Die Franken am Frauenberg

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Titel: Die Franken am Frauenberg
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Erscheinungsdatum: 2014
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Die Franken am Frauenberg
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Wer sich mit diesen Fragen beschäftigt, muß wissen, daß bei ihrer Lösung Hypothesen eine große Rolle spielen. Urkunden fehlen fast gänzlich; Ausgrabungen sind nur in geringem Umfange ausgeführt; man wird sich also immer vor Augen halten, es kann so sein, es kann aber auch anders sein.

Für die Erkenntnis dieses historischen Zeitalters sind 2 Arbeiten bahnbrechend geworden, auf die ich den Leser verweise:

  • Rübel: Die Franken, ihr Eroberungs- und Siedlungssystem, 1904.
  • Höfer: Die Frankenherrschaft in den Harzlandschaften, Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde 1907 S. 115 ff.

Auf ihnen fußt der Vortrag, den Karl Meyer am 28. Mai 1910 gehalten hat: „Das fränkische Reichsdorf Nordhausen mit seinem Reichshofe und Heerlager“. Im folgenden gebe ich wieder, wie mir die Ereignisse sich abgespielt zu haben scheinen. Ich verlege die älteste thüringische Siedlung, deren Name verschollen ist - denn der Name Nordhausen ist fränkisch und stammt erst aus dem 8. Jahrhundert - an den Fuß des Geiersberges zwischen Hohenrode und Kreuzen. Dort ist das Wasser und Weide, auf der Höhe Ackerland. Die heidnischen Bewohner dieser Siedlung fanden in Zeiten der Gefahr ihre Zufluchtstätte auf Hohenrode, ihre Gerichtslinde stand da, wo heute die Merwigslinde ihre Zweige in die Lüfte streckt; der Tempelbezirk, wo sie ihren Götzen oder ihre Götter verehrten, war der Hagen. Lehm und Ton, um ihre Töpfe anzufertigen, bot ihnen der Berg, an dessen Fuße ihre strohgedeckten Hütten lagen.

Seit im Jahre 531 das Thüringerland von den Franken erobert wurde, ist es stets fränkisch geblieben - und so mögen sich schon damals einzelne Franken dort am Fuße des Geiersberges oder in seiner Nähe angesiedelt haben. Es stammen aus dieser Zeit zwischen 531 und 740 vielleicht die Namen Merwigslinde und Wiedigsburg. Eine intensive Besiedlung durch Franken aber erfolgte damals noch nicht, da den Merowingern die Zügel der Regierung immer mehr aus den Händen glitten. Anders wurde es unter der Herrschaft der Karolinger. Schon Pipin drang 748 in das Sachsengebiet von Thüringen aus vor und Karl der Große dehnte seine Herrschaft nach Osten bis zur Saale aus. Leitmuscheln für diese systematischen fränkischen Ansiedlungen sind die Orte aus -hausen.

Da stellen sich deutlich zwei Perioden heraus:

  1. eine ältere mit -hausen und einem Personennamen zusammengesetzt und
  2. hausen (Orte) mit amtlichen Namen, wie es scheint auf der Schreibstube festgesetzt.

Karl der Große gründet seine Macht auf das Königsgut. Woher aber nimmt er dieses Gut? Einmal aus den Konfiskationen des Besitzes der Rebellen. Wer dem König widerspenstig ist, verliert seit 777 das Recht auf sein väterliches Erbe. Viel wichtiger aber ist, das Anrecht, welches der König nach fränkischem Recht auf das „unbewohnte und herrenlose Gebiet - das desertum - hat.

Die Hainleite, der Harz, die Rietstrecken längs der Zorge, Helme und Wipper sind solche Gebiete. Auch die Oedländereien, welche die altgermanischen Dorffluren voneinander scheiden, gehören den Königen. Um dieses Königsgut auszusondem, schickt Karl seine Beamten - daß es dabei natürlich oft zu Streitigkeiten kommt, ist selbstverständlich. Das Königsgut wird nun durch Straßen neu verbunden - der Name Schern ist damals entstanden, vom fränkischen, skara = Scheere abzuleiten - soweit es nicht an uralten Völkerwegen schon gelegen ist. An diesen Straßen liegen die ältesten Kastelle. Es sind Namen zusammengesetzt aus einem Personennamen und der Endung -hausen. Ich rechne dazu Witzenhausen, Wolkramshausen, Wallhausen - Walahusa genannt höchstwahrscheinlich nach Wala, dem Vetter Karls des Großen, dem Vorgesetzten der ganzen Provinz und Sangerhausen.

