Die Gypsindustrie Ellrichs

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 Um den wichtigsten Industriezweig Ellrichs, die Gypsfabrikation, verstehen zu können, müssen wir vorher einen Blick auf die eigenartige geologische Gestaltung Ellrichs und seiner Umgebung werfen.

 Die bei Ellrich befindlichen Formationen sind außer Grauwacke die Formation des Notliegenden, die Zechsteinformation und der bunte Sandstein nebst diluvialen und alluvialen Bildungen. Von diesen Formationen interessiert uns hier hauptsächlich die Zechsteinformation, die wiederum aus 3 Formationen zusammengesetzt ist: der unteren, mittleren und oberen Zechsteinformation. Die untere Zechsteinformation würde, wenn die Diluvialbedeckung nicht vorhanden wäre, einen mehrfach gebogenen und ungleich breiten, zusammenhängenden Zug bilden, der am Mühlenberge bei Steina beginnt, vom Steinaer Porphyrberge gegen den großen Trogstein hin, dann östlich des Fürlandsberges und des Warteberges nach Sachsa, von hier zum Blumenberg und den Bergköpfen, dann nach Walkenried und von hier um den Kupferberg und den Nein entlang südlich von Ellrich hinzieht.

 Die Verbreitung der mittleren Zechsteinformation besteht ans einem durch drei Täler zerschnittenen Hauptzuge, der von der Westgrenze des Kreises her über den Römerstein, den Kalkberg und großen Warteberg bei Tettenborn zum Mehlholz bei Neuhof, dann nach Walkenried und zum Himmelreich und Pontelberg südlich von Ellrich hinläuft.

 Der ältere Gyps bildet in diesem Hauptzuge einen am Römerstein bei Nixey beginnenden, den Kreis bis zu seiner Ostgrenze durchlaufenden Zug, der abgesehen von diluvialer Bedeckung nur auf kurze Erstreckung zwischen dem Itel-Teich und den Pontel-Seen im Himmelreich dadurch unterbrochen wird, daß sich der Dolomit übergreifend über den Gyps bis zum Rein forterstreckt, wo er sich dem Zechstein auflegt. Eine ungewöhnliche Breite erhält der Gyps in dem sanft abfallenden Gehänge vom Mehholz gegen den Zechstein der Bergköpfe hin. Meist erscheint er in steilen Felswänden als Randeinfassung der von Dolomit bedeckten Höhen besonders da, wo ihn die vom Harz herabkommenden Täler durchschnitten haben, wie am Sachsenstein bei Neuhof und an den Seiten des Wieda-Tales bei Walkenried.

 Aber auch da, wo jetzt keine Täler verlaufen, bilden sich Steilränder dadurch, daß die Tagewässer den Gyps unterwühlen und in seinem Inneren oder unter ihm ihren Weg suchen; an den Eingangsstellen entstehen tiefe Trichter, deren Ränder fortwährend einbrechen und einer stetig vorschreitenden Veränderung unterworfen sind. Ausgezeichnete Erscheinungen dieser Art sind der große und kleine Trogstein und der große Trichter am Rande des Pfaffenholzes. Als Wirkungen derselben Ursache in größeren Dimensionen bildeten sich große, vom Wasser erfüllte kesselförmige Einstürzungen, wie die Seen bei Nixey, am Kranichstein, die Pontel Seen und besonders der schöne von einem Gyps-Circus umgebene Itel-Teich. Das Eindringen der Wasser in den Gyps ist so bedeutend, daß in der trockenen Jahreszeit alle Gewässer von der Steina ostwärts bis zum Zorge Tal innerhalb der Zechsteinformation vollständig versiegen.

 Das Steinaer Wasser verschwindet gegen Nixey hin, um im Buntsandstein als wasserreiche Ichte weiterzufließen, der Sachsengraben bei Branderode und das Wieda Tal von Obersachswerfen über Gudersleben hinaus werden trockene Schuttbetten; die eingesunkenen Gewässer erscheinen wieder in dem quellenreichen Tale von Clettenberg oder weit im Osten in der Salza, die südlich vom Kohnstein entspringt und in dem breiten Tale gegen Nordhausen hin, parallel der Zorge, fließt.

