Freiheitskampf in der Aula untersagt

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Klassenfoto der 8a der Theodor-Neubauer-Schule – ehemals Heinrich- Mittelschule – in Nordhausen, Blick zum Dom, Frühjahr 1949
– Junglehrer für Russisch hatten einen schweren Stand –
von Manfred Neuber

Klassenlehrer Karl Gerhardt (rechts) der 8a an der Theo-Neubauer-Schule (vormals Heinrich-Mittelschule) war einer der älteren Lehrer, die nach dem Ende des „Dritten Reichs“ im neuen Erziehungssystem der Sowjetischen Besatzungszone weiter unterrichten durften. Diesen Lehrkräften wurde noch Respekt entgegengebracht, während die jungen, im Schnellverfahren ausgebildeten Neulehrer anfangs Schwierigkeiten hatten, ernst genommen zu werden.

Allerdings völlig gleichgeschaltet war der Lehrkörper in den ersten Nachkriegsjahren jedoch nicht. Unser Geschichtslehrer Reis förderte eine Arbeitsgruppe, die ein Theaterstück über den Freiheitskampf der Niederlande (1568-1648) gegen die spanischen Unterdrücker – die Geusen gegen Herzog Alba - aufführen wollte. Nach dem Unterricht und den Hausaufgaben wurden im kleinen Kreis die Handlung besprochen, Dialoge gedrechselt und Requisiten gesucht.

Bis zur Vergabe der Rollen an Mitschüler war das unter den damaligen politischen Verhältnissen riskante Vorhaben noch nicht gediehen, als Reis den Initiatoren mitteilen musste, das Rektorat werde eine solche Aufführung in der Aula nicht erlauben. So endete die Bühnenkarriere von Schülern der 8a, die vorher mit dem Schulchor im Saal der „Harmonie“ an der Promenade (Ausweichtheater) bei „Flaxmann als Erzieher“ hinter den Kulissen „Ännchen von Tharau“ gesungen und auf der Freilichtbühne im Lindenhof im „Sommernachtstraum“ mitgewirkt hatten. Anschluss-Engagements gab’s für einige im Märchen „Schneewittchen“.

Es lag wohl nicht am Lampenfieber, sondern eher am Stolz über die bescheidenen „Gagen“ in Reichsmark, dass die Thespis-Jünger freudig strahlten. Schließlich waren es noch Lausbuben, wie man damals sagte. Erfahren in der Bastelei von Knallkörpern zu Martini (aus Löschpapier mit Unkraut-Ex), tauchten kleine Böller im Frühling 1949 auf – und flogen vom Schulhof über die Mauer in Richtung Dom, wo eine Prozession zu Fronleichnam stattfand. Wirklich ein Dummer-Jungen-Streich ohne atheistische Motive.

In den Abschlusszeugnissen gab es manchen Tadel, so wegen Störung oder verweigerter Hausaufgaben im Russisch-Unterricht und wegen einer gefährlichen Klettertour. Lange bevor Cary Grant im Film „Über den Dächern von Nizza“ (mit Grace Kelly) an Fassaden herumturnte, hatte es Schulfreund Gerhard gewagt, außen auf einem schmalen Sims zwischen zwei Fenstern unseres Klassenzimmers in der 1. Etage entlang zu balancieren.

Foto: Obere Reihe: Ingo Hirtes, Gerhard Wienrich, Horst Hellwig, Wolfgang Bode, Günter Jahn, Siegfried Steinberg, Klaus Hentschel
Mittlere Reihe: Gerhard Herbst, Arno Senft, Günter Birkefeld, Wolfgang Unger, Jürgen Lamster, Dieter Rudloff, Klaus Isermeyer, Dieter Feldscher, Wolfgang Bauer
Sitzend: Jürgen Hild, Manfred Jonas, Wolfgang Schmidt, Wolfgang Otto, Manfred Neuber, Achim Traumann, Horst Kuntze, Hans Kosser.

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Wie ging es weiter nach der achten Klasse in der Theo-Neubauer-Grundschule ?

Von Jost-Dieter Rudloff.

Im Frühjahr 1949 zerstreute sich die Klasse 8a. Ein Teil trat in einen Lehrbetrieb ein und besuchte eine Fachklasse in der Berufsschule. Andere qualifizierten sich mit bestandenen Prüfungen für den Oberschulbesuch an der Wilhelm-von-Humboldt-Schule. Trotz Oberschul-Qualifikation verliessen einige gute Schüler die Sowjetische Besatzungszone, ab 7. Oktober 1949 die "Deutsche Demokratische Republik". Geschichtslehrer Reis siedelte um nach Niedersachsen. Mein Freund Klaus Isermeyer, genannt "Isus", schaffte als guter Schüler locker die Hürden zur Oberschule. Er weigerte sich jedoch, sich dort anzumelden. Seine Mutter, wohnhaft in der Ludolfinger Strasse, bat mich flehentlich, ihn umzustimmen. Das gelang mir nicht. Sechs Wochen später ging er zu seinem Vater in den Westen. Sein Vater, "Isermeyer Kraftstoff-Vertrieb" in der Hallischen Strasse, war einer der ersten enteigneten Nordhäuser Unternehmer. Er gründete in Herzberg ein Tankstellen-Netz . Klaus trat in die Firma seines Vaters ein und baute sie aus. Er organisierte in den achtziger Jahren mehrere Nordhäuser-Treffen.

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