Die Aussonderung des Königsgutes in Thüringen bewirkt im Jahre 786 einen Aufstand, dem aber Karl zuvorkommt und den er blutig unterdrückt, indem er sich des Grafen Hardrad (s.d. Quellen bei Höfer, Seite 159) und seiner Verschworenen bemächtigt. Die Güter der Aufständigen werden eingezogen, an den gefährdeten Stellen werden eingeborene Franken angesiedelt und die Warnen und Angeln zum Teil anderswohin verpflanzt (vergl. Frankenhausen, ganz vorgeschoben in Thüringer Gebiet, Angelhausen bei Arnstadt, sonstige Angelnsiedlungen auf der Hainleite, Thüringenhausen bei Großenehrich usw.).

Neben diesen Siedlungsmaßnahmen gehen andere. Es werden militärische Maßregeln getroffen. Das Besatzungsheer des Thüringer Landes wird verstärkt und jetzt werden für diese neuangelegten Forts die Namen auf der Reichskanzlei nach der Landeskarte festgelegt - daß man schon im alten Rom große Landkarten besaß ist ja eine bekannte Tatsache, vergl. Die tabula Peutingeriana, jetzt in Wien.

Zwischen Wolkramshausen und Wallhausen wird das neue Kastell Nordhausen gebaut - nach 786. Es deckt die Zorgestraße. Südlich davon wird neu, Kastell Sundhausen angelegt; auf der Kuppe des Berges (Kyffhausen) erhält der Wächter seinen Sitz, der das Riet überschaut. Am Wege nach Allstedt wird das Sperrfort Rietnordhausen errichtet. Nach Osten zu liegt Osterhausen (schon 777 erwähnt), zwischen Osterhausen und Sytterhausen wird Mittelhausen gebaut - über die Wipperstraße und die Kastelle Sondershausen - Stockhausen und Frankenhausen - Seehausen (siehe bei Höfer, Seite 141). Auch ein Westhausen fehlt nicht bei Heiligenstadt.

Wie nun sah ein fränkisches Kastell und der dabei liegende Wirtschaftshof aus? Das erfahren wir aus dem bekannten Capitulare König Karls de villis. Der Reichshof (curtis) besteht aus der Burganlage und dem Wirtschaftshofe, der ebenfalls befestigt ist. Vor dem Reichshofe liegt der Vorhof (die curticula). Ganz in der Nähe befindet sich eine Wassermühle. Der damalige Nordhäuser Reichshof dürfte das Gebiet sein, welches von der Ecke des Backhausberges bis zur Sangerhäuser Straße, dann von der Wassergasse bis zur Halleschen Straße, den Mühlgraben entlang bis zum Ende der Schafgasse fuhrt. Dabei nehme ich an, daß der Mühlgraben damals etwa von der Siechenbrücke an abgeleitet war und beim Schlachthofssteg wieder in das Feldwasser hineingeleitet wurde.

Eine Dorfansiedlung in unmittelbarer Verbindung mit den militärischen Anlagen lehne ich für die Zeit bis 920 am Frauenberge ab; mit der Entstehung des sächsischen Reichshofes verliert das fränkische Kastell an militärischer Bedeutung, und man wird nunmehr der Niederlassung von bäuerlicher Bevölkerung am Frauenberge kein Hindernis mehr in den Weg gelegt haben.

In der fränkischen Militärstation wird schon eine kleine Kapelle vorhanden gewesen sein für christlichen Gottesdienst. Als noch 920 eine bäuerliche Ansiedlung dort entsteht, wird diese Kapelle vergrößert worden sein. Sie kommt als ecclesia (Kapelle) urkundlich zuerst im Jahre 1220 vor und zwar im Gegensatz zu den Pfarrkirchen St. Nicolai am Markte und St. Petri auf dem Berge. Sie ist Klosterkirche des seit 1203 begründeten Cisterzienser-Nonnenklosters Neuwerk (Tochter des bei Goslar gelegenen Klosters Woltingerode) und in ihrer jetzigen Gestalt wohl seit 1180 erbaut und dann mannigfach umgebaut. Nach Aufhebung der Mathildeschen Stiftung einziges Nonnenkloster in Nordhausen, nimmt Kloster Neuwerk im 13. Jahrhundert einen bedeutenden Aufschwung durch die zahlreichen Schenkungen der Honsteiner und der mit ihnen versippten Geschlechter. Während die anderen Klöster bereits 1525 infolge der Stürme des Bauernkrieges ihr Ende finden, hat Kloster Neuwerk bis Mitte des 16. Jahrhunderts noch bestanden. Noch heute ist die Frauenberger Kirche die am besten dotierte Nordhäuser Kirche.