 Der zu Tage beobachtbare ältere Gyps ist überall nur ein Umwandlungsprodukt des Anhydrits, aus welchem das Innere des Lagers zusammengesetzt ist. Wo an den Steilrändern frische Anbrüche oder tiefere Spalten das Gestein bloslegen, wird der reine unveränderte Anhydrit häufig sichtbar. Da mit der fortwährend vor sich gehenden Umwandlung des Anhydrits in Gyps eine Aufblähung der Masse verbunden ist, so bilden sich zuerst kleine Sprünge, dann größere Nisse, welche das Eintreten erleichtern. An der Oberfläche der Berge giebt fick die Aufblähung des in Gyps sich verwandelnden Anhydrits durch eigentümliche Glocken- oder Blasenformen zu erkennen, wie man sie am ausfallendsten auf dem sanften Gehänge vom Sachsenstein zu den Bergköpfen hin antrifft. Der ganze Boden ist hier dicht gedrängt mit Hügeln von circa 10 Fuß Durchmesser und 4 Fuß Höhe bedeckt, die unter einer scheckigen 1 bis 3 Fuß dicken, nur teilweise aus Gyps bestehenden Decke Hohlräume enthalten; es sind dies die sogenannten Zwerglöcher der Gegend. Die Hügel brechen zuletzt ein und werden unansehnlich, wo die Umwandlung des Anhydrits in Gyps vollständig geworden ist.

 Durch Einwirkung des sich aufblähenden und in Gyps umändernden Anhydrits auf den bedeckenden Dolomit entstehen die sogenannten zelliqen Rauchwacken. Die dem Anhydrit zunächst anfliegenden Teile des Dolomits werden zertrümmert und die eckigen Bruchstücke durch ein kalkiges Cäment wieder verbunden; der Dolomit zerfällt später zu Sand, fällt aus und hinterläßt in dem secundären Gebilde unbestimmt zerstreute Hohlräume. In allen Stufen der Bildungsweise ist dieser Prozeß in den bei Walkenried betriebenen Steinbrüchen zu beobachten. Diese Erklärung der Entstehung zeitiger Rauchwacken ist auch auf solches Vorkommen anzuwenden, wo dieselben den Dolomit begleiten, der ohne zwischengelagerten Gyps unmittelbar auf Zechstein liegt. Solches Vorkommen kann überall als ein Beweis dafür gelten, daß Gyps an der betreffenden Stelle früher vorhanden war. Dies gilt namentlich für den Dolomit, der am Himmelreich einerseits die Gypswände am Itel-Teich und den Pontel-Seen, andererseits den Zechstein am Rein bedeckt, ebenso für den Dolomit bei Sachsa. Man darf aus diesen Erscheinungen sogar folgern, daß der Gyps wahrscheinlich überhaupt nicht sichtbar sein würde, wenn die Zechsteinformation sich noch in dem Zustande befände wie vor dem Beginn der Erosion und der Abtragungen, die mit der Talbildung verbunden waren; der Dolomit würde überall auf Zechstein liegen, ohne daß Gyps oder Anhydrit blosgelegt wäre.

 Die Mächtigkeit des älteren Gypses wird bei Ellrich in seinen zu Tage sichtbaren Teilen kaum irgendwo 150 Fuß übersteigen, die größte Mächtigkeit des aufliegenden Dolomites kaum 100 Fuß.

 Wo der Dolomit mächtiger entwickelt und nicht zertrümmert ist, liefert er ein geschätztes Baumaterial. Die prächtigen Klosterbauten von Walkenried, an deren Ruinen feine Skulpturen sich noch erhalten haben, wurden vom Dolomit des Pontel- berges errichtet; von gleicher Beschaffenheit ist das Gestein, welches jetzt in ausgedehnten Steinbrüchen westlich des Steina-Thales verarbeitet wird. Dünner geschichtet und von weniger porösem Gefüge ist der Dolomit am Kalkberge und am großen Warteberg bei Tettenborn. In dem einen wie in dem anderen Gestein finden sich nicht selten Versteinerungen,teils mit erhaltenerSchale, teils als Steinkern, am häufigsten Gervillia ceratophaga, Mystilus Hausmanni, Pleurophorus costatus und