Die Pest in der Grafschaft Hohenstein: Unterschied zwischen den Versionen

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{{idt2|25}}Von all den Seuchen, welche die Grafschaft Hohenstein im Laufe der Zeit heimgesucht haben, ist dem Lande keine so verderblich geworden wie die Beulenpest. Zu vielen Malen ist sie hier eingekehrt, bis sie im Jahre 1683 für immer daraus verschwand. 1348-50 leerte sie unter dem Namen „Der schwarze Tod" ganze Städte und Dörfer, so daß die Haustiere herrenlos im Felde umherliefen. 1450 raffte sie 28 000 Menschen allein in Erfurt hin und 1472-74 verödete sie wiederum ganze Ortschaften. Grauenhaft wütete die Pest etwa 100 Jahre später; 1550 starben in Nordhausen 2500 und im Jahre 1565 erlagen ihr 250 000 Menschen in Thüringen. Anno 1598 starben in Benneckenstein und Ellrich die Hälfte aller Bewohner daran. Die Behörden sperrten die verseuchten Orte ab, aber trotzdem drang die Seuche nach Süden vor und ergriff die meisten Dörfer der Grafschaft. So wird uns im Kirchenbuche von Großbodungen berichtet, daß im Sommer des Jahres 1598 „wider der Obrigkeit Verbot" die Pest aus sterbenden Ortschaften am Harz in unsere Gegend eingeschleppt wurde und in Großbodungen 149 und in Wallrode, das im ganzen 280 Personen zählte, 87 Personen dahinraffte. Manche Familien waren völlig ausgestorben, Eltern, Kinder und Dienstboten. In Großfurra erlagen der Seuche 133 Einwohner und Holzengel war fast menschenleer geworden.
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{{idt2|25}}Noch mögen aus jener Zeit zwei Rezepte, die ich auf den Einbanddeckel eines alten Buches geschrieben fand, wörtlich mitgeteilt werden:
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Version vom 17. Januar 2020, 12:44 Uhr

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 Von all den Seuchen, welche die Grafschaft Hohenstein im Laufe der Zeit heimgesucht haben, ist dem Lande keine so verderblich geworden wie die Beulenpest. Zu vielen Malen ist sie hier eingekehrt, bis sie im Jahre 1683 für immer daraus verschwand. 1348-50 leerte sie unter dem Namen „Der schwarze Tod" ganze Städte und Dörfer, so daß die Haustiere herrenlos im Felde umherliefen. 1450 raffte sie 28 000 Menschen allein in Erfurt hin und 1472-74 verödete sie wiederum ganze Ortschaften. Grauenhaft wütete die Pest etwa 100 Jahre später; 1550 starben in Nordhausen 2500 und im Jahre 1565 erlagen ihr 250 000 Menschen in Thüringen. Anno 1598 starben in Benneckenstein und Ellrich die Hälfte aller Bewohner daran. Die Behörden sperrten die verseuchten Orte ab, aber trotzdem drang die Seuche nach Süden vor und ergriff die meisten Dörfer der Grafschaft. So wird uns im Kirchenbuche von Großbodungen berichtet, daß im Sommer des Jahres 1598 „wider der Obrigkeit Verbot" die Pest aus sterbenden Ortschaften am Harz in unsere Gegend eingeschleppt wurde und in Großbodungen 149 und in Wallrode, das im ganzen 280 Personen zählte, 87 Personen dahinraffte. Manche Familien waren völlig ausgestorben, Eltern, Kinder und Dienstboten. In Großfurra erlagen der Seuche 133 Einwohner und Holzengel war fast menschenleer geworden.

 Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wissen wir nur wenig über die Verbreitung der Pest in unserer Gegend; nur einige Orte, die von ihr heimgesucht wurden, sind uns bekannt. Erst mit dem Anfänge des 17. Jahrhunderts beginnt sich das Dunkel zu lichten, wenn auch anfänglich nur in bescheidenem Maße. Und das ist ja auch erklärlich, denn die meisten hohensteinischen Kirchenbücher aus jener Zeit sind während des 30jährigen Krieges verloren gegangen und nur wenige gerettet worden, wie beispielsweise die von Kehmstedt Oberdorf, Mitteldorf, Pustleben, Nohra, Möhra, Hainrode, Niedergebra. Diese Zahl der alten Kirchenbücher ist ja immerhin nicht unerheblich und wenn die Geistlichen jener Zeit nur etwas schreibseliger gewesen wären, konnten wir uns über den Verlust der übrigen trösten. Leider jedoch haben sich die Herren nur auf die allernotwendigsten Angaben beschränkt, und so müssen wir uns an dem geringen Material genügen lassen, das sich bis zur Stunde erhalten hat. Am relativ reichhaltigsten habe ich das Kirchenbuch meines Heunatortes Niedergebra gefunden und es daher der Arbeit zugrunde gelegt, und da die Krankheit zweifellos an andern Orten ebenso verlaufen ist wie hier, können wir uns ein allgemeines Bild von ihrem Verlaufe machen.

