Die Sander in Nordhausen und Rom im 15. und 16. Jahrhundert

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Textdaten
Autor: Hermann Sander
Titel: Die Sander in Nordhausen und Rom im 15. und 16. Jahrhundert
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Erscheinungsdatum: 1939
Verlag: Göttingen : Ernst Große
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Kurzbeschreibung: Dieser erste Teil der Reihe „Sander-Northusen. Geschichte einer Bürgerfamilie“ wurde nicht fortgesetzt. Die ursprüngliche Arbeit stammt aus dem Jahr 1934.
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Die Sander
in Nordhausen und Rom
im 15. und 16 Jahrhundert


Von
Hermann Sander






Dem Andenken an
Paul Sander
weiland Professor der Wirtschaftsgeschichte
an der Deutschen Universität in Prag.





Vorwort

Die Schrift „Sander-Northusen, Geschichte einer Bürgerfamilie“ handelt von einer Familie Sander, die zuerst in der Reichsstadt Nordhausen, dann in Göttingen und später in Kitzingen ansässig war. Mitglieder dieser Familie, die im 15. und 16. Jahrhundert die Heimatstadt verließen, nannten sich zur Unterscheidung von gleichnamigen Fremden teils vorübergehend teils ihr lebenlang „Sander von Northusen“. Um heute auch im Buchtitel, und zwar in kürzester Form, die Familie von anderen zu unterscheiden, wurde für sie die Bezeichnung Sander-Northusen gewählt.

Die Schrift besteht aus vier selbständigen Teilen, deren jeder einzelne für seinen engeren Bereich von einigem Belang sein mag, während alle vier zusammen nur familienkundliche Bedeutung haben können.

Die vier Teile tragen die Titel:

  1. Die Sander in Nordhausen und Rom im 15. und 16. Jahrhundert.
  2. Bilder aus dem Göttinger Bürgerleben im 16. und 17. Jahrhundert.
  3. Schicksale eines schwäbischen Pfarrers im 17. Jahrhundert.
  4. Bilder aus dem fränkischen Bürgerleben im 17. und 18. Jahrhundert.

Der hier vorliegende 1. Teil beruht, soweit er Nordhäuser Verhältnisse betrifft, vornehmlich auf ungedruckten Akten des Nordhäuser Stadtarchivs. Die Auffindung der wichtigsten Quellen verdankt der Verfasser dem im Jahre 1919 verstorbenen Dr. Paul Sander, Professor der Wirtschaftsgeschichte an der Deutschen Universität in Prag.

Für die römischen Abschnitte der Darstellung wurde vielfach, jedoch mit manchen Abweichungen und Hinzufügungen, Dr. Karl Heinrich Schäfers „Johannes Sander von Northusen“ (Rom 1913) benutzt, ein Werk, an dessen Gestaltung und Erscheinen der Unterzeichnete wesentlichen Anteil genommen hatte.

Die graphologische Charakterskizze des Johannes Sander wurde von der wissenschaftlichen Graphologin Martha Sander in Königstein i. T. entworfen.

Den Plan von Nordhausen um 1560 zeichnete der Nordhäuser Geschichtsforscher Karl Meyer im Februar 1911 als Anlage zu dieser Schrift.

Königstein im Taunus, den 3. Juli 1939.

Der Verfasser.

Die ersten Sander in Nordhausen

Der Name Sander ist die deutsche Abkürzung des griechisch- lateinischen Alexander, zu deutsch „der Männerabwehrende". Als der Name sich bei unseren Vorfahren einbürgerte, gemahnte er sie nicht etwa an den heldenhaften Mazedonier, sondern an einen Heiligen, der mit seiner Mutter Felicitas und sechs Brüdern im zweiten Jahrhundert zu Rom den Märtyrertod erlitten haben soll. Der Gedenktag der „Sieben Brüder" ist der 10. Juli.

Seltsamerweise war es ein Enkel des urdeutschen und heidnischen Kriegshelden Widukind, der den Namen des fremden, frommen Mannes im Sachsenlande heimisch machte. Widukind und seine Kampfgenossen hatten das Christentum nur der Not gehorchend und äußerlich angenommen. Das wußten ihre Zwingherren, die fränkischen Kaiser, gar wohl, und um die Bekehrung der Unterworfenen allmählich zu verinnerlichen, ließen sie die Söhne der sächsischen Vornehmen als Geiseln an ihrem Hofe und in den fränkischen Klöstern zu Christen erziehen.

So wurde auch Widukinnd Enkel Walbracht ein überzeugter Christ. Als er herangewachsen war und sich anschickte, in die Heimat zurückzukehren, hegte er den frommen Wunsch, die Herzen seiner Landsleute für das Christentum zu gewinnen. Das beste Mittel, den Sachsen die Überlegenheit des Christengottes vor Augen zu führen, dünkte ihn wunderwirkende Reliquien zu sein. Um solche zu erlangen, zog er ums Jahr 850 mit einem Empfehlungsschreiben des Kaisers Lothar ausgestattet nach Rom und trug dem Heiligen Vater sein Anliegen vor. Gern erfüllte Papst Leo IV. den Wunsch des treuherzigen Sachsen, indem er ihm den Leichnam des Märtyrers Alexander zum Geschenk machte. Hocherfreut zog Walbracht zurück nach Westfalen, und in Wildeshausen an der Hunte, dem Stammsitz des Widukindschen Geschlechts, bereitete er der kostbaren Reliquie eine würdige Ruhestätte.

Von Wildeshausen aus hat sich der Ruhm des heiligen Alexander durch mannigfaltige Wunder unter dem Sachsenvolke verbreitet. Viele Kirchen wurden ihm geweiht, und dann auch viele Sachsenkinder auf seinen Namen getauft. Letzteres geschah jedoch erst mehrere Jahrhunderte später, als das Volk sich an den fremden Namen gewöhnt hatte und anfing, neben den altgewohnten deutschen Namen auch die der Heiligen zu gebrauchen.


Älter als der Name Sander ist der Ort, in welchem wir Träger desselben suchen, die Reichsstadt Nordhausen. Etwa um die Zeit der Unterwerfung Widukinds (785) ließ Karl der Große im thüringischen Helmegau am Südhange des Harzes den Reichshof Nordhausen und daneben einen Heerlagerplatz anlegen. Um 910 erbaute der spätere König Heinrich I. auf der Bergecke nördlich der fränkischen Anlagen eine Burg, in deren Schutz alsdann eine Kaufmannssiedlung entstand, aus der sich die Oberstadt entwickelte. Stark befestigt, bildete sie den Hauptteil der Stadt. Aus der älteren fränkischen Siedlung wurde die Vorstadt Frauenberg. Andere Vorstädte erwuchsen vor der westlichen Stadtmauer und wurden später durch besondere Befestigungen geschützt.

Im Jahre 1220 erhob der Kaiser Friedrich II. den Ort zur Reichsstadt. Damals wurde Nordhausen durch drei Reichsministerialen verwaltet, den Vogt, den Schultheiß und den Münzmeister. Neben den Ministerialen gewannen bald die angesehensten Familien der Bürgerschaft Einfluß, die „gefreundeten Geschlechter", die sich aus alteingewanderten Adligen der Umgegend und zu Wohlstand gelangten Kaufleuten zusammensetzten. Sie bemächtigten sich 1277 der Herrschaft, und nun leitete ein patrizischer Rat die Geschicke der Stadt, bis er im Jahre 1375 von den Gilden der Handwerker gestürzt wurde.


Die lateinisch geschriebenen Urkunden Nordhausens aus dem 13. Jahrhundert erwähnen mehrere kaiserliche Beamte und Bürger des Namens Alexander. Als erster in einer Urkunde mit der deutschen Form des Namens Benannter begegnet uns seit 1348 Herr Sander, der Probst des Klosters auf dem Frauenberge. Seine Vettern waren zwei Brüder, die Priester Eckebrecht und Sander. Es scheint sich hier also um eine Familie zu handeln, in welcher der Name Sander öfter vorkam. Ob die Sander des 15. und 16. Jahrhunderts mit dieser Familie, einem der alten Alexander oder späteren Einwanderern Zusammenhängen, muß dahingestellt bleiben. Im ältesten Bürgerbuche Nordhausens finden wir unter den Neubürgern der Jahre 1366 und 1367 einen Sanderus de Uteleybin (Uthleben) und einen Sander de Asterode verzeichnet.


Schon etwa 15 Jahre bevor die beiden Neubürger sich in Nordhausen niederließen, dürfte dort ein Bürger gleichen Namens gewohnt haben, der einen Sohn Wernher hatte. Wernher wird in Urkunden von 1395 bis 1429 siebenmal erwähnt. Sein Zuname lautet 1395 und 1413 Sanders, 1420 Sander, 1423 Sanders, Sander und Sanbir, 1429 Sander. Vielleicht deutet die Unsicherheit der Schreibweise darauf hin, daß der Zuname damals noch nicht als fester, ererbter Familienname galt, sondern von dem Namen des Vaters abgeleitet war und erst durch Wernher zum Familiennamen gemacht wurde.

Eine Pergamenturkunde vom 3. März 1395 berichtet uns über Wernher folgendes:

Wernher Sanders hatte vor Jahren Frau Katharinen, Hermann Folkels Witwe, als eheliche Wirtin heimgeführt. Seine Stieftöchter waren gestorben, der Stiefsohn Heinrich Folkel aber herangewachsen und Priester geworden. Nun, da er zu seinen Jahren gekommen war, legten ihm Wernher und Frau Katharine Rechenschaft über sein Erbe ab und vertrugen sich gütlich und freundlich mit ihm über die Auszahlung. Statt aller Ansprüche, die er seines Vaters und seiner Schwestern wegen gehaben möchte, wollen sie ihm 20 Mark Nordhäuser Währung binnen drei Jahren reichen unö geben: 5 Mark im ersten, 5 Mark im zweiten und 10 Mark im dritten Jahre. Wenn aber, was Gott friste, Frau Katharine sterben sollte, so soll Herr Heinrich statt 10 Mark aus deren Nachlaß einen Weingarten erhalten, gelegen vor der Stiege am Frauenberge.

Achtzehn Jahre später wurde Wernher in den Rat der Reichsstadt berufen. Der Rat bestand aus drei Abteilungen oder Ratsregimenten, die abwechselnd je ein Jahr lang als „sitzender Rat" die Regierung führten. Jedes Ratsregiment zählte 27 Mitglieder, nämlich 18 Vertreter der neun ratsfähigen Gilden, 8 Vertreter der vier Viertel der Oberstadt und einen Vertreter der Neustadt. Die neun ratsfähigen Gilden waren die der Kaufleute oder Gewandschnitter, die meist Tuchhandel trieben, der Schneider, Tuchmacher, Bäcker, Schmiede, Krämer nebst Sattlern, Kürschner, Schuster nebst Gerbern und der Knochenhauer oder Metzger. Die Kaufgilde genoß das höchste Ansehen und übte den größten Einfluß aus, doch gab es auch in den Handwerkergilden stets einige Männer, die genug Fähigkeiten und höhere Bildung besaßen, um die wichtigsten Stadtämter verwalten zu können. Der Regel nach blieb der Ratsherr bis zum Tode im Amt und in seinem Ratsregiment, und die jährlich stattfindende Neuwahl des sitzenden Rates galt meist nur der Ausfüllung entstandener Lücken. Doch kam es bisweilen auch vor, daß ein Ratsherr aus seinem ursprünglichen Ratsregiment heraus in ein anderes gewählt wurde, wobei persönliche oder Zweckmäßigkeitsgründe bestimmend gewesen sein mögen; sei es, daß man nicht zwei nahe Verwandte im gleichen Ratsregiment haben wollte, sei es, daß bestimmte Personen für bestimmte Ämter gebraucht wurden. Wernher Sanders, der 1413 als Vertreter der Bäckergilde in den Rat gekommen war, hätte der Regel nach in den Jahren 1416,19 und 22 wieder zum sitzenden Rat gehören müssen, während uns zwei Urkunden über den Verkauf von Jahreszinsen beweisen, daß er nicht 1422 sondern erst im folgenden Jahre an der Regierung teilhatte.

Wernher war ein begüterter und wohltätiger Mann. Um 1420 versteuerte er 14Vs Morgen Ackerlandes, und als 1423 anläßlich einer der häufigen Fehden jener Zeit ein Haferzins als Kriegssteuer erhoben wurde, hatte er einen hohen Betrag zu zahlen. Die Ewige Spende, eine fromme Stiftung, bedachte er bei Lebzeiten mit reichlichen Schenkungen und bei seinem Tode mit einem Hause am Siechentor.


In dem Haferzinsregister vom Jahre 1423 finden wir auch einen Matthias Sander verzeichnet, und zwar als Bewohner des Töpfertor-Viertels der Oberstadt. Er hatte keinen Haferzins zu zahlen, was vielleicht darauf schließen läßt, daß er damals ein junger Mann war, der noch kein Land geerbt oder erworben hatte. Da in dem Zinsregister sonst kein Sander erwähnt wird, liegt die Vermutung nahe, daß Matthias ein Sohn Wernhers gewesen sei.

In den Jahren 1430 bis 1441 wird öfters ein Mann erwähnt, der auch der Sohn eines Sander gewesen zu sein scheint, aber nicht zu den durch Gilde, Hausbesitz oder Steuerzahlung gekennzeichneten Bürgern, sondern zu den durch kurzfristige Dienstverträge gebundenen Angestellten der Stadt gehörte. Er hieß mit Vornamen Peter und war Stadtbote und Vorsitzer oder Gefangenen-Aufseher, daneben Freischöffe des Femgerichts. Einen festen Zunamen führte er noch nicht und wird bald Peter Sanders, bald Peter Vorsitzer, bald Peter unser Bote genannt.

Auch zwei geistliche Personen gehören als solche nicht zur Bürgerschaft, können aber aus ihr hervorgegangen sein, nämlich Johannes Sander, anscheinend ein Franziskanermönch, der am 15. Oktober 1440 vom Erzbischof von Mainz das Recht der Beichte und Predigt erhielt, und Katharina Sanders, die 1480 als Priorin eines Frauenklosters zu Nordhausen erscheint.

Im Gegensatz zu den drei Letztgenannten gehört ein Kerstan Sander ebenso zur Bürgerschaft wie vor ihm Wernher und Matthias. Das Ratsämterbuch führt ihn in einem Verzeichnis vom Jahre 1476 unter den Gildevorstehern auf. Diese, zwei an Zahl für jede Gilde, wachten über die Durchführung der eingehenden und strengen Gildesatzungen und wirkten bei der Bestellung des Stadtregiments mit. Kerstan wohnte auf dem Frauenberge und war ein waffentüchtiger Mann. Während sich wenigbemittelte Leute bei Erwerbung des Bürgerrechts für den Kriegsfall mit einer Hellebarde, bemitteltere mit einer Armbrust ausrüsten mutzten, gehörte er zu denjenigen Wohlhabenden, die bereits mit Feuerwaffen umzugehen wutzten und zur Verteidigung der Stadt die Hakenbüchse führten. Und wenn das Sturmläuten die wehrhaften Bürger zu den Waffen rief, dann übernahm Kerstan, mit Panzer, Eisenhut und Zubehör gewappnet, die Führung einer der 22 Bürgerrotten, aus denen vornehmlich die Kriegsmacht der Stadt bestand. Er war Rottmeister der 40 Mann starken Rotte von Bewohnern des Frauenberges, die nach ihrer Schutzpatronin „Beata Virgo" hietz. Gelegentlich wurde ihm die Verteidigung des Bielentores übertragen, das mit 5 Mann besetzt und mit 8 Armbrusten nebst Spannhaken und Spanngurten, 4 Handbüchsen, 3 Wippen zum Steineschleudern und anderem Kriegsgerät ausgerüstet war. Um 1492 scheint Kerstan gestorben zu sein.

In der Zeit von 1424 bis 1492 ist außer Kerstan kein Sander als Bürger oder Einwohner von Nordhausen nachweisbar. Nun wurden aber im Jahre 1455 und bald danach drei Sander zu Nordhausen geboren, von denen der erste Kurialbeamter, die beiden anderen unmittelbar nacheinander Ratsherren wurden, also alle einen in Norbhausen ansässigen Vater von einigem Ansehen voraussetzen lassen. Als der erste der drei im Jahre 1476 in Leipzig immatrikuliert wird, ist Kerstan Gildemeister, und kaum ist Kerstan aus der Zahl der Rottmeister ausgeschieden, so treten die beiden anderen in diesem Amte auf. Somit dürfte die Vermutung nahe liegen, daß diese drei Sander Söhne Kerstans waren. Sie hießen Johannes, Albrecht und Hans. Daß zwei Brüder die im Grunde gleichen Namen Johannes und Hans trugen, kam in jener Zeit häufig vor und wird auch im folgenden durch Beispiele bestätigt.

Der Rotanotor Johannes Sander vor der Reformation

Johannes Sander, am 14. Juli 1455 zu Nordhausen geboren, bezog im Sommer 1476 die Universität Leipzig, wo er nach zweijährigem Studium der Rechtswissenschaften die Prüfung als Baccalaureus bestand. Später erlangte er auch den akademischen Rang eines Magisters, der in der philosophischen Fakultät dem Doktortitel entsprach. Er trat in den geistlichen Stand und wurde Kleriker der Diözese Mainz, zu der Nordhausen gehörte. Als solcher konnte er Pfründen oder kirchliche Ämter erwerben, die oft Sinekuren waren, ö. h. Einkünfte gewährten, ohne Pflichten aufzuerlegen.

Vermutlich dem Beispiel eines Verwandten folgend, begab er sich nach Rom, um dort Amt und Würden zu erlangen. In der Hauptstadt der Christenheit gab es damals eine sehr zahlreiche deutsche Kolonie, die sich vornehmlich aus päpstlichen Beamten und aus Handwerkern zusammensetzte, aber auch viele Angehörige anderer Stände, darunter etwa 40 öffentliche Notare, umfaßte. Letztere waren fast ausnahmslos Kleriker und benutzten ihr Amt häufig als Ausgangspunkt zu weiterem Aufstieg. Vermutlich hat Johannes Sander erst einige Jahre als öffentlicher Notar gewirkt, bevor er 1494 in den Dienst der Kurie oder päpstlichen Verwaltung trat.

Das Papsttum jener Zeit war aufs tiefste verweltlicht. Innozenz VIII. sorgte hauptsächlich für seine natürlichen Kinder, während im Kirchenstaat das Faustrecht herrschte; unter Alexander VI., der die Gegner mit Gift und Dolch beseitigte, bildeten die Untaten seines Sohnes Cäsar Borgia das Stadtgespräch; Julius II. zeichnete sich durch Kriegstaten und großartige Bauten aus, und Leo X. überbot alle Vorgänger durch Prachtwerke. Unter frommen Vorwänden wurden gewaltige Abgaben der Gläubigen nach Rom gezogen und zu weltlichen Zwecken verwendet. Wohl blühten Kunst und Wissenschaft, aber Glaube und Christentum litten Not.

Da das Leben in Rom außerordentlich teuer war, pflegten die Kurialbeamten ihr Einkommen dadurch zu vermehren, daß sie sich möglichst viele heimatliche Sinekuren verschafften, deren Einkünfte sie in der Ferne genießen konnten. Auch Johannes Sander bediente sich dieses Mittels. Da seine Vaterstadt im Erfurter Archidiakonat des Erzbistums Mainz lag, so kamen für ihn in erster Linie Pfründen in Nordhausen und Umgegend sowie in Erfurt in Betracht. Im Jahre 1506 finden wir ihn im Besitz von sechs Bikarien, nämlich je einer am Kreuzstift, dem Altendorfkloster und der Petrikirche zu Nordhausen, zweier an der Pfarrkirche zu Ellrich und einer zu Udersleben. Aus diesen Pfründen bezog er 68¼ Schock Groschen, 8½ Scheffel Roggen, 2½ Scheffel Gerste und 4 Scheffel Hafer im Gesamtwert von 170 rheinischen Goldgulden mit einer Kaufkraft von etwa 7400 Mark unserer Vorkriegswährung. Spätestens zu Anfang des Jahres 1508 erwarb er noch eine weit bessere Pfründe, nämlich eine Domherrnstelle in Erfurt. Von den Pfründeneinnahmen mußte er gelegentlich einen Teil als eine sogenannte Subsidienzahlung an feinen Mainzer Erzbischof abliefern.

Etwa im Jahre 1495 erlangte Johannes das Amt eines Rota-Notars an der päpstlichen Kurie. Als solcher wird er in den Protokollen der Rota erstmalig am 26. und 28. September 1496 genannt, wo er bei einem großen Prozesse um die Domscholasterei von Breslau wichtige Urkunden des kaiserlichen Notars Sebald Ziegler in Nürnberg als dessen Bevollmächtigter geltend machte.

Die Rota war der höchste Gerichtshof für kirchliche Zivilsachen der ganzen katholischen Welt und für die weltlichen Zivilsachen des Kirchenstaats. Sie bestand aus 12 Auditoren, deren jedem 4 Notare zugeteilt waren. Letztere führten den Titel „Causarum sacri palacii Apostolici notarius", d. h. Prozeßnotar des Heiligen Apostolischen Stuhls, und blieben unabhängig von dem Wechsel der Auditoren lebenslänglich im Amte. War ein Auditor zeitweise von Rom abwesend, so führten seine Notare die ihnen zugewiesenen Prozeßsachen selbständig weiter. Dann ließen sie auch die prozessierenden Parteien in ihre Wohnung kommen und nahmen dort die nötigen Verhöre vor

Von den vier Notaren eines Auditors wurde je einer durch den Papst, den Vizekanzler, den Kämmerer und den Auditor ernannt, nachdem die Kandidaten auf Kenntnisse, Fähigkeiten, Vergangenheit und Lebenswandel geprüft waren. Bei der Anstellung legte der Notar einen Diensteid ab. Er gelobte, sein Amt fleißig und getreu zu verwalten, nur die gesetzlichen Sporteln von den Parteien anzunehmen, nicht als Anwalt in Prozessen, die vor dem eigenen Auditor verhandelt würden, aufzutreten, die Protokolle und Akten sorgfältig einzutragen, Aktenabschriften zum festgesetzten Preise herzustellen und das Amtsgeheimnis treulich zu bewahren.

Die Rotanotare bildeten eine Genossenschaft mit bestimmten Ämtern und Satzungen. An ihrer Spitze stand ein Dekan, der den Vorsitz führte und die Tagesordnung der Mitgliederversammlungen bestimmte. Ein für jedes Semester erwählter Schatzmeister verwaltete die Kasse und führte das Mitgliederverzeichnis.

Der oberste Vorgesetzte der Notare und zugleich der Protektor ihres Kollegiums war der päpstliche Vizekanzler. Vor ihm mußten Verhandlungen über etwaige schwere Vergehen von Notaren oder juristische Meinungsverschiedenheiten geführt werden. Sonst hatte im allgemeinen das Kollegium der Notare selbst die Aufsicht über seine Mitglieder, und besonders war es dem persönlichen Einfluß der Auditoren entzogen.

Wie die übrigen Beamten der Kurie, so nahmen auch die Rotanotare an den feierlichen Prozessionen und Gottesdiensten des päpstlichen Hofes teil. In einem Verzeichnis der Teilnehmer der Fronleichnamsprozession vom 14. Juni 1498 finden wir Johannes Sander als Notar unter dem Auditor Jakob de Dragatio, und neben ihm unter demselben Auditor einen Notar Franciscus Sanderi. Vielleicht war der später nicht mehr nachzuweisende Franz Sander ein älterer Verwandter des Johannes und hat diesem den Weg nach Rom gewiesen und erleichtert.

Etwa die Hälfte aller Rotanotare stammte aus dem deutschen Reiche und leider ebenso auch die Hälfte aller Rotaprozesse, ein bedenkliches Zeichen kirchlicher Mißstände.

Die Namen der Notare werden in den Prozeßakten selten genannt, doch einigemal wird Johannes Sander erwähnt. In einem 1501 beginnenden Streit um eine Stiftspfründe wird er als Zeuge benannt, und am 9. Oktober 1503 tritt er als Zeuge für die Wiederaufnahme der Diensttätigkeit eines Auditors auf. Als im Oktober 1508 nach den großen Sommerferien die Sitzungen der Rota in feierlicher Weise wieder eröffnet wurden, fiel ihm die Verlesung der für die Rota geltenden Vorschriften zu, und am 4. November 1514 legte er einen Eid auf die veränderten Satzungen des Notarkollegiums ab.

Die Einnahmen der Rotanotare regelten sich nach genauen Tarifen und erreichten bei hinreichender Beschäftigung eine beträchtliche Höhe. Johannes Sander, der mit Arbeiten überhäuft war, konnte von der Befugnis Gebrauch machen, einen der bei der Kurie zugelassenen öffentlichen Notare als Gehilfen anzustellen. Das Handbuch seines „Substituten“, des Notars Joachim Meynders, ist noch vorhanden.

Nach Berufen gesondert, fanden sich die deutschen Bewohner Roms in verschiedenen Bruderschaften zusammen. Die Kurialbeamten bildeten den Stamm der angesehensten Vereinigung, die nach der Jungfrau Maria als Beschützerin der Seelen (Beata Maria de Anima) Anima-Bruderschaft oder kurzweg Anima hieß, eine Kirche und ein Hospiz unterhielt und eine Anzahl von Häusern besaß. Dieser Anima-Bruderschaft trat Johannes am 10. Februar 1505 bei, indem er eigenhändig seinen Namen „Johannes Sander de Northusen“ in das Mitgliederbuch eintrug und 2 große Golddukaten stiftete.

An der Spitze der Bruderschaft standen mehrere Provisoren, von denen einer als Provisor regens, auch Regent oder Rektor genannt, die Geschäfte führte. Alle zeitweiligen und früheren Provisoren zusammen bildeten einen Verwaltungsausschuß, die Kongregation.

Johannes widmete sich der Anima mit hingebendem Eifer. Im Oktober 1505 konnte er der Bruderschaft ein Vermächtnis eines deutschen Geistlichen überreichen; etwa zwei Jahre später unternahm er es, ein halbzerstörtes Haus derselben zu einem ihrer schönsten Besitztümer auszubauen.

Zu diesem Zweck schloß er am 18. Februar 1508 mit den Provisoren einen Vertrag, wonach er das unmittelbar an die Animakirche anstoßende Haus für sich und zwei von ihm zu bestimmende Mietsnachfolger gegen eine Jahresmiete von 16 Golddukaten in Pacht nahm, mit der Verpflichtung, für die Instandsetzung des Gebäudes innerhalb der nächsten zwei Jahre 500 Dukaten aufzuwenden. Das Haus sollte einen Keller und drei Stockwerke mit einer steinernen Treppe enthalten. Der Hofraum durfte zu einem Gärtchen eingerichtet und mit einer Halle mit darüber befindlichem Heu- und Strohboden versehen werden. Ein Bild der Jungfrau Maria sollte die Front des Hauses zieren.

Schon nach Jahresfrist hatte Johannes nicht 500 sondern 1000 Dukaten im Vorkriegswerte von vielleicht 40 000 Mark verbaut, weswegen die Bruderschaft beschloß, ihm den Pachtzins auf 12 Dukaten zu ermäßigen und die Bestimmung eines dritten Mietsnachfolgers zu gestatten. In der Pachturkunde von 5. Februar 1509 heißt es: „Herr Johannes Sander errichtete das Haus zu bemerkenswertem Vorteil des Hospizes in prächtiger Weise“, und das war keine Übertreibung.

Das „Sanberhaus“, wie es genannt wirb, steht noch heute und ist wegen seines künstlerischen Wertes in die Zahl der römischen Nationaldenkmäler ausgenommen worden.

