich um die Gewerbe nur wenig. Die älteste Einung setzte allein für das Braugewerbe fest, daß kein Bürger jährlich mehr als 20 Fuder Bier brauen durfte. Eine andere Bestimmung setzte als Höchstpreis, den die Krämer für Messer nehmen durften, 3 Scherf fest. Das sind die einzigen Zeugnisse für die Bemühungen des ältesten Rates der Stadt Nordhausen um das Gewerbe.

Dennoch waren natürlich schon Marktgesetze für die Anfertigung und den Vertrieb der einzelnen Erzeugnisse der Handwerke da. Nur war es den Zünften selbst überlassen, über ihre Beobachtung zu wachen. Bald aber-, spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts, mußte die städtische Obrigkeit dazu übergehen, ihre Aufmerksamkeit dem ganzen Gewerbebetriebe zuzuwenden. Bei fortschreitender Komplizierung des Handwerks und Gewerbes mußte von dem Rat als Zentralbehörde doch die ganze Regelung ausgehen, um der Gesamtheit der Bürgerschaft gerecht zu werden und um das Ansehen Nordhausens als Marktplatz für die umwohnende Bevölkerung zu wahren. Diese wirtschaftlichen Aufgaben, die damit an den Rat herantraten, waren aber auch von politischen Folgen begleitet. Genau so wie der Schultheiß, als er den Handel nicht mehr überblicken konnte, die reichen Kaufmannsfamilien zu seiner Beratung heranzog, so mußten die Kaufleute nunmehr Handwerker als Marktbeamte neben sich zulassen. Der Rat dehnte seinen Einfluß auf die Gewerbe aus, diese verlangten aber auch Berechtigungen gegenüber dem Ratsregimente. Anteil an der wirtschaftlichen Regelung bedeutet stets Zuerkennung politischer Rechte.

Gegen Übergriffe der Handwerker suchte man sich im 14. Jahrhundert aber noch dadurch zu sichern, daß man den Handwerksmeister mit der hohen Strafe von 1 Jahr Gefängnis und 2 Mark Geldstrafe belegte, der Briefe öffnete, die an ihn in seiner Eigenschaft als städtische Vertrauensperson gerichtet waren. Dieses Statut hat sich übrigens auch nach dem Sturz der alten Geschlechter weiter erhalten, und noch im 18. Jahrhundert wurden Handwerksmeister, die Briefe widerrechtlich öffneten und nicht sofort dem Rate brachten, gebüßt, wenn auch nur mit einer Polizeistrafe. So wurden denn am Anfang des 14. Jahrhunderts 6 Handwerksmeister als Gehilfen des Rates ausersehen, um die Mitte des Jahrhunderts erhielten sie im Rate Sitz und Stimme, und 1375 rissen die Handwerker die politische Macht überhaupt an sich.

Der Rat unter Mitwirkung der Zünfte übte also die Gewerbepolizei aus. Diese ging in erster Linie auf die Sicherstellung der Ernährung der städtischen Bevölkerung, auf Preisregulierung und auf Überwachung der Materialverarbeitung aus. Die beiden wichtigsten Gewerbe für den Lebensunterhalt waren die Bäcker und die Fleischer. Auf sie war deshalb das Augenmerk des Rates besonders gerichtet. Ihre Zunftmeister mußten darauf sehen, daß das Brot auf den Brotbänken nicht ausging und daß es redlich jedem, arm und reich, verkauft wurde. Bei größeren Verkäufen mußten die Bäcker den Käufern Zugaben gestatten, ein Brauch, der sich gerade bei diesem Gewerbe bis in die neueste Zeit gehalten hat. Den Fleischern wiederum war nicht die Bestimmung auferlegt, ständig frisches Fleisch in ihren Buden in der Schmergasse und dem nördlichen Ende des Steinweges zu haben, dafür ließ aber der Rat zum großen Unwillen der Zunftgenossen auf dem Markte auswärtige Konkurrenz zu, damit es niemals an Fleisch in der Stadt mangele. Auch wurde darauf gehalten, daß nur gutes und gesundes Fleisch verkauft, zu Würsten nur das Fleischgut, nicht etwa Kutteln und Eingeweide, verarbeitet würde. Diese Überwachung des durch die Handwerker verarbeiteten Materials traf auch die anderen Gewerbe, besonders Gerber, Schuster, Goldschmiede und Kannengießer. So durften die Goldschmiede nur reines, lötiges Silber verarbeiten und mußten dem Käufer die Menge Goldes, die sie zum Verarbeiten bekommen hatten, in der Fertigware wieder zustellen; die Kannengießer durften bei der Verarbeitung zu 10 Pfund Zinn nicht mehr als 1 Pfund Blei zusetzen.

In die Preisregulierung scheint der Rat weniger eingegriffen zu haben. Abgesehen von unbedeutenderen Preisfestsetzungen für Krämer, Becherer und Bäcker finden sich für die in Zünften zusammengeschlossenen Handwerker selten dergleichen Bestimmungen. Im allgemeinen blieb es den Zünften selbst überlassen, die Preise für die Waren anzusetzen. Desto mehr ließ es sich aber der Rat angelegen sein, den Arbeitslohn für Tagelöhner aller Art festzusetzen. Es wurde genau angegeben, was ein Steinmetz, ein Ziegeldecker, ein Zimmermann, ein Tagewerker, ein Höker, ein Bierschröter täglich zu beanspruchen hatte. Die Höhe des Lohnes war bei gelernten Arbeitern durchaus angemessen, bei den Tagelöhnern aber so, daß die Leute wahrlich nicht übermütig werden konnten. Selbst die Kost, die täglich zu geben war, wurde vorgeschrieben, und jedem 10 Schilling Strafe angedroht, der etwa die festgelegten Sätze überschritt. Verweigerung der Arbeit, die man den Leuten bei dem Hungerlohne eigentlich nicht verdenken konnte, war verboten und wurde mit 5 Schilling oder einem Tage Halseisenstehen bestraft.

