Großbodungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts

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Textdaten
Autor: Wilhelm Kolbe (?)
Titel: Großbodungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts
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aus: Heimatland. Illustrierte Blätter für die Heimatkunde des Kreises Grafschaft Hohenstein, des Eichsfeldes und der angrenzenden Gebiete
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Erscheinungsdatum: 1910 (Nr. 4)
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Großbodungen zu Anfang des 19. Jahrhunderts.


 Der Ausbruch des Reichskrieges gegen die Republik Frankreich, der sich besonders durch eine erhebliche Steigerung der Steuern fühlbar machte, gab der Schwarzburgischen Regierung, unter der Großbodungen damals stand, Veranlassung zu einer tief eingreifenden Steuerreform. Bis dahin war die Contribution, so nannte man damals die Steuer, ausschließlich dem bäuerlichen Grundbesitz zur Last gefallen. Ritter- und Freigüter, die Beamten, die Geistlichen und die Kammergutpächter waren immer von Steuern befreit gewesen. Das wurde kurz vor der Jahrhundertwende anders. Nun wurden die bisher frei gewesenen auch besteuert. Von dem Besitzer der Kemnot, die ein Freigut war, hören wir, daß er im Jahre 1799 im ganzen 205 Thaler 9 Silbergroschen Steuern zu zahlen hatte, eine ganz erkleckliche Summe. Doch war der Prozentsatz bei denen die bisher steuerfrei gewesen, nur diesmal so hoch (40—50"/.. des Jahreseinkommens), weil ein Ausgleich gegen die frühere Steuerfreiheit herbeigeführt werden sollte. Später wurde der Prozentsatz auf 1"/« ermäßigt. Als im Jahre 1804 neue Kriegslasten gedeckt werden mußten, war Großbodungen in der glücklichen Lage, die erforderlichen Geloer in Höhe von 276 Thaler einem Barbestand entnehmen zu können. Aber in den folgenden Jahren machten sich alljährlich Steuererhebungen notwendig.

 Das Jahr 1805 brachte Großbodungen die erste Einquartierung preußischer Grenadiere. Im Jahre 1806 lernte man den Feind im eigenen Lande kennen. Am 23. September 1806 waren preußische und sächsische Truppen hier einquartiert. Wenige Wochen später nach der unglücklichen Schlacht von Jena und Auerstedt nahm die flüchtende preußisch-sächsische Armee ihren Weg über Nordhausen und ihr folgten auf dem Fuß die Franzosen. Damals wurde der Pfarrer Stilke in Kleinwerther — später Superintendent in Großbodungen — wiederholt von den Franzosen unter eigener Lebensgefahr ausgeplündert. Nach Großbodungen kamen im^»er nur einzelne Trupps der Besiegten.

 Sobald die Franzosen Herren im Laude waren, säumten sie nicht, ungeheuere Lieferungen an Brod und Getreide zu fordern. Die wiederholte Kriegskontribution hatte bewirkt, daß die Schulden unserer Gemeinde im Jahre 1807 bereits 1329 Taler betrugen, während 1804 noch ein Barbestand vorhanden gewesen war.

 Das härteste war, daß alle die Opfer nur den Eroberungsgelüsten eines Fremdherrschers dienten. Wie die übrigen Mittel- und Kleinstaaten, so hatte auch das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen dem Rheinbunde beitreten müssen, an dessen Spitze Napoleon stand. Nur um diesen Preis erlangte der Sondershäuser Fürst Ermäßigung einer schier unerschwinglichen Contribution von Napoleon. Dabei mußten sich die beiden Fürstentümer verpflichten, gemeinsam ein Bataillon Infanterie zu 650 Mann aufzustellen und den Truppen des Rheinbundes zuzuweisen. Und nun wurde den Bewohnern von Großbodungen auch die Blutsteuer nicht erspart. Im Jahre 1807 nämlich wurden 6 Rekruten ausgehoben: Franz Roßbach, ein gewesener Soldat, ferner Andreas Wittmann, Johann Heinrich Christian Hofer, Gottfried Hesse, Gottlieb Peter und Heinrich Friedrich Steinmetz. Im November 1808 gingen 2 schwarzburgische Kompagnien nach dem Kriegsschauplatz in Spanien ab und vereinigten sich in Metz mit anderen Kompagnien zum sogenannten Fürstenbataillon. Das Bataillon hat unter sehr schweren Verlusten an dem greuelvollen Kriege in Spanien teilgenommen und zählte schon im September 1809 nur noch 50 dienstfähige Leute. Vermutlich siud die vorhin genannten Großbodunger Söhne dort umgekommen. Aus dem Jahre 1809—1813 wissen wir nur, daß immer neue Kriegssteuern von den Franzosen verlangt wurden.

 Ein völliger Umschlag, aber freilich keine Erleichterung der Kriegslasten trat mit den entscheidenen Siegen der Verbündeten über Napoleon im Herbst 1813 ein. Die Franzosen mußten weichen, der Rheinbund löste sich auf. Ein Teil der verbündeten Armeen nahm seinen Weg durch unsere Gegend. Durch Großbodungen sind unter anderen auch Truppen von Kosaken gekommen.