 Die erste Pest, die das Niedergebraische Kirchenbuch erwähnt, fällt in das Jahr 1611. In diesem Jahre nämlich hatte der Einwohner Christian Erbsmehl die Seuche von Nordhausen her eingeschleppt, und es waren 53 Personen, nämlich 10 Männer, 8 Frauen und 35 Kinder, daran gestorben. Hütte man gehofft, daß die Krankheit bei anbrechendem Winter verschwinden werde, so sah mau sich getäuscht, denn gerade in den Monaten Oktober bis Dezember wurden die meisten Opfer dahingerafft, darunter auch Erbsmehl selbst mit drei Geschwistern. Wie weit die Seuche damals verbreitet war, läßt sich nicht mehr ermitteln; immerhin aber ist bekannt, daß ihr in Oberdorf 96, in Wülfingerode 6, in Großfurra 223, in Holzsußra 150 und in Hainrode 9 Personen, darunter 7 Kinder erlagen. Daß auch in Bleicherode zu gleicher Zeit die Pest grassierte, erfahren wir aus dem Hainröder Kirchenbuch, in dem erwähnt wird, daß am 8. Oktober gedachten Jahres dort ein Mann der Seuche erlegen ist. In Großfurra schleppte sich die Seuche auch noch in das folgende Jahr hinüber. Dann trat eine größere Pause ein.

 Einen weit größeren Umfang hatte die Pest von 1625-26; während des ganzen 17. Jahrhunderts ist sie niemals verheerender und schrecklicher aufgetreten als in den beiden Jahren. Keine Stadt, kein Dorf, ja nicht einmal ein einsam liegendes Gehöft ist von ihr damals verschont geblieben und wenn alte Leute heute noch von der Pest zu erzählen wissen, meinen sie gewöhnlich „das große Sterben" in den Jahren 1625-26. Doch betrachten wir einmal näher, wie die Seuche in Gebra verlief!

 Wie sie 1625 ins Dorf gekommen ist, läßt sich auch nicht einmal mit annähernder Gewißheit feststellen; vermutlich aber wird sie durch plündernde Soldaten oder bettelndes Gesindel eingeschleppt worden sein. Bleicherode, Kehmstedt, Ober- und Mitteldorf, Pustleben, Großwerther, Mörbach, Wülfingerode und andere Orte waren schon von der unheimlichen Seuche ergriffen worden, allein man sperrte sich gegen die verseuchten Orte nach Möglichkeit ab, was ja bei dem geringen Verkehr der damaligen Zeit sich ungleich leichter bewerkstelligen ließ, als dies heutzutage der Fall sein würde, und überdies beobachtete jeder möglichst große Vorsicht beim Begegnen mit fremden Personen. Auf solche Weise erklärt es sich, daß Niedergebra, inmitten von bereits verseuchten Ortschaften, dennoch eine geraume Zeit den schrecklichsten aller Würgengel von sich fern zu halten wußte. So wird erzählt, daß, während ein Gebraischer Landmann am Galgenberge pflügte, ein Knabe aus Bleicherode zu ihm kam und vor Hunger um ein Stück Brot bat. Der freundliche Mann war auch gern bereit, der Bitte zu willfahren und legte nun das Brot in der Furche nieder, doch mußte der Kleine, bevor er die Gabe ergreifen durfte, warten, bis sich jener vom Acker entfernt hatte. Doch was half schließlich alle Absperrung und Vorsicht. Die tückische Krankheit mußte ja doch schließlich den Weg ins Dorf finden und hat ihn denn auch bald genug gefunden.