So ist festzustellen, daß auf Grund seines Rechtes am Markte der Rat wie über den Handel, so auch über das Gewerbe seine Hand hielt. Er benutzte aber zur Beaufsichtigung der Handwerker die von diesen selbst geschaffenen Organisationen und verpflichtete sie sich dadurch. So kam es, daß die Vertrauenspersonen der Zünfte zugleich die Vertrauenspersonen des Rates werden mußten, daß sich ihre wirtschaftlichen und politischen Funktionen verquickten und daß die Organisationen, denen sie entstammten, die Zünfte, selber solche Zwitterstellung bekamen. Die Handwerker waren in wirtschaftspolitischer Beziehung zunächst ihrem die Stadt beratenden Zunftmeister zu Gehorsam verpflichtet; die Zünfte selbst bekamen von den Strafgeldern ihrer Mitglieder wegen Überschreiten der Gewerbeordnung einen Teil; den anderen zog der Rat ein. Die erste Instanz für Zunftangelegenheiten war die Zunft selbst. Die Berufungsinstanz war der Rat. Je geringere Bedeutung ein Gewerbe für die Allgemeinheit hatte, desto größere wirtschaftliche Freiheit besaß es; je wichtiger es für die Gesamtheit der Bürger war, desto größer war seine Beaufsichtigung durch den Rat. Überall aber ließen sich die politischen Behörden von den wirtschaftlichen beraten, und diese bekamen dadurch mit Naturnotwendigkeit politischen Einfluß und politische Rechte.

War nun aber auch der Markt und die ummauerte Stadt mit ihren wirtschaftlichen Verhältnissen der Ausgangspunkt für das Stadtregiment und für alle politischen Änderungen in demselben, so war doch das Leben der Nordhäuser Bevölkerung dadurch nicht allein bedingt. Ganz abgesehen davon, daß die meisten Bürger bei ihrem Hause Gartenland besaßen und auch Vieh hielten, welches sie durch den städtischen Hirten auf die Weide treiben ließen, gab es auch zahlreiche Bürger, die neben ihrem Gewerbe eine kleine Landwirtschaft betrieben, gab es sogar, wenn auch in geringerer Anzahl, Bürger, die sich allein von Ackerbau nährten.

Diese ländliche Betätigung der städtischen Bevölkerung hielt man durchaus der Beachtung wert, sicherte sie doch wenigstens zum großen Teile die Unabhängigkeit der Stadt von den Dorfschaften der Umgebung. Und der Rat mußte umso mehr darauf Bedacht nehmen, die Landwirtschaft und Viehzucht des einzelnen Bürgers zu schützen, als die Stadt Nordhausen selbst, im Gegensatz zu anderen Städten ihres Charakters, so gut wie gar keine Ländereien und Forsten besaß. Vom Besitz weiträumiger Äcker träumten deshalb die hochfahrenden Patriziergeschlechter am liebsten, und als Ziel ihrer Wünsche und ihres politischen Ehrgeizes gaben sie deshalb schon Anfang des 14. Jahrhunderts alles Gebiet an innerhalb der Dörfer Bielen, Sundhausen, Steinbrücken, Rieterode, Groß- und Kleinwerther, Hesserode, Herreden, des Forstes des Kohnsteins, der Furt über die Zorge, Crimderode, Petersdorf und Leimbach. In den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts war man nahe daran, den Traum zu verwirklichen. Jedenfalls spielte in Nordhausen zu allen Zeiten die Begrenztheit der Stadtflur eine Rolle bei der Einschätzung ländlichen Besitzes. Die Statuten zeigen, daß der Rat die Aufsicht über das Feld mit kaum geringerer Sorgfalt ausübte als über den Markt. Eine ganze Reihe polizeilicher Bestimmungen beweisen das. Den Schäfern war die Beachtung der Weidevorschriften auferlegt. Felddiebstahl war streng verboten, jeder Bürger mußte an den Toren offen zeigen, was er von draußen hereintrug, die Benutzung von durch fremde Flur führenden Wegen zum Viehtreiben oder Fahren war untersagt. Damit durch Nachlässigkeit oder Mißwirtschäft keine Frucht verloren gehe, durften die Seile für die Garben nicht aus Halmen mit Ähren gedreht werden, durfte die Frucht nicht unreif abgeemtet, das Futter nicht zu früh geschnitten werden. Knechten und Mägden aber, die Korn von der Ernte ihres Herrn veruntreuten, sollte man „bumen dorch die backen“, sollte man durch die Wangen brennen, der einzige Fall, in welchem die Statuten eine schwere körperliche Züchtigung androhen. Der Rat ernannte aus seiner Mitte eigens zwei „Ackermeister“, die über die Handhabung der Feldpolizei und über die Beobachtung der Vorschriften zu wachen hatten.