 Von besonderem Interesse würde es sein, wenn sich ermitteln ließen, ob und in welchem Umfange sich Bewohner von Großbodungen an den deutschen Freiheitskämpfen gegen Napoleon tätig beteiligt haben. Es steht das fest nur von einem, dem jungen Geußenheiner, der nach dem Tode seiner Mutter Besitzer der Kemnot war. Er nahm in der Blücherschen Armee im Winter nnd Frühjahr 1814 an dem Feldzuge in Frankreich teil. Im übrigen weiß man nicht, ob außer ihm noch andere Söhne von Großbodungen mit in den Kampf gegen Frankreich gezogen sind; es ist das jedenfalls so lange unwahrscheinlich, so lange das Fürstentum Sondershausen dem Rheinbund angehörte. Entscheidend für die Zukunft der Gemeinde Großbodungen wurden Friedensverhandlungen des Wiener Kongresses und die aus denselben hervorgegangenen Staatsverträge zwischen Preußen und den angrenzenden deutschen Kleinstaaten. Im Interesse der Abrundung der einzelnen Landesgebiete wurden nämlich einzelne Landesteile ausgetauscht. So trat am 15. Juni 1816 der Fürst von Sondershausen die Gemeinden des Amtes Großbodungen und des Allerbergischen Gerichtsbezirks, sowie das Dorf Haynrode tauschweise an die Krone Preußens ab.

 Das wären die politischen und kriegerischen Ereignisse, die gegen Ende des 18. und zu Anfang des 19. Jahrhunderts das öffentliche Leben unserer Gemeinde beeinflußten!

 Und nun noch einiges aus jener Zeit, das allgemein interessieren dürfte. Ueber den Umfang unseres Ortes in jener Zeit gibt ein im Jahre 1777 vom damaligen Kantor- König aufgestelltes Familienverzeichnis ziemlich genaue Auskunft. In diesem Verzeichnis sind Mieter und Hausbesitzer ausdrücklich unterschieden, und die Lage der Wohnhäuser ist ziemlich sicher festzustellen. Der Ort zählte damals mit Einschluß der Warte und der Teichmühle 110 Wohngebäude. Bis zum Jahre 1816 vermehrte sich die Häuserzahl um II, sodaß 1816 121 Wohnhäuser standen. Die Neubauten aber erhielten keine Gerechtigkeiten mehr. Die gegenwärtig feststehende Zahl von 19 großen und 55 kleinen Gerechtigkeiten hat also schon vor 1777 ihren Abschluß erreicht.

 In jener Zeit wurden mehrere ältere Gebäude durch stattliche Neubauten ersetzt oder erweitert. So entstand bald nach 1795 zur Zeit des Amtsrats Küsten das jetzige Wohnhaus auf der Domäne, 15—20 Jahre später die jetzige Apotheke. Aelter ist das Müller- sche Stammhaus Nr. 56. Sein Erbauer, der Kaufmann Müller erwarb dann auch 1797 die Schmiede am oberen Tor und erbaute, nachdem sie abgebrochen war, auf dem Grund und Boden derselben wohl um die Jahrhundertwende ein neues Wohnhaus, das später mehrere Jahre als Landratsamt gedient hat. vorher aber mit seinen Nebengebäuden für industrielle Zwecke bestimmt war und von jener Zeit her noch heute seinen Namen „die Wäsche" führt.

 Für den damaligen Wert der Häuser nur ein Beispiel! Das Anbauerhaus Nr. 34 in der Unterstadt erzielte im Jahre 1803 einen Kaufpreis von 200 Talern.

 Was die Landwirtschaft jener Zeit betrifft, so scheint sich damals der Kleebau eingebürget zu haben. Als Marktort für das Getreide kam damals für den Gutspächter nicht Nordhausen, sondern Osterode in Betracht. Die Bauern aber haben das näher und bequemer gelegene Nordhausen bevorzugt.

 Auch die Einwohnerschaft der Gemeinde Großbodungen weist in der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert manche Veränderung auf. Neue Familiennamen treten auf, u. a. Lintpel, Ellrodt, Churs, Rothhagen, andere dagegen verschwinden. Eine zweite Gastwirtschaft entstand auf dem Grundstück 61. Neben dem Gemeindebäcker ließ sich ein besonderer Weißbäcker nieder. Besonders folgenreich war die Eröffnung des Müllerschen kaufmännischen Geschäfts, dessen Begründer Johann August Müller die Weberei zu einem willkommenen Erwerbszweig für diejenigen Kreise der wachsenden Bevölkerung machte, denen die Landwirtschaft nicht mehr genügende Beschäftigung bot. Seitdem finden sich in Großbodungen viele Zeug- und Leineweber. Die Müllersche Firma trieb mit ihren Leinen- und Wollwaren einen umfangreichen Exporthandel.

 Auch sonst zeigt sich im Handel und Wandel größere Regsamkeit.

 Wichtig war es, daß in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts neben dem Apotheker ein studierter Arzt seinen Wohnsitz in Großbodungen nahm, vielleicht schon 1760 ein Hr. Hope, sicher etwas später ein Herr Obbarius, und zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein !)>-. Gielen, der letztere war hierher gekommen, weil sein Schwiegervater Francke hier Gerichtsinspektor war, übrigens ein Sohn oder Enkel des berühmten Stifters des Halleschen Weisenhauses, A. H. Francke.

 Ein Verlust für Großbodungen bedeutet es nicht, daß die Gemeinde nicht mehr ihren eigenen Scharfrichter hatte. Im Jahre 1767 wurde dies Meisterei-Privilegium an den Nachrichter Crusius in Worbis verliehen.

 Die gesamte Einwohnerschaft betrug im Jahre 1816—691 Seelen. Regiert wurde die Gemeinde damals schon von einem Schulzen.