 Bis in den Juli des Jahres 1625 hinein überstieg die Anzahl der Todesfälle nicht die gewöhnliche Ziffer, dann aber begann die Seuche allmählich ihre Opfer zu fordern. Im August starben 11, im September schon 22 und im Oktober bereits erreichte die Krankheit ihren Höhepunkt; es wurden in diesem Monat allein 57 Personen dahingerafft, nur 4 Tage waren frei von Todesfällen. Während noch im November 40 Personen starben, sank die Ziffer im Dezember auf 10 herab. Im ganzen also hatten in dem verflossenen Halbjahre 155 Bewohner durch die Pest ihren Tod gefunden. Gegen den Schluß des Jahres schien es dann, als habe der schreckliche Würgengel sein grausiges Geschäft vollendet; allein im folgenden Frühjahre kehrte er wieder, um noch einmal feine Ernte zu halten. Besonders wurde die Seuche durch die Hitze im August und September wieder von neuem verbreitet und auch in diejenigen Häuser getragen, die bis dahin verschont geblieben waren. In den beiden Monaten meldet das Kirchenbuch 40, im ganzen Jahre 114 Sterbefälle. Im November endlich hatte die Krankheit ausgerast und verschwand aus dem Dorfe. Es waren in den beiden Jahren 1625 und 1626 259 Personen gestorben, nämlich 58 Männer, 61 Frauen und 140 Kinder. Wie man sieht, wurden hauptsächlich Kinder dahingerafft, eine Erfahrung, die man auch an andern Orten machte.

 Unter den Gestorbenen sind zu erwähnen: Kaspar Kuhn aus Wülfingerode, Kaspar Nebelung aus Kleinberndten, ein armes Kind aus der Fremde, ein Soldat, der zur Salva Guardia oder Schutzwache gehörte, und ein Landsknecht von der Tillyschen Armee. Den Beschluß des Jahres 1625 machte der Eseltreiber in der Untermühle. Im folgenden Jahre starb ein Mägdlein aus Kleinberndten, ein Soldat wurde auf einer Scheune tot aufgefunden und ein anderer stürzte entseelt auf der Straße nieder. Hans Sauer gab seinen Geist auf, nachdem er in der Schenke Erbsensuppe gegessen hatte. „Zuletzt", berichtet das Kirchenbuch, „ist auch der ehrwürdige, wohlgelahrte Ehrn Kaspar Richter, gewesener Pfarrherr in dieser Gemeinde, in Gott selig entschlafen und am folgenden Tage christlich zur Erde bestattet worden." So war auch der fromme Seelsorger in pflichttreuer Hingabe an seinen Berns der unersättlichen Seuche zum Opfer gefallen, nachdem er vielen Gemeindegliedern mit Rat und Tat unter Daransetzung des eigenen Lebens in deren letzten Stunden beigestanden hatte. — Vor dem dreißigjährigen Kriege zählte Gebra etwa 450 Einwohner, so daß es nun nicht ganz deren 200 noch aufzuweisen hatte.

 In Windehausen nahm die Seuche einen ähnlichen Verlauf. Am 8. Juli 1626 forderte sie ihr erstes Opfer und von Stunde an starben die Menschen dahin Tag für Tag, jung und alt. Im August und September erreichte das Sterben seine furchtbarste Höhe. Es verging beinahe kein Tag, an dem nicht einige Bewohner starben; es wurden 5, 6, auch 8 und 10 Personen, ja am 27. August sogar 13 Personen in einem Tage begraben. Im ganzen fielen der Pest in diesem Jahre 283 Einwohner zum Opfer, das sind etwa 45 Prozent der jetzigen Bewohnerzahl. („Aus der Heimat.")

 Die Krankheit soll nach den Berichten eines Augenzeugen in folgender Weise verlaufen sein: Sie begann mit heftigen Fieberschauern, die den Kranken vom Kopfe bis zu den Füßen rüttelten und schüttelten und etwa eine Stunde von fünf zu fünf Minuten eintraten. Nach Verlauf dieser Zeit befiel den Kranken eine unerträgliche Fieberhitze und rasender Kopfschmerz. Die Adern schwollen an, der Puls schlug schneller, bis die Körperwärme einen so ! hohen Grad erreicht, daß der Kranke von Krämpfen und Ohnmächten ergriffen wurde und die furchtbarsten Schmerzen auszustehen hatte. Dann wurden plötzlich die Glieder starr und kalt, der Kranke konnte sich nicht mehr bewegen nnd ließ nur hier und da ein klägliches Gewimmer vernehmen. Nach diesem zweiten Krankheitsstadium nun, das indessen nicht lange dauerte und schon die Anzeichen des Todeskampfes offenbarte, zeigte sich in dem fast gänzlich erstarten Körper das Leben nur noch durch schweres Atemholen, bis dann die schnell überhandnehmende Erschöpfung zu einen: mehr als qualvollen Tode führte. Nun bedeckte sich der Körper mit großen Pestbeulen, die sich rasch ausdehnten und den Leichnam in kurzer Zeit zerfetzten, oft aber zeigten sich diese Beulen unter den Armen und an den Leisten schon vom Beginn der Krankheit an.