Die geringen Ausdehnungen der Stadtflur, die Begrenztheit des städtischen Besitzes machen es auch verständlich, wenn der Rat ängstlich darauf bedacht war, wenigstens den vorhandenen Besitz festzuhalten und für die Stadt Vorteil daraus zu ziehen. Kein Bürger durfte Anwesen oder Ackerland verkaufen, verleihen, vermieten, so daß die Stadt keinen Nutzen mehr davon hatte. Konnte der Bürger sein Gut in der Feldmark nicht selbst bestellen, so sollte er es gegen Komzins verpachten; jede andere Verfügung darüber war ihm verboten. Noch größer war die Besorgnis, städtischer Grund und Boden könnte in geistlichen Besitz übergehen und damit dem Zugriff der Stadt entzogen werden. Die ältesten uns überkommenen Statuten übernehmen schon aus dem ersten, nicht erhaltenen Stadtrecht das strenge Gesetz, jeder verliere sein Leben und Gut, wer seinen Besitz der geistlichen Hand vermachte, doch mäßigten sie selbst die Bestimmung durch ein anderes Gesetz am Schlüsse der Statuten, daß jeder die Stadt räumen müsse, bis er das der Kirche vermachte Gut der Stadt wieder zugebracht hätte. Ja, nicht bloß liegende Güter, sondern überhaupt jede Habe sollte der gewaltig um sich greifenden Kirche entzogen werden: der Bürger, der eines seiner Kinder in ein Kloster zu geben beabsichtigte, mußte es der Stadt anzeigen, und das Kind selbst mußte vor dem Rate auf seinen Erbteil verzichten.

Enthalten nun auch andere Stadtrechte ähnliche Bestimmungen, so drückt sich doch in dem von Nordhausen ganz besonders aus, daß man mit dem Pfennig zu rechnen hatte. War der Verkehr in der Stadt auch ziemlich bedeutend und beschränkte er sich auch durchaus nicht auf den Güteraustausch innerhalb der nordthüringischen Heimat, so fehlte der Stadt doch das rechte Rückgrat, es fehlte ihr ein größerer Eigenbesitz. Nicht Handel und Gewerbe begrenzten die wirtschaftlichen Möglichkeiten, sondern die kleine Feldflur und der geringe Grundbesitz der Bürger. Deshalb waren naturgemäß auch die Lasten begrenzt, welche der Rat seinen Bürgern auferlegen konnte. Freilich, die eigentliche Verwaltung verursachte wenig Ausgaben. Sie geschah teils ehrenamtlich, teils wurde ihr Apparat durch eine Anzahl kleiner Steuern in Gang gehalten: Wo die Stadt einem Einzelnen oder einer Körperschaft ihre Hilfe lieh, wo sie für diese oder jene Interessengemeinschaft etwas aufwandte, verlangte sie auch Abgaben. Auch ihre Beamten wurden großenteils auf diese Weise unterhalten; ihre Einkünfte setzten sich aus einer ganzen Reihe kleiner Posten zusammen. Doch erforderten natürlich viele Angelegenheiten der Stadt im Innern und ihre gesamte Vertretung nach außen hin auch eine zentrale Stelle, von der aus diese Ausgaben gedeckt wurden. Um diese städtische „Kämmerei“ zu speisen, erhob die Stadt von jedem Bürger Steuern. Mit ihrer Einziehung waren die beiden „Schoßherm“ betraut. Versäumnisse des Rates bei der Vereinnahmung der Steuern wurden bestraft.

Im 13. Jahrhundert standen der Stadt nur sehr spärlich fließende Steuerquellen zur Verfügung, da alle namhaften indirekten Steuern, besonders die Zölle, dem Reiche gehörten und von den direkten Steuern die Gebäudesteuer, der Wortzins, dem Kreuzstifte zufloß. Diese letztere vermochte allerdings die Stadt in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts an sich zu reißen und war damit wenigstens Herrin aller direkten Steuern.

Der Besteuerung unterworfen war alles „leginde Gut“ und „vamde habe“. Die Grundsteuer lag nicht nur auf dem Grundbesitz innerhalb von Stadt und Flur, sondern auch auf dem Besitze in anderen Ortschaften. Hatte jemand, der Bürger in Nordhausen war, in der Stadt selbst gar kein Gut, wohl aber außerhalb, so bezahlte er gleichfalls eine allerdings geringe Steuer „Zciu eime bekenntnisse seines borger rechtes“. Steuerhinterziehungen wurden mit Einziehung des Gutes, das nicht versteuert worden war, bestraft, ein Verfahren, das auch heute noch sehr angebracht und nachahmenswert wäre. Schien es, als ob der Bürger sein Vermögen und Einkommen zu niedrig veranschlagt habe, so wurde er zunächst darauf hingewiesen; leistete er dann aber einen Eid, daß seine Angaben stimmten, so durfte er nicht weiter verfolgt werden. Abgesehen von diesen Vermögenssteuern mußte eine Abgabe bei Verleihung des Bürgerrechts und beim Eintritt in eine Innung gezahlt werden; die 28 Pfennig für Verleihung an den Schultheißen und die jährliche Steuer an ihn brachten seit 1290 nur noch die Oberaufsicht des Kaisers zum Ausdruck. Die Verleihung des Bürgerrechtes war von besonderer Bedeutung für die Stadt, weil sie es dadurch in der Hand hatte, jeden als Bürger abzulehnen. Solche Vorsicht war vor allem Pfahlbürgern gegenüber geboten, die nicht selten abhängig von anderen Herren waren, mit denen dann die Stadt womöglich in Konflikt geriet. Nachdem gar die Goldbulle von Metz 1356 die Aufnahme von Pfahlbürgern überhaupt verboten hatte, fügten auch die Nordhäuser ihren Statuten ein Gesetz ein, daß keiner als Bürger aufgenommen werden dürfe, der in irgendeiner Abhängigkeit von einem adligen Herrn stehe.

