Geschichte des Theaters Nordhausen

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Die Geschichte des Theaters Nordhausen beginnt im 16. Jahrhundert. 1917 wurde das heutige Theatergebäude eröffnet.

Vorgeschichte

Erste Eintragungen finden sich im Jahre 1583, wobei hier nicht die Schauspiel-Wandertruppen gemeint sind, die in Nordhausen gastierten, sondern die Initiativen von Bürgern der Stadt, die eigenes Theater machen wollten. Vor allem Schüler des Gymnasiums waren es, die die Bürger Nordhausens mit Theaterstücken erfreuten. So war das Theatergeschehen bis 1700 zuerst auf den Marktplatz, die Kirchen und die Aula des Gymnasiums verteilt. Doch bald darauf wollten auch berufsmäßige Schauspieltruppen in Nordhausen tätig werden. Ende des 18. Jahrhunderts war es soweit, und die Bürger der Stadt Nordhausen konnten 1789 zum ersten Mal "Die Räuber" von Friedrich Schiller und 1807 dann "Die Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart in professionellen Aufführungen erleben.

Die Bühne befand sich in der Barfüßerstraße 6, wurde im Volksmund "Flohburg" genannt und war eine Scheune des Gasthofs "König von Preußen". Ab 1815 fanden dann die Vorführungen im "Eyl'schen Saale" statt, doch war dies mehr eine Notlösung. Die Kaufmannsfamilie Kettembeil ließ 1817 in der Rautenstraße 46 ein Theater errichten. In einem großzügigen Fachwerkbau fanden 500-600 Zuschauer Platz. Der Volksmund hatte auch für dieses Theater einen Spitznamen und nannte es "Berliner Hoftheater", da sich das Theater gleich hinter der Gaststätte "Berliner Hof" befand. Seit 1843 hieß es das "Schreibersche Theater", da die Kettembeils es an eine Familie Schreiber verkauften. Man spielte vor allem die Dramen Friedrich Schillers, Carl Maria von Webers "Der Freischütz" und Werke von Kotzebue und Iffland. Nach einem Umbau im Jahre 1851 wurde das Theater 1881 mit einer Aufführung von Ludwig van Beethovens "Fidelio" geschlossen, da es den polizeilichen Vorschriften nicht mehr genügte. Doch seit 1852 hatte im Gehege bereits ein Sommertheater bestanden, und 1869 hatte der Schirmfabrikant Burghardt ein Tivoli-Theater in einem Garten parallel zur Stadtmauer, in der Nähe der Baltzerstaße erbauen lassen. Es wurden hier Schauspielergesellschaften engagiert, die in Nordhausen Gastspiele gaben.

Doch das Tivoli-Theater war von finanziellen Sorgen geplagt. Der amtierende Intendant Hoffmann nahm sich darüber sogar das Leben. Das Defizit ließ sich nicht mehr auffangen. 1911 kauften die Stadtväter das Theater für 121.000 Mark. Der Umbau und die Renovierungskosten erwiesen sich aber als zu hoch. Ein Teil der Stadtverordneten, darunter Wilhelm Nebelung, plädierte für einen Theaterneubau. Am 14. Dezember 1912 wurde der endgültige Beschluß gefaßt, daß das Tivoli-Theater abgerissen und an der gleichen Stelle ein neues Theater errichtet werden sollte. Die Bauarbeiten für das Stadttheater begannen zu Anfang des Jahres 1913, der Rohbau des Theaters war 1914 beendet. Man sprach schon über den Spielplan und die Anwerbung der ortsansässigen "Kaffeekränzchen" als Publikum. Die Planung der Theaterschaffenden wurde durch den Ausbruch des ersten Weltkrieges unterbrochen.

Das Theater zur Zeit seiner Erbauung

Die Bauherren setzten trotz des Krieges ihre Arbeit fort. Die ursprünglich am Bau beteiligten Architekten, Stadtbaurat Geißler und Dipl.-Ing. Nerlich, konnten ihre Arbeit am Bau des Theaters nicht weiter verfolgen, da sie eingezogen wurden. Regierungsbaumeister Onneken und Architekt Ricken führten das Werk zu Ende.

Die Architektur des neuen Theaters wird häufig gelobt. "An unserem schönsten und bevorzugtesten Platz unserer Vaterstadt erhebt sich, recht geschickt in die ganze grüne Umgebung hineingruppiert, der stolze und prächtige Bau unseres neuen Theaters, äußerlich sich durch seine Bauart als Musentempel kennzeichnend. Der Bau ist im äußeren wie in seinem Inneren in den klassischen Formen des modernen Empire erbaut. Die Massen des ganzen großen Gebäudekomplexes sind gegeneinander gut abgewogen und es zeichnet sich überhaupt der ganze Bau durch eine vornehme, stolze Ruhe aus."

In diesen Räumen sollten und werden Theaterstücke zur Aufführung kommen, die politische, gesellschaftliche und philosophische Fragestellungen beinhalten. Die Spielpläne der letzten achtzig Jahre zeigen, daß die Nordhäuser ein erstaunlich vielfältiges Programm zu sehen bekamen. Dies war und ist allerdings nur möglich, wenn Theater als Luxusgut einigermaßen unabhängig ist von ökonomischen Einschränkungen. Was bedeutet in diesem Zusammenhang die "Freiheit der Kunst" (GG Art. 5, Abs. 3)?

In Lessings "Emilia Galotti" (I/2) wird der Maler Conti vom Prinzen gefragt "Was macht die Kunst?" worauf der Maler antwortet: "Prinz, die Kunst geht nach Brot." Manch einer hält diesen Sachverhalt für durchaus in Ordnung. Die Inhalte, von denen am Theater auch noch die Rede ist, sollen möglichst unmerklich oder nur bei Schulveranstaltungen zu Worte kommen.

Heute lodert der Disput um das Unterhaltungs- oder das Bildungstheater angesichts wie Pilze aus dem Boden schießender Musicalhäuser und Stadttheater in existentieller Bedrängnis wieder hell auf.

Die Intendanten der Gründungszeit

Als erster Leiter des neuen Stadttheaters wurde der Fürstlich Schwarzenburgische und Fürstlich Hohenzollersche Theaterdirektor Julius Heydecker ernannt. In der ersten Spielzeit (1918/19) war vor allen Dingen das Schauspiel vertreten, 1919/20 dann auch große Oper: "Carmen" von Bizet, Opern von Wagner, Verdi, Weber, Beethoven, D'Albert, Lortzing und acht Operetten. Heydeckers Nachfolger wurde 1920 Direktor Erich Frisch. Das Theater erwarb sich schon früh einen guten überregionalen Ruf wegen seiner Leistungen und seines inhaltlichen Anspruches.

"Zu dankbarer Rückschau haben Theater und Publikum in Nordhausen allen Anlaß! Eine mittelgroße Industriestadt ohne die in Nachwirkungen einer jahrhundertelang als Magnetnadel aller Kunstbestrebungen tätigen Hofhaltung, ohne Universität und ohne größere Museen hat wirklich alles Menschenmögliche geleistet, wenn sie im Zusammenwirken von Theaterleitung, Darstellern und Bürgertum sich fast aus dem Nichts heraus in schweren Nachkriegsjahren eine Theaterkultur schuf, die es ermöglichen konnte, daß ein ernster, auf einem tiefen Gedanken basierender Spielplan, der in der maßgebendsten deutschen Presse, welche sagt, daß im Nordhäuser Stadttheater ernste und ehrliche Kunst gemacht wird, anerkannt ist."

Welch ein Stolz muß die Nordhäuser erfüllt haben, die unter so schwierigen Umständen ihr eigenes Theater erbaut haben. Wohlgemerkt in einer "mittelgroßen Industriestadt" am Rande des Südharzes. Doch schwierige Zeiten hatte das damals junge Theater erst noch vor sich.

Das Theater vor und im Zweiten Weltkrieg

Die ersten Anfänge politischer Veränderungen kündigten sich in den 20er Jahren an, so daß sich Franz Dülberg veranlaßt sah, unter dem Titel "Drama und Reichsgedanke" einen Vortrag gegen die "Weltzufriedenheit" zu halten. Er forderte, daß "der Dramatiker nicht zum Knecht und Herold eines Parteiprogramms" werden dürfe. Viele später im Nationalsozialismus beliebte Autoren waren schon im Spielplan vorhanden, doch standen sie in den 20er Jahren noch nicht im Vordergrund.

Der Spielplan unter Intendant Erich Frisch wies nicht nur die Klassiker auf, sondern auch Autoren wie Wedekind, Schnitzler, Kaiser und Strindberg. 1923 übernahmen zwei Direktoren die Leitung des Theaters: Heinz Huber und Bruno Waechter, die der Meininger Theaterschule entstammten. Huber leitete das Musiktheater und Waechter das Schauspiel. Die Inflation warf ihre Schatten, und die Unterstützung der Stadt wurde von immer größerer Bedeutung für das Theater. Das Orchester mußte aus finanziellen Gründen kurzfristig auseinandergehen. Die Intendanten Huber und Waechter setzten sich aber für die Gründung eines Stadttheaterorchesters ein, wobei die Musiker nach dem Tarifrecht bezahlt werden sollten. Der erste Kapellmeister war Otto Klein, der auch die zusätzlichen Sinfoniekonzerte dirigierte.

Unter Huber und Waechter finden sich die Klassiker mit Gewichtung auf Kleist und Lessing im Spielplan. In der ersten Zeit (1923/24) sind keine Opern, aber 15 Operetten verzeichnet. 1924/25 dafür zwölf große Opern und acht Operetten. 1927/28 auch ganz Modernes: Kreneks 1927 uraufgeführte Oper "Jonny spielt auf" und eine Operette von Oscar Strauss: "Teresina", zwei Jahre nach ihrer Uraufführung 1925. 1927 verließ Waechter das Theater und Huber wurde alleiniger Intendant. Die Weltwirtschaftskrise machte es ihm ein zweites Mal schwer, doch er brachte das Theater über die harten Jahre. 1933 legte er sein Amt nieder, weil er als Intendant nach Saarbrücken ging.

Die Vermischung von Kunst und Politik wurde inzwischen im Sinne der neuen Regierung vorgenommen. So sprach Heinz Sting als Oberbürgermeister von Nordhausen und Ministerialrat 1933: "Helft mit am Dienste für deutsche Kunst und deutsche Kultur. Der neue Intendant des Stadttheaters wurde 1934 Regisseur und Schauspieler Hans Bensch-Rutzer, der schon fünf Jahre vorher dem Ensemble als Oberspielleiter des Schauspiels angehört hatte und in der nationalsozialistischen Partei war. Göring selbst berief damals die Intendanten und Dr. Rainer Schlösser beeinflußte in seiner Eigenschaft als Reichsdramaturg die Spielplanfragen. Die politische Einflußnahme war sicher auch bei den Inszenierungen zu spüren. Leider kann dies im Moment, mangels Aufzeichnungen oder Fotografien, nicht nachvollzogen werden.

Es läßt sich lediglich erahnen, was die neue Regierung sehen wollte und einforderte, wenn man folgenden Abschnitt zur Kritik an der Theaterpraxis in "Aus Nordhausen" von 1933 liest: "Nach dem Kriege wurde das Theater zum Tummelplatz für Anarchismus (...) Unsere Klassiker, die in ihrer eigenen Gestalt nicht mehr salonfähig waren, wurden ´bearbeitet´, um sie dem modernen Zeitgeschmack anzupassen. Man steckte Schillers "Räuber" in Stahlhelme, bewaffnete sie mit Handgranaten und ließ sie als moderne Kommunistenbande durch die Wälder ziehen. Das deutsche Volk hatte, durch systematische Zersetzungseinflüsse geschwächt, den klaren Blick zu sehr verloren, um zu erkennen, welch furchtbares Spiel mit ihm getrieben wurde. Man gab "Hamlet" im Frack. Das war der Tiefstand des deutschen Theaters.

Der damalige Journalist führte die kritisierte Entwicklung des deutschen Theaters auf den Einfluß jüdischen Gedankengutes zurück. Er plädierte schließlich dafür, daß das Theater wieder "Gottesdienst" werden müsse. Wie dann dieser Umbau des Theaters zum Gotteshaus vonstatten ging, können wir heute unter anderem an den Spielplänen ablesen. Die inhaltlichen Schwerpunkte verschoben sich deutlich. Der damalige Spielplan in Nordhausen verzeichnet einen Rückgang der ernsten Oper und eine Zunahme der Operettenpremieren. Auch sieht man beim Spielplan von 1932/33, daß lediglich zwei ausländische Schauspiele vertreten waren, und zwar das Lustspiel "Wenn der neue Wein blüht" von Bjönsterne Björnson und "Das Wintermärchen" von William Shakespeare. Man spielte vor allem Autoren wie Goethe, Schiller, Wildenbruch und Lessing.

Als damals gängige Autoren waren vertreten: Sigmund Graff "Die einsame Tat" (1932/33), "Die spanische Fliege" (1933/34) von den Autoren Arnold und Bach sowie "Heroische Leidenschaften" von E.G. Kolbenmeyer (1934/35). Die letzteren sind Tendenzstücke des Nationalsozialismus, so auch Friedrich Bethges "Marsch der Veteranen" (1936/37) und Hünens "Uta von Naumburg". Die Operetten wurden zur reinen Traumseligkeit mißbraucht und standen völlig im Widerspruch zum Zeitgeschehen. Man muß stark annehmen, daß die Inszenierungen nicht die feine Kritik- und Ironiefähigkeit der Operettenkomponisten nachempfanden. Leider fehlen auch entsprechende Belege im Theater- und im Stadtarchiv. Die Spielzeit 1938/39 wurde jedenfalls mit dem Motto "Mit Kraft durch Freude ins Stadttheater Nordhausen" eröffnet.

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende kam die Zeit der sowjetischen Besatzung. Das Orchester und das Schauspielensemble begannen in den Räumen der ehemaligen "Harmonie", dem heutigen Jugendclubhaus, Molieres "Der eingebildete Kranke" zu spielen und brachten das erste Sinfoniekonzert am 18. September 1945 in der "Heinrich-Mittel-Schule" zu Gehör. Ein Zeitzeuge berichtete, daß das Publikum Kohlen zur Vorstellung mitbrachte, damit überhaupt in der "Harmonie" zur kalten Jahreszeit gespielt werden konnte.

1946 wurde das Theater wiederum städtisch, und Otto Roland, der zuletzt Oberspielleiter in Weimar war, wurde Intendant. Das Orchester war ein eingetragener Verein und probte in der Loge, die heute in der Domstraße dem Theater noch als Probebühne dient und die Tischlerei, die Dekorations- und Kaschierabteilung sowie den Malsaal des Theaters beherrbergt. Die Intendanten wechselten in diesen Jahren häufig.

1947 übernahm Regisseur und Schauspieler Hermann Staudt das Amt, ein Jahr später folgte kommissarisch Albert Grüne. Das in der Loge bestehende Orchester und das Theater schlossen sich im Juli 1947 zusammen und fungierten bis 1989 unter dem Namen "Bühnen der Stadt Nordhausen". Oberbürgermeister Hans Himmler machte sich um den zweiten Aufbau des Theaters verdient. Er sorgte dafür, daß das Haus am 15. Oktober 1949 wieder seine Pforten öffnen konnte.


"In dieser Zeit nun entstand auf Initiative der Stadtverwaltung und des Theaterpersonals der Plan, das zerstörte Theater wieder aufzubauen. Das war durchaus nicht so einfach, wie es sich heute anhört. Es fehlte nicht nur an Baumaterial, Arbeitskräften und finanziellen Mitteln, sondern bei einem nicht geringen Teil der Bevölkerung auch an Verständnis dafür. Er meinte, man sollte erst Wohnungen und dann das Theater aufbauen. Deshalb mußte man ihn davon überzeugen, daß es notwendig war, beides zu gleicher Zeit zu tun. Und so geschah es auch." Doch gerade die Bürger waren es, denen das Gelingen zuzuschreiben ist. Viele Handwerker erklärten sich zu unentgeltlichen Arbeiten bereit, viele Sachspenden halfen mit, daß der Theaterbau schon bald wieder eröffnet werden konnte. Die Bürger der Stadt stellten sich ein zweites Mal hinter ihr Theater.

Der Aufbau erwies sich jedoch als sehr kompliziert. "Der empfindliche technische Theaterorganismus mit seinem verzweigten Nervensystem von elektrischen Leitungen und Seilzügen war schwer beschädigt. Die technischen Zentren waren dadurch unbrauchbar geworden. Mit der Wiederherstellung ergab sich somit eine Fülle komplizierter handwerklicher, technischer und organisatorischer Aufgaben, die meist unerfüllbar schienen." 1947 wurde, am dreißigsten Jahrestag der Gründung des Theaters, eine Festwoche durch Oberbürgermeister Himmler veranstaltet, an welcher sich die Theatermitglieder beteiligten.

Am 15. Oktober 1949 wurden mit Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" die Bühnen der Stadt Nordhausen wieder eröffnet. Ein Vertreter der thüringischen Landesregierung überreichte nachträglich die Baugenehmigung und legalisierte damit den "Schwarzbau". Das zweite Theaterwunder war amtlich beglaubigt worden, inmitten der Trümmer war wieder ein Ort entstanden, an dem die verschiedensten Künste wirkten und dem erwartungsvollen Publikum die Ergebnisse vorführen konnten. Neuer Intendant wurde Hans Bornmann, der zuvor als Redakteur in Halle tätig war. "ähnlich, wie zur Zeit Lessings das Feudaltheater abgelöst wurde durch das bürgerliche Theater, so ist nunmehr - bedingt durch die gesellschaftliche Umschichtung, die in der ganzen Welt vor sich geht - der Zeitpunkt herangekommen, wo auch das bürgerliche Theater an seinem Ende steht und von einem Theater der Massen des werktätigen Volkes abgelöst werden muß." Dieser Anspruch erforderte eine neue ästhetik. Man gedachte dem werktätigen Volke Theater nahezubringen, indem man die "Oper auf dem Dorf" unternahm und an verschiedentlichen Abstecherorten Theater machte. Auch in der Spielplangestaltung sollte es sich zeigen. Schillers "Kabale und Liebe" war zu sehen sowie "Was den Damen gefällt" von Hans Saßmann, "Stützen der Gesellschaft" von Ibsen und Ludwig Thomas "Moral".

Am 15. Oktober 1949 wurden mit Mozarts "Die Hochzeit des Figaro" die Bühnen der Stadt Nordhausen wieder eröffnet. Ein Vertreter der thüringischen Landesregierung überreichte nachträglich die Baugenehmigung und legalisierte damit den "Schwarzbau". Das zweite Theaterwunder war amtlich beglaubigt worden, inmitten der Trümmer war wieder ein Ort entstanden, an dem die verschiedensten Künste wirken und dem erwartungsvollen Publikum die Ergebnisse vorführen konnten. Neuer Intendant wurde Hans Bornmann, der zuvor als Redakteur in Halle tätig war. "ähnlich, wie zur Zeit Lessings das Feudaltheater abgelöst wurde durch das bürgerliche Theater, so ist nunmehr - bedingt durch die gesellschaftliche Umschichtung, die in der ganzen Welt vor sich geht - der Zeitpunkt herangekommen, wo auch das bürgerliche Theater an seinem Ende steht und von einem Theater der Massen des werktätigen Volkes abgelöst werden muß."

Dieser Anspruch erforderte eine neue ästhetik. Man gedachte dem werktätigen Volke Theater nahezubringen, indem man die "Oper auf dem Dorf" unternahm und an verschiedentlichen Abstecherorten Theater machte. Auch in der Spielplangestaltung sollte es sich zeigen. Schillers "Kabale und Liebe" war zu sehen sowie "Was den Damen gefällt" von Hans Saßmann, "Stützen der Gesellschaft" von Ibsen und Ludwig Thomas "Moral".

1960/70er Jahre

In der DDR sollten Theater speziell für die werktätige Bevölkerung gemacht werden sollte und daß der Bildungsanspruch an das Theater von hoher Bedeutung war. Betrachtet man die Spielpläne, bemerkt man, daß außer den bekannten Klassikern in der Regel auch moderne Werke zur Aufführung kamen. Einige Beispiele seien genannt:

Wagner-Regeny: "Die Bürger von Calais" (1965/66) und "Der Günstling" (1974/75), später noch "Fabel vom seligen Schlächtermeister" (1986/87). Müllers "Hurrikan" als Uraufführung und Liebermanns "Schule der Frauen" (1966/67). Chrennikows Oper "Im Sturm" (1967/68) und Egks Oper "Die Zaubergeige" (1968/69). Im Ballett war "Turandot" von Gottfried von Einem zu sehen (1970/71).

Die Liste läßt sich anhand des beigefügten Spielplans ohne weiteres fortsetzen. Was auffällt ist, daß der "fortschrittliche Geist", den Oberbürgermeister Himmler sich wünschte, Einzug gehalten hat und daß das Theater, das außen so "vornehm und ruhig" wirkt, im Innern lebendig und jung geblieben ist. Diese Vielfalt im Spielplan ist vor allem dem bisher langjährigsten Intendanten Siegfried Mühlhaus zu verdanken, der 1965 sein Amt antrat, als Intendant Bodo Witte nach Erfurt ging.

Außer dem vielseitigen Spielplan fanden auf Freilichtbühnen sogenannte "Indianertourneen" statt, wo hunderte von Ferienkindern sich rings um die Tipis scharten und berittene Pferde zum Einsatz kamen. In betriebseigenen Bussen fuhr man zu den jeweiligen Spielstätten. Mühlhaus gab zudem dem Musical und dem Kabarett unter der Leitung von Helmut Müller einen festen Platz im Spielplan. Die Orchesterwanne wurde in dieser Zeit erweitert und die Loge für die Werkstätten hergerichtet.

Der ehemalige Malsaal wurde zum "Theater unterm Dach" ausgebaut, man bekam eine neue Spielstätte mit 60 Zuschauerplätzen hinzu. Die neue Bühne wurde vom Publikum gut angenommen. In den Jahren 1963-64 trugen Mitarbeiter des Theaters in einer Eigeninitiative dazu bei, daß Büroräume in den nördlichen Kellerräumen des Theaters entstehen konnten. Sie bauten die Räume im Vorderhaus bis zum heutigen Casino aus.

Seit 1968 gibt es freundschaftliche Kontakte zum Musiktheater Kaunas in Litauen. Es begann ein reger Austausch. Man besuchte sich gegenseitig und brachte Gastspiele in Kaunas und in Nordhausen zur Aufführung. In den 80er Jahren gab es zudem freundschaftliche Kontakte des Schauspielensembles zum Boguslaski-Theater in Kalisz (Polen). Unvergessen ist das Gastspiel des polnischen Ensembles in Nordhausen mit Molieres "Don Juan".

1980er Jahre

as Theater erfuhr 1984 eine komplexe Renovierung. Der Spielbetrieb des Großen Hauses wurde auf das Kreiskulturhaus mit entsprechendem Spielplan verlegt. Das Theater blieb aufgrund dieser Maßnahmen für neun Monate geschlossen.

Die Erneuerung umfaßte den Außenanstrich, den Anschluß an die Fernwärme, die sanitären Anlagen sowie die Be- und Entlüftungsanlagen, die große Eingangstreppe wurde abgerissen und neu aufgebaut und der Aufgang für Rollstuhlfahrer installiert. Auch eine neue Bestuhlung konnte eingebaut werden. Nordhausen war für sein politisches Theater bekannt.

Bei der Durchsicht der Programmhefte fällt das Jahr 1987 auf, in dem "Untergang" von Walter Jens und Heiner Müllers "Bildbeschreibung" und "Wolokolamsker Chaussee I und III", gefolgt von einer szenischen Collage von Christa Wolfs "Kassandra" zu sehen waren. Auch bringt das Theater zwei Werke von Christoph Hein "Die wahre Geschichte des Ah Q" und "Passage" in Nordhausen zur Aufführung sowie Volker Brauns "Transit Europa". In "Wo ist der Morgen, den wir gestern sahen?" wurden Texte von Heiner Müller collagiert.

Zum 70. Jubiläum des Theaters und "zu Ehren des 70. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" schrieb Siegfried Mühlhaus: "Wir Künstler kämpfen voller Leidenschaft für eine Welt ohne Kriege und wollen mit unserer Arbeit die Menschen vor der Gefahr eines nuklearen Infernos warnen. Hier bezog sich Mühlhaus auf die obengenannten Werke im Spielplan. Zu ergänzen wäre die Liste um die Uraufführung "Die Kraniche ziehen" von Milos Sedmidubsky im Musiktheater.


"Als man im November 1988 öffentlich gegen das "Sputnik"-Verbot protestierte, wurden nicht zufällig Annelie Theurer und Hubert Kross zum Stasi-Verhör vorgeladen. Auch in der Südharzstadt war neben der Kirche das Theater Wegbereiter der Veränderungen.

Wiedervereinigung

Dann trat Ende 1989 die politische Wende ein. Da wurde die DDR plötzlich ehemalig, und alles mußte sich ändern. Auch für das Theater begann eine neue Zeit. Intendant Mühlhaus verzichtete auf sein Amt und übergab seinem damaligen Chefdramaturgen Hubert Kross jr. die Leitung des Hauses. Der freiwillige Rücktritt und die übergabe der Theaterleitung an einen jungen Kollegen brachte dem ehemaligen Intendanten Mühlhaus und dem Theater überregional einen guten Ruf ein.

In der Fachzeitschrift "Theater heute" stand 1992 noch zu lesen: "In der Wendezeit kratzte man dann ziemlich schnell die ideologische Kurve. Weder gab es einen Intendanten, der sich verzweifelt an sein wackelndes Stühlchen klammerte, noch jungdemokratische Unbekümmertheit, die andernorts manchem falschen Ratgeber in den mühselig freigeräumten Chefsessel verhalf. Ein unbürokratischer Entschluß war es sicherlich, den damaligen Chefdramaturgen Hubert Kross zum Intendanten zu machen.

Weil Kross auch noch inszenieren wollte, bestand die Theaterleitung aus zwei führenden Köpfen. An Kross Seite war der Quantenchemiker, Autor und übersetzer Michael Schindhelm als Geschäftsführer tätig. Die beiden jungen Theaterleiter sorgten dafür, daß in Nordhausen die Qualität erhalten blieb. Obwohl 1989 keiner wußte, wie es finanziell weitergehen sollte, konnten mit Hilfe der Stadt Nordhausen abermals großzügige Umbauten am Theater vorgenommen werden. Eine neue Beleuchtungsanlage wurde installiert, auch die Tonanlage entspricht heute den Anforderungen eines Aufnahmestudios.

Teile der Bühnenmaschinerie wurden erneuert, die Bühne erhielt einen neuen Bühnenfußboden, und der große Kronleuchter wurde gereinigt. Kross setzte sich für den Ausbau des Musicals und des Balletts ein. Zusammen mit seinem geschäftsführenden Direktor Michael Schindhelm entschied sich Kross 1991 für die Finanzierungsform der GmbH. Das Loh-Orchester im rund 30 km entfernt gelegenen Sondershausen ging 1992 mit dem Theater Nordhausen eine Fusion ein. Die beiden Orchester kannten sich schon von gegenseitigen Aushilfen. Seit 1990 veranstaltete auch das Theaterorchester Sinfoniekonzerte, was über lange Zeit nur dem Loh-Orchester vorbehalten war.

Durch die Fusion beider Orchester wurde ein großes Orchester geschaffen, das dadurch erhalten werden konnte und in eine höhere Qualitäts- und Besoldungsstufe kam. Die Landesregierung befürwortete dieses Unterfangen und unterstützte damit die Arbeit des Landkreises, der Stadt Sondershausen und der Stadt Nordhausen. Seit 1992 ist das Theater Sitz der "Theater Nordhausen/Loh-Orchester Sondershausen GmbH".

Außer der Orchestersituation konnte auch die des Ensembles gefestigt werden, da Nordhausen plötzlich in der Mitte Deutschlands liegt und nicht mehr am äußersten Ende der Republik. Besucher aus den westlichen Nachbarorten nutzen nun auch das nahegelegene Theater in Nordhausen. Geschäftsführer Michael Schindhelm wurde Intendant an den "Bühnen der Stadt Gera" und nahm Kross als Operndirektor mit sich. Seit 1994 ist Professor Dr. Christoph Nix Intendant des Theaters Nordhausen. Nix setzt Schwerpunkte, die sich mit brisanten Themen unserer Zeit befassen.

80 Jahre Theater Nordhausen

Im alten Griechenland war Theater ein Forum für die politische Auseinandersetzung. Im alten Rom sollte es der Machtrepräsentation dienen. Man sprach damals von "Brot und Spiele" für das Volk. Das damalige Unterhaltungsangebot galt einem Massenpublikum und mußte mit Gladiatorenkämpfen und öffentlichen Hinrichtungen konkurrieren. Später schlossen die Kirchenväter den "lasterhaften Amüsierbetrieb" des Theaters.

Im 4. Jahrhundert wurde die Absage ans Theater ins Taufbekenntnis aufgenommen, im 5. Jahrhundert drohte die Kirche sonntäglichen Theaterbesuchern mit Exkommunikation. Justinian ließ 529 sämtliche Theater schliessen. Die Theatergeschichte blickt auf eine jahrhundertelange Auseinandersetzung zwischen Kultur und Politik zurück. Heute haben sich die Konkurrenzveranstaltungen aus den Arenen der ehemaligen Gladiatorenkämpfe auf andere Schauplätze verlegt.

Die Stadttheater in Deutschland ist beispielhaft und eine Besonderheit unseres Landes. Sie ermöglicht in vielen Städten Auseinandersetzungen auf hohem künstlerischen Niveau. Leider ist diese Struktur ernsthaft in Gefahr.

Der Kassenrapport ist gewissermaßen der Gradmesser für den Geschmack der Zuschauer. Auch hier gilt wieder die alte Wahrheit, daß jedes Publikum den Spielplan bekommt, den es verdient und wünscht. Es ist eine, wenn auch betrübende, so doch feststehende Tatsache, daß z.B. mit Klassikervorstellungen, sofern es nicht besondere Veranstaltungen sind, gemeinhin weit geringere Einnahmen erzielt werden als mit gangbaren Operetten oder fragwürdigen Schwänken, mag auch von rein künstlerischem Standpunkt noch soviel dagegen eingewendet werden.

Es ist dann meist so, daß man ein Drama von Schiller doch schon lange kennt, also braucht man nicht hinzugehen. Die Zukunft wird zeigen, wie es damit in Nordhausen bestellt ist, ob man der ernsten Kunst oder der leichtgeschürzten Muse mehr Entgegenkommen zeigt. Darin soll kein Werturteil liegen, etwa in dem Sinne, daß leichtere Kost als unkünstlerisch abzulehnen wäre und daß derjenige, der die bevorzugt, ohne weiteres zu verdammen wäre. Vielmehr dürfte es das erstrebenswerte Ziel sein, eine gefundene Mischung beider Arten zu bieten.

100 Jahre Theater

Zum 100jährigen Jubiläum des Theaters wurden Pläne zur Renovierung des Gebäudes konkret. Im Herbst 2017 erschien die Festschrift Liebeserklärungen an das Theater Nordhausen 1917–2017.