Die Straßenseite ist mit Sgraffit-Verzierungen reich geschmückt. Am unteren Stockwerke waren vier Brustbilder, darunter das des Erbauers, angebracht. Das rundbogige Tor zeigt im Schlußstein Johannes Sanders Wappen und darüber die Inschrift: „Jo. Sander Northusanus Rotae Notarius sec. 1508.“

Die steinerne Treppe hinaufsteigend, gelangt man im ersten Stockwerk zu den Wohnräumen, im zweiten durch einen kleinen Vorraum in das große Empfangszimmer. Ein breiter Fries mit zierlichen Wandmalereien aus der antiken Mythologie läuft oben an den dunkelroten Wänden entlang. Die von Längs- und Querbalken getragene Decke ist durch eine Holztäfelung in viele kleine Quadrate geteilt, die einen Stern auf himmelblauem Grunde ein- schließen. Im dritten Stockwerk gewährte eine die ganze Front einnehmende halboffene Bogenhalle dem Lichte und der Luft freien Zutritt und dem Bewohner einen behaglichen Erholungsraum. Dieses Stockwerk ist groß genug, um nach erfolgter Schließung der Bogenhalle heute dem Rektor der Anima als Wohnung zu genügen.

An der Hofseite des Hauses stellen offene Laufgänge, über weit vorspringende Träger gewölbt, die Verbindung mit dem Hinterhause her.


Nach Form und Bildschmuck ein Werk der wiedererweckten antiken Kunst, läßt das Haus vermuten, daß sein Erbauer eher dem Geiste des Humanismus als dem des mittelalterlichen Christentums huldigte, eine Vermutung, die durch einige Sprüche, die am und im Hause stehen, bestätigt wird.

Nur einer von vier Sprüchen bewegt sich in katholisch-christlichen Gedankengängen, und der ist nicht frei gewählt, sondern gehört zu einer Pflichtleistung. Der Bauvertrag bestimmte nämlich: zum Zeichen, daß das Haus Eigentum der Anima bleibe, müsse „solita pictura“ (das übliche Bildnis) der Jungfrau Maria mit einer entsprechenden Inschrift an der Front angebracht werden. Das Bildnis findet sich zwischen zwei Fenstern des zweiten Stockwerkes, der Spruch darüber und somit am dritten Stockwerk, auf dessen dem Sonnenlicht geöffnete Bogenhalle er anspielt:

„Quos de Theutonica socios hic gente tueris
Consortes superi fac pia Virgo solis.“

(„Laß die Genossen aus deutschem Geschlecht, die hier du beschützest, Heilige Jungfrau, schau'n einst das himmlische Licht.“)

Ein anderer, über dem ersten Stockwerk stehender Spruch, wünscht dem Gebäude langen Bestand, kleidet den Wunsch aber nicht in fromme christliche Worte, sondern in schwerverständliche Bilder der antiken Astronomie und Mythologie:

„Hec domus expectet Lunas Solesque gemellos,
Phoenicas natos ne ruat ante duos.“

Zu deutsch dem Sinne nach etwa: „Dieses Haus möge eine Sonnen- und Mondperiode zu gewärtigen haben, daß es nicht falle, bevor zweimal ein Phönix erstand“, also nicht vor zweimal 500 Jahren.

Am kennzeichnendsten, weil ganz frei gewählt und der täglichen Betrachtung des Hausherrn gewidmet, sind zwei Denksprüche im Fries des Empfangzimmers. Der erste, der 10. Satyre des Juvenal entnommen, gibt die prophetische Warnung wieder, die der weise Solon an den sich seines Glücks und Reichtums rühmenden König Krösus richtete, bevor diesen das Unglück ereilte:

„Respicere ad longae jussit spatia ultima vitae.“

(„Achten, hieß er, auf langen Lebens endlichen Ausgang.“)
Der zweite besagt nach Seneca:

„Divitiae cum labore acquiruntur, cum timore possidentur,
cum dolore dimittuntur.“

(„Reichtum wird mit Mühe erworben, mit Furcht besessen, mit Schmerz verloren.“)

Beide Sprüche bekunden antike Lebensweisheit, der christliche Wünsche und Hoffnungen fremd sind.

Für Johannes Sanders Sinnesart ist neben den Sprüchen sein Wappen sehr bezeichnend. Es findet sich nicht weniger als fünfmal im Sanderhause und zeigt in gespaltenem Schild rechts ein halbes goldenes Kreuz auf schwarzem Grunde, links einen halben gekrönten Adler in goldenem Felde. Zweifellos ist es nicht ein vom Vater ererbtes Wappen, denn im 15. Jahrhundert sind heraldische Figuren in den Siegeln von Bürgerfamilien noch sehr selten, während Hausmarken die Regel bilden. Und vollends konnte ein Bürger von Nordhausen es sich nicht erlauben, den Wappenadler seiner Stadt im eigenen Wappen zu führen. Johannes wird das Wappen auf Grund päpstlicher Verleihung geführt haben. Aus dem Kreuz, dem Sinnbild der Kurie, und dem Adler der Reichsstadt Nordhausen zusammengesetzt, bezeichnet es deutlich den Kurialbeamten aus Nordhausen und paßt damit aufs beste zu der Innschrift am Portal des Sanderhauses und manchen eigenhändigen Eintragungen, in denen Johannes stets seiner Heimat und seines Kurialamts gedenkt. Heimatliebe und Selbstbewußtsein waren offenbar hervorstechende Züge in seinem Wesen.


Johannes hat das Sanderhaus bis zum Tode bewohnt. Eine Nachricht aus späteren Jahren beziffert seinen Hausstand auf sechs Personen. Sein erster Hausmeister hieß Wessel Schütte.

Von dem Rechte, drei Mietsnachfolger zu bestimmen, machte er am 28. Februar 1509 Gebrauch, indem er die Söhne seiner einzigen Schwester ernannte. Diese Schwester, Margarete mit Namen, stand cihm anscheinend deswegen am nächsten, weil sie von der gleichen Mutter wie er stammte, während Albrecht und Hans Sander einer zweiten Ehe des Vaters entsprossen waren. Margarete war mit dem Nordhäuser Bürger Martin Ferer verheiratet; ihre Söhne hießen Nikolaus, Johann und Joachim Ferer.

Nikolaus Ferer hatte in Leipzig und Erfurt studiert, als Kleriker der Mainzer Diözese die niederen Weihen empfangen und sich dann nach Rom begeben, wo er bei seinem Oheim wohnte, als dieser ihn zum Mietsnachfolger einsetzte. Im folgenden Jahre 1510 wurde er mit einem ansehnlichen Kurialamt beliehen und zum Scriptor registri supplicationum oder Sekretär beim Amt für Eingaben und Gesuche ernannt. Der Oheim hatte ihn offenbar an Sohnes Statt angenommen, denn wiederholt wird er als einziger der drei Brüder mit dem Namen Ferer alias Sander bezeichnet.

Johann Ferer widmete sich nach Besuch der Universität Erfurt dem geistlichen Stande und erlangte später eine Domherrenstelle am Kreuzstift in Nordhausen. Wohl nur für kürzere Zeit weilte er 1514 in Rom und schrieb sich damals mit Nikolaus Ferer zusammen in das Mitgliederbuch der Anima ein.

Der jüngste Bruder, Joachim, blieb weltlichen Standes und Bürger seiner Vaterstadt.

Die Opferfreudigkeit und Tatkraft, die Johannes Sander bei dem Hausbau bewies, veranlaßte die Anima-Bruderschaft, ihn im Jahre 1509 zum zweiten Provisor zu erwählen. Der päpstliche Skriptor Wilhelm von Enckevort bekleidete damals das Amt des Regenten. Am 15. September verpachteten die Provisoren dem Rotanotar Dietrich von Eynem ein Haus der Bruderschaft für 50 Dukaten Miete und unter der Bedingung, daß er 100 Dukaten zur Ausbesserung des Hauses aufwenden und 200 Dukaten für den im Werke befindlichen Kirchenneubau beisteuern würde. Auch in den folgenden Jahren waltete Johannes als zweiter Provisor und war bei verschiedenen ähnlichen Amtsgeschäften tätig. Die wichtigste Aufgabe jedoch bestand in der Geldbeschaffung für den erwähnten Kirchenneubau. Am 9. November 1509 wurde unter dem Borsitz Enckevorts und Sanders beschlossen, eine Anleihe innerhalb der Bruderschaft aufzunehmen. Nicht alle Mitglieder zahlten den ihnen zugeöachten Anteil, Johannes Sander aber entrichtete im Juni 1510 die von ihm erwarteten 50 Dukaten, trotzdem er noch hohe Ausgaben für sein Haus zu machen hatte. Im folgenden Jahre führte er mit seinen Amtsgenossen einen Prozeß zu Ende. Der Kardinal Perauöi hatte der Anima 518 Golögulden vermacht, die päpstliche Kammer aber das Legat eingezogen. Nun erlaubte Papst Julius II. den Provisoren, entweder das Geld aus gewissen deutschen Einkünften des Kardinals und den Kreuzzugbeiträgen zu erheben, – falls nämlich Kaiser Maximilian seine Einwilligung dazu gebe und die Kammer das Geld nicht schon vorher belegt habe, – oder sich aus der päpstlichen Jahressteuer von neu erlangten Pfründen in Deutschland zu befriedigen. Beide Geldquellen waren recht unsicher, und als die Provisoren erfuhren, daß in St. Gallen für die apostolische Kammer noch an 500 Gulden von der Jubiläumskollekte des Jahres 1500 lägen, hielten sie diese Quelle für aussichtsreicher und bevollmächtigten einen Mitbruder in Konstanz, diese oder andere der Kammer in Deutschland zustehenden Gelder bis zu dem Betrage des Legats einzutreiben.

Ein anderes Legat bereitete den Provisoren eine besonders große Enttäuschung. Der Kardinal Melchior Copis, ein steinreicher Mann, hatte der Anima 1000 Dukaten vermacht und später von seinem Bruder eine große Erbschaft übernommen mit der Verpflichtung, die Animakirche und ihr Hospiz von Grund auf neu zu erbauen; er konnte sich aber bei Lebzeiten nicht von dem Gelde trennen und begnügte sich damit, die Anima zu seiner Universalerbin einzusetzen. Das ließ auf eine Erbschaft hoffen, deren heutiger Wert mehrere Millionen Mark ausmachte. Leider starb der Kardinal aber gerade während einer zufälligen Anwesenheit an der Kurie, und nach altem Herkommen zog die päpstliche Kammer die Hinterlassenschaft aller an der Kurie sterbenden Prälaten ein, sofern sie nicht eine besondere päpstliche Erlaubnis zum Testieren erlangt hatten.

Papst Julius II. war kein Gönner der Anima und suchte von ihr nur Geld beizutreiben. Am 20. Oktober 1510, als Johannes Sander zweiter Provisor war, mußte die Anima 15 Dukaten zu den Kosten der vom Papste geführten Kriege beisteuern. Sie sollte das Doppelte zahlen, doch sträubten sich die Provisoren, die als ungerecht hoch empfundene Steuer zu entrichten, und ließen es auf das Interdikt, die Ausschließung vom öffentlichen Gottesdienst, ankommen. Dieses wurde in der Tat verhängt und Johannes wie alle anderen Provisoren mit einer Kirchenstrafe belegt. Das machte aber keinen allzu tiefen Eindruck auf die Bestraften, und erst nachdem 5 Dukaten nachgelassen waren, bezahlten sie am 15. Januar 1511 die übrigen 10 Dukaten der Kriegssteuer aus der Hospizkasse.

Inzwischen ging der Kirchenbau rüstig vorwärts und im Juli 1511 konnte bereits zur Herstellung des Hauptgiebels und dann zum Bau der Gewölbe in den drei Schiffen der Kirche geschritten werden.

Aus dem Jahre 1511 ist uns ein Zeugnis über die Rota und die Anima erhalten, dem wir besonderen Wert beimessen dürfen: ein Zeugnis Martin Luthers, der gerade zu der Zeit, als der Rotanotar Johannes Sander neben dem Regenten Wilhelm von Enckevort Provisor war, in Rom weilte. Von allen Kirchen der Stadt, die Luther „wie ein toller Heiliger" damals durchlief, ist neben dem Pantheon die Animakirche das einzige Gotteshaus, dessen Besuch er in späteren Jahren erwähnt. Mit großer Wärme rühmt er in seinen Tischreden, daß sie die beste in der Stadt sei und einen deutschen Pfarrer besitze, vor allem aber, wie das Evangelium daselbst in deutscher Sprache gelehrt werde.

Die Veranlassung, die Luther nach Rom führte, war ein Streit innerhalb des Augustinerordens, der vor dem Gerichtshof der Rota entschieden wurde. Und auch für diesen Wirkungskreis unseres Johannes hat Luther eine anerkennende Bemerkung, indem er von der Rota sagt: „da die Händel und Gerichtssachen fein rechtmäßig gehört, erkannt, verrichtet und geörtert werden.“

Am 17. März 1513 wurde Johannes als Nachfolger Enckevorts zum Regenten der Anima erwählt und damit auf den wichtigsten Vertrauensposten der deutschen Kolonie zu Rom gestellt.

Zur Dienstpflicht des Regenten gehörte die Führung von sechs Büchern über die allgemeinen Einnahmen und Ausgaben, die besonderen Kirchenbaukosten, die Häuser und sonstigen Besitzungen und schließlich die Verträge der Bruderschaft. Johannes ließ die noch heute vorhandenen dickleibigen Folianten durch den Sakristan in sein Haus bringen und begann seine Eintragungen im Einnahmen- Register mit den Worten: „Recepta per me, Johannem Sander de Northusen, notarium Rotae, hospitalis beatae Mariae Theutonicorum provisorem.“ Nach einer kurzen Schilderung seiner Wahl folgen die Buchungen, die er in allen sechs Bänden mit sorglichster Genauigkeit durchführte.

Selten verging ein Tag ohne eine Eintragung oder Verhandlung. Bald kommt ein Mieter eines der mehr als zwanzig zählenden Animahäuser, um die Halbjahrsmiete zu bezahlen, bald ist der einträgliche Opferstock der Kirche zu leeren, bald sind Schenkungen lebender oder Legate verstorbener Freunde der Anima in Empfang zu nehmen. Dann liefert das römische Bankhaus der Fugger die Erträgnisse von Sammlungen ab, die in Deutschland für das Hospiz veranstaltet werden, und oft sind Beiträge neuer Mitglieder zu verzeichnen, denn Johannes läßt es sich angelegen sein, das Bruderschaftsbuch angesehenen deutschen Pilgern und Besuchern der Stadt zur Eintragung vorzulegen. Manche politisch bedeutsamen Männer sind darunter, wie der Vertreter des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg und die Gesandten des späteren Kardinal-Erzbischofs Albrecht von Brandenburg, viele kirchliche Würdenträger aus deutschen Gebieten von der fernen Insel Ösel bis Lüttich, und auch seine beiden Neffen Nikolaus und Johann Ferer.

Mühsamer noch als die Verwaltung der Einnahmen war die der Ausgaben. Jeden Monat wurden der Sakristan und die sieben Kapläne der Kirche mit je 2 Dukaten besoldet, die sie neben freier Wohnung und Verpflegung bezogen, alle zwei Monate erhielt der Organist sein Gehalt, und oft legte der Armenpfleger seine Abrechnungen vor. Für die Kirche wurden laufend die Kerzen an den Leuchtern und Altären erneuert, Schmucksachen ausgebessert und angeschafft. An bestimmten Feiertagen, wie Fronleichnam und Palmsonntag, brachte die besondere Ausschmückung der Kirche erhebliche Ausgaben.

Ferner überwachte der Regent das gesamte Inventar der Anima, welches sich in der Kirche, den Dienstwohnungen, dem Hospiz und einem Nebenhospiz befand, und sorgte für Ausbesserung und Ergänzung desselben. Es ist für Johannes bezeichnend, daß die wichtigsten und für lange Jahrzehnte letzten Inventaraufnahmen der Anima von ihm eigenhändig als Regent geschrieben sind.

Schon in öer dritten Woche nach seiner Wahl nahm er eine genaue Besichtigung des der Anima angegliederten Andreas-Spitals vor und brachte den Befund in einem langen Protokoll zu Papier. Zum Spital gehörte eine kleine Kirche mit einem besonderen Kaplan als Seelsorger und Spitalverwalter. Den Haushalt führte eine Spitalmutter, der auch die Frauenabteilung unterstand. Mit der im Amt befindlichen war Johannes nicht zufrieden, weswegen er eine neue mater hospitalis einsetzte. Das spärliche und für den Winter nicht genügende Mobiliar ließ er durch Matratzen und Bettzeug ergänzen.

Im Dezember 1513 schritt er zur Bestandesaufnahme im eigentlichen Anima-Hospiz. Zuerst besuchte er die drei Schlafzimmer der sechs Kapläne und verzeichnet« das sehr reichliche Bettzeug. Dann ging er hinüber zu den Hospizräumen, sah die Stube des Kirchendieners, die beiden Säle der Pilger und der Pilgerinnen und den Wohnraum und die Küche des verheirateten Hospitalverwalters. Jeglichen Hausrat schrieb er genau auf nach Stückzahl und Beschaffenheit, vom wertvollen Bett bis zur schlichten Tortenform, denn alles war Eigentum der Bruderschaft.

Die Einführung eines neuen Sakristans gab ihm Veranlassung, im Mai 1514 auch noch das Inventar der Anima-Kirche zu verzeichnen, wobei er alle die vielen oft alten und wertvollen Stücke einzeln mit größter Sorgfalt beschrieb: 12 silberne und vergoldete Kelche, kostbare Monstranzen, Vortragskreuze, Weihrauchgefäße, Leuchter und Kirchenfahnen; dann eine lange Reihe von teuren und farbenprächtigen priesterlichen und bischöflichen Gewandstücken, Altardecken und Teppichen; endlich den Vorrat an weißen und vergoldeten Wachskerzen und Fackeln.

Öfters wurden die Dienstgeschäfte durch Feiern unterbrochen, bei denen Johannes als Regent die Anima vertrat, wie am 22. April 1514, als der kaiserliche Gesandte, Kardinal Matthäus Lang, ein feierliches Hochamt in der Anima-Kirche hielt, und zwei Monate später, als derselbe Würdenträger an der Fronleichnamsfeier der Bruderschaft teilnahm.

Neben all solchen Verrichtungen war Johannes andauernd mit den Sorgen und Arbeiten beschäftigt, die der kostspielige Kirchenneubau verursachte. Er setzte es durch, daß die päpstliche Kammer im Juli 1513 wenigstens das Recht der Anima auf 1000 Dukaten aus der erwähnten Erbschaft des Kardinals Melchior Copis anerkannte. Doch von der Anerkennung bis zum Empfang des Geldes war es ein weiter Weg, denn Papst Leo X. verwies die Bruderschaft darauf, sich mit einem Teil der aus Deutschland eingehenden Pfründensteuer bezahlt zu machen. Ein noch mißlicheres Zugeständnis war es, wenn der Papst der Bruderschaft gewisse Forderungen überließ, die Kardinal Copis bei einigen Schuldnern im Gebiete der Herzöge von Sachsen hinterlassen hatte. Im folgenden Jahr erlangte Johannes eine Vergünstigung, die leichter etwas einbringen konnte und dem Papst garnichts kostete: einen zehnjährigen Ablaß für alle, die etwas zum Kirchenbau beisteuerten. Die sichersten und ergiebigsten Einnahmen erwuchsen dem Bauamt aus Sammlungen in Deutschland, besonders in der Diözese Mainz.

Während seiner Bauleitung in den Jahren 1513 und 14 verausgabte Johannes aus der Anima-Kasse 620 Dukaten für den Kirchenbau. Er bezahlte den Steinmetz und den Maurermeister, kaufte Blei und Ziegelsteine für das Dach, schaffte eine Winde zur Hinaufschaffung von Baumaterial an und vieles andere. Am 16. Juni 1514 wurde die Inschrift vollendet, die er mit Zustimmung der Bruderschaft an der Front der Kirche anbringen ließ: „Templum beatae Mariae de Anima hospitalis Theutonicorum 1514.“

Sechs Wochen nach der erfreulichen äußeren Vollendung der Kirche verlor Johannes seinen Lieblingsneffen und Hausgenossen Nikolaus Ferer durch einen frühzeitigen Tod. Wie der Oheim selbst vermerkte, starb „Nicolaus Ferer alias Sander de Northusen“ am 2. August, nachmittags um 4 Uhr und wurde am selben Tage zu Mitternacht unter feierlichem Geleit der Priester und Mitglieder der Bruderschaft im Chor der Kirche beigesetzt.

Am 24. Dezember 1514 übergab Johannes die Regentschaft cm Wilhelm von Enckevort. In 22 Monate langer Amtsverwaltung hatte er sich durch Umsicht und Gründlichkeit, Eifer und Pflichttreue hervorgetan. Die musterhaft geführten Geschäftsbücher und Inventarverzeichnisse sind noch heute rühmliche Denkzeichen und für seine Eigenart nicht minder aufschlußreich als das prunkvolle Sunderhaus mit seinen Sprüchen und Wappen.

Johannes Sander war in Rom zu Ansehen und Wohlstand gekommen, doch dem Geiste seines Volkes fremd geworden. Wohl sah er die Schäden der Kirche aus nächster Nähe: die Verweltlichung des Papsttums, die Geldgier der Kurie, den Handel um Kirchenämter, das Schwinden christlichen Sinnes; aber er war mit dem Gefüge der Kirche aufs engste verbunden, lebte selbst von deutschen Prozessen und von Pfründen, die für heimatlich« Seelsorge bestimmt waren, nahm für die Anima Kreuzzugsbeiträge und Ablaß in Anspruch, teilte die kühle Philosophie der führenden römischen Kreise, die Freude an Kunst und Wissenschaft und die Verständnislosigkeit für den Drang nach neuem Glaubensleben, der sich im deutschen Volke regte.


So erscheint uns Johannes aus seinen Worten und Taten. Aus seiner Handschrift aber ersieht der Graphologe folgendes Charakterbild:

„Johannes Sander verfügte über gute vielseitige Gaben, nämlich praktischen, klaren Verstand, tatkräftigen Willen und starke Gefühle. Auf dem Boden der Wirklichkeit stehend, hatte er Sinn für nützliche Dinge, doch fehlte es ihm nicht an geistigen Bedürfnissen und höherem Streben. Er liebte Kunst und Wissenschaft und forschte nach Erkenntnissen.

Wenn er seinen Obliegenheiten mit Eifer und Ausdauer nachkam, so bestimmten ihn nicht der Wunsch nach Selbstvervollkommnung und sittliche Grundsätze, sondern Liebe zur Sache und Tätigkeitsdrang. Er brauchte einen Wirkungskreis, in dem er selbständig und frei anordnen konnte, denn er fühlte sich überlegen und befähigt, andere zu leiten.

Seinen Mitmenschen brachte er Wohlwollen entgegen, doch wird der Verkehr mit ihnen nicht reibungslos gewesen sein, denn Johannes konnte hartnäckig auf seiner Ansicht bestehen. Er war lebhaft und geneigt, sich Hinreißen zu lassen, doch bewahrte ihn Vorsicht und Vernunft vor Unbesonnenheit und seine Bildung vor Geschmacklosigkeit. – Von ehrenhafter Gesinnung und freimütig, trat er vor Menschen selbstbewußt auf, während er sich dem Schicksal bejahungsbereit und gläubig überließ.

Alles in allem ein Mensch, der dem Lebenskampf in jeder Weise gewachsen war.“

Die Ratsherren Albrecht und Hans Sander

Um die Zeit als Johannes Sander Kurialbeamter wurde, erscheint Albrecht im Dienste seiner Vaterstadt. Ein Verzeichnis von 1493 führt ihn als Rottmeister der 11. Bürgerrotte auf, die nach St. Nikolaus, dem Schutzpatron der Marktkirche, benannt war. Im folgenden Jahre wurde er zum Vorsteher der Bäckergilde gewählt und sechs Jahre später als Vertreter der Gilde in den Rat berufen.

Der Rat bestand noch wie zu Wernher Sanders Zeit aus drei Ratsregimenten mit je 18 Vertretern der Gilden und 9 der Stadtviertel, doch war seine Leitung den Handwerkergilden entglitten. Nach der Verfassung von 1375 wechselten nicht nur die drei Ratsregimente von Jahr zu Jahr, sondern auch innerhalb des jeweils regierenden von Halbjahr zu Halbjahr die wichtigsten Amtsträger, insbesondere die Bürgermeister. Es gab deren in jedem Ratsregiment vier, von denen zwei in der ersten und zwei in der zweiten Hälfte des Jahres das Amt verwalteten. Ein Bürgermeister war also ein halbes Jahr lang mit einem Genossen zusammen im Amt und kam dann erst nach zweieinhalb Jahren wieder an die Regierung. Es mußte sich bald Herausstellen, daß ein so häufiger Personenwechsel eine feste und vorausschauende Stadtpolitik unmöglich machte, und man half dem Übelstande ab, indem man die Bürgermeister aller Ratsregimente als einen ständigen, mit großen Vollmachten ausgestatteten Ratsausschuß walten ließ.

Dieser Ausschuß, die Herren Ältesten genannt, führte tatsächlich die Regierung der Stadt. Von einem „ewigen", das heißt sich selbst ergänzenden Rat, unterschied er sich durch seine Ergänzung aus den vom Rat gewählten Bürgermeistern. Wären letztere nach Maßgabe der Verteilung der Ratssitze gewählt worden, so hätten unter den Ältesten die Handwerker überwiegen müssen. Das war aber keineswegs der Fall, sondern im Rat und erst recht unter den Ältesten herrschten die in der Kaufgilde vereinigten Tuchhändler oder „Gewandschnitter" und ihr Anhang vor. Durch altes Ansehen, wirtschaftliche Bedeutung, weiteren Blick und engen Zusammenhalt ausgezeichnet, stützte die Kausgilde sich vornehmlich aus die ihr meist durch Herkunft, Besitz und Bildung nahestehenden Vertreter der Stadtviertel und der Tuchmacher. Einige andere Gilden gewann sie dadurch, daß sie besonders einflußreichen Vertretern derselben einen Teil der höheren Stellen überließ. Auf diese Weise erlangte und behauptete sie den entscheidenden Einfluß bei der Bürgermeisterwahl und damit im Ausschuß der Ältesten. Da zwischen den Familien der Ältesten vielfach verwandschaftliche Beziehungen bestanden, konnte ein kundiger Mann jener Zeit sagen, die Herren Ältesten seien ein „gefreundeter", das heißt durch Verwandtschaft verbundener, aristokratischer Rat.

Albrecht Sanders Eintritt in den Rat vollzog sich in folgender Weise. Als der regierende Rat gegen Ende des Jahres 1499 zur Bestellung des Ratsregimentes für 1500 schritt, war aus dem nun wieder an die Reihe kommenden Ratsregiment von 1497 ein Vertreter der Bäckergilde, Kurt Brinkmann, gestorben. Er muß ein tüchtiger Mann gewesen sein, denn er hatte in den Jahren 1494/97 das Bürgermeisteramt bekleidet. Nun brachten die beiden im regierenden Rat sitzenden Vertreter der Gilde in Gemeinschaft mit zwei anderen Vertretern ihrer Gilde, vermutlich den derzeitigen Gildemeistern, als Ersatzmann Albrecht Sander in Vorschlag. Da der Rat den Vorschlag guthieß, trat Albrecht in das Ratsregiment ein, welches 1500 und demnächst wieder 1503 regierte. Zu den Bürgermeistern dieser Jahre gehörte an erster Stelle Jonas Koch, der Vater des Reformators Justus Jonas.

Drei Urkunden sind uns erhalten, in denen Albrecht als Ratsherr genannt wird. Die erste, vom 30. Juni 1500, gibt ein Beispiel für die Namensgleichheit zweier Brüder, indem sie besagt, daß der Rat dem Hans Stoghusen eine Leibrente verkaufte, die nach dessen Tode an seine Geschwister Margareten, Hansen und Heinrich Stoghusen fallen soll; die zweite vom März 1503 bestätigt ein Vermächtnis von 180 rheinischen Gulden für Totenmessen; in der drei Monate später ausgestellten dritten verspricht der Rat einem Halberstädtischen Domherrn 45 Gulden Jahreszins für ein Darlehen von 900 Gulden.

Nur zweimal gehörte Albrecht dem sitzenden Rate an. Als sein Ratsregiment für das Jahr 1506 erneut bestätigt wurde, war er wie auch die beiden Vertreter des Rautenviertels gestorben. Sicher ist es kein Zufall, wenn bei den Ersatzwahlen sofort ein anderer Sander gewählt wurde, sondern eine Folgeerscheinung der im Rat herrschenden Vetternwirtschaft einflußreicher Familiensippen. Wie viele Beispiele erkennen lassen, arbeiteten sich diese dermaßen in die Hände, daß jede von ihnen fast ständig im Rate vertreten war, indem, wenn das eine Mitglied starb, möglichst bald ein naher Verwandter desselben mit einer Ratsstelle bedacht wurde. Hans Sander, der unmittelbar nach Albrecht in den Rat trat, gehörte nicht der Bäckergilde an und konnte deshalb nicht den Ratsplatz dieser Gilde erhalten, deshalb wurde ihm als Albrechts nächstem ratsfähigen Verwandten ein Platz des Rautenviertels eingeräumt.

Nach der Stadtverfassung wurden die neuen Vertreter eines Stadtviertels von dem im regierenden Rat sitzenden Vertretern dieses Viertels völlig selbständig und ohne Mitwirkung anderer Bürger vorgeschlagen. Diese seltsame Einrichtung begünstigte natürlich die Vetternwirtschaft. Wenn etwa ursprünglich die Vertreter der Stadtviertel aus den nicht zu einer ratsfähigen Gilde gehörigen Bewohnern jedes dieser Viertel genommen werden sollten, so verfuhr man jetzt anders, indem man sowohl Bewohner anderer Stadtviertel als auch Angehörige von Ratsgilden zu Vertretern eines Stadtviertels berief. So wurde jetzt neben Hans Sander Gerlach Pockeram zum Vertreter des Rautenviertels gewählt, und Pockeram war 1491 und 1496 Gildemeister der Krämergilde gewesen.

Hans Sander mag um 1460 geboren sein. In einem spätestens 1492 angelegten Einwohnerverzeichnis ist er an dritter Stelle hinter Albrecht Sander und unmittelbar vor Martin Ferer, dem Mann der echten Schwestern des Johannes, eingetragen. Im Jahr 1493 finden wir ihn unter den Armbrustschützen der Stadt und als Rottenmann der 11. Rotte St. Nikolaus, deren Führer Albrecht Sander war. Später wurde er zum Rottmeister der 5. Rotte St. Andreas ernannt und für die Verteidigung des Altentors eingeteilt. Dieses war im Norden der Oberstadt am Ausgang nach der Vorstadt Altendorf gelegen, bestand aus zwei Tortürmen und war mit einigen Hakenbüchsen und anderen Waffen ausgerüstet. In noch späterer Zeit übernahm Hans die Führung der 6. Rotte St. Georius, die den Namen des Patrons der Hospitalkirche am Kornmarkt trug.


Hansens Tätigkeit im Rate der Stadt dauerte etwa 20 Jahre und fiel in eine sehr bewegte und bedeutende Zeit. Wir glauben deshalb im Rahmen seiner Lebensdarstellung auch über Ereignisse berichten zu dürfen, bei denen sein Name zwar nicht besonders genannt wird, die ihn aber nahe berührt haben und bisher in ihrem Zusammenhange wohl nicht ganz richtig geschildert worden sind.

Bekanntlich waren im 15. Jahrhundert wirtschaftliche Veränderungen eingetreten, deren nachteilige Auswirkungen weite Kreise des niederen Volkes mit starker Unzufriedenheit und mit Feindseligkeit gegen die Wohlhabenden erfüllten. In erster Linie richtete sich der Unwille meist gegen die reiche Geistlichkeit, die in Stiften und Klöstern nicht selten ein faules und anstößiges Leben führte und oft als Grundherrschaft ähnlich wie der Adel die Bauern bedrückte.

Neben dieser sozialen Bewegung lief eine kirchliche einher, die vornehmlich von führenden Schichten des Volkes getragen wurde. Die kirchlichen Mißstände waren so unerträglich geworden, daß fast alle Regierenden ernstlich nach Abhülfe strebten, auch diejenigen, die später der katholischen Kirche treu blieben.

Zu letzteren gehörte Herzog Georg von Sachsen, der in den thüringischen Landen des Hauses Wettin herrschte, als nächster Nachbar einer der Schutzherren der Reichsstadt Nordhausen war und als Inhaber des Reichsschulzenamtes daselbst oft mit dem Rate der Stadt zu tun hatte. Er bekämpfte vornehmlich die Verwahrlosung der Stifte und Klöster, die Übergriffe der geistlichen Gerichtsbarkeit, den Ablaßhandel und die Subsidienzahlungen, lauter Mißstände, denen wir in unserer Darstellung begegnen.


Gleich im ersten Jahre von Hans Sanders Ratsamt erhob der Erzbischof von Mainz, zu dessen Sprengel Nordhausen gehörte, von allen Geistlichen seines Gebiets eine Subsiöienzahlung, um die Kosten zu decken, die ihm aus der Erlangung des Erzbistums erwachsen waren. Wie der Rotanotar Johannes Sander, der in Rom die Einkünfte von sechs heimischen Pfründen verzehrte, so mußte auch der ärmste Geistliche der Mainzer Diözese den zwanzigsten Teil seines kirchlichen Jahreseinkommens beisteuern, und all dies Geld ging außer Landes.

Im Jahre 1507 begegnete uns Hans als einer der vier Vormünder und Vorsteher der „Bruderschaft Unser lieben Frauen der Diener", einer Genossenschaft zum Wohle der städtischen Angestellten und Söldner. Zwei der Vormünder waren Ratsherren, deren einer dem sitzenden Rate angehörte.

Aus dem Jahre 1509, wo Hansens Ratsregiment wieder regierte, sind zwei Vorgänge bemerkenswert. Zu Ostern wurde Klaus Sandemaus Nordhausen an der Universität Erfurt immatrikuliert; die Vermutung liegt nahe, daß der junge Student ein Sohn des Ratsherrn war, denn er wohnte später im Rautenviertel, das Hans vertrat, und stand wie Hans in nahen Beziehungen zu Gerlach Pockeram. Sodann wurde im Herbst Michael Meyenburg vom Rat als Stadtunterschreiber angenommen, damals noch ein unerprobter Jüngling, bald aber der einflußreichste Mann und eine überragende Gestalt der Reichsstadt.

Im folgenden Jahre betrat ein anderer Mann die politische Bühne Nordhausens, unabhängig vom Rat und diesem oft widerwärtig, nämlich Leonhard Busch, den Herzog Georg im April 1510 zum Reichsschulzen ernannte. Busch verwaltete das Amt mit großer Tatkraft und diente dem Herzoge als Vertrauensmann. Da dem Rat das von ihm unabhängige Schulzenamt und die Einmischung des Herzogs in städtische Angelegenheiten höchst störend und ärgerlich waren, so entstand bald eine heftige Feindschaft zwischen den Herren Ältesten als Führern des Rats und Leonhard Busch.

Während der Jahre 1510, 1511 und 1512 finden wir Hans unter den Schoßherren, die am Vorabend des Dreikönigstages über die Einnahmen aus dem Schoß des Vorjahres abrechnen. Zu Schoßherren wurden jährlich je zwei Mitglieder der drei Ratsregimente gewählt und zwar im ganzen vier aus den Ratsherren der Gilden und zwei aus denen der Stadtviertel. Als Entgelt für seine Arbeit erhielt der Schoßherr ½ Schock Groschen.

In den Abrechnungen sind die Einnahmen nach den Stadtteilen verzeichnet. Zuerst kommen die vier Viertel der Oberstadt: das Neuwegs-, Altentor-, Töpfer- und Rautenviertel; dann folgen die Vorstädte: Frauenberg, Neustadt, Sand, Flickengasse, Weiden, Grimmel, Nieöeck und Altendorf. Bon einer Gesamteinnahme von etwa 1000 Schock Groschen entfallen ungefähr 7 Zehntel auf die vier Viertel der Oberstadt, unter denen wiederum das volkreiche Rautenviertel die anderen erheblich übertrifft. Die übrigen 3 Zehntel werden von den acht Vorstädten aufgebracht und dabei 1½ Zehntel allein von der Neustadt, die es an Schoßzahlungen manchem Viertel der Oberstadt gleichtat.

Die Verschiedenheit der Steuerkraft der einzelnen Stadtteile stand in engem Zusammenhang mit der Beschaffenheit und Zahl ihrer Häuser, deren Wert in vielen Abstufungen zwischen weniger als 50 und mehr als 1000 Gulden lag. Die Viertel der Oberstadt teilten sich ziemlich gleichmäßig in die ansehnlichsten Häuser; daneben gab es im Neuwegsviertel die wenigsten, im Rautenviertel die meisten geringeren Häuser. Die Neustadt konnte es hinsichtlich Zahl und Größe ihrer Häuser einigermaßen mit einem Oberstadt-Viertel aufnehmen, doch wurde sie von den reichsten Bürgern gemieden, denn wer zu Vermögen kam, strebte nach der Oberstadt. Der Frauenberg zählte 90 wohlbevölkerte Häuser bescheidenster Art. Sand mit Flickengasse waren einem Stadtviertel an Größe gleich und nicht ganz so ärmlich wie der Frauenberg, aber weniger bevölkert. Das Altendorf zeichnete sich vor Grimmel und Frauenberg nur durch einige wenige Häuser besserer Art aus; räumlich von der übrigen Stadt am meisten abgesondert, barg es eine unruhige Bevölkerung.


Im Jahre 1511 hatte sich der Rat mit einem Vorfall zu beschäftigen, dessen ersten Anlaß er jedenfalls selbst nicht billigte. Der Bürger Martin Ferer, der Schwager des Rotanotars und somit auch dem Ratsherrn Hans Sander verwandt, hatte sich trotz eines Verbotes des Herzogs Georg in einer weltlichen Streitsache an ein geistliches Gericht gewandt. Als er sich dann im Gebiet des Herzogs betreffen ließ, wurde er von dessen Amtmann zu Langensalza, Sittich von Berlepsch, gefangen gesetzt. Nun trat der Nordhäuser Rat für seinen Mitbürger ein und beschwerte sich beim Herzog über Ferers Festnahme. Der Herzog schrieb darauf am 11. April, er werde den Amtmann anweisen, Ferer des Gefängnisses zu entledigen und auf einen Urfrieden, das heißt ein Gelöbnis, sich nicht rächen zu wollen, auskommen zu lassen; doch solle der Rat dafür sorgen, daß seine Mitbürger in weltlichen Sachen nicht geistliche Gerichte anriefen, da er sonst strafen müsse.

Aus dem Sitzungssaal und der Rechenstube des Ratshauses hinaus und durch alle Teile der Stadt führte Hansen das Amt eines Kriegsmeisters oder Pfeilherrn, welches er 1512 bekleidete. Es war besonders verantwortungsvoll und wurde von zwei Ratsherren verwaltet, deren einer am Dreikönigstage, der andere zu Johannis das Amt antrat und ein Jahr lang behielt. Dementsprechend fand an diesen beiden Tagen eine Rechnungslegung statt.

Die Kriegsmeister hatten im Kriegsfälle zusammen mit dem Stadthauptmann, einem im Solde des Rats stehenden Ritter, die kriegerischen Maßnhmen zu beschließen und zu leiten. In Friedenszeit lag ihnen hauptsächlich die Sorge für alles Kriegsgerät der Stadt ob. Sie sollten gemäß der Satzung von 1470 „alle Geschütze und Gezeug, die zu ihrem Amte dienen und gehören, auch alle Waffen und Geschütze auf den Toren und Türmen, im Pfeilhause, auf den Mauern und wo sie dieselben sonst haben, mit des Rats Zeichen zeichnen, in ein Register beschreiben und verzeichnet ihren Nachfolgern geben, überantworten und beweisen; wer das nicht tut und darüber betroffen wird, gibt eine Mark und sitzt vier Tage inne, ohne Gnade."

Hansens Amtsgenosse war erst Lorenz Junker, dann Gerlach Pockeram. Ihre Tätigkeit wurde erschwert durch den Umstand, daß die Kriegsvorräte der Stadt an den verschiedensten Plätzen untergebracht waren. Nach einem Verzeichnis von 1514 lagerten im Pfeilhause über der Ratsstube große Mengen von Pfeilen in 16 Tonnen, 28 Schauben und 2 Fässern, außerdem etwa 80 neue Armbruste, deren Verbleib sorgfältig nachgewiesen werden mußte, und einige Hundert lange Spieße; in dem Gewölbe unter der Kämmerei Salpeter, Schwefel, Blei und ein kleiner Vorrat fertigen Pulvers; vor dem Gewölbe Pfeile und einige Fässer gestoßener Holzkohle; unter der Ratsstube Salpeter und mehrere Schock Hakenbüchsen; unter der Kämmerei Pfeile. Lederne Löscheimer wurden auf dem Tanzboden, im Wachthause vorm Adler in der Neustadt und im Altendorf verwahrt, der Hauptvorrat an fertigem Pulver im Wülfingsturm, die Geschütze nebst Steinkugeln, Karren und Wagen im Büchsenhaus zu St. Georgen. Außerdem waren sämtliche 76 Türme und Tore der Stadt mit Kriegsmaterial zur sofortigen Benutzung versehen.

Als Nebenaufgabe hatten die Kriegsmeister die Aufsicht über den Marstall des Rats zu führen. Täglich mußte einer von ihnen „auf den Stall gehen und zusehen". Neues Sattelzeug durfte der Stallmeister nur mit ihrer Genehmigung anschaffen, unbrauchbares mußte er an sie abliefern.

Eine weitere Nebenaufgabe war die Überwachung des Schützenmeisters, dem die Stadtsöldner unterstanden. Für gewöhnlich hatte die Stadt etwa 20 Schützen zu Fuß und einige Knechte zu Pferd oder Reisige in ihrem Dienst. Einem der Reisigen namens Klaus Pfannschmidt werden wir im Bauernkriege wiederbegegnen.

Zu den Pflichten der Kriegsmeister gehörte schließlich noch, und zwar als unangenehmste, die Teilnahme an der Vernehmung von Angeschuldigten; denn gewöhnlich blieb es nicht bei der „Befragung in der Güte", sondern die „peinliche Frage" oder Folterung folgte.

Zwei Rechnungsabschlüsse vom 23. Juni 1512 und 5. Januar 1513 liegen vor, in denen Hans die Kriegsmeister-Ausgaben erst mit Lorenz Junker und dann mit Gerlach Pockeram zusammen berechnet. Der erste Abschluß führt folgende Posten aus:

dem Schützenmeister 6 Schock Groschen 16 Schillinge 2 Groschen;
auf den Schönen Freitag den Schützen gegeben 1 Schock Groschen;
dem Sattler 4 Schock Groschen;
gemeine Ausgabe 8 Schillinge 2 Groschen;
bei der Rechnungslegung verzehrt 8 Schillinge;
den Schreibern 10 Schillinge;
zusammen 13 Schock Groschen 3 Schillinge 1 Groschen.

Der zweite Abschluß besagt:
dem Schützenmeister 6 Schock Groschen 5 Schillinge 1 Groschen; dem Sattler für 3 Köcher 3 Schock
Groschen 6 Schillinge; bei der Rechnungslegung verzehrt 8 Schillinge; dem Schreiber 10 Schillinge;
zusammen 10 Schock 9 Schillinge 1 Groschen.

Aus den Jahren 1512 und 1515 sind zwei Urkunden über Rentenverkäufe zu erwähnen, in denen Hans mit den übrigen Ratsherren genannt wird. Laut dem ersten wurden einem Erfurter Kleriker 5 Gulden Jahreszins für 100 Gulden, laut der zweiten 8 Gulden Zins für 200 Gulden verkauft.

Etwa im Jahre 1515, wo Hans wieder dem sitzenden Rate angehörte, geriet der Rat in Streit mit dem Schultheißen Leonhard Busch, dem er beschwerliche Neuerungen im Tuchhandel vorwarf. In den beiden folgenden Jahren fanden schriftliche und mündliche Verhandlungen zwischen dem Rat, dem Schultheißen und den Räten des Herzogs Georg statt. Die vom Herzoge gewünschte gütliche Beilegung des Streits stieß auf Schwierigkeiten, weil der Schultheiß die Ansicht vertrat, alle einzelnen Ellen und Stücke Tuchs, die in der Stadt verschnitten und verkauft würden, müßten verzollt werden, wogegen der Rat einwandte, das sei vormals nicht Brauch gewesen und nur in einzelnen Fällen aus Unwissenheit geschehen. Schließlich machte der Herzog dem Rat das Zugeständnis, daß kleinere Stücke von wenigen Ellen unverzollt blieben, Stücke von 6 Ellen oder mehr aber, die vermutlich einzeln verschnitten werben sollten, zollpflichtig wären. Dabei scheint es dann sein Bewenden gehabt zu haben, gewiß nicht zur vollen Zufriedenheit der Kauf- unö der Tuchmachergilde.

Busch hat sich, wenn nicht schon früher so bei diesem Streit, die Kaufleute und damit die einflußreichsten Kreise zu Feinden gemacht. Welch bevorzugte Stellung die Kaufgilde einnahm, zeigt die Tatsache, daß von den 36 Männern, die von 1491 bis 1560 zu Jahresbeginn Bürgermeister waren, 14 als Vertreter der Kaufgilde im Rate saßen. Da sicher auch mehrere Vertreter der Viertel, die später Bürgermeister wurden, zur Kaufgilde gehörten, so hat die Gilde etwa die Hälfte der erwähnten Bürgermeister gestellt, während sie bei gleichmäßiger Berücksichtigung aller Ratsgilden und Viertel höchstens deren drei hätte stellen dürfen. Daß die übermäßige Beteiligung am Bürgermeisteramt auch das Übergewicht im Ausschuß der Herren Ältesten mit sich brachte, wurde bereits dargelegt.

Ende Mai 1516 kam Martin Luther, dem wir fünf Jahre früher in Johannes Sanders römischem Wirkungskreise begegneten, auch in Hans Sanders Nähe. Er besichtigte im Aufträge seines Ordens das von alter Zuchtlosigkeit zur Ordnung zurückgeführte Augustiner-Kloster in der Neustadt zu Nordhausen und ermahnte die Mönche zu frommem Lebenswandel. Damals war er den meisten Nordhäusern ein unbekannter Mann, doch das änderte sich, als er am 31. Oktober des folgenden Jahres in Wittenberg seine Thesen gegen den Ablaßhandel anschlug, die in wenigen Wochen durch ganz Deutschland verbreitet wurden und in Nordhausen stärksten Beifall fanden. Luther, der noch 1519 seinen Freund Lorenz Süße als Prior des Augustiner-Klosters nach Nordhausen schickte, wurde 1520 vom Papste gebannt, 1521 in die Reichsacht erklärt und von seinen Freunden auf der Wartburg verborgen.

Indessen entspann sich ein neuer Streit zwischen dem Rat und dem Schultheißen Leonhard Busch, da ersterer die Behauptung aufstellte, ihm stehe das Aufsichtsrecht über das Schulzenamt zu, auch wenn die Vergebung und die Einkünfte des Amts vom Kaiser dem Herzog von Sachsen übertragen seien. Von beiden Seiten mit Hartnäckigkeit geführt, dauerte der Kampf lange Jahre und führte zu fortwährenden Reibungen, die in dem geplagten Schultheißen einen kräftigen Haß gegen die Herren Ältesten als die Leiter der ihm feindlichen Stadtpolitik auslösten.

Aus dem Beginn des Jahres 1522 berichtet uns das Ratshandelsbuch über Schuldforderungen Hansens unterm 10. Februar: Was Hans Kirchner und andere Hansen Sandern schuldig sind, sollen sie ihm in sechs Wochen vergnügen d. h. bezahlen.

Um diese Zeit weilte Luther noch auf der Wartburg, während einer der gefährlichsten Schwarmgeister nach Nordhausen kam, nämlich Thomas Münzer. Anfänglich zu Luther stehend, bekämpfte er ihn dann aufs schärfste, da er vermeinte, nur mit Gewalt und nach allgemeinem Umsturz ein Gottesreich nach seinem Sinne errichten zu können. In Nordhausen, wo er bis zum März 1523 als Kaplan, erst wohl an der St. Georgenkapelle und dann am Nonnenkloster im Altendorf wirkte, vermochte er sich nicht durchzusetzen, gewann aber durch scharfe und zügellose Beredsamkeit manche Anhänger.

In dem Widerstreit der Meinungen, der immer heftiger wurde, stellte sich der Rat entschlossen auf die Seite Luthers, der später rühmend gesagt hat: „Ich weiß keine Stadt am Harz oder sonst, welche sich dem Evangelio so bald unterworfen als die Stadt Nordhausen." Der Entschluß war nicht leicht, denn der einzige zuverlässige Beschützer der Unabhängigkeit der Reichstadt war der streng katholische Kaiser, der nächste örtliche Schutzfürst der streng katholische Herzog Georg. Mit beiden durfte man es nicht verderben. Deshalb ging der Rat zwar mit Entschiedenheit, aber auch mit Mäßigung und politischer Klugheit vor.

Maßlose Schwarmgeister wie Thomas Münzer waren nicht nach seinem Sinn. Er verschaffte deshalb dem sich zu Luthers Lehre bekennenden bisherigen Augustinerprior Lorenz Süße, einem Mann von vermittelnder Sinnesart, die Stelle eines Predigers an der Petrikirche. Am 22. Februar 1522 hielt Süße die erste evangelische predigt, d. h. eine Predigt, die auf der Heiligen Schrift fußte und die mißbräuchliche Gnadenvermittelung bekämpfte.

Indem der Rat sich den lutherischen Lehren zuwandte, handelte er im Sinne der großen Mehrzahl der Bürger, aber durchaus nicht aller. Neben einigen Anhängern Münzers, denen Luther viel zu gemäßigt war, gab es eine beträchtliche Anzahl von solchen, die aus Ueberzeugung oder Eigennutz allen Neuerungen widerstrebten. Ihr stärkster Rückhalt in der Stadt war das reichsunmittelbare Domstift St. Crucis oder Kreuzstift, das über großen Besitz und Einfluß verfügte. Dieses beschwerte sich nun bei Kaiser Karl v.: „Der Rat zu Nordhausen läßt wider kaiserliches Oberedikt und päpstlichen Bann Martinsbuben (Anhänger Martin Luthers), so zum Teil verlaufene Mönche sind, auftreten und predigen. So hat der Rat auch einen verlaufenen Mönch in die Kapelle St. Görgen verordnet, welcher gewöhnlich in seinen Predigten zum Abbruche unseres Pfarrherrn schmähet. Der Rat hat auch den Lorenz Süße, einen ausgelaufenen Mönch, der auch sein Mönchshabit abgelegt hat, an St. Peters Pfarrkirchen zu einem pfarrherrn präsentiert."

Der Rat ließ sich nicht beirren: den ihm selbst gefährlichen Umstürzler Münzer verwies er aus der Stadt, den bedächtigen Süße förderte er. Einen besonders glücklichen Griff tat er, indem er den bisherigen Stadtunterschreiber Michael Meyenburg zum Stadtoberschreiber ernannte. Gestützt auf das Vertrauen des Rats, hat Meyenburg in den folgenden Jahren als erster Beamter der Stadt dank seiner politischen Einsicht und mit Vorsicht und Verschlagenheit Hand in Hand gehender Tatkraft und Kühnheit das Staatsschiff durch Klippen und Brandung hindurchgeführt, die Stadt vor ernstlichem Schaden bewahrt, ihre Rechte wesentlich erweitert und die Gegner erfolgreich bekämpft.

Die Tätigkeit des Nordhäuser Stadtregiments während der Zeit von 1523 bis 25 werden wir besser verstehen und richtiger beurteilen, wenn wir die gleichzeitigen Vorgänge in der engbefreundeten Nachbarstadt Mühlhausen zum Vergleich heranziehen. Mühlhausen hatte aus ganz ähnlicher Lage heraus dieselben Kämpfe zu bestehen wie Nordhausen, und Mühlhausen unterlag, während Nordhausen sich behauptete.

Die Freie Reichstädt Mühlhausen war kleiner als Nordhausen. In etwa 800 Häuern mag sie 5000 bis 5500 Einwohner beherbergt haben, Nordhausen in 1100 Häusern etwa 7000. Jedoch besaß Mühlhausen in vorteilhaftem Gegensatz zu Nordhausen ein ansehnliches Landgebiet mit 18 Dörfern. Auf ländlichen Besitz gestützt, hatten die patrizischen Geschlechter verfassungsmäßig eine etwas stärkere Stellung im Rate behauptet, als es in Nordhausen der Fall war. In Wirklichkeit war aber der Mühlhäuser Rat keineswegs aristokratischer als der Nordhäuser, denn in vier Ratsregimenten zählte er nicht weniger als 120 Mitglieder, und die Hälfte der Bürgermeister wurde den Zünften entnommen.

Bereits im Jahre 1522 waren „evangelische Prädikanten" in Mühlhausen aufgetreten, doch zunächst mit geringem Erfolg. Erst als sich der frühere Mönch Heinrich Pfeifer zu ihnen gesellte, wurde es anders. Pfeifer, ein Mann von feurigem Geiste und festem Mut, sprach anfangs ganz in Luthers Sinn für die Verbesserung der kirchlichen Zustände und gegen die zuchtlose Geistlichkeit. „Das hörte die Gemeinde gern, und obwohl etliche im Rat dawider sprachen, so sprachen doch die anderen, es ginge den Rat nichts an, sondern nur die Pfaffen und Mönche, welche sich das Volk durch ihren Bann und Gnade sehr gehässig gemacht hatten." Diese Aeußerung eines Mühlhäuser Zeitgenossen verdient besondere Beachtung, da sie auch auf Nordhausen zutrifft. Die Geistlichkeit gehörte nicht zur Bürgerschaft, genoß große Vorrechte, griff mit Kirchenstrafen eigenmächtig in das bürgerliche Leben ein, brachte durch den Ablaßhandel die Leute um Geld und Gewissenhaftigkeit.

Die kirchliche Bewegung in Mühlhausen war im Grunde nicht stark, doch diente sie zur Förderung einer politischen Strömung, die auf Abstellung von städtischen Übelständen und größere Beteiligung der Bürger an der Regierung gerichtet war. Am 1. April 1523 versammelten sich die Unzufriedenen auf einem Kirchhof, verbanden sich durch einen Eid und wählten acht Männer zu ihren Vertretern. Die „Achtmänner" begaben sich in das Haus eines Hans Sander und stellten ihre noch maßvollen Forderungen in 53 Artikeln zusammen, die sie dem Rate vorlegten. Nur zwei der Artikel beschäftigten sich mit kirchlichen Dingen, der Predigt des Evangeliums; diese bewilligte der Rat sofort, die übrigen wollte er erst prüfen. Darüber kam es im Juli zum Aufruhr und zur Belagerung des Rathauses, wo der Rat mit den Achtmännern verhandelte. Um die tobende Menge von Gewalttaten gegen den Rat abzulenken, regten die Achtmänner sie zur Plünderung eines gewissen Klosters an, während der eingeschüchterte Rat die 53 Artikel bewilligte.

Damit war der Aufstand zu Ende. Die Gemäßigten unter den Ausrührern waren mit ihrem Erfolg zufrieden und wollten keine Herrschaft des zügellosen Pöbels, der soeben statt eines einzigen Klosters gleich alle geplündert hatte. Pfeiffer wurde im August als Unruhestifter ausgewiesen, aber die Achtmänner behaupteten sich neben dem stark erschütterten Rat.


Wir hörten, wieviel besser der Nordhäuser Rat die auch ihm in den Jahren 1522 und 23 erwachsenden Schwierigkeiten überwand, indem er die Führung der Bürgerschaft in der Hand behielt, die städtischen Angelegenheiten gut verwaltete, der starken kirchlichen Bewegung bereitwillig Rechnung trug, den Unruhestiftern fest entgegentrat. Den verschiedenen Anfängen entsprach der Fortgang der Ereignisse in beiden Städten.

In Mühlhausen werden die Achtmänner machtlüstern. Pfeiffer darf zurückkehren und ist nun nicht mehr lutherisch gesinnt, sondern ganz von münzerischen Umsturzplänen erfüllt. Der Rat verliert immer mehr an Boden und wagt keine durchgreifenden Maßnahmen. Im März 1524 kommt es zum Bildersturm in einem Kloster, dem oft mit Brandstiftung verbundenen Merkmal nahender Pöbel- Herrschaft. Im August erscheint Thomas Münzer in der Stadt. Anderthalb Jahr lang hatte er in Allstedt mit Wort und Schrift für seine Umsturzpläne gewirkt und in der Umgegend viele Geheimbünde gegründet, dann aber glaubte er sich gefährdet und entwich in Begleitung eines Nordhäuser Goldschmieds von Allstedt nach Mühlhausen. Durch den mächtigen Eindruck seiner leidenschaftlichen Hetzpredigten auf viele war sein Selbstgefühl bis zu dem Grade gesteigert, daß er glaubte, berufen zu sein, als ein Prophet jede weltliche Obrigkeit zu stürzen und einen kommunistischen Gottesstaat zu errichten. Bald nach seinem Eintreffen kam es in Mühlhausen zu neuen gefährlichen Unruhen und einem allgemeinen Bildersturm. Aber noch einmal gelang es dem Rate, sich zu behaupten, nicht zum wenigsten mit Hilfe der Bauern aus den Stadtdörfern, denen das wüste Treiben in der Stadt zuwider und störend war, und Ende September wurden Pfeifer und Münzer von neuem ausgewiesen.

Wie anders verlief das Jahr 1524 in Nordhausen! Es war das letzte der Jahre, in welchem Hans Sander dem sitzenden Rate angehörte, an dessen Spitze der Bürgermeister Heinrich Thomas stand. Unbeirrt durch den Widerstand des Kreuzstifts, doch ohne unnötige Schärfe, setzte der Rat das Werk der Kirchenverbesserung fort, und am 26. September führte er die Reformation in aller Form ein, indem er verkündete: „Auf Befehl (d. h. Empfehlung) unserer Herren der Ältesten haben wir, der Rat, nach Beschluß der ehrbaren Freien- und Reichsstädte auf dem Städtetag zu Speyer unfern Pfarrern und Seelenwärtern aus allen Pfarrkirchen gesagt, das göttliche Wort einträchtig nach Vermöge des heiligen Evangeliums und biblischer apostolischer Schrift hinfürder zu predigen."


Wenige Monate nach diesem bedeutsamen Beschluß gab Hans Sanders Ratsregiment die Regierung an das Ratsregiment von 1522 ab, nachdem es dieses durch Ersatzwahlen für verstorbene Mitglieder ergänzt hatte. Zu den verstorbenen Ratsherren gehörte auch ein Vertreter des Rautenviertels, der langjährige Bürgermeister Celiax Ernst. Als derzeitige Vertreter des Rautenviertels hatten Hans Sander und Gerlach pockeram seinen Nachfolger auf dem Ratsplatze vorzuschlagen, und sie wählten dazu Hans Thomas, dessen Familie der Sanderschen nahestand.

Drei Jahre später, zu Beginn des Jahres 1527, als sein Ratsregiment wieder an die Regierung gelangte, war Hans Sander nicht mehr am Leben, und es bleibt zweifelhaft, welche Ereignisse der Jahre 1525 und 1526 er noch miterlebt hat. Ein seltsamer Zufall aber will es, daß im Jahre 1525 ein Mann gleichen Namens in Nordhausen auftritt, und zwar als ein gefährlicher Feind des Rats. Die beiden gleichnamigen Männer sind gelegentlich als eine Person angesehen worden, ein Irrtum, der zu einer falschen Beurteilung der Nordhäuser Vorgänge von 1525 führen muß. Denn diese Vorgänge und die Stellung des Rats zu ihnen würden ein anderes Ansehen gewinnen, wenn wirklich ein alteingesessener und bewährter Ratsherr sich zu den Feinden des Rats geschlagen hätte.

Im Bauernkriege

Während die mit der Reformation verbundene Erregung im allgemeinen vornehmlich die Städte ergriff und ihre Bevölkerung teilweise in aufrührerische Stimmung versetzte, wirkte sie im südlichsten Deutschland besonders stark auf die Bauern ein, deren seit Jahrzehnten glimmende Unzufriedenheit sie zu offener Empörung entfachte.

Zu Beginn des Jahres 1525 schien der im fernen Oberschwaben ausgebrochene Bauernaufstand das mittlere Deutschland noch nicht zu bedrohen, wohl aber war hier Mühlhausen zu einem Brennpunkt weitverbreiteter städtischer Umsturzbestrebungen geworden. Obwohl die benachbarten Fürsten die Gefahr erkannten, fanden sie sich nicht zu gemeinsamer Abwehr zusammen, da politische und religiöse Gegensätze zwischen ihnen vorherrschten.

So gewannen die Umstürzler in Mühlhausen immer mehr Anhang. Viele Unzufriedene aus dem Umgegend kamen in der Stadt zusammen, und auch die Bauern des städtischen Gebiets wurden unruhig. Schon wagten es die Aufwiegler, heimlich bei Nacht in die Umgegend zu ziehen und „die Pfaffen zu stürmen". Der machtlose Rat mußte Pfeiffers und Münzers Rückkehr dulden.

Münzer hatte inzwischen in Oberschwaben das Wachsen der bäuerlichen Bewegung beobachtet und erhoffte von ihr Förderung seiner Umsturzpläne. Nun zum Prediger an einer Kirche Mühlhausens erwählt, trieb er offen zu Aufruhr und Kriegsrüstungen. Durch Volksabstimmung wurde am 16. März der bisherige Rat abgesetzt und tags darauf ein ewiger Rat gewählt. Hatten früher 120 Personen aus angesehenen Familien in viermaliger Abwechslung die Stadt regiert, so wurden nun 16 Männer, zumeist ärmere Bürger, mit der ohne Wechsel fortlaufenden Regierung beauftragt. Zum Bürgermeister wurde ein Knochenhauer gewählt. Der Stadtsyndikus hatte den Umsturz gefördert, einige Ratsherren ihn gutgeheißen. Münzer fand keinen Platz im Stadtregiment, denn die neuen Leute wollten ihre eigene Herrschaft zwar verteidigen, nicht aber sie für Münzers uferlose Pläne aufs Spiel setzen.

Wengleich in Mühlhausen ohne amtliche Gewalt, galt Münzer trotzdem im ganzen Lande als Herr der Stadt. Der vollzogene Umsturz übte deshalb starke und gefahrdrohende Wirkungen aus. Die geflüchteten Ratsherren und Klosterleute suchten Hilfe bei den benachbarten Fürsten. Mühlhausen rüstete zum Widerstande. Die Unzufriedenen in allen Städten der Umgegend wurden kühner und hofften auf Unterstützung durch Münzer und „die Molschen", d. h. die Mühlhäuser.


Auch in Nordhausen wuchs die Erregung. Hier bildeten die Unzufriedenen zwei wesentlich verschiedene Gruppen, eine größere, in der Dorstadt Altenborf vereinigte, und eine kleinere, über die übrigen Stadtteile zerstreute.

Die Altendorfer Gruppe setzte sich aus „Hintersättlern" zusammen, kleinen Leuten, die dem Rat und den herrschenden Gilben fern standen. Sie mögen vornehmlich durch Münzers persönlichen Einfluß für kommunistische Gedanken gewonnen worden sein. Ihre Anführer waren Walter auf der Stelzen und Jakob Walrot, zwei sonst unbekannte Männer.

Die andere Gruppe war trotz ihrer geringeren Zahl die gefährlichere, denn zu ihr gehörten einige ansehnlichere und zielbewußte Leute, die zumeist persönliche Wünsche verfolgten. Als ihre Führer treten vier Männer hervor: Hans Kehner, Martin Rüdiger, Hans Sander und Berlö Helmsdorf.

Der bedeutendste unter ihnen war Kehner, der in den Jahren 1521 und 1524 das Amt eines Vorstehers der Krämergilde bekleidete. Er allein war ein Altbürger, während die drei anderen Rädelsführer bezeichnenderweise sämtlich aus Mühlhausen stammten.

Rüdiger, dessen Eltern noch in Mühlhausen lebten, wohnte am Steinweg im Neuwegsviertel nahe dem Rathause und betrieb in dieser günstigen Geschäftsgegend das hochgeachtete Handwerk eines Goldschmieds. Sicher war er jener Goldschmied aus Nordhausen, in dessen Begleitung Münzer aus Allstedt entfloh.

Sander, erst vor kurzem durch Einheirat von Mühlhausen nach Nordhausen gekommen, könnte jener Hans Sander gewesen sein, in dessen Wohnung zu Mühlhausen die dortigen Achtmänner im April 1523 ihre 53 Artikel aufsetzten. Am 15. August 1524 wurde er als Meister in die Nordhäuser Knochenhauergilde ausgenommen. Er besaß ein kleines Haus in der Flickengasse, das später für 100 Gulden verkauft wurde.

Helmsdorf war Sanders Stiefbruder und im Begriff, von Mühlhausen nach Nordhausen überzusiedeln. Drei Monate nach Sander ebenfalls von den Knochenhauern angenommen, hatte er ein Haus an der Wasserpforte im Altentorviertel für etwa 160 Gulden gekauft. Wie kamen diese Leute nun zu Unzufriedenheit und Umsturzplänen?

Rüdiger mag ein überzeugter Anhänger Münzers gewesen sein und so vielleicht auch Kehner. Bei letzterem mag auch Ehrgeiz eine Rolle gespielt haben, denn nach gelungenem Umsturz sollte er Bürgermeister werden.

Bei Helmsdorf und Sander überwogen rein persönliche Gründe. Ersterer war zwar von der Knochenhauergilde als Meister angenommen, aber das genügte nicht für die Ausübung des Handwerks. „Wer unseres Gewerkes Innung hat und nicht Bürger ist, der soll darauf nicht arbeiten, ehe er Bürger geworden", lautet eine Borschrift der Tuchmacher, die auch für die anderen Gilden galt. Vergebens bewarb sich Helmsdorf um das Bürgerrecht. „Du darfst nicht gedenken, deinen Hausstand aus Mühlhausen hierher zu bringen", sagte ihm Albrecht Lindemann, einer der Bürgermeister des Jahres 1525. Es ist begreiflich, daß der Rat die Zuwanderung von verdächtigen Mühlhäusern verhindern wollte, aber noch begreiflicher, daß Helmsdorf in rachsüchtigem Haß gegen Lindemann und den Rat entbrannte.

Sander zürnte dem Rat, weil er gelegentlich seiner Hochzeit eine Strafe zahlen und Brautmesse halten lassen mußte. Die Brautmesse gehörte zu den alten Gebräuchen, die in Nordhausen noch bestanden, nach Sanders wie auch Helmsdorfs Meinung aber beseitigt werden mußten. Im übrigen hielt Sander aus Dankbarkeit zu seinem Stiefbruder, der ihm früher in Nöten Geld geliehen hatte.

Die Unzufriedenen fühlten sich zu schwach, aus eigener Kraft den Rat zu stürzen, und setzten ihre Hoffnung auf Münzers Beistand. Doch besser als andere über die Verhältnisse in Mühlhausen unterrichtet, wußten sie, daß Münzer vorerst über keine schlagfertigen Machtmittel, sondern nur über eine lärmende, aber nicht allzu zahlreiche Anhängerschaft gebot. Sie verhielten sich deshalb ruhig.


Dieser Zustand änderte sich im Frühjahr 1525, als die Bauernbewegung plötzlich reißend anwuchs und Münzers Plänen mächtigen Vorschub leistete.

Etwa um die Zeit des Mühlhäusischen Umsturzes erschienen die 12 Artikel der schwäbischen Bauern im Druck und gaben allen Unzufriedenen in Stadt und Land eine gemeinsame Richtlinie. Ende März brach der offene Krieg los, verbreitete sich in großen Wellen nach allen Richtungen, vornehmlich nach Norden über Württemberg und Franken bis an den Thüringer Wald und nach Hessen hinein, und sprang auch auf die Harzgegenö über.

Allenthalben bildeten sich Bauernhaufen, die ohne weiteres die Klöster plünderten und zerstörten. Im übrigen traten die Bauern meist gemäßigt auf und waren zur Verständigung mit der weltlichen Obrigkeit bereit. Herren und Städte, die die 12 Artikel annahmen, wurden geschont, mußten aber dem Bauernbünde beitreten und Waffenhilfe leisten. Zumeist unter dem Druck der unteren Volksschichten schlossen sich viele Städte dem Aufstand an und „wurden bäuerisch".


Der Rat von Nordhausen erkannte die drohenden Gefahren und traf rechtzeitig seine Gegenmaßregeln. Zur Verstärkung der wenigen Dutzend Torwächter und Söldner, die in Friedenszeiten zur Bewachung der Stadt genügten, warb er mehrere hundert Kriegsknechte an. Allen Umsturzregungen trat er fest entgegen. Als im Frühjahr einige Leute ansingen, die Bildwerke einer Kirche zu zerstören, ließ er sie sofort gefangen setzen. Verdächtigen Leuten, wie Helmsdors, verwehrte er den Zuzug. Die Klostervorsteher in der Stadt forderte er auf, ihm ihre zur Plünderung anreizenden wertvollsten Besitztümer in Verwahrung zu geben.

Bald galt Nordhausen als einer der sichersten Plätze, und viele Kirchen und Klöster der Umgegend, die sich bedroht fühlten, vertrauten dem Rat freiwillig ihre Kleinodien an.

Weniger günstig wirkte eine an sich volkstümliche Maßregel, die Erlassung des Schoßgeldes, da einige Hetzer sogleich die Frage aufwarfen, was denn früher mit dem Schotzgeld gemacht worden sei, und Rechenschaft verlangten.


Der Ostersonntag des Jahres 1525 fiel auf den 16. April. Kurz vor dem Feste setzten sich Bauernhaufen von Lauterberg und Herzberg gegen die nur 15 Kilometer von Nordhausen entfernte Abtei Walkenried in Bewegung, zusammen etwa 800 Mann, die sich 12 Hauptleute gewählt hatten. Die Mönche flüchteten eiligst mit den Kleinodien und wichtigsten Urkunden des Klosters nach Nordhausen und anderen Städten. Die reichen Vorräte der Abtei fielen in die Hände der Bauern, die nun Walkenried zum Standort machten und dort kriegerische Übungen anstellten.

Noch in letzter Stunde versuchte Luther die Gegner zu versöhnen. Gleich nach Ostern erschien seine „Ermahnung zum Frieden auf die 12 Artikel der Bauernschaft in Schwaben", die von den Fürsten Gerechtigkeit, von den Bauern friedliches Vorgehen verlangt. In verschiedenen Orten des Harzes mahnte er persönlich zum Frieden und kam um den 23. April auch nach Nordhausen. Hier wurde seine Friedenspredigt von einigen Anhängern Münzers durch Lärm und höhnende Zurufe gestört. Die Erregung war mit Schrift und Wort nicht mehr zu dämpfen, sie verlangte nach Taten.

Am 17. April hatte Herzog Georgs Amtmann zu Langensalza, Sittich von Berlepsch, berichtet: die gedruckten Bauernartikel seien unter Bürgern und Bauern verbreitet und fänden großen Beifall; die Mühlhäuser rüsteten stark, und es bestände die Gefahr eines Aufstandes in weiterer Umgebung. Fünf Tage später schreibt er: es drohe die Vereinigung von Münzers und einem anderen Haufen und damit allgemeiner Aufstand. Seine Befürchtungen bewahrheiteten sich schnell, und schon am 25. April brachen Unruhen in Langensalza selbst aus.


Am 26. April trat Münzer in den Bauernkrieg ein, jedoch nicht mit dem Ziel der Bauern, die womöglich in Güte maßvolle Forderungen durchsetzen wollten, sondern in der Absicht, mit schonungsloser Gewalt einen völligen Umsturz zu bewerkstelligen und zunächst das Gebiet zehn Meilen im Umkreis von Mühlhausen für sich zu gewinnen. Er begann seinen Kriegszug an der Spitze von etwa 400 Leuten. Der Ewige Rat der Stadt unterstützte das Unternehmen nicht, wenngleich er es dulden mußte. Pfeiffer war der eigentliche Anführer des „Molschen Haufens", aber der Mitwelt galt Münzer als alleiniger Gebieter.

Am ersten Tage zog Münzer vor Langensalza, um den dortigen Aufrührern zum Siege zu verhelfen. Die Stadt verschloß ihm die Tore, und er mußte unverrichteter Sache abziehen. Am 27. und 28. April plünderte er die Klöster und Edelsitze in der Umgegend von Mühlhausen, am 29. rückte er plündernd bis Ebeleben, halbwegs zwischen Mühlhausen und Nordhausen vor.

Fürwahr, bescheidene kriegerische Leistungen, und doch von großer Wirkung! Denn durch den Zug gegen Langensalza zeigte Münzer, daß er den Aufrührern mit bewaffneter Hand helfen wolle, und durch die Plünderungen gewann er ungeheuren Zulauf und damit einen gewaltigen Zuwachs an Macht und Ansehen. So konnte er in Ebeleben als Gebieter auftreten. Die Grafen Ernst von Hohnstein und Günther von Schwarzburg, von ihren Untertanen bedroht und zu schwach zum Widerstande, mußten sich zu ihm verfügen, sich als Brüder in seinen Bund aufnehmen lassen und Pferde und Kriegsknechte stellen. Aufrührer von nah und fern kamen und baten um Hilfe gegen ihre Obrigkeit.


Daß die Mühlhäuser Vorgänge in Nordhausen mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt wurden, bedarf keiner Bestätigung. Auf die Kunde von Münzers Auszug scheint sich zuerst die Hauptsührer der bürgerlichen Unzufriedenen, Hans Kehner, zu Münzer begeben zu haben, um dessen Beistand zu erlangen. Kurz darauf verfaßten Sander und Helmsdorf mit anderen zusammen einen Brief an die Mühlhäuser, in welchem sie, angeblich im Namen der gemeinen Bürgerschaft, Hilfe erbaten. Diesen Brief brachte Helmsöorf nach Mühlhausen. Das geschah in der Zeit vom 26. bis 28. April. In diesen Tagen flammte der Aufruhr auch in nächster Nähe von Nordhausen empor.

Als dann am 29. April Münzer in Ebeleben eintraf, von wo er in vier Stunden vor Nordhausen erscheinen konnte, stieg hier die Erregung aufs höchste. Die bürgerliche Gruppe der Unzufriedenen schickte eilends Boten nach Ebeleben, um den Molschen Haufen nach Nordhausen zu holen, die Hintersättler im Altenöorf aber glaubten, auch ohne auswärtige Hilfe den Aufstand wagen zu können.

Jakob Wallrot und Walter auf der Stelzen riefen ihre Nachbarn auf dem Klosterhofe im Altendorf zusammen und ließen sie schwören: „Leib und Gut für einander zu lassen, bei einander zu stehen, und was einen betreffe, solle den andern auch anlangen". Dom Evangelium, das sonst gern vorgewandt wurde, war nicht die Rede, und wie der erste Teil des Eides gemeint war, zeigte sich schnell. Zunächst holte man drei Hakenbüchsen von den Mauertürmen des Altendorfs und richtet« sie gegen den Zugang aus der Oberstadt, gewillt, ein etwaiges Eingreifen des Rats mit Waffengewalt abzuwehren. Dann wählte man vier Männer zu Sprechoder Biertelsmeistern. Die erkannten ihre erste Aufgabe darin, die Habe der Nonnen des Klosters im Altendorf unter die Aufrührer zu verteilen, wobei mit Speck und Betten der Anfang gemacht und öfters gedroht wurde, man würde das Kloster aufbrechen und alles nehmen. Um den Mut und die plünderungslust ihrer Leute zu erhöhen, gaben die Rädelsführer vor, man teile auch schon im Kloster auf dem Frauenberge und in dem Ilfelder Klosterhof im Töpferviertel das Korn aus. Bei alledem nicht allzu zuversichtlich, sandten sie den Fritsche Heise und Hans Dorsmann in die nahegelegenen Vorstädte Sand und Neustadt mit der Frage: „ob diese es mit ihnen halten wollten, und was sie sich von ihnen zu versehen hätten?"

Die beiden Boten kehrten mit einer unbefriedigenden Antwort zurück und konnten auch nichts von Unruhen in anderen Stadtteilen melden. Daraufhin verloren die Aufrührer sofort den Mut, gaben ihr Unternehmen auf und wurden uneinig: die einen beschlossen, zu den Bauern zu ziehen, die anderen zogen es vor, in der Stadt zu bleiben. Von den letzteren begaben sich Hans Beier und Fritsche Heise, weniger beherzt als vorsichtig, zum Bürgermeister Öthe und berichteten ihm: „das Volk sei auf im Altendorf und wolle zum Tore hinaus; sie bäten, er möchte den Leuten zwei Mann nachschicken."

Vom Bürgermeister beauftragt, begaben sich die Ratsherren Fritsche Bohne und Eitel Eilhard sogleich ins Altendorf. Auf dem Klosterhofe trafen sie noch einen Hausen Leute an, hörten aber, ein Teil sei schon zum Tore hinaus. Bis vor das Tor nachgeeilt, sahen die Ratsherren, daß die Entwichenen bereits die Salza erreicht und damit einen Vorsprung von einer Viertelstunde gewonnen hatten. Nun schickten die Herren ihnen den Beier und Heise nach mit der Aufforderung, sie sollten wieder heimkommen. Davon wollten die Entwichenen aber nichts hören, und einer rief höhnend: „er würde ihnen 500 Bauern schicken".


Der Aufruhr im Altendorf war völlig gescheitert. Er war nichts als ein leichtsinniger Putschversuch von geringen Leuten, die wenig zu verlieren hatten und plündern wollten. Die bürgerlichen Unzufriedenen um Kehner hatten nichts mit dem Unternehmen zu tun, ja, ihre Anführer weilten damals zumeist nicht in der Stadt. Kehner scheint nach seiner Reise zu Münzer nicht gleich heimgekehrt zu sein, sondern den Molschen Haufen bei dem Zug nach Ebeleben begleitet zu haben, und Sander und Helmsdorf hatten sich auf die Kunde von Münzers Anmarsch aufgemacht, um den Molschen Haufen herbeizurufen.

Die Brüder waren fortgeritten, Sander in schwarzem Rock auf einem Rappen, Helmsdorf grau gekleidet aus einem braunen Pferde. Unterwegs erfuhren sie, der Haufe sei in Ebeleben gewesen. Weiterreitend fanden sie „die Molschen samt der Sammung", d. h. die Mühlhäuser samt den Bauern, zwischen Ebeleben und Billeben. Sie ritten in den Kreis der Sammung und baten: „Der Haufe wolle nach Nordhausen kommen und einen ewigen Rat machen, sie wären in der Stadt nicht einig, man solle sie einig machen." Sander äußerte dann noch die Bitte, man solle dem Helmsdorf zum Bürgerrecht verhelfen. Helmsdorf schlug den Kehner zum Bürgermeister vor und verlangte für sich selbst das gewiß einträgliche Recht, beim Rolandstandbild am Rathause kochen zu dürfen.

Hernach sprachen die Brüder noch mit einem Unterführer des Haufens namens Klaus Pfannschmidt, der früher der Stadt Nord- Hausen als Reisiger gedient hatte, und fragten ihn: „wie es werden würde". Der antwortete: „Sobald sie es geschicken könnten, wollten sie kommen und den (Vertrags-) Brief und die (Bauern-) Artikel mitbringen; wer sich nicht wohl verantworten könnte, den wollten sie absetzen, auch einen Ewigen Rat einsetzen, und der Bürgermeister Lindemann sollte geköpft werden." Das gefiel den Brüdern gar wohl, und als sie entweder noch im Bauernlager oder nach ihrer Heimkehr den Hans Kehner trafen, sagte Helmsdorf zu ihm: „Sieh, Bruder, bist du hier? Es soll wohl noch nach meiner Rede kommen, daß du zu Nordhausen solltest Bürgermeister werden, dazu die Heiligen aus der Kirche tun und deutsche Messe und Vesper singen."


„Sobald sie es geschicken könnten, wollten sie nach Nordhausen kommen", hatte Pfannschmidt gesagt, doch vorerst planten die Führer andere Unternehmungen. Münzer wollte anscheinend zunächst in östlicher Richtung nach Heldrungen ziehen, wo sich Streitkräfte der Fürsten zu sammeln begannen. Pfeiffer jedoch setzte es durch, daß der Mensch nach Westen gegen das Eichsfeld fortgesetzt wurde. Wenn auch durch Tausende von Bauern verstärkt, war der Mühlhäuser Haufe nicht befähigt, größere Burgen oder wohlbefestigte Städte zu erobern, denn es fehlte ihm fast völlig an Geschütz. Nur wo die Verteidiger zu schwach oder wankelmütig waren, konnte er auf Erfolg hoffen.


Der Zusammenbruch des Aufstandes im Altendorf und Münzers Abmarsch nach dem Eichsfeld befreiten den Nordhäuser Rat für den Augenblick aus der dringlichsten Gefahr, doch blieb die Lage der Stadt noch äußerst schwierig. Im Vertrauen auf die von Pfannschmidt verheißene baldige Hilfe hetzten die Anhänger Keh- ners zur Empörung. Sander sagte bei einer Zusammenkunft der Knochenhauergilde: „Es werde zu Nordhausen nicht gut, man schlage denn den Regenten die Köpfe ab und setze andere an ihre Stelle". Auch ließen sich die Aufwiegler vernehmen: „Wenn die Herren Ältesten beisammen wären, wollten sie das Rathaus stürmen und die Herren vom Rathause werfen; es solle künftig ein Erbrat sein; man wolle den Weinkeller preisgeben, wenn die Bauern kämen, die Türme erbrechen und das Geschütz nehmen und unter sie teilen."

Indessen verbreitete sich draußen der offene Aufstand mit Windeseile durch ganz Nordthüringen, und bald war Nordhausen bis Sangerhausen hin die einzige Stadt, die den Bauern noch fest widerstand. Die Rüstungen der nächstbenachbarten Fürsten gingen äußerst langsam vonstatten, da es schwer war, zuverlässige Söldner zu werben und die selbst bedrohten Vasallen zur Heerfolge zu bewegen. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen, krank, mutlos und ungerüstet, neigte zu Verhandlungen mit den Bauern, und Graf Albrecht von Mansfeld schwankte, ob er sich nicht auch den Bauern anschließen sollte.

So mußte es damals dem Nordhäuser Rat recht zweifelhaft scheinen, wem der Sieg zufallen würde. Von seinem kühnen und verschlagenen Stadtoberschreiber Meyenburg aufs beste beraten, trug er beiden Möglichkeiten Rechnung. Als das Bauernheer bei Ebeleben lag, sandte er einen Bericht an Herzog Johann von Sachsen, den Bruder des Kurfürsten, und bat um Schutz und Beistand. Gleich darauf aber sandte er Meyenburg zum Münzerschen Heerhaufen, um Erkundigungen über dessen Stärke und Absichten einzuziehen und für den Notfall Fühlung mit den Anführern zu nehmen. Die Entsendung erfolgte vermutlich am 30. April, als Münzer bereits von Ebeleben nach Westen abmarschierte, denn Meyenburg erreichte den Heerhaufen erst vor Heiligenstaöt, wo derselbe am 2. Mai gegen Abend eintraf.

Während Meyenburgs Abwesenheit zeigte der Rat eine merkwürdig unsichere und kraftlose Haltung. Er kam auf den Gedanken, die Stimmung in der Stadt zu erforschen und sich der Bürgerschaft zu versichern. Statt aber elfteres in aller Stille zu tun und letzteres durch besonnenes und festes Regieren zu erstreben, griff er zu einem höchst ungeeigneten und gefährlichen Mittel. Er ließ die vier Viertel der Oberstadt nacheinander zusammenberufen und fragen: „Ob sie bei dem Rate stehen wollten, oder wessen er sich von ihnen zu versehen hätte? Wenn sie Beschwerden hätten, sollten sie solche in Artikel bringen und ihm übergeben, dann solle mögliche Besserung erfolgen."

Eine günstigere Gelegenheit zum Hetzen konnten sich die Unzufriedenen kaum wünschen, und so ging es denn auch bei den Versammlungen laut und stürmisch genug her. Da aber der weitaus größte Teil der Bürgerschaft mit dem Stadtregiment zufrieden war, wurden im allgemeinen keine tiefgründigen Beschwerden gegen den Rat vorgebracht.

Nur ein einziger echt umstürzlerischer Antrag wurde gestellt, und zwar gerade von einem Manne, der eine Hauptstütze der Ordnung hätte sein müssen: dem Schultheißen Leonhard Busch. Er war es, der dem Rat empfohlen hatte, „die Bürger gütlich zu hören". Vorsorglich fragte er dann die Bürgermeister, ob er an der Versammlung teilnehmen dürfe, und sagte nach erhaltener Erlaubnis: „Ich will weder mehr noch weniger sein (als andere Bürger) und bei meinem Herren lassen Leib und Leben." Trotz solcher biederen Worte gab er bei der Versammlung seinem Haß gegen die Führer des Stadtregiments unverhohlen Ausdruck, indem er den Artikel vorschlug: „Die Herren Ältesten sollten nicht mehr sitzen, denn es wäre ein gefreundeter Rat, und (bei ihnen) käme man zu keinem Rechte; aber vor dem sitzenden Rat wäre es gut und würde nichts verzogen, (denn) es käme eine (dort anhängig gemachte) Sache in vier Wochen zu Ende."

Das war eine arge Entgleisung des herzoglichen Vertrauensmannes, die mit seiner langjährigen Verbitterung zu erklären aber nicht zu entschuldigen ist. Eine Verfassungsänderung in so erregter Zeit mußte weiteren Umsturz nach sich ziehen.

Glücklicherweise fand Büschs hochpolitischer Borschlag keinen Widerhall in der Bürgerschaft. Die Versammlungen verliefen ohne erhebliche Ausschreitungen, trotzdem sich einige Bürger bewaffnet eingesunken hatten, in der Meinung, es würde wie rings in der Umgegend nun auch in Nordhausen zu einem pfaffensturm kommen. Die Plünderung der Klöster war das lockendste Ziel für jeden Unzufriedenen und Beutelustigen, aber auch viele gut evangelische und sonst friedliche Bürger sahen sie gern. Schien sie doch das einfachste Mittel zu sein, der katholischen Geistlichkeit, die keine bürgerlichen Lasten trug und die Anstellung evangelischer Prediger erschwerte, den Aufenthalt in Kloster und Stift zu verleiden, und konnte man doch annehmen, der Rat dächte im Grunde ebenso.

Wozu es am 30. April bei der Befragung der Viertel noch nicht gekommen war, geschah am 1. Mai: der Pfaffensturm brach los. Wie er begann, schildert ein Bericht des Priors des Predigerklosters im Neuwegsviertels. Drei Haufen böser Buben erschienen im Kloster und Huben einen Lärm an. Die Mönche suchten sie mit guten Worten zu stillen und gaben ihnen zu essen und zu trinken, gleichzeitig aber schickten sie zum Rat um Hilfe. Bald kamen auch fünf Herren des sitzenden Rats, denen es ohne Schwierigkeiten gelang, die Rotte aus dem Kloster zu weisen, worauf sie sich die Schlüssel und Vorräte des Klosters übergeben ließen und Schutz zusagten. Doch der Schutz des Rats blieb nicht lange wirksam. Anscheinend nach Anbruch der Dunkelheit kamen die bösen Buben wieder, erbrachen das Kloster und begannen es zu plündern. Und es waren nicht nur geringe Leute, die nun alles, was nicht niet- und nagelfest war, hinwegschafften: zu den Plünderern gehörte auch der Müller aus der Furtmühle, einer aus der angesehensten Ratsfamilie Eilhard und gar auch zwei Mitglieder des vorjährigen Ratsregiments, der Bäcker Thomas Müller und der Knochenhauer Klaus Blicherot, beide seit langen Jahren Gilöemetster und Ratsherren. Es wurde nichts sinnlos zerstört, aber alles gründlich ausgeräumt; Thomas Müller zum Beispiel führte drei Tonnen Salz und einen ganzen Wagen voll Hausgerät von dannen. Auch sollen die Mönche selbst mitgeholfen haben, da manche des Klosterlebens überdrüssig waren. Im Laufe der nächstfolgenden Tage wurden außer dem Predigerkloster auch die übrigen vier Klöster der Stadt und einige Häuser von Geistlichen des Kreuzstifts geplündert, überall scheint es ähnlich hergegangen zu sein. An der Ausräumung des Barfüßer Klosters beteiligte sich der Ratszimmermeister und ein Ratsöiener. Durch die Plünderung eines Hofes des Ritters Hans von Weither wurde der Rahmen eines Pfaffensturms überschritten.

Alle Plünderungen erstreckten sich nur auf Hausgerät und Vorräte. Selbst die nicht an den Rat abgegebenen Kleinodien und Urkunden des Kreuzstifts und Frauenbergklosters blieben unangetastet. Von Bilöerzerstörungen, Beschädigung der Gebäude oder gar Gewalttaten gegen Menschen wird nichts berichtet.

Um die durch den Klostersturm mächtig erregten Gemüter etwas zu beruhigen, stimmte der Rat einer Neuerung zu, die seine Befugnisse weit überschritt und in die Rechte des Kaisers eingriff. Am 3. Mai nämlich beschlossen alle drei Ratsteile mit den Gilden und der Bürgerschaft zusammen, daß alle Geistlichen in der Stadt Bürger werden und mit Schoß, Wache und Steuer pflichtig sein sollten wie die anderen Bürger.


Vermutlich würde die offensichtliche Nachgiebigkeit des Rats die umstürzlerischen Kreise der Einwohnerschaft bald zur Fortsetzung der Unruhen ermutigt haben, wenn nicht in der Stunde letzter Entscheidungen noch rechtzeitig Meyenburg zurückgekehrt wäre und das Stadtregiment mit Mut und Kraft erfüllt hätte. Am Morgen des 4. Mai traf er wieder in Nordhausen ein. Am selbigen Tage erstattete der Schultheiß Leonhard Busch dem Herzog Georg von Sachsen durch einen Mittelsmann einen äußerst aufschlußreichen Bericht. In diesem schreibt er über die Vorkommnisse in Nordhausen und Umgegend:

„Und ist itzund in Nordhausen drei Tage großer Aufruhr gewesen und steht noch in der Wage. Alle Klöster in Nordhausen und umliegende Klöster, Walkenried, Ilfeld und viel andere Klöster und Edelleute-Wohnungen, sonderlich Klein-Werther, sind jämmerlich zerissen und spoliiert. Es hat sich Graf Ernst von Hohnstein, wie die Sage zu Nordhausen ist, mit dem Mühlhäuser Heer vertragen. „Meines Amtes halber stehe ich vor Leichtfertigen und Fremden in großer Angst und Not, wiewohl ich vom Rat oder anderen Verständigen in Nordhausen noch nicht Beschwerung erlitten. – „Es haben die Bauern, die Klein-Werther gestürmt, bei 400 Mann zusammengebracht und stärken sich alle Stunde. –

„Ich hätte Euch viel mehr und garnichts Gutes zu berichten, doch will's die Zeit nicht leiden." Über Meyenburgs Erkundungsreise berichtet Busch folgendes: „Der Rat von Nordhausen hat den Stadtschreiber und einen Bürger Veit Stegemann bei dem Mühlhäuser Heer vor Heiligenstadt gehabt. Näheres über die Beschickung ist mir verborgen. Und als die diesen Morgen wiedergekommen, hat mich deren einer berichtet, daß sie das Heer vor Heiligenstadt angetroffen. Es sei ungefähr nicht über 6000 Mann stark, alles nur Fußvolk und gar ungeschickt, haben 6 kleine Geschütze.

„Münzer und Pfeiffer sind in Heiligenstadt gewesen. Mit Pfeiffer hat der Stadtschreiber eine Unterredung gehabt. Es hat auch ein partmeister des Heeres, Klaus Pfannschmidt, ein reisiger Knecht, der früher dem Rat zu Nordhausen gedient, mitgeteilt, daß solch Heer diesen Morgen um halben Mittag vor Rusteberg sein wollte, um das Schloß mit Gewalt zu erobern.

,Ich halte aber dafür, daß das mit solchem ungeschickten Volk nicht möglich sein wird. Ich werde auch berichtet, wenn 5 oder 600 Reisige und 2 oder 300 zu Fuß geschickt würden und an bas Heer kämen, würden sie ohne Zweifel die alle leicht schlagen."

Soweit Büschs quellfrischer Bericht, dessen Auffindung die bisherigen Darstellungen der Nordhäuser Ereignisse jener Tage wesentlich ergänzt und berichtigt.

Meyenburgs bedeutsame Reise zum Münzerschen Heere ließ die im Umlaufe befindlichen Gerüchte über die Zahl und Kampfkraft der Bauern als maßlos übertrieben erkennen. Noch am 5. Mai glaubte Graf Ernst von Mansfeld, der die sich bei Heldrungen langsam sammelnden Streitkräfte der Fürsten befehligte, das Bauernheer sei 22000 Mann stark, wovon 17000 vor Schloß Rusteberg (westlich Heiligenstadt), die übrigen bei Frankenhausen lägen; andere meldeten, die Bauern besäßen treffliches Geschütz.

Wenn auch nicht unmittelbar von ernstester Gefahr bedroht, mußte Nordhausen doch während der nächsten elf Tage ständig auf plötzliches Unheil gefaßt sein. Immer neue große Bauernhaufen rotteten sich in der Umgegend zusammen, sengten und plünderten und nötigten Städte und Herren zum Anschluß. Abgesehen von Münzers Heer standen am 3. Mai etwa 2000 Mann vor Sangerhausen, 3000 bei Frankenhausen, und ein starker Langensalzaer Haufe rückte gegen Weißensee vor. Dazwischen trieben kleinere Bauernhaufen dicht vor den Toren Nordhausens ihr Unwesen.

Bald verlautete, „der ungestümige Müllische Haufe" würde auf dem Rückwege vom Eichsfelde vor Nordhausen ziehen; Herzog Johann ließ sagen, daß er der Stadt vorläufig nicht helfen könne, und Herzog Georg bat sogar um Zusendung von 100 oder 200 ihrer Söldner.

Begreiflicherweise lehnte der Rat die Zumutung des Herzogs Georg ab. Zur Sicherung der Stadt mußte er alle Kräfte Zusammenhalten, auch wenn er gewußt hätte, daß sich bereits ein Umschwung zu Ungunsten der Bauern zu vollziehen begann. Am 3. Mai hatte der Landgraf von Hessen den Aufstand im Hessischen unterdrückt und schickte sich zu einem Borstoß nach Thüringen an; am 5. Mai war ein starker Haufe, der zum Bauernheer bei Frankenhausen zog, blutig zersprengt worben; am 6. Mai hatte Luther nach vergeblichen predigten im Aufruhrgebiet sein Flugblatt „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern" geschrieben. Der Widerstand gegen die Bauern gewann zusehends an Kraft. Aber noch am 7. Mai äußerte Herzog Erich von Braunschweig in einem Briefe an Landgraf Philipp von Hessen die Besorgnis, daß Nordhausen den Bauern nicht widerstehen würde, indem er schrieb: „Auch tun wir Euer Liebden zu wissen, daß diejenigen Bauern, so das Eichsfeld verwüstet, sich täglich stärken, daß gemeint wird, so die Nordhäuser dazu kommen, derselbe Haufe mehr als in die 15000 stark werde."

Zum Glück für Nordhausen vermochte Münzers Heer keine wesentlichen Erfolge zu erzielen. Heiligenstadt ließ sich nicht zum Anschluß zwingen, und die Belagerung von Rusteberg wurde gar- nicht erst versucht. Statt dessen zog es nach Duderstadt, wo schon Aufruhr herrschte, und dann, anscheinend sich auflösend, in die Heimat zurück. Münzer selbst, mit Gesuchen um Hilfe bestürmt, trennte sich von dem schwerfälligen Haufen und eilte nach Mühlhausen. Von dort trat er am 10. Mai seine zweite Kriegsfahrt an. Mit wieder nur etwa 300 Mann und 8 von der Stadt Mühlhausen entliehenen Karrenbüchsen zog er über Ebeleben nach Frankenhausen, wo sich mehrere große Bauernhaufen zu einer Entscheidungsschlacht versammelten.

Am 11. oder 12. Mai traf er im Lager bei Frankenhausen ein. Er fand etwa 8000 Bauern vor, zum Teil gut geordnet, aber mit Beute gesättigt und durchaus nicht kampffreudig gestimmt, vielmehr bereit, auf die von Graf Albrecht von Mansfeld angebotenen Verhandlungen einzugehen. Durch eine wütige Hetzpredigt wußte Münzer bas Heer für eine von wahnsinniger Anmaßung strotzende Antwort an den Grafen zu gewinnen.

Die Antwort paßte schlecht zu der Kriegslage. Am 12. Mai standen Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Erich von Braunschweig mit 1000 Reisigen, 3000 Futzknechten und viel Geschütz bei Langensalza, Herzog Georg mit 800 Reisigen, einigen Fähnlein zu Fuß und 7 Geschützen bei Eckartsberga, Ernst von Mansfeld mit schwächeren Kräften bei Heldrungen. Am 13. unö 14. Mai rückten die Fürsten in starken Märschen auf Frankenhausen zu.

Zwar sandte auch Münzer an alle noch im Lande verstreuten Bauernhaufen und ihre Helfer den Befehl, nach Frankenhausen zu kommen, aber nur wenige gehorchten und diese nur langsam. Der Walkenrieder Haufe zum Beispiel setzte sich am 14. Mai in Bewegung und marschierte ganze 13 Kilometer bis zur Flarichsmühle westlich Nordhausen. Am 15. Mai zog er südlich der Stadt vorbei, legte 15 Kilometer zurück und kam bis Heringen. Dort erhielt er die Schreckensnachricht von der an diesem Tage bei Frankenhausen gefallenen Entscheidung: die Fürsten hatten das Bauernheer angegriffen, über den Haufen geworfen und völlig vernichtet. Nun zerstob die Walkenrieder Schar eiligst in alle Winde.

Die Schlacht bei Frankenhausen machte dem Aufstande in Nordthüringen mit einem Schlage ein Ende. Die noch übrigen Bauernhausen liefen auseinander und die städtischen Aufrührer unterwarfen sich. Am 25. Mai zogen die Fürsten in Mühlhausen ein, zwei Tage später wurden Münzer und Pfeiffer hingerichtet.


Während die siegreichen Fürsten unter den Aufständischen hart und blutig Gericht hielten, schritt der Nordhäuser Rat zur Bestrafung derjenigen seiner Bürger und Beisassen, die sich an der Umsturzbewegung beteiligt hatten. Manche von diesen, wie Helmsöorf und Rüdiger, flüchteten rechtzeitig, viele andere, darunter Kehner, Sander und pfann- schmidt, wurden gefangen gesetzt.

Die Gefangenen verhörte man erst gütlich und dann zur Erpressung weiterer Aussagen „peinlich", das heißt unter Anwendung der Folter. Einstweilen konnte nur die gütliche Befragung stattfinden, da der städtische Henker, der die Folterung besorgte, den Fürsten geliehen war. Erst etwa im Oktober folgte die peinliche Befragung.

Nach Berhörung der Aufrührer aus dem Altendorf sandte der Rat die Akten an den berühmten Schöppenstuhl zu Leipzig mit der Bitte, ein Urteil zu fällen. Der Schöppenstuhl erkannte gegen Wallrot und vier andere Altendörfer auf Todesstrafe, der Rat aber begnügte sich damit, die Schuldigen im November 1525 aus der Stadt zu verweisen.

Das Verfahren gegen Kehner und Sander zog sich lange hin, wohl weil man vergeblich nach Helmsdorf und Rüdiger fahndete. Im Oktober 1525 verwandte sich ein auswärtiger Herr, vermutlich Graf Heinrich von Hohnstein, für Sander, doch wurde die Fürbitte ablehnend beantwortet. Auf der Folter bekannte Sander die Gründe seiner Unzufriedenheit, die Umsturzpläne und die Hilfsgesuche an den Mühlhäuser Haufen. Sein und Kehners Bekenntnis legte der Rat am 6. Juli 1526 ebenfalls dem Leipziger Schöppenstuhl vor, dessen Urteil wiederum auf Todesstrafe lautete.

Am 21. Juli wurden die Verurteilten zur Hinrichtung hinausgesührt. Kehners Haupt fiel unter dem Henkerschwert. Sander aber widerrief auf dem Richtplatz sein Geständnis und konnte deshalb nicht hingerichtet werden; denn die auf der Folter erpreßten Aussagen galten nur dann als wahr und beweiskräftig, wenn der Angeklagte sie ohne Zwang wiederholte.

Sander wurde ins Gefängnis zurückgeführt, wo ihm erneute Folterung bevorstanö. Nach fast zweijähriger Haft begnadigte ihn der Rat „auf Fürbitte vieler Hoher und Niedriger" am 5. April 1527 zu einer Geldstrafe und Ausweisung. Mit dem Schwur, sich nicht rächen zu wollen, mußte er die Stadt binnen acht Tagen räumen. Er siedelte in den Nachbarort Ellrich über und wurde dort auf Verwenden des Grafen Heinrich von Hohnstein im Jahre 1528 in die Knochenhauergilöe ausgenommen. In demselben Jahre gelangte sein Haus in der Flickengasse zu Nordhausen zum Verkauf.

So hat dieser Knochenhauer Hans Sander, der von Mühlhausen kam und nach Ellrich weiterzog, Ln Nordhausen weniger als drei Jahre zugebracht und davon zwei im Gefängnis.

Wenn der Rat sogar Leute, die ihn zu stürzen getrachtet hatten, nach der Auffassung der Zeit meist milde bestrafte, so ist es begreiflich, daß er gegen die Klosterstürmer noch größere Nachsicht walten ließ. Wohl befahl er die Rückgabe des geraubten Gutes oder Schadenersatz, aber von Bestrafung der Plünderer verlautet nichts. Den Klagen der geschädigten katholischen Geistlichkeit schenkte er nur so weit Gehör, wie es die politische Klugheit in Rücksicht auf den Kaiser und Herzog Georg gebot.

Schon am 2. Juni 1525 hatte letzterer den Rat aufgefordert, er solle die alte kirchliche Ordnung und die Klöster wiederherstellen, wie es in Mühlhausen geschehe. Damals antwortete der Rat eilig aber unklar: „er habe die Geistlichkeit, die zum Teil selbst die Klöster verlassen, nach Möglichkeit geschützt und werde sich hinsichtlich des verordneten Gottesdienstes unverweislich halten."

Später beklagte sich die Geistlichkeit beim Herzog: „der Gottesdienst würde gehindert und die Untaten von aller Strafe freigelassen", und Georg machte deshalb dem Stadtschreiber Meyenburg Vorhaltungen, als dieser wegen Irrungen der Stadt mit der Herrschaft Hohnstein zu ihm kam. Auch daraufhin bequemte sich der Rat nur zu dem allernotwendigsten Zugeständnis, indem er am 18. August 1525 die katholischen Geistlichen von dem ihnen am 3. Mai aufgezwungenen Bürgereib entband. Nun ein wenig entlastet, bat er den Herzog am 25. August in überaus gewundenen Worten, er möge den Verleumdern seiner Haltung gegen Kirche und Kaiser nicht glauben. Das diplomatische Schreiben erreichte den Zweck der Beruhigung, denn die herzogliche Kanzlei glaubte herauslesen zu sollen, wie ein Inhaltsvermerk zeigt, es enthielte „der von Nordhausen Entschuldigung, daß sie nicht martinisch (d. h. lutherisch) sind."


Die kluge und mutige Politik Meyenburgs im Bauernkriege hat die Nordhäuser Bürgerschaft vor schwerem Schaden bewahrt. Während in den meisten Nachbarstädten Dutzende von Menschen hingerichtet und gewaltige Strafgelder erhoben wurden, verfiel in Nordhausen nur ein einziger Bürger dem Henker. Dank ihrer rühmlichen Selbstbehauptung behielt die Stadt nicht allein die alte Freiheit und Macht, sondern erweiterte sie wesentlich. Die geräumten oder absterbenden Klöster mitsamt ihrem großen Besitz gingen in das Eigentum der Stadt über, und das Kreuzstift mußte die Ernennung der Prediger an den städtischen Kirchen dem Rat überlassen.

Als es dreizehn Jahre später dem Rate auch noch gelang, das Reichsschulzenamt an sich zu bringen, blieb das Kreuzstift der einzige Fremdkörper im Gefüge der Stadt. Bei der katholischen Kirche verharrend und durch kaiserlichen Schutz gesichert, behauptete es sich hartnäckig gegen die dauernden Anfeindungen des Rats, zu denen der zuchtlose Lebenswandel der Stiftsgeistlichen nicht selten günstigen Anlaß gab.

Der Rotanotar Johannes Sander seit der Reformation

Johannes Sander blieb dem Geiste der deutschen Reformation fremd. Er konnte eine Kirchenverbesserung von oben herab, nicht aber den Sturz des Papsttums wünschen. Einige für ihn unerfreuliche Folgen von Luthers Auftreten mußte er bald recht deutlich spüren. Von den sieben Pfründen, die er um 1507 besessen, entgingen nur zwei der Säkularisation: die Domherrnstelle zu Erfurt und die Vikarie am Kreuzstift zu Nordhausen; die Rotaprozesse nahmen ab, der Zustrom der Deutschen nach Rom ließ nach, die Spenden für die Anima liefen spärlicher ein.

Als gewesener Provisor der Anima-Kongregation angehärend, wirkte Johannes im Sommer 1520 bei einem Vertrage mit, welcher zeigt, wieviel Vorsicht die Verwaltung des Besitzes der Bruderschaft erforderte. Zwei Anima-Häuser sollten vermietet werden, die neben dem Palast eines Kardinals lagen, und eine diesem Kardinal nahe verwandte römische Adelsfamilie bemühte sich um die Erbpacht. Da argwöhnten die Provisoren, der hohe Nachbar würde über kurz oder lang versuchen, die Häuser seinem Palast einzuverleiben, und machten es nicht nur den Pächtern ausdrücklich zur Bedingung, dies zu verhüten, sondern ließen den Vertrag auch von dem Kardinal anerkennen.

Im folgenden Jahre trat Johannes zum zweiten Male als Regent an die Spitze der Bruderschaft und erlebte gegen Ende seiner Amtszeit ein Ereignis, das der deutschen Nationalstiftung ungewöhnliches Glück verhieß: am 9. Januar 1522 wurde ein Deutscher zum Papst erwählt, Hadrian Dedel aus Utrecht, ein Landsmann und vertrauter Freund Enckevorts.

Der neue Papst Hadrian VI., ein sittenstrenger Priester, schien berufen, die Schäden der verweltlichten und durch Luthers Auftreten erschütterten Kirche zu heilen und die an der Kurie herrschenden Mißstände zu beseitigen. Am 28. August traf er in Rom ein, von Enckevort geleitet und den Gutgesinnten mit Jubel begrüßt. Die große Menge bes römischen Volkes dagegen, selbstsüchtig und deutschfeindlich, empfing den Papst mit Feindseligkeit, die sich bald zu grimmigem Haß steigerte; denn Hadrian erwies sich als ein ernster, sparsamer Mann, umgab sich mit Deutschen und machte den vatikanischen Palast aus einem prunkvollen Musenhofe zu einer Stätte stiller Arbeit. Mit Trauer sahen die Mitglieder der Anima es mit an, wie der Papst sich vergeblich um die Besserung der Kirche bemühte, wie er geschmäht und von Mord bedroht wurde, wie er gramgebeugt einem frühzeitigen Tode verfiel. Schon am 14. September 1523 starb Hadrian, der letzte Papst deutscher Nation. Viele Hoffnungen der Deutschen mit sich ins Grab nehmend, hinterließ er der Anima-Bruderschaft wenigstens den einen Trost, daß er auf seinem Sterbebett die Wahl Enckevorts zum Kardinal durchsetzte.

Der nunmehrige Kardinal von Enckevort bereitete seinem päpstlichen Freund und Wohltäter im Chor der Anima-Kirche eine prachtvolle Grabstätte. Er blieb der Bruderschaft treu ergeben, förderte sie nach Kräften und übernahm sogar zeitweilig trotz seiner hohen Würde wie früher das Amt des Regenten.

Johannes Sander kam als Provisor noch oft mit dem neuen Kardinal zusammen; im April 1524 empfing er von ihm 200 Dukaten für zwei Jahrgeöächtnisfeiern des Jakob Hubertz. In demselben Jahre verpachtete Johannes ein der Anima geschenktes Haus an einen deutschen Kurialen und schloß einen Vergleich mit einem römischen Gastwirt, dessen Haus zwischen zwei Anima-Häusern lag. Zum dritten Male Regent übernahm er am 4. Januar 1525 ein der Bruderschaft vermachtes Haus und hatte nun 19 Anima-Häuser zu verwalten. Wie ihn daneben der Ausbau der Kirche beschäftigte, deutet eine Abrechnung mit dem Steinmetzmeister an, dem er am 11. Februar 1527 zur völligen Bezahlung seiner Arbeiten 342 Dukaten zu zahlen versprach.


Johannes stand damals im zweiunösiebzigsten Jahre eines an ergreifenden Begebenheiten reichen Lebens, und noch hatte er seine schwersten Tage nicht hinter sich. Sie kamen über ihn als Folgen der päpstlichen Politik.

Hadrian VI. war ein Freund Kaiser Karls V. gewesen, Enckevort blieb zeitlebens dessen Vertrauensmann, und wie alle deutschen Kurialen war zweifellos auch Johannes Sander gut kaiserlich gesinnt. Zum Leidwesen der Deutschen schloß der neue Papst Clemens VII. ein Bündnis mit Frankreich und den meisten italienischen Staaten, um die Machtstellung des Kaisers in Italien zu brechen. Nun schickte Karl v. im Frühjahr 1527 den Herzog Karl von Bourbon mit 20 000 deutschen, spanischen und italienischen Söldnern nach Italien. Beim Vordringen sah sich das kaiserliche Heer von überlegenen Gegnern verfolgt, und da der Sold ausblieb und die Verpflegung mangelte, geriet es in Aufruhr und schien dem Untergange geweiht. Um so größer war die Überraschung und der Schrecken der Römer, als am Abend des 5. Mai das Heer plötzlich vor den Mauern der schlecht gerüsteten Stadt erschien. Es hatte sich durch einen äußerst kühnen Zug aus höchster Not befreit.

Der kaiserliche Feldherr verlangte weiter nichts als Verpflegung und freien Durchmarsch, doch der Papst lehnte die Forderung ab, der baldigen Hilfe des herannahenden französischen Heeres vertrauend. Da mußten die Kaiserlichen, um noch einmal dem Verderben zu entgehen, sich unverzüglich zum Sturm rüsten. In der Stadt brach grenzenlose Angst und Verwirrung aus, und jeder suchte seine wertvollste Habe in Sicherheit zu bringen. Auf das Schlimmste gefaßt, schaffte Johannes Sander das Anima- Archiv in einer eisenbeschlagenen Truhe aus der Kirche fort nach Dietrich von Eynems Haus, denn die unersetzlichen Besitzurkunden der Bruderschaft konnten, wenn auch für Landsknechte wertlos, bei einer Plünderung der Kirche leicht aus Mutwillen oder Zufall vernichtet werden. Diele trugen ihre Schätze in den Palast des Kardinals von Enckevort, der als Freund des Kaisers die meiste Schonung erwarten durfte.

Schon am nächsten Morgen erstürmten die Kaiserlichen den auf dem rechten Tiberufer gelegenen Stadtteil Borgo. Der Papst fand gerade noch Zeit, in die feste Engelsburg zu flüchten, wollte aber immer noch nicht nachgeben. Nun wurde auch das linke Tiberufer im Sturme genommen.

Zunächst hielten sich die Eroberer in bester Ordnung, da sie einen Angriff des nahenden französchschen Heeres erwarteten. Die spanischen Söldner lagerten wenige Schritte vom Sanderhause auf der Piazza Navona, die deutschen Landsknechte zweihundert Meter weiter auf dem Campo di Fiori. Als das französische Heer wider Vermuten fern blieb und die Eroberer sich sicher fühlten, lösten sich um Mitternacht ihre Reihen, und die unbändigen Scharen, nach bitterster Not nun Herren der reichsten Stadt, schwärmten zum Beutemachen aus. Damit begannen acht Schreckenstage, die von den Italienern Sacco di Roma (Plünderung Roms) genannt werden, eine Zeit voll von wildem Rauben, Verheeren und Blutvergießen.

Ein italienischer Chronist und Augenzeuge sagt: „Bei jenem Verderben Roms zeigten sich die Deutschen schlecht genug, schlechter aber die Italiener und am schlechtesten die Spanier." Spanier und deutsche Lansknechte plünderten nach Johannes Sanders ausführlichem Bericht am 7. Mai die Anima-Kirche und dann auch die Häuser der Bruderschaft. Die Sakristei wurde bis auf minderwertige Stücke gänzlich ausgeraubt. Kelche, Monstranzen und Kruzifixe aus Gold und Silber und mit Edelsteinen besetzt, prächtige Altarbehänge und Meßgewänder, die der Kirche anvertrauten Kostbarkeiten eines deutschen Goldschmieds und vieles andere schleppten die Soldaten fort. Im 9. und 12. Animahause plünderten sie die Wohnungen anderer Goldschmiede. Das 19. Haus konnte nur durch große Gelöopfer bewahrt werden; gründlicher Verheerung hinwieder verfiel das 13. Haus, worüber Johannes berichtet: „es sei gänzlich verwüstet und zerstört worden durch die Schuld der Inhaber, die den Landsknechten keine Lebensmittel gaben."

Die menschenkunöige Sachlichkeit, die Johannes mit dieser Bemerkung bekundet, mag es gewesen sein, was ihn selbst vor ärgerem Schaden bewahrte. Sein dicht neben der geplünderten Kirche gelegenes Haus blieb unbeschädigt, und er kam glimpflicher davon als unzählige andere und manche feiner guten Freunde aus der Anima-Bruderschaft. Den langjährigen Regenten Kaspar Wirt schleppten die Landsknechte zum Bankhäuser der Welser, wo er sich mit 140 Talern loskaufen mußte; ein alter Provisor und Kammernolar kam kaum mit dem nackten Leben davon; ein anderes Mitglied, der Bischof Wolfgang Goler, mußte nach vielen Quälereien 2000 Dukaten bezahlen und starb bald darauf; der frühere Provisor Johann Copis wurde all seiner Habe beraubt und zu Tode verwundet.

Sogar Enckevort, der Freund des Kaisers, wurde nicht geschont. Sein Palast lag im Plünderungsbereich der Spanier, und diese verlangten 30000 Dukaten Lösegeld für Unterlassung der Plünderung. Als sie aber hörten, daß Melchior von Frundsberg, des berühmten Landsknechtsführers Sohn, mit dem Kardinal verhandelte, fürchteten sie für ihre Beute, brachen nachts in den Palast ein und raubten alles, was Enckevort und seine vielen Schützlinge dort geborgen hatten.

Erst als die Hauptplünderung schon geschehen war, erschien das französische Heer vor Rom. Es wagte aber nicht anzugreifen und zerstreute sich bald wegen Mangel an Verpflegung. Am 6. Juni mußte der Papst die Engelsburg übergeben und sich zu großen Geldzahlungen verpflichten, für die er selbst und mehrere Bischöfe als Geiseln dienten.

Di« Leiden der Stadt waren damit noch lange nicht beendet. Der Papst hielt die festgesetzten Zahlungsfristen nicht inne, die Truppen konnten nicht regelmäßig besoldet werden, meuterten öfters und drohten mit neuen Plünderungen. Monatelang herrschten Aufruhr, Teuerung und Not, zu denen noch die Pest hinzukam. Von 10000 deutschen Landsknechten starben bis zum 1. September 2500. Im Dezember gelang es dem Papst und seinen Geiseln zu entkommen. Nun behielten die Kaiserlichen die Stadt Rom als Pfand im Besitz und lebten auf Kosten der durch Flucht und Seuche zusammengeschmolzenen Bevölkerung, indes Freund und Feind in großer Zahl unter der Sichel des Todes fielen.

Im Gegensatz zu Enckevort und vielen anderen, die aus Rom flüchteten, hielten die Provisoren Eynem und Sander trotz Not und Pest auf ihren Posten aus. Gleich nach Beendigung der Plünderung, am 15. Mai, nahm Johannes das Erbe eines päpstlichen Skriptors für die Anima in Empfang, und im Juli die Schenkung eines Notars, der auf Rückerstattung beträchtlicher Auslagen verzichtete. Um diese Zeit ließen die Provisoren es zu, daß die Leichen einiger Hofbeamter Hadrians VI. im Chor der Animakirche beigesetzt wurden. Das mißfiel dem in sicherer Ferne weilenden Kardinal von Enckevort sehr, und er schrieb im August aus Fontana vorwurfsvoll an Eynem und Sander, sie möchten künftig niemand mehr in besagtem Chor, wo der Papst bestattet sei, begraben lassen. Nach der Rüge des Kardinals brachte das Jahr den Provisoren dann auch wieder eine Freude, denn am 5. September konnte Johannes ein der Anima durch Vermächtnis zufallendes Haus übernehmen.

Ein Vorgang ganz anderer Art ist uns noch aus dem Jahre 1527 überliefert. Wir lesen nämlich in der Inventur des berühmten Handelshauses der Fugger, daß Johannes bei dem römischen Kontor des Hauses 100 Gulden eingezahlt hatte, die am 30. April 1528 durch das Fuggersche Kontor zu Hohenkirchen bei Ohrdruf an seine Schwester Margarete Ferer und ihren Sohn Johann ausgezahlt werden sollten. Die Nachricht läßt darauf schließen, daß Johannes seine Schwester und deren Kinder unterstützte und in dauernder Geschäftsverbindung mit dem Fuggerhause stand.


Zu Beginn des Jahres 1528 wurde Johannes zum vierten Male mit dem Amt des Provisor regens betraut und erlebte als solcher eine eindrucksreiche Trauerfeier: Melchior von Frundsberg, der Sohn des Feldherrn, war am 13. Januar einer Krankheit erlegen und wurde von seinen Landsknechten in der geplünderten Animakirche bestattet.

Am 17. Februar zogen endlich die kaiserlichen Truppen von Rom ab. Nun stellte Johannes den Umfang des Schadens fest, den die Animahäuser erlitten hatten, und schrieb nähere Angaben darüber nieder, dann beglich er durch mehrere Zahlungen die Schuld an den Steinmetzmeister des Kirchenbaues, und schließlich verzeichnet« er auf mehr als 30 Folioseiten das gesamte bewegliche Eigentum der Kirche und des Hospizes. Das besonders wichtige Sakristei-Inventar, das der wertvollsten Stücke beraubt war, nahm er am 15. November auf, sechs Tage später die Hospiz-Einrichtung, Anfang Januar die Bücherei, die er in einem über dem pilgersaal gelegenen Zimmer unterbracht.

Einige der geraubten Kelche gelang es durch Kauf wieöerzuer- langen. Andere Gegenstände wurden nach und nach durch Schenkungen ersetzt, so fünf kostbare Altaröecken, für deren Ersatz neben vier anderen Freunden der Anima auch Johannes sorgte.

Nach Vollendung des Kirchenbaues erforderte die innere Ausschmückung der Kirche große Aufwendungen. Da die Geldmittel der Bruderschaft bei weitem nicht ausreichten, übernahmen einige wohlhabende Freunde der Anima die künstlerische Ausschmückung einzelner Kapellen des Neubaus. Die ersten Stifter von Kapellen waren Albrecht von Brandenburg, Anton von Fugger, Wilhelm von Enckevort und Johannes Sander. Johannes widmete seine Kapelle der Jungfrau Maria als der Schutzpatronin der Anima und übertrug die Ausführung des Altarbildes und der Wandge-» mälde dem niederländischen Maler Michael van Coxie. In langer Arbeit entledigte sich Coxie des Auftrages aufs beste mit Darstellungen aus dem Leben Jesu und einem Altarbilde der Gottesmutter, dem wunderbare Schönheit nachgerühmt wird.

Durch ein Vermächtnis bestimmte Johannes eine Jahresrente von 4 Dukaten zur würdigen Feier des Geburtsfestes der Jungfrau Maria vor seiner Kapelle. Künftig sollten, wie er es schon als Regent eingeführt und gehalten hatte, am Nachmittage vor dem 8. September die feierliche Vesper mit Wechselgesängen und fünf Psalmen gesungen werden und nach dem Brevierkapitel mehrere genau bezeichnet« Hymnen mit dem Gloria. Dies hatte vor seiner Marienkapelle zu geschehen. Am Festtage selbst sollte in der Kapelle ein Hochamt gehalten und dazu mit Orgelbegleitung gesungen werden. Alle Kapläne und zwei Ministranten sollten teilnehmen, der Sakristan den Fußboden mit grünen Lorbeerzweigen bestreuen, auf den großen Kandelabern weiße Wachskerzen brennen.


Indem Johannes die Marienkapelle ausstattete und schmückte, bereitete sich der nun achtundsiebzigjährige Greis zugleich die letzte Ruhestätte. Er ließ vor der marmornen Kommunionsbank eine Gruft erbauen, die mit einer großen, flach im Fußboden liegenden Steinplatte bedeckt wurde. Auf diesen sonst schmucklosen Grabstein ließ er sein Wappen einmeißeln und setzte darunter folgende Worte:

„Deo aeterno omnipotenti. Johannes Sander Northusanus, Germane proximus silve natus, Duringus, Erfurdiae Magnuntinae Dioecesis canonicus, … annis curialis, Rotae notarius, primae domus hispitalis Teutonicorum Urbis structor illiusque et huius capellae excultor, considerans, hominem vanitati similem frustraque turbari et fugere velut umbram, priusquam abiret et amplius non esset, septuagesimo octavo aetatis sua anno vivens hoc monumentum posuit anno salutis MDXXXIII.“

Zu deutsch: „Gott dem Ewigen, Allmächtigen. Johannes Sander von Northusen, ganz nahe dem Harze gebürtig, ein Thüringer, Domherr zu Erfurt in der Diözese Mainz, – Jahre Beamter der Kurie, Notar der Rota, des Ersten Hauses des Hospizes der Deutschen zu Rom Erbauer, der das Haus und diese Kapelle auch ausschmückte, – erwägend, daß der Mensch dem leeren Scheine ähnlich sei und sich vergeblich sorge und flüchtig sei wie ein Schatten, – hat, bevor er dahinschiede und mehr nicht wäre, im 78. Jahre seines Alters bei Lebzeiten dieses Denkmal gesetzt im Jahre des Heils 1533."

In seinem Testamente ordnete Johannes eine jährliche Gedächtnisfeier an seiner Gruft an. Die Grabplatte soll mit dem großen schwarzen Bahrtuch der Anima bedeckt werden, an dessen Ecken sollen vierpfündige Wachsfackeln, auf dem Altar der Kapelle vier einpfündige Kerzen brennen. Die Kaplane singen das Requiem und einer von ihnen hält die Totenmesse. Zur Bestreitung der Kosten sind 4 Dukaten oder 40 Julier ausgesetzt, wovon die Bettler vor der Kirchentür 3 Julier erhallen.

Schon im Jahre 1530 war Johannes das älteste Mitglied der Animakongregation, und noch im April 1543 nahm er an einer stürmisch verlaufenden Sitzung teil. Alle seine alten Gefährten und Freund« wie Wilhelm von Enckevort und Dietrich von Eynem ruhten seit 10 und mehr Jahren im Grabe. Am 11. August 1544 folgte er ihnen im Tode nach, 89 Jahre und 28 Tage alt. Seinen Leichnam setzte die Bruderschaft in der vor elf Jahren erbauten Gruft bei und ergänzte dann die Grabinschrift durch Hinzufügung des Todestages und der Amtszeit. 50 Jahre hatte Johannes der Kurie gedient.

„Nicht aus Zufall", sagt der Geschichtsschreiber der Anima, „schließt mit Sanders Sterbejahr der Nekrolog der Animawohltäter, trotz der elf bis zur Stunde leergebliebenen Seiten. Kein Kurialist erhebt sich mehr zu großen Schenkungen, jene Treuen aus dem Norden sind an der Kurie ausgestorben."

Klaus, Hans der Jüngere und Andres Sander

Als Johannes Sander in Rom zu Grabe getragen wurde, waren seine Nordhäuser Verwandten gleicher Generation längst gestorben, sowohl Frau Margarete Ferer und ihr Mann wie Albrecht und Hans Sander. Von deren Kindern treten in Nordhausen auf die Söhne Margaretens, Johann und Joachim Ferer, die des Ratsherrn Hans Sander, Klaus und Hans der Jüngere, und neben ihnen Andres Sander.


Klaus Sander, um 1490 geboren, bezog im Sommersemester 1509 die Universität Erfurt. In die Heimat zurückgekehrt, bewohnte er später ein Haus in der Rautengasse als Nachbar einer Familie Thomas, die zu den angesehensten Ratsgeschlechtern der Stadt gehörte. Er hielt anscheinend gute Nachbarschaft, denn sein Sohn führte in der Folgezeit eine Thomas als Gattin heim.

Die Unruhen des Jahres 1525 spiegelten sich in seinem Leben wieder. Wie erwähnt, wurden die Ordensgeistlichen damals nach dem Klostersturm zu Bürgereid und -Pflicht gezwungen, am 18. August aber wieder des Eides entbunden. Manche von ihnen hatten dem geistlichen Stande gern entsagt und wollten Bürger bleiben, so auch der frühere Mönch Georg Luöerwalt. Als er am 29. August den Eid freiwillig erneuerte, verbürgten sich für ihn Klaus Sander und Gerlach Pockeram, der langjährige Amtsgenosse des Ratsherrn Hans Sander.

In den Jahren 1528/29 führte Klaus eine Streitsache bei dem Reichsschulzengericht. Das Gericht wurde im Rathause abgehalten. Der Reichsschultheiß, damals noch der von Herzog Georg ernannte Leonhard Busch, leitete die Sitzungen und bestellte die beiden Büttel. Der Rat ordnete dem Schulzen zwei Ratsherren als Schöffen bei, die das Urteil fällten oder in schwierigen Fällen vom Rat „borgten", d. h. einholten.

Klaus machte eine Forderung an Benedikt Hesse in Sangerhausen geltend, und da dieser nicht zahlte, beantragte er in der Sitzung vom 10. Juni 1528, eine Pfändung bei Valentin Gergen, offenbar einem Nordhäuser Schuldner Hesses, vorzunehmen. Drei Wochen später wiederholte er den Antrag, worauf er 14 Tage darauf befchieden wurde, seinen Gegner zur nächsten Gerichtssitzung zitieren zu lassen. Nun dauerte es länger als vier Monate, bis das Gericht am 18. November die Berechtigung der Forderung anerkannte. Da Hesse trotzdem die Schuld nicht bezahlte, so wurde nach vier Wochen die Entscheidung wiederholt und Klaus gestattet, „um die Schöffen zu bitten", damit diese die Pfändung vornähmen. Das wirkte denn endlich, und im Januar des folgenden Jahres ließ Hesse durch seine Ehefrau vor Gericht das Versprechen abgeben, er werde die Schuld bis zum nächsten Gerichtstage begleichen, andernfalls solle dem Gerichtsbeschluß auf Vornahme der Pfändung bei Valentin Gergen Folge gegeben werden.

Nicht lange danach starb Klaus im besten Mannesalter, einen stattlichen Besitz hinterlassend.

Seine Witwe, die ihn um viele Jahre überlebte und entgegen der Gewohnheit der Zeit nicht wieder heiratete, bewohnte bis zu ihrem Tode das ansehnliche Haus in der Rautengasse, für das sie bei der Schatzung von 1551 einen Schoß von 14 Gulden entrichtete. Außerdem besaß sie ein Haus im Töpferviertel, das mit 10 Gulden Schoß ebenfalls zu den stattlicheren Gebäuden zählte. Später erwarb sie noch ein Haus in der Bielengasse.

Hierzu kam ein ausgedehnter Landbesitz, der allenthalben in der Staötgemarkung lag: im Sturzental, am Galgenberg, am Ros- singsbach, am Bielensteig, vor dem Siechentor, am Entenhaufen, im Merß, an der alten Helme, am Holdungsbühl, an der Winölücke, hinter der Walkmühle und hinter der Steinmühle. Die Liegenschaften bestanden aus Ackerland und Weingärten. Klausens Witwe starb im Frühjahr 1567.

Hans Sander der Jüngere

Hans Sander der Jüngere, Klausens Bruder, kaufte sich am 11. Dezember 1528 in die Tuchmachergilde ein. Die Gilde verlangte von ihren neuen Mitgliedern, daß sie sich frömmlich und wohl bewahrt hätten an ihrer Ehre und gutem Leumunde, daß sie wohl geboren seien von Vater und Mutier und von ehrlicher, echter und rechter Herkunft; auch daß die Eltern sich ehrlich und frömmlich gehalten hätten an ihrem guten Leumund« und nicht etwa Schäfer, Pfeifer, Bartscherer oder Musikanten wären. Dies mußten zwei Bürgen, fromme, unversprochene Leute, beschwören. Für Hans verbürgten sich die beiden derzeitigen Vorsteher der Gilde, darunter Franz Rebbeis, der ein Neffe des Reformators Justus Jonas war und in Erfurt studiert hatte. Bald darauf vermählte sich Hans mit Ursula, der jüngsten Tochter des Hans Baöra. Die Baöra waren ein altpatrizisches Geschlecht, das sich ursprünglich von Baöra, später Baöra oder Bader nannte. Konraö von Baöra wird um 1331, Johann von Badra um 1382 als Bürgermeister von Nordhausen genannt, dominus Johannes de Bader 1423 erwähnt.

Hans Sanders Schwiegervater wurde erst Gildemeister der Tuchmacher, dann Ratsherr und Quatuorvir[1]; seine engere Familie lernen wir aus einer Urkunde vom 1. August 1527 kennen. Damals erklärte er nämlich mit Wissen seiner Ehefrau Dorothea, wie seine Hinterlassenschaft dereinst auf seine sechs Kinder verteilt werden solle. Die Kinder sind: „Katharina, Ludwig Bertrams ehelich Gemahl, Paul Bader, Hans Bader, Johannes Bader jetzunder zu Rom, Dorothea, Pflugs ehelich Gemahl und Ursula Baders un- bestatt (d. h. unvermählt)."

Aus anderen Quellen erfahren wir hierzu noch folgendes: Ludwig Bertram war in der Zeit von 1522 bis 34 viermal Gilöe- meister der Tuchmacher; Paul Bader besaß ansehnliche eigene Ländereien und Lehengüter; Hans Bader gehörte der Tuchmachergilöe und seit 1532 dem Rate an und wurde Bürgermeister; Johannes Bader hatte 1516 in Erfurt studiert, und als er sich nach Rom begab, traf er dort einen anderen Hans Bader, der seit 1514 als kaiserlicher Notar in Rom lebte.

Aus der Güterverteilung der Urkunden ist von Belang, daß der zweite Sohn Hans Bader das väterliche Haus für 250 Gulden übernehmen und seine Schwester Ursula bei sich im Hause halten und ihr die Kost geben soll, bis sie sich verändert und zu dem ehelichen Stande greift, während Ursula einen Acker Weinberg erhält.

Zeugen der Willenserklärung sind der Domherr vom Kreuzstift, Hermann Pfeiffer, der Bürgermeister Heinrich Thomas und der Schultheiß Leonhard Busch.

Die Urkunde erinnert durch die gleichen Namen zweier Brüder und die Beziehungen zu Rom an Tatsachen aus dem Leben des Rotanotars Johannes Sander, und sie zeigt, daß zum mindestens einige Glieder der Familie Bader auch nach Einführung der Reformation sich zur römischen Kirche hielten.

Die Erbfestsetzung vom 1. August 1527 dürfte vornehmlich der Frau Dorothea Bader zwecks Sicherstellung ihrer Kinder am Herzen gelegen haben, da sie ihren baldigen Tod und wais dann folgen würde ahnen mochte. Sie starb etwa ein Jahr später, und um den Dezember 1529 verheiratete sich ihr verwitweter Gatte mit der Witwe Margarete Klepel aus Sundhausen, trotzdem er wohl schon annähernd 60 Jahre alt war und lauter erwachsene Kinder hatte.

Nicht lange nach diesen Vorgängen fand die Hochzeit Hans Sanders des Jüngeren mit Ursula Bader statt, und nicht lange nach der Hochzeit kam es zu Mißhelligkeiten zwischen Schwiegersohn und Schwiegervater. Bader war einen Teil der Mitgift schuldig geblieben, was er schriftlich bescheinigt hatte, hernach aber machte er Schwierigkeiten mit der Zahlung. Deshalb wandte sich Hans Sander am 20. Oktober 1531 an den Rat, und dieser entschied, Bader solle die Schuld in vierzehn Tagen unverzüglich entrichten. Als Bader dem Beschluß nicht Folge leistete, erging am 2. November ein neuer Befehl, die Schuld bis Weihnachten spätestens zu begleichen. Nun machte Bader beim Reichsschulzengericht eine Gegenforderung geltend, die wohl der Grund oder Vorwand seiner Saumseligkeit war. Er sagte, er habe Hansen verschiedene Sachen geliehen, nämlich einen Schrank, einen Tisch, ein Spannbett, zwei Federbetten, ein zinnenes Becken, einen schwarzen Hausmantel und anderes. Hans, der die Gegenstände für das Eigentum seiner Frau halten mochte, erwiderte auf die Klage: er sei Badern nichts geständig und stelle es zur rechten Erkenntnis. Am 10. Januar fand dann wieder eine Verhandlung statt, und der Streit wurde anscheinend beigelegt.

Drei Jahre später fand sich Hans Sander bewogen, dem zweiten Sohne der Margarete Ferer geb. Sander in einer höchst miß? lichen Angelegenheit Beistand zu leisten. Johann Ferer, von dem wir hörten, daß er 1506 in Erfurt studierte, 1509 von dem Rotanotar zum Erben eingesetzt wurde, 1514 in Rom weilte und 1528 mit seiner Mutter eine Geldüberweisung des Oheims erhielt, war Domherr am Kreuzstift zu Nordhausen geworden. Er wohnte am Dom in der Nähe der Stadtmauer, deren dortiger Turm als „Turm hinter Herrn Johann Ferer" bezeichnet wird.

Ferer wußte wohl, wie verhaßt das reichsunmittelbare Kreuz stift dem Rat und der evangelischen Mehrheit der Bürgerschaft war. Hatte Kaiser KarlV. doch erst kürzlich allen, die sich an den Freiheiten des Stifts freventlich vergreifen würden, eine hohe Strafe androhen müssen.

Trotz der zur Vorsicht mahnenden Zeitumstände scheute sich Ferer nicht, in seinem Hause ehebrecherische Handlungen zweier Bürgersrauen zu begünstigen. Ja, als die Sache ruchbar wurde, und der Rat eine der Frauen gefangen setzte, drohte er sogar noch, ev würde dafür am Rate Rache nehmen.

Um seinen Feindseligkeiten zuvorzukommen, ließ ihn nun der Rat festnehmen und gab ihn nicht eher frei, als bis er allen Rachegedanken entsagte und am 17. August 1534 beschwor:

"Ich will das, was mir von wegen der Stadt widerfahren ist, nimmermehr rächen, auch niemanden, geistlichen oder weltlichen Standes, meinetwegen der Stadt, des Rats, ihrer Bürger und Untertanen Feind zu werden veranlassen, auch gegen die Stadt weder heimlichen noch öffentlichen Unwillen erregen. Und wenn der Stadt durch mich Beschwerung, Kost oder Zehrung entsteht, so will ich das abtragen und erstatten. Ich will auch den Männern, die gegen mich klagen, zu Recht stehen oder mich mit ihnen vertragen, – alles bei Ehren, Treu und Glauben.

„Daß diesem allen unwiderruflich soll nachgelebt werden, das schwöre ich mit diesem meinem leiblichen Eide, wie mir Gott der Allmächtige helfen möge. Und sind dafür Bürgen mein Bruder Joachim Ferer, Thomas Grober und Hans Sander."

Nach der Gepflogenheit der Zeit mußten die Bürgen einer Urfehde von so weittragender Bedeutung dem Verteidigten ganz besonders nahe stehen. Neben dem Bruder Joachim Ferer dürfte Thomas Grober ein Schwestersohn des Vaters gewesen sein, während Hans Sander ein Brudersohn der Mutter war.

Aus den nächstfolgenden Jahren erfahren wir nur, daß Hans von einigen seiner Grundstücke den Barfüßerzins zu entrichten hatte, eine Grundrente, die ehedem dem Franziskanerkloster zustand, nach dessen Aushebung aber zur Unterhaltung der neugegründeten Lateinschule verwendet wurde.

Im Februar 1544 war Hans an einer Testamentserrichtung beteiligt, die uns in seinen Verkehrskreis einführt. Hans Kappel war selig verschieden. Er hatte sich mit Fleiß und Glück ein großes Vermögen erworben, war 1521 zum Gildemeister der Kaufleute und hernach in den Rat gewählt worden, dem er 18 Jahre lang angehörte. Da ihm leibliche Erben versagt blieben, nahm er den Abkömmling einer alten Nordhäuser Familie, Asmus Schmidt, an Kindesstatt an. Dieser wurde nicht nur ein tüchtiger Mann, der frühzeitig die städtischen Ehrenstellen bis zum Bürgermeisteramt erlangte, sondern trat auch in Verkehr mit einigen führenden Geistern der Zeit. Die Reformatoren Melanchthon und Justus Jonas zählten zu seinen Freunden, und auf des letzteren Empfehlung hin nahm er den rühmlich bekannten Michael Neander als Lehrer seiner Kinder ins Haus.

Durch Hans Kappels Tod fiel dessen Vermögen der Witwe Elisabeth Kappel zu, und diese errichtete nun unverzüglich ein Testament zu Gunsten ihres Pflegesohnes Asmus Schmidt.

Frau Kappel war eine reiche Frau, aber schreiben konnte sie nicht. Sie bat deshalb ihren „Beichtvater" Ehrn Johann Holzapfel, den evangelischen Geistlichen der Nikolaikirche, für sie zu unterschreiben. Als ihres Rechtsbeistandes bei der Errichtung des Testaments bediente sie sich eines Katholiken, des Andres Dreber, Kleriker des bischöflichen Stifts Halberstaöt und Notar von Päpstlicher Heiligkeit und Kaiserlicher Gewalt. Zu Testamentsvollstreckern bestellte sie den Gräflich Hohnsteinschen Marschall Heinrich von Bülzingsleben und Johann Heier, Schosser zu Heringen, deren jedem sie für die Bemühung 7 Goldgulöen vermachte, zum Oberexekutor erbat sie den Rat der Stadt. An der Spitze ihrer sieben Zeugen steht der damalige Quatuorvir und spätere Bürgermeister Lenharö Thomas, dem Wilhelm Nunschild und dann fünf Verwandte und Freunde, darunter Hans Sander und der spätere Bürgermeister Hans Küche, folgen.

Auch bei dieser Verhandlung tritt das Fortbestehen katholischer Beziehungen zutage. Andrerseits verkörpert Wilhelm Nun- schilö eine wichtige Errungenschaft des Rats, denn er ist der erste vom Rat ernannte Reichsschultheiß. Nach Leonhard Büschs Tode hatte Herzog Georg das Amt im Jahre 1538 dem Rat verpfändet.

Es geschah also in einer ebenso ansehnlichen wie bedeutsamen Gesellschaft, als Hans Sander das Testament wie folgt bekräftigte: „Und ich, Hans Sander, mit dieser meiner Handschrift bekenne, daß ich und unterschriebene Mitzeugen von Elisabeth Kappels hierzu sonderlich erfordert und gebeten bin worden und beneben den anderen Mitzeugen, welche alle sämtlichen beneben mir bei Aufrichtung dieses Briefes gegenwärtig gewesen, gehört habe, daß die des Elisabeth Kappels letzter Wille sei, den sie auch nach ihrem Ab- sterben also und nicht anders will gehalten haben. Des zu Urkund habe ich auf Bitte berührter Testatrix mit eigener Hand unterschrieben und mein gewöhnlich Pitzschaft hierauf wissentlich gedrückt."

Das Testament der Elisabeth Kappel liegt nicht im Original, sondern nur in der amtlichen Abschrift des Ratshanöelsbuch vor, die nicht besiegelt wurde. Hans Sanders Petschaftabdruck auf dem Original zeigte vermutlich dieselbe runenähnliche Hausmarke, die später seinem Sohn als Siegelzeichen diente: eine oben spitz geschlossene 4, deren wagerechte Linie in einem Kreuz endigt, während die senkrechte Linie mit einem liegenden Kreuz belegt ist.


Ein anderer Todesfall, der sich am 11. August desselben Jahres ereignete, ging Hansens Familie näher an: der des Rotanotars Johannes Sander.

Kaum war die Kunde davon in die Heimat gelangt, so machte sich Johann Ferer, der inzwischen Domherr der Liebfrauenkirche zu Erfurt geworden war, auf den Weg nach Rom, mit Vollmacht von seinem Bruder Joachim ausgestattet. In Rom nahm er die Hinterlassenschaft des Verstorbenen in Empfang, die den beiden Brüdern zu gleichen Teilen zufiel. Da er von dem ihm zustehenden Recht, das Sunderhaus gegen einen geringen Mietszins zu bewohnen, nicht Gebrauch machen konnte, verkaufte er sein Anrecht für 300 Gulden. Die hierfür zu zahlende Abgabe wurde ihm am 11. November von der Anima-Kongregation wegen der Verdienste des Verstorbenen erlassen. Zum Danke trug sich Ferer acht Tage später nach einer Zwischenzeit von 30 Jahren zum zweiten Male in das Bruderschaftsbuch ein.

Nun waren alle Geschäfte erledigt und er schickte sich zur Heimkehr an. Doch zwei Tage vor dem für die Abreise festgesetzten Termin erkrankte er plötzlich und starb noch im gleichen Monat November. Sein Leichnam wurde in der Gruft des Oheims bestattet. Joachim Ferer aber blieb als alleiniger Erbe übrig.


Im Herbst 1548 geriet Hans Sander in Streit mit einem eigenartigen Manne, dessen Laufbahn bezeichnend ist für die nach der Reformation sich ergebende Schwierigkeit, die evangelischen Pfarrstellen mit berufsmäßig vorgebildeten Geistlichen zu besetzen. Dieser Mann hieß ursprünglich Johann Theder. Sein Vater Michael war aus Nürnberg zugezogen und wurde deshalb in Nordhausen auch Nürnberger genannt. Er war in den Jahren 1513 und 20 Gildemeister der Schuster und Gerber. Sein 1516 geborener Sohn erlernte das Weißgerberhandwerk und übte es als Meister aus, sich daneben theologische Kenntnisse aneignend. 1544 verließ er Nordhausen und fand in Oppershausen bei Mühlhausen eine Anstellung als Pfarrer. Von dort wurde er nach dem nahen Niederdorla und am 9. Juni 1547 nach Nord hausen an die Jakobikirche in der Neustadt berufen. Den Namen Nürnberger übersetzend, nannte er sich Noricus. 1560 geriet er mit einigen anderen Geistlichen in einen heftigen und langwierigen theologischen Streit, wurde vorübergehend des Amtes entsetzt und starb 1583.

Theöer-Noricus scheint in Nordhausen von Anfang an manche Widersacher gehabt zu haben, die durch belastende Gerüchte in ihrer Gegnerschaft bestärkt wurden. Als Hans Sander im Herbst 1548 in Schlotheim war, hörte er dort von einem gewissen Hans Kühne, Theder habe in Niederdorla seine Magd geschwängert und ihr hernach einen Trunk zum Abtreiben der Leibesfrucht gegeben. Hans sprach von diesem Gerücht zu zwei Leuten, mit denen er wohl von Schlotheim zurückritt, nämlich dem baldigen Ratsherrn und späteren Bürgermeister Wilhelm Wilde und dem städtischen Stallmeister Gregor Schmidt.

Das Gespräch wurde Theder hinterbracht, der nun Hans Sander beim Rat verklagte. Befragt, ob er solcher Worte geständig sei, erwiderte Hans: ,Za, und er wolle es auch weiter, wenn es vonnöten sein werde, bekennen; für seine Person aber wisse er von Ehrn Johann Theder nichts denn Ehre und Gutes." Diese Aussage wurde auf Theders Bitte am 31. Oktober im Ratshandelsbuch protokolliert, und der Zwischenfall schien damit beigelegt.

Durch Hansens Angaben über den Ursprung des Gerüchts und seine persönliche Ehrenerklärung für Theder wurde das Gerücht aber nicht zum Schweigen gebracht, und der Streit zwischen Theder und Hans brach von neuem aus und dauerte mehrere Monate. Schließlich legte sich der Rat ins Mittel und brachte eine Aussöhnung zustande, bei der Hans seine Ehrenerklärung wiederholte und den Theder um Verzeihung bat, wenn er ihn mit den Worten eines unerwiesenen Gerüchts beschwert hätte. Beide Männer versprachen darauf mit Wort und Handschlag, allen Unwillen gänzlich aufzugeben und desselben ferner nicht im unguten zu gedenken.

Hans der Jüngere war ein wohlhabender Mann. Bei der Schatzung von 1551 wird er als Besitzer eines mit 8 Gulden schoßpflichtigen Hauses im Altentorviertel der Oberstadt aufgeführt. Gelegentlich hören wir von Schuldforderungen, wie im Oktober 1545, wo der Ratsherr Andres Mackenrot ihm Zahlung bis Weihnachten verspricht. Auch besaß er ansehnliche Ländereien.

Er starb im Jahre 1552, vermutlich an der Pest, die damals 2500 Einwohner Nordhausen dahingerafft haben soll. Als Erben hinterließ er zwei noch unverheiratete Söhne Liborius und Heinrich sowie eine Tochter, deren Ehemann Georg Eilhard einer alten Ratssamilie entstammte und der Tuchmachergilde angehörte.

Sehr bald nach dem Vater, wohl auch noch als ein Opfer der Pest, verschied Liborius, während Heinrich um diese Zeit in die Fremde ging. Den Nachlaß des Verstorbenen verwaltete zunächst Georg Eilhard, der im Februar 1553 an den Bauer Großkopf in Salza 3 Taler 3 Groschen als Lohn für Bestellung der Länderei des Liborius Sander zahlte und sich diese Ausgabe im Ratshan- öelsbuch bestätigen ließ. Eilhard war es wohl auch, der dem Rat sich und Heinrich Sander als die Erben des Liborius benannte und dann die Erbschaftsakten einreichte.

Der Rat setzte darauf den 9. April 1554 als Termin zur Inrotulation oder Prüfung und Verzeichnung der eingereichten Akten an und lud Eilhard und Heinrich vor. Am festgesetzten Tage erschien aber nur Eilhard, während Heinrich ausblieb. Nun bat Eilhard, sein gehorsames Erscheinen upd Heinrichs ungehorsames Ausbleiben zu den Akten zu registrieren.

Heinrich wird später vorübergehend zur Erledigung der Erbschaftssache nach Nordhausen zurückgekehrt sein, aber seinen Wohnsitz nahm er nicht wieder in der alten Heimat. In dem Göttinger Kämmereibuch lesen wir, daß „Hinrich Sander von Northusen" am 13. Juli 1561 Bürger der Stadt Göttingen geworden sei und eine Göttinger Bürgertochter gefreit habe.

Die späteren Schicksale Heinrichs, der in der neugewählten niedersächsischen Heimat meist Henrich genannt wurde und selbst diese Namensform annahm, werden wir im zweiten Teil unserer Darstellung schildern.

Andreas Sander

Der gleichen Generation wie Klaus und Hans der Jüngere gehörte Andres Sander an. Manche Umstände sprechen dafür, daß er ein Stiefbruder der beiden war, doch kann er auch ein Sohn des Ratsherrn Albrecht Sander gewesen sein. Infolge einer zweiten Ehe seiner Mutter mit einem Lutterot hatte er drei Stiefgeschwister dieses Namens.

Andres wohnte am Markt und war mit einer Tochter des Quatuorvir Klaus Wilhelm verheiratet. Neben zwei Töchtern hatte dieser zwei Söhne: der ältere, ebenfalls Klaus heißend, nahm nach des Ratsherrn Hans Sander Tode dessen Ratsplatz ein und starb später als Bürgermeister; der jüngere, Hans Wilhelm, wurde Gildemeister und Ratsherr.

Im Jahre 1527 war Andres Sanders Schwiegervater schon seit einigen Jahren tot. Um seiner Witwe Anna Wilhelm einen ruhigen Lebensabend zu sichern, schlossen deren Kinder nach längeren Erbstreitigkeiten auf Anregung von Andres Sander und Klaus Wilhelm am 18. Februar einen Vergleich, über den das Ratshandelsbuch folgendes sagt:

„Vor dem Rate erschien die tugendsame Frau Anna, nachgelassene Witwe Klaus Wilhelms, und ließ durch ihren Anwalt berichten, daß sie ihr Haus und Hof in der Töpfergasse ihren Kindern, sich damit zu vergleichen, übergeben habe.

„Darauf berichtete der Sohn Klaus Wilhelm, daß er dieselbe Behausung von seinem Bruder Hans Wilhelm und seinen Schwägern Andres Sander und Andersleben gekauft habe und zwar für dritthalbhundert Gulden, den Gulden zu 22 Groschen, wovon 30 Gulden als Hypothek auf das Haus verschrieben seien, sodaß von dem Kaufgeld noch 220 Gulden unter die vier Geschwister zu verteilen blieben. Zur Abfindung der beiden Schwestern verspricht er, deren Ehemännern binnen drei Jahren an vier bestimmten Terminen zusammen 138½ Gulden zu bezahlen.

„Hans Wilhelm erklärt, daß ihm sein Bruder von seinem Anteil bereits 55 Gulden bezahlt habe und noch 14 Gulden schuldig sei." Sodann wird festgestellt, daß derjenige Teil der außer dem Hause vorhandenen Liegenschaften und fahrenden Habe, der sich noch im Besitze der Mutter befand, von dem Vertrage ausgeschlossen sein solle. Zum Schluß verpflichtet sich der bei der Teilung offenbar bevorzugte Klaus Wilhelm „für sich und seine Erben, die Mutter Zeit ihres Lebens bei sich im Hause zu behalten und sie mit Leibesnahrung zu versorgen. Wenn er selbst aber mit Tode abginge und die Mutter Lei seinen Erben nicht gut versorgt wäre oder sich mit ihnen nicht vertragen könnte, so solle sie mit 50 Gulden aus seiner Erbschaft abgefunden werden. Wenn es aber nicht zur Auszahlung dieser 50 Gulden an die Mutter selbst kommt, so soll er von niemand anderm dieser SuMme halber belangt werden, sondern aller Anforderungen los und ledig sein. „Hiermit sollen alle Gebrechen (d. h. Streitigkeiten), welche die Brüder, Schwestern und Schwäger ihrer Mitgift oder sonstiger Sachen halber gehabt, gänzlich gütlich wohlvertragen sein und bleiben."

Aus dem Vertrag ist zu erkennen, daß Andres Sanders Schwiegervater sich nur eines bescheidenen Wohlstands erfreute, mit dem er aber immerhin noch zu dem obersten Fünftel der Steuerzahler gehörte.

Im selben Jahre hatte Andres noch eine Auseinandersetzung mit einer nach Stolberg verheirateten Stiefschwester und im nächstfolgenden einen Streit mit Jakob Ernst, der 10 Gulden von ihm forderte.


Eine an sich unbedeutende Verhandlung, die am 28. Januar 1532 stattfand, führt uns in die Familie des Reformators Justus Jonas ein und erweist Andres als dessen nahen Verwandten von mütterlicher Seite her.

Der Vater des Reformators, der Nordhäuser Bürgermeister Jonas Koch, war mit einer Frau aus dem Ratsgeschlecht Wenden verheiratet. Der Ehe entstammten, soweit bisher bekannt, drei Kinder: Ursula Koch, Justus Jonas, der eigentlich Jobst Koch hieß, und Bertold Koch. Ursula Koch heiratete den Lorenz Rebbeis, der 1482 in Erfurt studierte, in der Zeit von 1491 bis 1505 siebenmal das Amt des Gildemeisters der Kaufleute bekleidet, von 1508 an im Rate saß, 1517 Bürgermeister wurde und bald darauf starb, während Ursula ihn mindestens bis 1543 überlebte.

Die Verhandlung vom 28. Februar stellte fest: „Alexander Wenden und Berld Michel haben für sich und ihre Erben bekannt, daß ihnen des seligen Lorenz Rebbeis Erben, nämlich Franz Rebbeis, Jürgen Rebening, Ottilie Rebbeis und Andres Sander für seine Person, 18 Gulden von wegen ihrer (Wendens und Michels) seligen Mutter gemäß unseres vorigen Urteils gütlich entrichtet und bezahlt haben. Was aber Andres Sanders Bruder und Schwestern anlangt, soll hiermit ungehindert bleiben."

Die Erbschaft rührte also von der Frau des Bürgermeisters Jonas Koch, der geborenen Wenden, her und ging deren Geschwister, Kinder und Kinbeskinder an, von denen hier nur der Erbstamm der Ursula Koch, Witwe des Lorenz Rebbeis, erscheint. Don Andres Sanders nächsten Mitterben hatte Franz Rebbeis in Erfurt studiert und war von 1528 an sechsmal Gildemeister der Tuchmacher. Jürgen Rebening, offenbar ein Schwiegersohn des Lorenz Rebbeis, bekleidete von 1523 an fünfmal das Amt eines Kaufgildemeisters. Ottilie Rebbeis heiratete einen Bruder des früher erwähnten Georg Eilhard mit Namen Andres, der 1533 in die Tuchmachergilde ausgenommen und öfters deren Gildemeister wurde.

Das verwandtschaftliche Verhältnis des Andres Sander und seiner Stiefgeschwister zu Lorenz Rebbeis bleibt ungeklärt und mag ein mehrfach verschlungenes gewesen sein, wie es in jener Zeit, wo alsbaldige Wiederverheiratung Verwitweter die Regel war und mancher Ehebunö mit Stiefkindern aus zwei oder drei früheren Ehen der Neuvermählten begann, leicht Vorkommen konnte. Jedenfalls war Andres dem Schwager und der Schwester des Justus Jonas verwandtschaftlich nahe verbunden und besonders an allen Erbsachen der vorgenannten Erben des Lorenz Rebbeis mitbeteiligt.

Deswegen war es auch für ihn von Belang, als im August 1540, gelegentlich einer großen Feuersbrunst das Haus der Witwe des Lorenz Rebbeis niederbrannte. Der Wiederaufbau brachte die Witwe in große Geldverlegenheiten, die erst erleichtert wurden, als im folgenden Jahre ihr unverheirateter Bruder Bertold Koch ohne Testament starb.

Nun aber machte ihr anderer Bruder Justus Jonas bevorrechtigte Erbansprüche geltend, da er dem Verstorbenen große Zuwendungen gemacht habe unter der Bedingung, daß dieser des Jonas Kinder zu Erben einsetze. Jonas, der damals mit Mut und Tatkraft die Reformation in Halle öurchführte, genoß eine sehr ansehnliche Besoldung von mehreren hundert Gulden jährlich, sodaß er im Vergleich mit seiner Schwester und deren Angehörigen für reich, diese aber für arm angesehen wurde. Trotzdem vertrat Jonas seine vermeintlichen, von vielen anderen für zweifelhaft gehaltenen Rechtsansprüche mit solchem Nachdruck, daß er in den Ruf der Habsucht und Ungerechtigkeit geriet. Durch einen Freund hierauf hingewiesen, erwiderte er hochfahrend: „Soll meinen armen Vettern geholfen werden, so sollen sie der Hilfe aus meiner Hand gewarten, nicht aber mich mit Schanden, Schaden und Schimpf vom Erbe ausschließen."

Sein Verhalten wurde in Nordhausen allgemein besprochen und verurteilt, und daß die Erben des Lorenz Rebbeis durchaus nicht als arme Vettern auf freiwillige Wohltaten des Jonas angewiesen waren, zeigt ein Vorgang vom 6. Oktober 1542. Da erklärte Andres Eilhard vor dem Nat: Der achtbare und hochgelahrte Herr Justus Jonas habe ihm wegen seines (Eilhards) Eheweibs, des seligen Lorenz Rebbeis Tochter, 24 Gulden bezahlen lassen, die er vermöge einer Schrift zu geben pflichtig. Eilhard und sein Eheweib entsagen deshalb allen Ansprüchen auf den vor dem Töpfertore gelegenen Hopfenberg, den Justus Jonas als Unterpfand für die erborgte Schuld eingesetzt hatte.

Wenn Jonas auf Geld großen Wert legte, so erklärt sich das zum Teil aus der Gastlichkeit und den Gaben, denen die berühmten Männer jener Zeit sich nicht entziehen konnten, zum Teil aus den Ausgaben für seine große Familie. Drei Monate nach der Zahlung an Andres Eilhard verlor er seine erste Frau bei der Geburt des dreizehnten Kindes. Schon ein halbes Jahr darauf heiratete der Fünfzigjährige ein Mädchen von 22 Jahren, und mit fast 57 Jahren ging er eine dritte Ehe ein.

Zu Anfang des Jahres 1543 kam Jonas nach Nordhausen und scheint dann den Erbschaftsstreit mit der Rebbeis'schen Verwandtschaft beigelegt zu haben. Zwei Jahre später, am 22. Februar 1545, begegnet uns Andres Sander als Zeuge eines Hausverkaufs des Hans Küche, der mit Hans Sander dem Jüngeren zusammen das Testament der Elisabeth Kappel besiegelte. Seinen ersten Wohnsitz am Markt behielt Andres nicht bei, sondern vertauschte ihn mit einem Hause in der Eselsgasse. Dort wohnte er im Jahre 1551 neben einem Hause der Witwe des Klaus Sander, auf der anderen Seite nur durch ein Haus von dem Wohnsitz Hans des Jüngeren getrennt. Der Schoß von 5 Gulden, den er zu zahlen hatte, läßt seinen Besitz zwar nicht als gering, aber doch als dem seiner Verwandten erheblich nachstehend erkennen.

Wenngleich ein Bewohner des Altentorviertels, wurde er im folgenden Jahre auf einen Ratsplatz des Töpferviertels in den Rat berufen. Nur sehr kurze Zeit blieb er im Amt, denn vermutlich schon im Sommer 1552 wurde er wie vier andere Mitglieder seines Ratsregiments von der Pest dahingerafft.

Hans Sander, Klausens Sohn

Von der Nachkommenschaft des Ratsherrn Hans Sander war der Mannesstamm Hans Sanders des Jüngeren abgestorben oder ausgewandert, doch ein Sohn Klaus Sanders pflanzte die Familie in Nordhausen fort: Hans Sander, der dritte dieses Namens in seinem Geschlecht.

Er heiratete Ursula Thomas aus der uns bekannten Ratsfamilie. Am 15. August 1561 kaufte er ein vor dem Hagen gelegenes Haus für 600 Gulden, welches er noch am gleichen Tage gegen ein Haus in der Kickergasse eintauschte, um dann dieses zu bewohnen. Da von etwa 1000 Häusern der Stadt nur 62 500 Gulden oder mehr, 800 aber unter 200 Gulden und hiervon 500 sogar unter 50 Gulden kosteten, muß Hansens Haus recht ansehnlich gewesen sein.

Zwei Jahre später finden wir Hans in naher Beziehung zur Familie Ferer. Wir erinnern uns, daß der Ratsherr Hans Sander Nachbar des Martin Ferer war, der Margarete Sander, die echte Schwester des Rotanotars, zur Frau hatte; daß Hans Sander der Jüngere sich für Martin Ferers Sohn, den Domherrn Johann Ferer, bei einer äußerst heiklen Angelegenheit zugleich mit dessen Bruder Joachim Ferer verbürgte; nun erfahren wir, daß der dritte Hans Sander bei einem Häusertausch der Witwe des Joachim Ferer, offenbar in der Eigenschaft eines Verwandten, als Zeuge mitwirkt.

Joachim Ferer war durch den plötzlichen Tod seines Bruders alleiniger Erbe des Rotanotars und damit für Nordhäuser Verhältnisse ein reicher Mann geworden, aber ungefähr sieben Jahre später, vielleicht an der Pest von 1552, gestorben. Seine Frau Elisabeth und eine Tochter Ottilie überlebten ihn, und letztere fand bald einen ansehnlichen Freier aus einer Familie, die während des ganzen 16. Jahrhunderts zu den ersten der Stadt gehörte. Er hieß Celiax Ernst, war ein Enkel des früher erwähnten gleichnamigen Bürgermeisters und dessen Frau Katharina Rebbeis und wurde Rat und Rentmeister des Grafen von Hohnstein. Celiax Ernst war zweifellos evangelisch, denn seine Mutter vermachte der Blasiikirche bie Werke Luthers und seine Oheime zählten zu den eifrigsten Förderern der Reformation. Dieser Mann heiratete um 1555 die Nichte des Domherrn Johann Ferer.

Die Schwiegermutter Elisabeth Ferer wohnte in der Rautengasse Nr. 497, einem mit 426 Gulden 6 Groschen veranschlagten Hause. Sie besaß noch ein Haus unter den Weiden zu 120 Gulden, einen Garten in der Flickengasse zu 20 Gulden und 4 Acker Land zu 79 Gulden 6 Groschen. Im Jahre 1563 wollte Frau Ferer ihr Haus gegen ein größeres vertauschen, und zwar gegen eins in der Kranichgasse, welches der Ratsherr Andres Mackenrot zwanzig Jahre zuvor für 800 Gulden von seiner Mutter übernommen hatte. Der Preisunterschied zwischen beiden Häusern betrug also etwa 374 Gulden, doch mag Mackenrot sein Haus zu einem Vorzugspreise erworben oder es hernach verbessert haben. Jedenfalls verstand sich Frau Ferer zu einer größeren Zuzahlung.

Am 30. Juni wurde der Tauschvertrag von Andres Mackenrot und Celiax Ernst als Vertreter der Frau Ferer unter folgenden Bedingungen abgeschlossen:

Elisabeth Ferer erhält Mackenrots Behausung in der Kranichgasse und übergiebt dafür bie ihre in der Rautengasse nebst einer Zuzahlung von 466 Gulden.

Jeder übergiebt sein Haus dem anderen ohne alle Belastung; jeder darf alles, was nicht erd- und nagelfest ist, mit sich nehmen, nur die Keltern und vier große Stücke Holzes in Mackenrots Haus sollen der Frau Ferer verbleiben. Das Braugeschirr soll ein jeder, so gut er es hat, mit sich nehmen und behalten, nur wenn Mackenrot seinen Bräubottich im Fererschen Hause nicht würde aufstellen können, sollen die Bräubottiche an ihren alten Plätzen gelassen werden.

Beide Teile dürfen bis Michaelis 1563 in ihren bisherigen Häusern wohnen bleiben, jedoch darf Frau Ferer in dem ihr übereigneten Hause schon vorher nach Belieben bauen, bessern, handeln und wandeln. Für diesen guten Willen des Mackenrot und dafür, daß er der Frau Ferer den Dortritt vor einem andern gelassen, verspricht ihm Celiax Ernst eine besondere Verehrung.

Falls ein Teil diesem Vertrage nicht Folge leisten könnte, möchte oder wollte, gleichviel aus welchen Ursachen, so soll er dem andern allen Schaden, wie der denselben namhaft machen wird, und darüber noch 100 ganze Taler ohne Weigerung bei Ehren, Treuen und Glauben reichen und geben, wofür jeder Teil hiermit seine bereitesten Güter eingesetzt haben will.

Den Vertrag besiegelten neben Mackenrot und Ernst fünf Zeugen: an erster Stelle Ehrn Heinrich Thomas, an zweiter der Stadtschreiber Magister Matthias Luder, an fünfter Hans Sander.

Ehrn Heinrich Thomas, nicht zu verwechseln mit dem schon 1540 verstorbenen gleichnamigen Bürgermeister, ist durch den Titel als Geistlicher gekennzeichnet, gehörte aber nicht zur damaligen evangelischen Geistlichkeit der Stadt, sodaß wir ihn für einen katholischen Kleriker des Kreuzstifts halten müssen. Die Thomas gehörten zu den konfessionell gespaltenen Familien der Stadt und waren von alter Zeit her dem Kreuzstift nahe verbunden. Während der ersten 40 Jahre nach Einführung der Reformation in Nordhausen saßen drei Thomas im Rat, vier dagegen sind als Domherren nachweisbar, darunter als letzter Matthias Thomas. Bei den Ratsherren dürfen wir die evangelische Konfession als Regel annehmen. Immerhin ist ersichtlich, daß die Katholiken noch stark genug waren, um diesen oder jenen Ratssitz zu behaupten. So hatte der evangelische Pfarrer von St. Jakobi Andres Ernst, ein Oheim des Rentmeisters Celiax Ernst, einen besonders scharfen Widersacher in dem katholischen Ratsherrn Bastian Puchbach, der erst 1532, also acht Jahre nach Einführung der Reformation, in den Rat berufen worden war. Puchbach gehörte der Bäckergilde an; von dem etwas späteren Nordhäuser Bäcker Georg Forkel hören wir, daß er nach Rom ging und bei 10 Jahren des Papstes Hofbäcker war.

Hans Sander dürfte seinem Mitzeugen Ehrn Heinrich Thomas als Vetter der Ferers und als Ehemann der Ursula Thomas verwandt gewesen sein. Wie sein Oheim Hans Sander der Jüngere durch die Ferers und Baders, so war er durch die Ferers und Thomas mit Katholiken verbunden. Trotzdem die Nordhäuser Sanders sich anscheinend seit Einführung der Reforsation zum evangelischen Glauben bekannten, ist bei ihnen ebenso wenig wie sonst in der Bürgerschaft etwas von konfessionellen Feindschaft zu bemerken, während einige evangelische Prediger sich durch Pfaffengezänk gegen Rat, Amtsbrüder und Andersdenkende hervortraten.

Daß manche Katholiken, die anfänglich der römischen Kirche treu blieben, später doch noch abfielen, mag nicht zum wenigsten auf die abschreckende Verwahrlosung des Kreuzstifts zurückzuführen sein. Des Domherrn Johann Ferers Verfehlungen im Jahre 1538 sind uns bekannt. 1546 begann der Domvikar Christian Heune einen maßlosen, bis 1560 dauernden Streit gegen die Stadt, der mit seiner Hinrichtung als Landsriedensbrecher endete. Matthias Thomas, seit 1555 als Domherr des Kreuzstifts genannt, wird als einer der schlimmsten unter den damaligen Kanonikern gekennzeichnet. Im Jahre 1564 müssen er und der Domherr Andres Kramer je 10 Taler Strafe zahlen, weil sie sich miteinander geschlagen haben. 1565 beschwert sich der Rat wie folgt über das gottlose Leben und Treiben der Pfaffen zum Heiligen Kreuz: „Der Dekan ist ein leichtfertiger, hoffärtiger, trotziger junger Abenteurer. Der Senior übt Ehebruch, Hurerei und Schande. Der dritte Kanoniker Andres Kramer ist Landfriedensbrecher, ein leichtfertiger, mutwilliger Geselle; Matthias Thomas, der 4. Kanoniker, hat eines guten, frommen Mannes junge Tochter als Magd in Dienst genommen und verführt, sechs oder sieben Kinder erzeugt, von denen etliche verstorben und heimlich bei Nacht begraben sein sollen, sodaß ein großer Zweifel ist, ob dieselben die Taufe empfangen, und wie es um ihr Absterben beschaffen gewesen. Der 5. Domherr Heinolphus ist in Unzucht, Unkeuschheit und Ausschweifungen versoffen. Der ältere Vikar hat 28 Jahre mit einer Frau in Ehebruch gelegen. Der 2. Vikar hat Mörder und Räuber beherbergt, ihnen gestohlene Sachen abgekauft, sie zu weiteren Schandtaten verleitet, und als die Sache an den Tag kam, ist er geflohen und nicht wiedergekommen."