Auch sonst erhob die Stadt mancherlei Gebühren, von denen die einträglichste das Braugeld war.

Alle Einnahmen und Ausgaben überwachten die 4 Kämmerer, Ratsherrn, welche man als die obersten Finanzbeamten der Stadt ansprechen kann. Sie hatten das vereinnahmte Geld in der Schatzkammer auf dem Rathause niederzulegen, zwei von ihnen verwalteten die Einnahmen, die beiden andern die Ausgaben. Diese letzteren durften nur gemacht werden, wenn drei Kämmerer sie übereinstimmend beschlossen. Bei Ausleihung von städtischem Gelde mußte der gesamte Rat gehört werden.

Eng verbunden mit dem Steuerwesen ist stets die Ausübung der Sittenpolizei; wissen doch die Steuerkommissare am besten, welchen Aufwand der einzelne seinem Einkommen nach zu machen imstande ist. Daß das gesamte gesellschaftliche Treiben in früheren Jahrhunderten viel stärkerer Bevormundung als heute unterlag, ist bekannt. Da jedoch die Kirche das ganze Gebiet der Kultur für sich in Anspruch nahm, beschränkten sich bis zur Reformationszeit die Eingriffe des Staates darauf, dem Auftreten der bürgerlichen Gesellschaft ein möglichst einheitliches Gepräge zu geben. Wie die Kontrolle und Regulierung der Wirtschaft dauernd möglichst gleichbleibende Verhältnisse schaffen und jedem einzelnen einen möglichst gleichen Anteil am Wirtschaftsprozeß gewährleisten sollte, so waren auch die Bestrebungen der Sittenpolizei darauf gerichtet, daß keiner aus der Reihe tanzte. Der Wohlanstand erforderte für jeden Bürger einer bestimmten Gesellschaftsschicht eine möglichst gleichmäßige gesellschaftliche Haltung; Übertretungen wurden geahndet. Aus dieser Einstellung entspringen auch die Befugnisse des Nordhäuser Rates über die Sitten der Bürgerschaft. Aufwand und Geselligkeit der Bürgersöhne waren reguliert; die Töchter hatten sich auch bei der Wahl ihres Gatten als gehorsame Kinder dem Willen der Eltern zu fügen; Kleidervorschriften dienten dazu, daß keinem Hoffart nachgesagt werden konnte. Bürger und Bürgerinnen durften bis zu 1/2 M lötigen Silbers an ihren Kleidern tragen, nicht mehr. Von ihnen im gesellschaftlichen Range unterschieden waren die Dienstboten und die „unehelichen Wirtinnen“. Ihnen durften keine neu gewirkten Gewänder gegeben werden, Dienstmädchen durften an ihren Kleidern kein Silber tragen. Ebenso sollte es bei Festlichkeiten möglichst einheitlich hergehen; allzu große Ausgaben bei Kindtaufen, Hochzeiten, bei der Einkleidung von Knaben oder Mädchen für den geistlichen Stand oder bei der Feier der Festtage des Jahres waren untersagt; häufig wird sogar die Zahl der bei Festen gestatteten Schüsseln bestimmt. Auch das Betteln und Singen vor den Türen unterlag polizeilicher Aufsicht; zur Weihnachtszeit, am Bartholomäustage, zu den ausgelassenen Festen des Flachsraufens und der Hopfenlese war aufdringliches Betteln verboten. Schließlich unterlag auch der Wirtshausbesuch und besonders das Würfelspiel der städtischen Kontrolle.

Natürlich übte der Rat auch die Baupolizei aus. Doch legte er sich dabei ganz im Gegensatz zum 17. und 18. Jahrhundert, wo eine Unmenge von baupolizeilichen Vorschriften erlassen wurden, große Zurückhaltung auf. Selbst die Aufsicht über das Aufschlagen der Buden auf dem Markte und die Herrichtung der dauernden Verkaufsstände, der Läden und ihrer Auslagen überließ er den Zünften. So findet sich denn in den gesamten Statuten eigentlich nur eine baupolizeiliche Verfügung: „Welch man in sime house setzet eynen bagoven, eynen hoben eder eyn heymelikeit, di sollen sten von der gebilwant dri vüze unde von der droufestat (Dachtraufe) drittehalben vuz“ Ferner war es aus hygienischen Gründen den Fleischern verboten, Schmutzwässer in die Gosse zu leiten und Schutt und Müll zwischen Töpfertor und Töpferteich abzuladen; Aas durfte nicht in den Teich geworfen werden.

Beschäftigen sich nun auch die Statuten in erster Linie damit, Frieden, Recht und Ordnung innerhalb der Stadt zu gewährleisten, und haben wir deshalb bisher den Rat in dieser Hinsicht zugleich als gesetzgebende und ausübende Körperschaft kennengelemt, so vertraten doch auch nach dem Jahre 1220 allmählich die Herrn der Stadt alle ihre Belange voll Eifer nach außen hin. Bis 1277 hatten noch die Reichsministerialen über der Außenpolitik gewacht und ungern eine Anteilnähme der vornehmen Geschlechter zugelassen. Doch dann waren ihre Befugnisse in die Hände des Rates hinübergeglitten, und seitdem vertrat sich die Stadt in den vielen kleinen Händeln des Mittelalters selbst, schloß Verträge, ging Bündnisse ein, bestand Fehden, verfocht ihr Recht beim Kaiserlichen Hofgericht. Auch für jeden einzelnen seiner Untertanen trat der Rat ein, erwartete allerdings von ihm Ersatz der entstehenden Kosten. Ebenso verlangte er unbedingtes Solidaritätsgefühl der Bürger gegen die Feinde der Stadt: Wenn eine fremde Macht Nordhäuser Bürger geächtet oder beraubt oder wenn dieselbe von Nordhäusern Geächtete aufgenommen hatte, durfte kein Bürger mit ihr irgendwelchen Verkehr pflegen.

Zum Schutze gegen auswärtige Feinde dienten die Mauern der Stadt. Diese im Stande zu halten und auszubauen war Pflicht des Rates. Deshalb waren zwei Ratmeister beauftragt, die Steinfuhren zu überwachen, die einerseits eine Reihe von der Stadt benachbarten Dörfern zu liefern hatte und welche andererseits die Stadt selbst aus den Steinbrüchen am südlichen Rande des Kohnsteins anfahren ließ. Ja, ein Statut verpflichtete jeden sitzenden Rat, immerfort am Ausbau der Mauer tätig zu sein, andernfalls jedem Ratsherrn eine Strafe von 1 M auferlegt würde. Ebenso hatte der Rat die Aufgabe, den Stadtgraben in ordnungsmäßigem Verteidigungszustande zu halten; Vieh durften die Bürger dort nicht weiden lassen.

Im übrigen war jeder Bürger zu Angriff und Verteidigung mit der Waffe verpflichtet. Damit bei plötzlichem Kriegslärm keine Verwirrung entstehe, war jeder Bürger einer Rotte zugeteilt, zu der er sich zu begeben hatte, wenn zum Sturm geläutet wurde. Ratmannen führten die Scharen der Bürger an; denn damals war es noch Sitte, daß die Vertreter der Bürgerschaft nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit der Tat die tüchtigsten waren. Jeder Bürger hatte sich je nach seinem Vermögen selbst zu bewaffnen; dabei waren vier Abstufungen vorgesehen.

Neben dem Bürgeraufgebot warb die Stadt aber auch noch Söldner an und hielt sich seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einen auswärtigen Edelmann als Stadthauptmann.

Aus dem gesamten Rate als der gesetzgebenden Körperschaft wurde alljährlich am Tage des Ratswechsels, am Tage der Heiligen Drei Könige, jeder der ausführenden Beamten mit einem bestimmten Amte betraut. Die Ausübung geschah ehrenamtlich, doch erhielten die Ratmannen für gewisse außergewöhnliche Leistungen kleine Geschenke von der Stadt, zumeist nur in Wein und Semmelbrot, doch kamen auch Geldgeschenke vor. So erhielten z.B. die Kämmerer und Schoßherm für das Aufstellen des Etats, die sechs Spendenmeister für die Arbeit zum Spendetage, dem Freitage vor Palmarum, Gratifikationen. Deshalb mußten sie auch vor ihrer Amtsniederlegung die Rechtmäßigkeit der empfangenen Geschenke nachweisen. Natürlich gewährte die Stadt für Unterhalt und Auslagen während der Dienstreisen Aufwandsentschädigungen; doch scheint der Stadtsäckel von den Herrn zuweilen etwas stark in Anspruch genommen zu sein. Um 1350 verlangt daher ein Statut, daß jedesmal ein Ratmann mitreite, die baren Auslagen bezahle und darüber dann Rechnung ablege. Außerordentlich praktisch! Die glückliche Rückkehr von solchen Missionen gab in älterer Zeit zu einem ausgiebigen Festmahl auf Kosten der Stadt Anlaß; das wurde später untersagt. Im übrigen gestattete sich der Rat am Tage der Heiligen Drei Könige ein Festessen auf Kosten der Allgemeinheit. 1456 wurde es abgeschafft. Für den Ausfall erhielt fortan jeder Ratsherr ein Stübchen Wein, ein Semmelbrot und ein Schilling Groschen; die Bürgermeister erhielten das doppelte.[17]

Frühzeitig war die Stadt aber auch gezwungen, ihre Geschäfte neben diesen ehrenamtlich tätigen Männern durch angestellte und festbesoldete Beamte besorgen zu lassen. Abgesehen von den Stadtknechten, die als Polizisten, Markthelfer, Austräger, Torknechte Dienst taten, ist als vornehmster Beamter seit der Mitte des 14. Jahrhunderts der Stadtoberschreiber oder Syndikus zu erwähnen. Dieser Mann, der die Stadt vor allem rechtlich beriet, wurde zunächst aus den Patriziergeschlechtern genommen. Doch beweist eine Bestimmung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts schon die sich ankündigende Demokratisierung: „Ouch sal der rat und di rete vortme (fortan) nicheynen schriber nemen, der eyn gefrunt man si in der stat, sondern sie sollen eynen nemen, der eyn gemeyne man si.“ Später holte man sich auch rechts- und weltkundige Leute von auswärts als Syndici. Dieser Stadtoberschreiber erhielt im 14. Jahrhundert 8 Mk. Gehalt und 12 Ellen Tuch, dazu 100 Pfennige als Geschenk. Für eine ganze Reihe besonderer Leistungen bezog er außerdem entsprechende Entlohnung. Seit Beginn des 15. Jahrhunderts stand ihm noch ein Unterschreiber oder Sekretär zur Seite.

So sehen wir denn: Abgesehen von den in den früheren Kapiteln geschilderten Einschränkungen durch die Vogtei und das Schultheißenamt war der Rat nur dem Reichsgesetz und Reichsgericht unterworfen, sonst regierte er in der freien Reichsstadt vollständig selbständig.[18]

Liegt nun in den Bestimmungen der Statuten auch unzweifelhaft das Schwergewicht bei Handel und Gewerbe, so weisen sie doch eine Reihe von Gesetzen auf, die erkennen lassen, wie wertvoll jenen Geschlechtern der Besitz von Ackerland war. Die Nordhäuser Stadtflur war sehr klein, das Gewerbe aber, aus dem die Bürger besonderen Vorteil zogen, das Braugewerbe, war durchaus abhängig von der Gewinnung von Körnerfrucht und Hopfen. Und wenn auch die eigene Stadtflur den Bedarf niemals allein decken konnte, - es war doch wünschenswert, möglichst unabhängig von draußen, besonders von der nicht selten sich feindlich stellenden Grafschaft Honstein zu sein. Die vornehmen Geschlechter, die ausnahmslos Braugerechtsame besaßen, mußten deshalb darauf bedacht sein, den Landbesitz der Stadt zu vergrößern.

Dazu kam ihre Verbundenheit mit dem Lande, die vielen von ihnen von jener Zeit her im Blute lag, da sie noch auf ihren Dörfern saßen und den Acker bestellten. So mag sich manchem der wohlhabenden Gewandschnitter und Brauherm die Brust geweitet haben, wenn er durch Wein und Komwuchs, Hopfen und Hackfrucht reiten konnte. Aber auf wie engem Gebiete! Kaum war der Gaul bestiegen, da rannte seine Nase schon gegen einen honsteinschen Schlagbaum. Und das sollte einen tatkräftigen Mann nicht ärgern, der das Zeug in sich fühlte, in viel weiterem Wirkungskreis zu stehen, als ihm zugemessen war!

Dieser Tatendrang, dieses Selbstbewußtsein eines jugendlichen, gesunden Geschlechtes war das Entscheidende, was den Nordhäuser Rat im 14. Jahrhundert zu einer großartigen Expansionspolitik drängte. Und um sich dehnen zu können, um die Stadtflur zu erweitern, um seiner Waffenlust genüge zu tun, um für die Zukunft Vorteile zu erringen, scheute man keine augenblicklichen Opfer. Das aber bezeichnet stets den Unterschied zwischen einer kleinlichen, engstirnigen, schließlich doch geprellten und einer großzügigen, weitblickenden, schließlich zum Erfolge führenden Politik, daß eine solche Opfer und Entbehrung in der Gegenwart erträgt im Hinblick auf eine ertragreiche Zukunft. Diese Erkenntnis der Grundeinstellung des aristokratischen Regimentes in Nordhausen zu Beginn des 14. Jahrhunderts ist schließlich wertvoller als die bloße Kenntnis vom Zustandekommen der heutigen Stadtflur.

Unzweifelhaft hat Karl Meyer für die Geschichte unserer Stadtflur das bedeutendste geleistet. Vieles seht freilich heute noch auf recht unsicheren Füßen, manches wird immer im Dunkel bleiben. Deshalb ist es nötig, noch mehr als bisher das einwandfrei Feststehende von dem nur Vermuteten zu scheiden.

Bei der Gründung der Burg Nordhausen muß Heinrich I. dem Wirtschaftshofe den größten Teil der Flur Altnordhausen zugesprochen haben, und zwar den nordöstlichen Teil, auf dem auch die Altstadt steht und der vom westlichen Steilrand am Mühlgraben bis an den Holbach (Rössings- oder Roßmannsbach) im Osten reichte. Die Flur Altnordhausens ging im Süden auch über die Zorge hinfort; dieser Teil muß aber im Besitze der alten Siedlung geblieben und um 1200 größtenteils in den Besitz des Frauenbergklosters übergegangen sein. Die Befugnisse der alten Reichsvögte darüber sind ganz unklar: jedenfalls haben die Honsteiner Grafen nach dem Tode des letzten Vogts Ruprecht Ansprüche auf diesen südlichen Teil der Flur geltend gemacht. Sie besaßen noch im 15. Jahrhundert gewisse Schutzrechte über das Frauenbergkloster.

An dieses Flurgebiet hat vielleicht im Nordwesten die Flur des Dörfchens Hohenrode gegrenzt. Doch befinden wir uns hier auf ganz schwankendem Boden. Eine kleine Siedlung hat sicher seit uralten Zeiten am Nordrande des Geiersberges gelegen; sicher bezeugt aber ist sie nicht. Noch weniger kann natürlich ihre Flur festgestellt werden. Nur das ist gewiß, daß das Gebiet zwischen dem Zuge der heutigen Kranich- und Töpferstraße im Süden, dem Zorgelauf bis ans Schurzfell im Westen, dem Kuhberg und Tütcheröder Berg im Norden und dem Laufe der heutigen Stolberger Landstraße im Osten sehr früh zur Nordhäuser Stadtflur gehört hat. Meyer läßt ja Hohenrode kurz nach 1220 eingehen und dieses Gebiet, das er für die Hohenröder Feldmark ansieht, an Nordhausen fallen; das ist mit Gewißheit nicht auszumachen. Vielleicht ist es nicht von der Hand zu weisen, daß Altnordhausen schon viel früher, in fränkischer Zeit, einen Streifen Landes im Zorgegrunde an den Abhängen des Geiersberges, des Wilden Hölzchens und des Kuhberges um des Mühlgrabens willen besessen hat und daß die bewaldeten Höhenrücken nördlich und südlich der Gumpe Reichsbesitz waren, die dann von den Kaisern zur Urbarmachung der Reichsstadt überlassen wurden.

Ebenso wenig gesichert sind die Forschungsergebnisse von dem Lande zwischen dem Töpfertor und der Windlücke. Auf dieser Flur hat nach Meyers Feststellung am Ausgange des Bomtales das Dörfchen Gumprechterode oder Benderode gelegen. Schon der doppelte Name ist merkwürdig, und Benderode als Abkürzung für Gumprechterode anzusehen, leuchtet wenig ein. Urkundlich belegt ist nur, daß hier ein Dörfchen Gumprechterode 200 Morgen (6 1/2, später 7 Hufen) Land besessen und allmählich durch Urbarmachung weiterer Ländereien Gebiet bis an die Windlücke und den Roßmannsbach gewonnen hat. Man wird mit Meyer annehmen dürfen, daß das Dorf 1294 eingegangen ist und seine Bewohner nach Nordhausen geflüchtet sind. Die Gerichtsbarkeit über diese Feldmark besaßen die Honsteiner, die Äcker waren aber im Besitz der Bauern und späteren Nordhäuser Bürger. Durchaus einleuchtend hat Meyer klargelegt, daß die rechtlichen Verhältnisse in der Zeit, wo die Honsteiner bis zum Jahre 1342 auch das Schultheißenamt in Nordhausen besaßen, unklar geworden sind. Derselbe Schultheiß hatte damals sowohl die Aufsicht über die eigentliche Stadtflur wie über Honsteinsches Herrschaftsgebiet. Als dann den Honsteinem das Schulzenamt genommen wurde, beanspruchten die Nordhäuser, deren Mitbürger die Feldflur ja im Besitz, aber nicht innerhalb der städtischen Grenzen hatten, diese Feldmark auch als städtisches Gebiet, in dem der Rat Polizei- und Gerichtsbarkeit besaß. Im 14. Jahrhundert scheinen die Honsteiner deshalb keinen Einspruch erhoben zu haben; im 15. Jahrhundert kam es aber zwischen ihren Rechtsnachfolgern, den Stolbergern und Schwarzburgem, einerseits und der Stadt andererseits zu unglücklichen Streitigkeiten, die erst 1464 beigelegt wurden.

Viel klarer liegen die Verhältnisse im Süden und Westen Nordhausens. Hier war die Stadt am meisten eingeengt. Bis an den Mühlgraben hin, also bis unter die Burg reichte honsteinsches Gebiet. Das war um so drückender für die Bürger, als sich gerade hier unter dem Steilabfall mehrere neue kleine Stadtteile gebildet hatten. Der Sand, die Flickengasse und der Grimmei müssen sich gegen Ausgang des 13. Jahrhunderts besiedelt haben, und man kann auch hier annehmen, daß die Vertreibung der Bevölkerung des größeren Dorfes Niedersalza und des kleineren Niederrode im Jahre 1294 den Hauptanstoß zu der Niederlassung unter den Stadtmauern gegeben hat. Von ihren neuen Wohnsitzen aus bewirtschaftete die Bevölkerung weiterhin ihre ehemaligen Fluren, doch war der gesamte Grund und Boden honsteinsches Eigentum.

Um nun wenigstens die Wohnstätten jener Siedler dem Stadtgebiet zu gewinnen, schloß am 23. Juni 1315 die Stadt mit dem Grafen Heinrich IV. und Dietrich III. von Honstein einen Vertrag, nach dem Nordhausen für 100 Mk Silber einen rings um die Stadt gelegenen und durch Grenzsteine bezeichneten Streifen Landes von den Honsteinem erwarb. Die wesentlichsten Teile, die damals erworben worden sind, müssen die zwischen der Stadtmauer im Westen und dem Flußbett der Zorge gewesen sein; doch erstreckte sich der Erwerb, wie aus dem „rings um die Stadt“ hervorgeht, auch noch auf andere Ländereien. Hierüber ist aber gar nichts auszumachen. Die Gerichtsbarkeit jenseits der Zorge über die alten Besitzungen der nunmehr zu Nordhäuser Bürgern gewordenen ehemaligen Bewohner von Niedersalza und Niederrode behielt Honstein. Vor der Zorgebrük- ke am Siechhofe hielten die Grafen ihr Gericht. Die Zuständigkeit Honsteins wurde erst um 1500 angezweifelt. Scharfsinnig hat Meyer nachgewiesen, wie es zu diesen Nordhäuser Ansprüchen gekommen ist. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hatten die Honsteiner nämlich die ihnen gehörigen Vogteirechte über Nordhausen an die Stadt verpfändet. Dadurch wurden die Rechtsverhältnisse verdunkelt, was zu langjährigen Streitigkeiten zwischen der Stadt und der Grafschaft führte. Erst 1543 erwarb die Stadt die Gerichtsbarkeit und dehnte ihr Stadtgebiet dadurch auch im Westen und Süden etwa bis zu den heutigen Grenzen aus.[19]

So ungewiß aber auch vieles an dieser Flurgeschichte Nordhausens ist, so wunderschön beleuchtet sie doch den Kreislauf alles Irdischen: Fast das gesamte Gebiet von Nordhausen und seiner Umgebung hatte dem Kaiser gehört. Für Nordhausen, Niedersalza und Gumprechtrode steht es fest, daß sie auf dem Boden des Reichs gelegen haben. Später betrachteten die Grafen das, was sie ursprünglich vom Reiche nur als Lehen hatten oder worüber sie nur gewisse Aufsichtsbefugnisse besaßen, als ihr Eigentum. So wurden die Besitzungen dem Reich entfremdet. Mit dem Aufkommen der Städte versuchten diese von den adligen Besitzern möglichst große Gebiete um die Stadt herum an sich zu bringen. Das geschah häufig durch Kauf, zuweilen aber auch widerrechtlich. Schließlich, seit dem 16. Jahrhundert, riß wiederum die nicht zum wenigsten durch die Geldwirtschaft und das Städtewesen erstarkte Fürstenmacht ein Recht nach dem anderen an sich, so daß, wenn nun auch an Stelle der kaiserlichen Zentralgewalt die fürstlichen Teilgewalten getreten waren, doch wieder die Jurisdiktion in die Hände der Landesherren hinüberglitt. Damit war der Ring geschlossen.

Was Nordhausen angeht, so tritt jedenfalls die auf weite Sicht geführte Politik der Patrizier schon bei Betrachtung der Nordhäuser Flurverhältnisse zu Tage. Nachdem die Befugnisse der kaiserlichen Aufsichtsbeamten beseitigt worden waren, nachdem der Rat die Verwaltung der Stadt in die eigene Hand bekommen hatte, ging er sogleich auf eine bedeutungsvolle Expansionspolitik aus. Unglückliche Ereignisse für die Umgebung wie der Verwüstungszug Adolfs von Nassau förderten dabei die Stadt. Die Erwerbungen des Jahres 1315 sind an die Katastrophe des Jahres 1294 gebunden. Schwere und zähe Arbeit mußte dann allerdings geleistet werden, um den Honsteinem bald dieses, bald jenes Stückchen Land abzuringen. 50 Jahre später war man fast am Ziel: Von Herreden im Nordwest bis Bielen im Südost, von Petersdorf im Nordosten bis Steinbrücken im Südwesten sollte alles Nordhäuser Land sein. Da riß der zu straff gespannte Bogen, und nur einiges blieb im Besitze Nordhausens.

106

  1. Volumus eciam, ut iudices eiusdem civitatis ipsam civitatem eo Jure gaudere permittent. Volumus, ut nullus cives nostrps Northusenses extra civitatem ad iudicium provinciale debeat. Volumus, ut si Civitati Northusensi aliqua quaestio seu actio moveatur, quod duo ex consulibus, Sindici seu Procuratores, loco universitatis debeant respondere secundum quod exigit ordo jurjs.
  2. Vergl. K. Meyer, Festschrift 1903.
  3. Vergl. Förstemann, Chronik, 169 f.
  4. Neue Mitteil. III. 3.42. 1. Von der Vriheit. Römische keysere unde koninge haben dose stat tzo northusen gevriet unde begnadet in solcher wis, daz sie bestetiget haben alle die gesetze, di di borgere der stat tzo vromen haben gesast unde noch setzen. Der haben sich di borgere voreynt von erst, daz eyn ichlich sal haben vrede in siihe hus.
  5. Neue Mitteil, zur thür.-sächs. Gesch. III. 1. 39.
  6. 1232. Godescalcus monetarius. Walk. Urk. p. 131. Nr. 174. 1242. Walk. Urk. p. 171.237. Gottschalk kommt auch in einer Frauenberger Urk. vor. - 2. VII. 1298 Bruno monetarius in einer Altendorfer Urkunde. 1.7.1299 Hildebrand monetarius, Frauenbergs-Urkunde.
  7. 1322 heißt es: ouch glichen slegeschatz seil man neme beyder sit und uz der montze gebe 30 Schilling vor die mark.
  8. Neue Mitteil. III. 1. 36. N. M. V. 3. 45. f. Eire und Hom sind Wüstungen bei Heringen; Wiechstädt eine bei Kehmstedt.
  9. Neue Mitteil. 1. 35. 59. Nullus eciam cogi debet ad theloneum, nisi prius vendiderit. Vergl. N. M. V. 3. 44. 35. u. V. 3. 52.
  10. Neue Mitt. III. 1. 36. und V. 3. 46. Frommann verzeichnet zu 1680 ähnliche Angaben. Archiv Z a 5 b.
  11. Zinsbuch des Rates, 1310. Nordh. Archiv.
  12. Neue Mitt. III. 1. 47 22 ff. III. 2. 17. 81 ff. 01. 2. 43. 226 f.
  13. Neue Mitt. III. 1. 66. 168. III. 2. 13. 55. Vergl. K. Meyer, Festschrift 1903, 63.
  14. Neue Mitteil. III. 2. 14. 64. III. 2. 40. 216 f. III. 3. 50. 1. ff. III. 1. 65. 158. qui aliquid emunt cum pecunia aliorum. - Swelich burger oder burgerinne oder ein swester di hi (er) besezen ist in der stat, mit andere lute guete kofen kom, wollen, oder andern kof, swi des beret (beredet) wirt, der gibt dru phunt.
  15. Neue Mitteil. III. 2. 14. 65. III. 4. 39. 48. III. 4. 38. 29.
  16. Neue Mitteil. in. 3. 62. 83.
  17. Neue Mitteilungen III. 4. 43. 75. ff. u. III. 4. 60. ff.
  18. Hauptquelle sind die Statuten des 14. Jahrhunderts, ed. Förstemann in: Neue Mitteilungen III. 1. III. 2. III. 3. III. 4. - Über die Kompetenzen des Vogts, des Schultheißen und des Rates lagen bisher noch keine Untersuchungen vor.
  19. Vgl. K. Meyer, Festschrift, 1920. Die Nordhäuser Stadtflur. Vgl. unten Kapitel 6.