 Nur wenige der Unglücklichen, die von der Pest befallen waren, kamen mit dem Leben davon, in der Regel solche, welche gleich zu Anfang der Krankheit in heftigen Schweiß gerieten. Von der sogenannten blutenden Pest ward überhaupt niemand hergestellt.

 Vor dem Ausbruche der Krankheit entfärbten sich die Gesichter der Betroffenen. Manche sielen in Raserei und wüteten wie toll gegen die Hausgenossen, andere stürzten, wie vom Schlage gerührt, plötzlich tot zur Erde nieder. Der Leichnam nahm in den meisten Fällen eine schwärzliche Farbe an. In Kehmstedt, wo die Pest 1626 84 Menschen dahinraffte, waren die schwarzen Leichen den Leuten so zum Abscheu geworden, daß man sie auf Tragbahren nach dem Kirchhofe schleifte. Als man im Jahre 1850 bei dem Umbau der Kirche auf ein solches Pestgrab stieß, fand man noch etwa ein Dutzend kohlschwarzer Schädel.

 Betrachten wir einmal das Leben in jenen Tagen! Durch Soldaten oder fahrendes Gesindel war die Pest nach Gebra gebracht worden. Traten die Krankheitsfälle anfangs auch nur vereinzelt auf, so wußte man doch aus Erfahrung, daß eine allgemeine Verbreitung gewiß und bald folgen werde. Der herzogliche Landesvater in Wolfenbüttel konnte sich um die entfernte Grafschaft Hohenstein nicht kümmern, denn er selber war durch Tilly in äußerste Bedrängnis geraten, und der Amtmann Johann Mengewein auf Lohra hütete sich wohl, in das verseuchte Dorf zu kommen, um dort, wie es seine Pflicht gewesen wäre, helfend und rettend einzugreifen. Somit war die Gemeinde ganz allein auf sich angewiesen, denn auch die umliegenden Ortschaften waren schon größtenteils von der Pest heimgesucht. Sobald ein Krankheitsfall in einem Hause eintrat, ließ der Schulze ein schwarzes Papier- kreuz an die Tür heften, und das war das Zeichen, daß es niemand betreten durfte. Seine unglücklichen Bewohner aber waren damit von allem menschlichen Verkehr abgeschlossen. Selbstverständlich wagte sich kein Mensch in ein solches Haus hinein, auch wenn es die nächsten Blutsverwandten betraf. Mitleidige Nachbarn stellten dann wohl einen Tops mit Speise vor die Tür, und die armen Bewohner fristeten damit ihr elendes Leben. Als aber die Seuche mit reißender Schnelligkeit um sich griff und fast Haus bei Haus Kranke beherbergte, da sah es schlimm genug ans, zumal auch die Ernte nur wenig Ertrag geliefert hatte. Da wagte es nur der treue Pfarrer, auf des Allmächtigen Schutz bauend, die Kranken zu trösten, unablässig vom Morgen bis zum Abend, Tag für Tag, Woche für Woche, bis er selber der schrecklichen Seuche zum Opfer fiel.

 Anfangs wurden die Leichen noch in Särgen bestattet, als aber die Todesfälle sich häuften und öfter 4-5, ja einmal sogar 6 Menschen an einem Tage starben, wickelte man sie in Tücher und legte sie am Abend einfach in ein gemeinsames Grab, das mitleidige Freunde gegraben hatten. In Pustleben wurden einmal 9 Leichen in ein gemeinsames Grab gelegt. Da wurde der Raum um die Kirche herum bald zu eng, sodaß man oft frische Gräber wieder öffnen mußte.

