Die Reichsstadt Nordhausen als Festung

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Textdaten
Autor: Karl Meyer
Titel: Die Reichsstadt Nordhausen als Festung
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aus: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde, 21. Jg., 1888
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Erscheinungsdatum: 1888
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Digitalisat: thulb.uni-jena.de
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Die Reichsstadt Nordhausen als Festung.

I. Befestigung

Der Nordhäuser Geschichtsverein hatte mit Rücksicht darauf, daß in diesem Jahrhundert viele Türme und Mauern der alten Stadtbefestigung beseitigt worden sind, und daß der Einwohner, welche noch Kunde von dem Standorte und der Beschaffenheit dieser beseitigten Befestigungsteile geben können, immer weniger werden, den Beschluß gefasst, die alten Stadtbefestignngen durch eine Kommission besichtigen und aufnehmen zu lassen. Die eingesetzte Kommission, aus den Herren: Erstem Staatsanwalt v. Wille, Stadtrat und Baumeister Gerns, Rentiers Hermann Arnold, Oßwald, Weber und Wiecker und Volksschullehrer Karl Meyer bestehend, hat sich in, Jahre 1882 der Aufgabe unterzogen und benutzte als Führer ein von Herrn Oßwald überreichtes, von seinen, Großvater verfaßtes Manuskript, welches 3 Verzeichnisse der Nordhäuser Festungstürme und Zinnen aus den Jahren 1484, 1524 und 1801 enthielt.

Nachdem die Besichtigung vollendet und die Ergebnisse der angestellten Untersuchung in einen großen Stadtplan eingetragen worden, hielt der Verfasser in einer Sitzung des städtischen Geschichtsvereins Vortrag über die Ergebnisse der Arbeiten der Kommission und erhielt vom Vereine den Auftrag, einen ausführlichen Bericht „über die Befestigungen der Reichsstadt Nordhausen" auszuarbeiten und dem Verein vorzulegen. Dieses Auftrags will er sich durch nachfolgende Abhandlung entledigen, zu welcher er außerdem auch ein im Stadtarchiv verwahrtes Manuskript in Oktav, „Rechnung der Pfeilmeister, Bestellung der Türme, Verzeichnis der Geschütze und der Bürgerrotten" enthaltend, und eine größere Anzahl Nachrichten des Stadtarchivs und der Ratsbibliothek benutzte.

Im Anfänge des 10. Jahrhunderts gründete der städte- und burgenbaueude König Heinrich I. neben dem alten thürinigischen Dörfchen Northusen auf der Bergeshöhe einen Königshof (hauptsächlich Wirtschaftsgebäude enthaltend), eine Burg und eine Stadt. Letztere lehnte sich an die beiden ersteren, welche die Südwest- und Nordwestecke schützten, an und umfaßte das heutige Markt- oder St. Nikolai-Viertel. Die Ost- und Nordgrenze dieser alten Stadt wurde wohl durch eine Stadtmauer nebst davorliegendem Wallgraben gebildet. Den bei verschiedenen Erdarbeiten aufgefundenen Spuren zufolge hat sich diese älteste Stadtmauer gezogen in der Neuen Straße und in der Rautenstraße hinauf bis zum Töpfermarkte im Osten des jetzigen Rathauses; hier befand sich jedenfalls das einzige Thor der ältesten Stadt. Von diesem lief die Mauer an der Westseite des Kornmarktes hin, bog dann westwärts und lief an der Nordseite der Kranichstraße (auf dem Pferdemarkte sind ebenfalls Spuren dieser Mauer aufgefunden worden) weiter fort bis zur Burg. Der Lauf der ältesten Stadtmauer im Süden und Westen der ältesten Stadt fiel mit der jetzigen zusammen. Gleichzeitig mit der ältesten Stadt Nordhausen wurde der künstliche Zorgekanal angelegt und dicht unter den: Stadtberge hingeleitet.

Neben der alten Stadt König Heinrichs entstanden im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts zwei Vorstädte, zuerst die am Petersberge mit der Pfarrkirche St. Petri und später die vor dem Hagen, welche zwischen 1220 und 1234 die St. Blasiikirche als Pfarrkirche erhielt. Diese beiden Vorstädte wurden, nachdem Kaiser Friedrich II. die Stadt Nordhausen zur Reichsstadt erhoben, mit der Altstadt vereinigt, wobei an Stelle des alten Marktplatzes (jetzt Kohlmarkt, früher Holzmarkt [„forum lignorum“] genannt) an der Ecke, wo Altstadt, Petri- und Blasiiviertel zusammenstießen, als neuer Mittelpunkt der Kornmarkt [„forum granorum“] angelegt wurde. Zwischen den Jahren 1220 und 1234 wurde um die so vereinigte Stadt, hauptsächlich wohl auf Anordnung des Königs Heinrich VII., des unglücklichen Sohnes Kaiser Friedrichs II., der sich längere Zeit hier aufhielt, die heutige Stadtmauer erbaut. Einigen bei Nord- hausen gelegenen, anscheinend ursprünglich dem Reiche gehörigen Dörfern war die Pflicht auferlegt, von jeglichem Pfluge jährlich auf Pfingsten ein Fuder Steine zur Ausbesserung der Stadtmauer nach Nordhausen zu liefern: Aus dem Dorfe Ryterode (liegt jetzt wüst südlich bei Großwerther) mußten 4, aus Steynse 4, aus Wenigen Weisungen 9, aus Hesserode 4, aus Hornungen (Hörningen) 6, aus Sunthusen 24, aus Hochstete 8 und aus Herriden 4 Fuder Steine geliefert werden. Außerdem hatte ein Einwohner aus Werther (1308 Heinricus Jacobi de Werthere) ein halbes Schock große Steine nach Nordhausen zu fahren. Möglicherweise ist den genannten Dörfern diese Pflicht bereits vorn König Heinrich I. auferlegt worden. Nach Entstehung der westlichen Vorstädte am Ende des 13. Jahrhunderts scheint in der westlichen Stadtmauer ein neues Thor, das Neuewegsthor, erbaut worden zu sein. Es wurde seitdem die Stadt nach den vier Thoren in 4 Viertel eingeteilt (1310: das Neuewegsviertel „quartale novae viae“, das Töpferviertel