Die Schutzfürsten beschlossen darauf im Dezember, einige Räte zu einer überraschenden Untersuchung nach Nordhausen zu entsenden. Was weiter geschah, ist unbekannt, doch führte Matthias Thomas noch einige Jahre später als Scholastiker die Aufsicht über die Stiftsschule. Solche Zustände mußten abstoßend wirken, und so ist es begreiflich, wenn auch die Ferers nicht der katholischen Kirche treu blieben. Ottilie Ferer, die Gattin Celiax Ernsts, stiftete nach dessen Tode der evangelischen St. Blasii-Kirche einen Taufstein.


Hans Sander stand mit Celiax Ernst in geschäftlichen Beziehungen. Als er im Oktober 1565 ein ihm gehöriges kleines Haus auf dem Frauenberge für 60 Gulden verkaufte, wies er den Käufer an, das Kaufgeld in bestimmten Raten an Celiax Ernst auszuzahlen.

Um Ende April 1567 erbte Hans von seiner Mutter deren Zu 750 Gulden veranschlagtes Haus und 34 Acker Landes. Nun verkaufte er das bisherige eigene Wohnhaus in der Kickergasse und bezog das mütterliche. Dazu erwarb er im Herbst desselben Jahres ein zweites Haus aus dem Petersberge für 276 Gulden zu getreuen Händen des Hans Thomas, der als Salzfaktor der Grafen von Mansfeld deren Salzwerken zu Salza Vorstand.

Im folgenden Jahre tritt Hans zweimal bei Erbabfindungen auf. Zuerst wollte sich Kerstan Kirchhof, ein Witwer mit 5 Kindern und wohl ein Vetter Hansens, wiederverheiraten und richtete deshalb am 20. Oktober einen Erbteilungsvertrag auf mit Bewilligung und im Beisein der Paten, Vettern und Freunde, nämlich der Ehrbaren und Fürsichtigen Balzer Frank, Johann Schontzell, Hans Sander und vier anderer. Elf Tage später fand sich die Witwe Elisabeth Braun in gleicher Lage. Sie erklärt: „Da mein seliger und lieber Hauswirt Bruno Braun aus diesem Elend verschieden ist und meine und meiner fünf Kinder hohe, unvermeidliche Notdurft es erfordert, mich wiederum zu verehelichen", so will sie mit Bewilligung und im Beisein ihrer Vettern und Freunde, der Ehrbaren und Fürsichtigen Hans Wille, Heinrich und Andres Braun, Gebrüder, Andres Michels und Hans Sander, mit ihren Kindern einen Erbteilungs- und Abfindungsvertrag schließen.

Hansens Beruf ist ebensowenig bekannt wie der seines Vaters Klaus. Beide zeichnen sich durch ansehnlichen Landbesitz in der engen Stadtflur aus. Zum Vergleiche sei angeführt, daß Michael Meyenburg, um jene Zeit der reichste Bürger der Stadt, einen Besitz von 34 Acker Landes in der Stadtflur hinterließ. Klaus Sanders Witwe besaß 76½ Acker. Hans erbte von ihr 34 Acker, dazu als Nacherbe noch 43/4 und von seiner Schwiegermutter 16¼, zusammen 55 Acker. Seine Ländereien bestanden aus 46 Acker Feld, 4 Acker Wiesen und 5 Acker Weinwachs. Der Schätzungswert der Felder betrug 6 oder 8 Gulden, der Wiesen 20 Gulden, des Weinwachses 10 Gulden je Acker. Die Verkaufspreise stellten sich erheblich höher und waren besonders bei Weinwachs von dem jeweiligen Stande des Anbaus bedingt; im Durchschnitt wurden erzielt bei Feldern und Wiesen 40, bei Weinwachs 50 Gulden für den Acker. Hansens Landbesitz war also etwa 2250 Gulden wert, das heißt so viel wie etwa drei sehr stattliche Häuser.

Hans starb im Jahre 1587, Frau Ursula mit zwei Söhnen zurücklassed, von denen der ältere Perlinus bereits großjährig, der jüngere Liborius noch ein Knabe war. Wohl als Perlinus heiratete, erwarb bie Witwe ein kleineres Haus für sich und verkauft« dann das alte Haus in der Rautengasse am 7. Oktober 1590 für 900 Gulden. Auch den Landbesitz, soweit er nicht den Kindern zusiel, veräußerte sie allmählich. Gegen Ende des Jahres 1600 folgte sie ihrem Gatten im Tode nach.

Perlinus scheint sie nicht lange überlebt zu haben. Von Liborius hören wir, daß er nach der großen Feuersbrunst von 1612 als einer der Abgesandten des Rats Thüringen durchreiste, um der Sitte der Zeit gemäß von den größeren Ortschaften des Landes Hilfe für die Abgebrannten zu heischen. Spätestens im Jahre 1626 ist Liborius gestorben. Damals wütete die Pest so stark, daß die Toten nicht in die Kirchenbücher eingetragen werden konnten, da ihrer zu viele waren.

In dem Nordhäuser Schatzungsregister von 1627 wird kein Bürger des Namens Sander mehr erwähnt. Die Familie war in der Reichsstadt Nordhausen abgestorben. Inzwischen aber hatte der um 1552 ausgewanderte Henrich Sander sie in Göttingen zu neuem, kräftigem Leben gebracht.

Anhang

Kritische Bemerkungen

über Münzers Bewegungen vom 26. April bis zum 15. Mai 1525 und die gleichzeitigen Vorgänge in Nordhausen.

Die Vorgänge in Nordhausen von Ende April bis Mitte Mai 1525 wurden von den Bewegungen Münzers stark beeinflußt; die Feststellung ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge ist zum Teil nicht ohne genaue Kenntnis der Bewegungen Münzers möglich. Die Angaben, die Forstemann in seinem 1855 erschienenen Aufsatz „Nordhausen im Bauernkriege 1525" über Münzers Bewegungen macht, können zum Teil genauerer Kritik nicht standhalten, zum Teil werden sie durch neuere Forschungen und Veröffentlichungen ergänzt und berichtigt. Trotzdem sind sie bis in die neueste Zeit hinein von manchen für richtig gehalten worden und haben zu falschen Darstellungen und Schlüssen geführt. Wir versuchen deshalb, zunächst Münzers Bewegungen vom

26. April bis zum 15. Mai 1525 und dann die gleichzeitigen Vorgänge in Nordhausen zeitlich zu ordnen.

1. Münzers Bewegungen vom 26. Äpril bis zum 15. Mai 1525.

Förstemann macht (S. 79–81) folgende Angaben über Münzers Bewegungen:
26. April: Ausmarsch aus Mühlhausen, erfolgloser Zug vor Langensalza, Nachtlager bei Höngeda.
27. April: (Taten nicht angegeben), Nachtlager bei Görmar.
28. April: Plünderungen in Schlotheim und Volkeroda, Nachtlager wieder bei Görmar.
29. April: Plünderungen in Allmenhausen und Ebeleben, Nachtlager bei Ebeleben.

Bis hierher sind die Angaben glaubwürdig, nur wurde Volkeroda (nach Geh H. S. 178) bereits am 27. April geplündert. Nun aber folgt für die nächsten Tage eine Häufung und Zusammendrängung von Kriegstaten und Bewegungen, die den Tatsachen durchaus nicht entspricht und für den 30. April geradezu ungeheuerlich ist, nämlich:

30. April: Marsch von Ebeleben bis Heiligenstadt (45 Kilometer) unter Plünderung von sieben oder mehr Klöstern und Schlössern ; dann noch am selben Tage Marsch von Heiligenstadt bis Duderstadt (20 Kilometer) unter Plünderung von vier Klöstern und Schlössern.
1. Mai: Rückzug von Duderstadt nach Mühlhausen (40 Kilometer) dazu wohl noch Plünderung von Gernrode.
2. Mai: Ausmarsch von Mühlhausen zu dem zweiten „Hauptfeldzuge", Marsch nach Ebeleben (22 Kilometer), Nachtlager bei Ebeleben.
3. – 5. Mai: Marsch von Ebeleben bis Frankenhausen (32 Kilometer).

Danach wären am 30. April nicht nur 65 Kilometer zurückgelegt, sondern auch 11 Plünderungen ausgeführt worden!

Auch wenn wir keine anderen Beweise dafür hätten, daß Förstemanns Datierungen falsch sind, müßten wir sie wegen solcher Angaben verwerfen. Münzer konnte, wenn er zu Beginn seiner Kriegszüge mit einer kleinen, einigermaßen geordneten Schar ausrückte und erst am Ende des Marsches plündern ließ, ausnahmsweise 20 bis 30 Kilometer vorwärts marschieren. Je mehr aber sein Kriegshaufe anschwoll, desto geringer wurden die Marschleistungen der sich auf schlechten Wegen mit schwerfälligem Troß fortwälzenden, durch Unordnung und Plünderungen aufgehaltenen Menge. Das Zurücklegen von 15 Kilometer in der Vormarschrichtung war für Bauernhaufen schon eine ganz ansehnliche Leistung.

Förstemann verlegt offenbar deshalb so viele Bewegungen Münzers auf den 30. April und 1. Mai, weil er den zweiten Ausmarsch Münzers auf den 2. Mai ansetzen zu müssen glaubt. Dieser Annahme wegen erklärt er (S. 78 Anm. 2) die Angabe, daß Münzer am 4. Mai vom Felde vor Duderstaöt einen Brief an den Grafen Günther von Schwarzburg geschrieben habe, für zweifellos falsch, und meint, der Brief sei wohl vor dem 1. Mai geschrieben. Neuere Forschungen berichtigen Förstemanns Angaben. Münzer legte den Marsch von Ebeleben nach Heiligenstadt nicht am 30. April zurück, sondern traf erst am 2. Mai abends mit etwa 6000 Mann vor Heiligenstadt ein (Zimmermann S. 167, Brand S. 72, Getz S. 166, Franz, Akten S. 403). Daß Heiligenstadt „sich fügen mußte", wie Förstemann sagt, trifft nicht zu. Münzer verweilte einige Zeit vor der Stadt, durfte sie auch mit einigen Begleitern betreten, brachte sie aber nicht zum Anschluß. (Brand S. 72, Geß S. 166, Franz, Bauernkrieg, S. 429). Am 4. Mai wollte er vor Rusteberg ziehen (Geß S. 166), doch gab er diesen Plan auf und marschierte statt dessen nach Duderstadt, wo er am Nachmittage des 4. Mai eingetroffen sein wird. Gegen die Datierung des Briefes vom 4. Mai an den Grafen von Schwarzburg ist also durchaus nichts einzuwenden. Von Duderstadt aus kehrte Münzer über Worbis nach Mühlhausen zurück. Vermutlich verließ er später in Worbis das sich auflösende Bauernheer und eilte mit schwachem Gefolge nach Mühlhausen, wo „man" nach Brand (S. 72) am 6. Mai eintraf, während Zimmermann den Tag nicht anzugeben vermag und Franz, Bk. S. 484 Münzers Zug ins Eichsfeld bis zum 7. Mai dauern läßt.

Der zweite Ausmarsch fand nach Brand (S. 76) am 10. Mai statt, nach Zimmermann (S. 179–80) bereits am 7. Mai. Brands Angabe wird durch Münzers Briefwechsel (S. 116–122) bestätigt, denn am 7., 8. und 9. Mai ließ Münzer noch mehrere Briefe aus Mühlhausen ergehen. In einem derselben sagt er über sein Derweilen dem Sinne nach: „Wir haben über die Maßen zu schaffen, unsere Brüder zu mustern (d. h. in feste Ordnung zu bringen), denn es ist nur ein ungefüges Volk, wenn ein jeder nach Belieben sich wieder entfernen kann." Am 10. Mai schreibt er aus Ammern, 3 Kilometer nördlich Mühlhausen, am 12. aus Frankenhausen.

Wir können deshalb annehmen, daß er am 6. Mai nach Mühlhausen zurückkehrte und am 10. morgens nach Frankenhausen aufbrach. Bei diesem zweiten Auszuge gelangte er nach Förstemann am ersten Tage bis Ebeleben, wo er bei seinem zweiten Auszuge vom 29. und 30. April Nachtlager gehalten hatte. Den ganzen, etwa 54 Kilometer messenden Weg bis Frankenhausen legte er mit seiner kleinen, ausgesuchten Schar trotz der mitgeführten Karrenbüchsen in 2 Tagen zurück. Am 11. Mai abends wird er in Frankenhausen ein getroffen sein, denn am 12. Mai erließ er von dort cm Graf Al- brecht von Mansfeld ein geharnischtes Schreiben, auf das er noch am selben Tage Antwort haben wollte. Das Schreiben muß also schon am Vormittag abgegangen sein.

Der Walkenrieder Bauernhaufe erhielt am 13. Mai von Münzer die Aufforderung, nach Frankenhausen zu kommen. Die Führer des Haufens antworteten darauf sofort: „Sie könnten nicht so eilend Zusammenkommen, denn der Haufe sei von einander, und die Verweser und Diener kämen erst am Sonntag, den 14. wieder zusammen." Am 14. Mai brach der Haufe aber doch noch auf und marschierte bis zur Flarichsmühle bei Nordausen. Am 15. Mai machte die Schlacht bei Frankenhausen dem Kriege ein Ende.

2. Die Vorgänge in Nordhausen vom 29. April bis 15. Mai 1525.

Zur zeitlichen Anordnung der Vorgänge in Nordhausen vom 29. April bis zum 15. Mai 1525 bienten den bisherigen Darstellern vornehmlich 5 von Förstemann (Kleine Schriften) überlieferte Daten:

  1. 29./30. April: erstes Nachtlager Münzers bei Ebeleben (S. 79).
  2. 2./3. Mai: zweites Nachtlager Münzers bei Ebeleben (S. 80).
  3. 3. Mai: Beschluß zur Vereidigung der Geistlichen (S. 87, Anm. 1).
  4. 8. Mai: Abgeordnete des Rats erscheinen vor dem Klostersturm im Predigerkloster (S. 89, 90, 92).
  5. 14./15. Mai: Nachtlager des Walkenrieder Haufens bei der Flarichsmühle (S. 82).

In dem Bestreben, an der Hand dieser 5 Daten eine folgerichtige Schilderung zu geben, kommen die Darsteller zu den verschiedensten Vermutungen über die zeitliche Reihenfolge der Hauptsächlichsten Vorgänge: Ritt Sanders und Helmsdorfs nach Ebeleben, Aufruhr im Altendorf, Befragung der Viertel, Klosterstürme.

Förstemann setzt den Ritt nach Ebeleben auf den 2. oder 3. Mai (S. 80, Anm. 3); er ist im Zweifel, ob er den Aufruhr im Altendorfe mit Münzers Anwesenheit in Ebeleben oder mit dem Walkenrieder Haufen in Verbindung bringen soll (S. 85 Anm. 3), trotzdem er aus S. 85 Anm. 2 ersehen konnte, daß von allen Unruhen die im Altendorf „zuerst" stattfanden; die Befragungen der Viertel „scheinen im Anfänge des Maimonats 1525 gewesen zu sein" (S. 87 Anm. 1), die Klosterstürme „erst in den Tagen zwischen dem 8. und 15. Mai" (S. 92 Anm. 2). Perschmann (Die Reformation in Nordhausen), ganz von Förstemann abhängig, entscheidet sich dafür, den Aufruhr im Altendorfe mit der Annäherung des Walkenrieder Haufens in Verbindung zu bringen, und verlegt ihn aus den 14. Mai (S. 29).

Meyer (Aus Nordhausens Vorzeit) setzt den Ritt nach Ebeleben auf den 30. April (S. 64), die Befragung der Viertel – anscheinend – in die Zeit vom 1. bis 3. Mai (S. 65), die Klosterstürme in die nächsten Tage nach dem 3. Mai (S. 65), den Aufruhr im Altendorfe auf den 15. Mai (S. 65).

Silberborth, dessen meisterhafte Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen unsere aufmerksamste Beachtung verdient, setzt den Aufruhr im Altendorfe auf den 29. April (S. 307), spricht dann von einer Revolution im Rautenviertel (S. 308), dann von Unruhen in der Oberstadt (S. 309), Verhandlungen von Kehner und Münzer bei Ebeleben am 2. oder 3. Mai (S. 309), Befragung der „Viertelsmänner" (S. 309), Klosterplünderungen seit Anfang Mai (S. 310) und einem Unwesen, das der Rat die Stadt ruhig durchtoben ließ, bis die Schlacht von Frankenhausen demselben am 15. Mai ein Ende machte (S. 310). – So annehmend, daß der Rat vom 29. April bis zum 15. Mai, also 17 Tage lang, den Unruhen nicht zu steuern vermochte, und nicht wissend, „wo der schlaue Diplomat Meyenburg in den Tagen des Aufruhrs steckt" (S. 310), kommt Silberborth zu höchst absprechenden Urteilen über den Rat und Meyenburg (S. 307, 309–312).

Die Verschiedenheit der Vermutungen über die Zeitliche Reihenfolge der Vorgänge erklärt sich aus der Unmöglichkeit, an der Hand der 5 Förstemannschen Daten eine klare, durch innere Wahrscheinlichkeit überzeugende Darstellung zu geben. Und diese Unmöglichkeit ist darin begründet, daß 2 von den 5 Daten falsch sind.

Wie wir im ersten Teil unserer kritischen Bemerkungen öar- legten, fand Münzers zweites Nachtlager bei Ebeleben nicht am 2./3. Mai, sondern 8 Tage später, am 10./11. Mai statt. Da dieser späte Termin den übrigen Ereignissen und Zeitverhältnissen nach für Sander und Helmsdorfs Ritt nach Ebeleben nicht in Betracht kommen kann, so muß dieser Ritt zur Zeit des ersten Nachtlagers bei Ebeleben am 20./30. April erfolgt sein.

Das zweite falsche Datum ist der 8. Mai als ein Tag vor dem Klostersturm im Predigerkloster. Dieses Datum wird durch Büschs Bericht vom 4. Mai 1525 (Geß S. 166), der die Ereignisse der letzten Tage völlig klargestellt, gründlich widerlegt: alle Klöster in Nordhausen sind in den letzten drei Tagen geplündert, Meyenburg war bei dem Mühlhäuser Heer vor Heiligenstadt und ist am 4. Mai morgens zurückgekehrt, das Mühlhäuser Heer hatte am 4. Mai vor Rusteberg sein wolle n. Nach Ausmerzung der beiden falschen Daten können wir nun folgende als richtig einsetzen:

29. oder 30. April: Ritt nach Ebeleben und Aufruhr im Altendorf.
30. April: Befragung der Viertel.
1. – 3. Mai: Klosterstürme, deren folgerichtigen Abschluß der Beschluß vom 3. Mai zur Vereidigung der Geistlichen bildet.

Zu den Vorgängen in Nordhausen nach dem 4. Mai ist dann noch folgendes anzuführen:

Am 6. Mai fordert der Langensalzaer Haufe die Stadt Weißensee zum Anschluß auf und droht mit dem Mühlhäuser Haufen, der auf dem Eichsfelbe viele Schlösser gestürmt habe und jetzt gegen Nordhausen ziehen oder schon davor liegen würde (Geß S. 187).

Am 7. Mai bittet der Amtmann zu Sangerhausen den Nordhäuser Rat um Hilfe gegen die bei Frankenhausen liegenden Bauern, „da ich glaublich erfahre, daß ihr zu Nordhausen 200 oder mehr Knechte habt" (Förstemann S. 91–92). Er hält also Nordhausen für sehr gut gesichert. Am 8. Mai schlägt der Rat dem Amtmann die Bitte ab, „da wir wegen desselben Volks auch in großer Not stehen" (Förstemann S. 92). Der Rat meint hiermit zweifellos äußere Feinde, insbesondere den Mühlhäuser Haufen, nicht aber Aufrührer in der Stadt.

Als sich der Mühlhäuser Haufe auf dem Eichsfelde aufgelöst hatte und Münzer nach seinem zweiten Ausmarsche von Ebeleben aus nicht nach Nordhausen weitermarschiert sondern nach Frankenhausen abgezogen war, befand sich die Stadt außer ernstlicher Gefahr.

Der Umstand, daß Münzer weder vom Eichsfelde aus noch bei seinem zweiten Ausmarsch etwas gegen die Stadt unternahm, spricht für die gute Ordnung in dieser. Wäre sie von lange andauernden und dabei naturgemäß immer stärker werdenden Unruhen durchtobt gewesen, so wäre sicher ein Handstreich gegen sie versucht worden, denn der Gewinn ihres Geschützes war für die Bauern von allergrößter Wichtigkeit.

Als der Walkenrieder Haufe am 14. Mai an der Flarichsmühle Halt machte, wußte er, daß er nichts gegen die Stadt ausrichten konnte, und ließ sie beim Weitermarsch in respektvoller Entfernung links liegen.

Auf Grund unserer Ermittelungen und Schlüsse sind wir zu einer wesentlich anderen Darstellung der Ereignisse und einer günstigeren Beurteilung des Rats und besonders Meyenburgs gelangt als Silberborth. Die Darlegung unserer Gründe hielten wir für eine Dankespflicht gegen diesen Forscher, der als erster das gewaltige Werk einer umfassenden und gründlichen Geschichte der Reichsstadt Nordhausen unternommen und glücklich zustande gebracht hat.

Auf eine größere Anzahl von ungenauen oder unzutreffenden Angaben, die wir vornehmlich in älteren Nordhäuser Schilderungen bemerkten, kann hier nicht eingegangen werden, nur zweier Verwechslungen, die den Aufrührer Hans Sander betreffen, sei gedacht. In dem von Oßwald (Nordhäuser Kriminal-Akten, S. 12 bis 15) mitgeteilten, nach Förstemann (S. 85) auf Prozeßakten gegründeten Aufruhrbericht, heißt es (S. 13), „Hans Kehner" sei mit seinem Bruder nach Ebeleben geritten, – eine Angabe, die Silberborth (S. 309) übernommen. Ferner sagt Förstemann (S. 86), „Sander sollte beim Rolande kochen". Beide Angaben sind falsch. In dem Original des Bekenntnisses Hans Sanders im Nordhäuser Stadtarchiv (H M. A. 10) wird dreimal erwähnt, daß Hans Sander mit seinem Stiefbruder Berlö Helmsdorf nach Ebeleben geritten sei, während von einem Ritt Kehners nichts verlautet, und außerdem heißt es darin: „Berlt (Helmsdorf) wolt beym Ruland kochen."

Quellen und Literaturverzeichnis

A. Quellen

  • Nordhäuser Stadtarchiv: I. Einzelurkunden: J 45, L c 37, N c 3, N i 28, O b 11, 21. 31. 35. 36. P a 6a. – II. Bücher, Akten, Briefe: Album civium, L 12, 13 (Rottenverzeichnisse, Bestellung der Türme und Tore, Rechnungen von Schoßherren und Pfeilmeistern), M a 10 (Bekenntnis Hans Sanders), N a 18 (Fehde- und Sühnebuch), O a 10 (Domstift), O b 1 (Frauenbergkloster), O d 1 (Barfüßerzins), S a 1 . 2 (Schultheißenamts-Registraturen), U a 1 (Knochenhauer-Innung), U c (Wollenweber-Gesetze), W a 1.2 a. 2 b (Erbbücher), X (Schatzung 1551), X d 1.5 (Ackerzinsbücher), X e 1.2 (Ratsämterbücher), X e 8 (Ratsherren, Stadtschreiber, Handwerksmeister), X M 8 (Spende-Register), Y b 1 a. b. c. (Ratshandelsbücher), Z a 5 (Frommannsche Sammelbände), Z a 6 (Reinhardtsche Sammelbände), Marstallordnung.
  • Hauptstaatsarchiv Dresden: Cop. 112 (Büschs Ernennung 1510), Cop. 124.125.128 (Gebrechen zwischen Schultheiß und Rat 1516–17), III 113 (Verdacht lutherischer Lehre 1525), III Loc. 8959 (Kreuzstift 1565).
  • Göttinger Stadtarchiv: Kämmereibuch 1560/61.

B. Literatur

  • Böhmer und Kirn, Thomas Müntzers Briefwechsel. Leipzig und Berlin 1931.
  • Brand, Der deutsche Bauernkrieg. Jena 1929.
  • Förstemann, Geschichte der Stadt Nordhausen. Erste Lieferung nebst Nachträgen. Nordhausen (1827–40).
  • Förstemann, Lessers Historische Nachrichten von der freien Stadt Nordhausen, umgearbeitet und fortgesetzt. Nordhausen 1860.
  • Förstemann, Kleine Schriften zur Geschichte der Stadt Nordhausen. Nordhausen 1855.
  • Franz, Akten zur Geschichte der Bauernkriege in Mitteldeutschland. Band I, 2. Abt. Leipzig und Berlin 1934.
  • Franz, Der deutsche Bauernkrieg. München und Berlin 1933.
  • Geß, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen. I. Bd. (1517–24) Leipzig 1904, II. Bö. (1525 bis 1527) Leipzig und Berlin 1917.
  • Heineck, Nordhausen 1559. (Nordhausen 1895).
  • Kindervater, Gloria templi Blasiani. Nordhausen 1724.
  • Kindervater, Nordhusa illustris. Wolfenbüttel 1715.
  • Lemcke, Die Nordhäuser Patrizierfamilie Ernst, in der Zeitschrift des Harzvereins Bö. 18. Wernigerode 1885.
  • Lesser, Historische Nachrichten von der Freyen Stabt Nordhausen. Frankfurt und Leipzig 1740.
  • Leuckfeld, Antiquitates Walkenriedenses. Leipzig und Nordhausen 1706.
  • Merx, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland. 1. Abt. (27. 3. – 27. 4. 1525). Leipzig und Berlin 1923. Merx, Thomas *Münzer und Heinrich Pfeiffer 1523–1525. Teil 1 (23. 4. 1525). Göttingen 1889.
  • Meyer, Aus Nordhausens Vorzeit. Nordhausen 1927.
  • Meyer, Die Reichsstadt Nordhausen als Festung, in der Zeitschrift des Harzvereins Bd. 21. Wernigerode 1888.
  • Meyer, Festschrift zur 36. Hauptversammlung des Harzvereins. Nordhausen 1887.
  • Meyer, D. Justus Jonas. Nordhausen 1893.
  • Meyer, Michael Meyenburg. Nordhausen o. I.
  • Otzwald, Nordhäuser Kriminal-Akten von 1498 bis 1657. Halle 1891.
  • Perschmann, Die Reformation in Nordhausen. Halle 1881. Sander, Kurze Nachrichten über das Ratsgeschlecht Sander. Leipzig 1913.
  • Schäfer, Johannes Sander von Northusen, Notar der Rota und Rektor der Anima. Rom 1913.
  • Schäfer, Deutsche Notare in Rom, im Historischen Jahrbuch 1912. Schmidlin, Geschichte der deutschen Nationalkirche in Rom S. Maria bell' Anima. Freiburg und Wien 1906.
  • Silberborth, Geschichte der Freien Reichsstadt Nordhausen, in „Das tausendjährige Nordhausen". Nordhausen 1927.
  • Spangenberg, Mansfeldische Chronica. Eisleben 1572.
  • Strieder, Die Inventur der Firma Fugger aus dem Jahre 1527. Tübingen 1905.
  • Translatio S. Alexandri, in Monuments Germaniae Historica II.
  • Zimmermann (Joachim), Thomas Münzer. Berlin 1925.

Anlage 1: Stammtafel

Anlage 2: Plan von Nordhausen um 1500


  1. Mitglied des Veiererausschusses zur Beaufsichtigung der Stadtverwaltung.