 Wie viel Menschen in Deutschland in jener Zeit der Pest erlegen sind, wissen wir nicht, aber bekannt ist, daß mitunter ganze Ortschaften ausstarben und in anderen die Einwohnerzahl auf kleine Bruchteile herabsanken. In Oberdorf starben 82, in Kehmstedt 84, in Mitteldorf 71, in Pustleben 17l, in Wülfingerode 137, darunter der Pastor Richter mit 8 Kindern, in Stöckey 199, und in Mörbach soll nur eine Bauernfamilie übrig geblieben sein. Stolberg verlor 1626: 623, Heringen 452, Sondershausen 460, Worbis 225, Nordhausen 3282, Windehausen 283, Wallhausen 473 Personen. Die Orte Clingen und Greußen sind damals fast ausgestorben. Als man im Frühjahre 1905 das Schulgrundstück in Limlingerode ausschachtete, fand man den Zeitungsnachrichten zufolge 40 Skelette unter der Erde eingebettet, die wahrscheinlich aus jener Pestzeit herstammen, denn weder in den Freiheitskriegen noch im 7jährigen Kriege sind in der Grafschaft nennenswerte Kämpfe erfolgt, sodaß nur jene Annahme übrig bleibt. Ebenso wird die Pest 1625 in Hainrode an der Hainleite grassiert haben. Zwar haben wir kein schriftliches Zeugnis dafür, denn die Sterberegister von 1616—1661 fehlen; wir schließen es aber aus dem Umstande, daß das Kirchenbuch für das folgende Jahr nur zwei Geburten verzeichnet, und eine solche niedrige Ziffer ist doch nur möglich, wenn die Einwohnerschaft vorher dezimiert worden ist. Das aber wird zweifellos durch die Pest geschehen sein. In Kleinfurra betrug 1626 die Zahl der Todesfälle bis zum 13. Oktober 124. Im August war die Sterblichkeit besonders groß, nur 4 Tage waren frei davon; an einigen Tagen starben 4 Personen; da mit dem 13. Oktober das Sterberegister abbricht, dürfen wir annehmen, daß die Zahl der Opfer noch erheblich größer gewesen sein wird.

 Welche Mittel gebrauchte man nun gegen die entsetzliche Seuche? In der Tat war man auf diejenigen beschränkt, welche die eigene sowie die in den Nachbarorten gemachte Erfahrung an die Hand gab. Freilich hatte man überall die Beobachtung gemacht, daß in nicht wenigen Füllen diejenigen Häuser fernerhin von der Pest verschont blieben, aus denen man die Kranken rechtzeitig entfernte. Aber wohin mit den Erkrankten? Hätte man die ohnehin bedauernswerten Opfer aufs Geratewohl ins Elend jagen sollen? So mußten schon die Kranken bleiben, wo sie waren, und die traurige Folge war die Ansteckung der Gesunden. Durch alte Kleidungsstücke und Betten wurde die Seuche weiter verbreitet. Einsichtsvolle Leute, sogar der Pastor von der Kanzel, ermahnten dringend, diese Hinterlassenschaft der Toten sofort zu verbrennen, aber Eigennutz und Unverstand sträubten sich oft dagegen.

 Was nun die wider die Pest angewandten Mittel und Schutzmaßregeln anbetrifft, so läßt sich nach den Ueberlieferungen und Erzählungen alter Leute folgendes mitteilen: In den Häusern weißte man die Stuben mit Kalk, besprengte sie mit Essig, verbrannte darin Schwefel und Wachholderbeeren, zündete auf den Straßen frische Tannen- und Wachholderzweige an, ja, man räucherte sogar die Kirche etlichemal aus, da man meinte, daß die Seuche vornehmlich durch die Luft weiter verbreitet würde. Innerlich wurden Abkochungen von Baldrian, Schöllkraut, Wermut, Enzian, Hollunder, Pestilenzwurz (Huflattich), Noten Heinrich, Wachholder usw. sowie auch Pestilenzpillen gebraucht. Bor der Ansteckung suchte man sich dadurch zu sichern, daß man Knoblauch, Zitronenschale oder Lorbeerblätter in den Mund nahm oder auch ein in Essig getränktes Tuch vor das Gesicht band. Kranken Pflegte man ein frisches warmes Brot, das mit Branntwein durchzogen war, auf den Leib zu binden; auf die Pestbeulen legte man Hühner oder Tauben, denen die Federn am Hinterkörper ausgerupft waren, mit dem entblößten Teile, damit sie das Gift herausziehen sollten. Ja, in Mörbach rissen die Leute nach den Mitteilungen einer alten Frau, sogar lebendige Hühner bei den Beinen auseinander und legte sie den Kranken um den Hals, denn die frische Blutwärme sollte ein unfehlbares Mittel gegen die Pest sein.

 Noch mögen aus jener Zeit zwei Rezepte, die ich auf den Einbanddeckel eines alten Buches geschrieben fand, wörtlich mitgeteilt werden: