Der Nordhäuser Roland (7/1953)

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Der Nordhäuser Roland (Juli 1953)
Reihe Der Nordhäuser Roland
Band-Nr. 7/1958
Autor Verschiedene
Herausgeber Kulturbund
Erscheinungsjahr 1953
Umfang 20 S.
 Im Bestand der Stadtbibliothek Nordhausen.
Stand: 11. September 2015
Digitalisat: PDF (3 MB)
Titel Autor
Serenaden-Konzerte Johannes Fritzsche
Zur Berliner Konferenz der Intelligenz der Deutschen Demokratischen Republik am 27. Mai 1953 Georg Quiram
Grundlagen der seismischen Lagerstättenforschung G. Krumbach
Jean Jacques Rousseau Hans Kleinspehn
Der St.-Georgenberg in Bleicherode Hans Joachim Diedrich
Johann Thal Kurt Wein
Aufruf zur 1. gesamtdeutschen Fotoausstellung
Eine Wanderung nach dem Kohnstein Erich Rose
Interessantes — kurz berichtet
Deutsche Erstaufführung an den Bühnen der Stadt Nordhausen Gerd Ahrends

Serenade-Konzerte

Der Meyenburgpark in Nordhausen eignet sich in landschaftlicher und akustischer (daher in durchaus har­monischer) Hinsicht vorzüglich zur Aufführung von Serenaden-Kon­zerten. Unter Serenade versteht man bekanntlich eine Abendmusik, die vornehmlich im Freien aufgeführt wird. Diese Einrichtung besteht be­reits seit Jahrhunderten und hat ihren Ursprung in den Mittelmeer­ländern, besonders Italien und Spa­nien (Serenada).

Für diese Abendmusiken in „lieb­licher Umgebung“ eignen sich na­türlich nur solche Werke, die in diese Umgebung hineinpassen. Das sind also Kompositionen für klei­nere Orchesterbesetzung. Auch Kam­mermusik, gemischt mit Streichern und Bläsern, und unter Hinzuziehung von Gesangs- und Instrumental­solisten. Daß man dabei auf den großen Blechbläser-Einsatz verzich­ten muß, ergibt sich aus dem vor­ her Gesagten von selbst.

Bei allen Aufführungen im Freien ist man natürlich von der Gunst der Witterung abhängig. Und so ist es sehr bedauerlich, daß die dies­ jährigen beiden ersten Serenaden-Abende, die für den 28. Mai und 2. Juni geplant waren, ausfallen und verschoben werden mußten. Aller­dings ist dabei zu berücksichtigen, daß die Nachholtermine zur Zeit sehr schwer zu finden sind, da unser Orchester in dem Gesamtspiel­plan unseres Theaters vornehmlich als Theaterorchester, daher im Sommer auch sehr häufig für auswärtige Freilichtaufführungen ein­gesetzt ist.

Trotzdem hoffe ich, unseren lieben Musikfreunden in Nordhausen auch in diesem Sommer noch einige Kostproben auserlesener musikalischer Werke im Meyenburgpark…

Zur Berliner Konferenz der Intelligenz der Deutschen Demokratischen Republik am 27. Mai 1953

Die gegenwärtige Lage und die Aufgaben der Intelligenz in der Deutschen Demo­kratischen Republik waren der Inhalt des Referates des Stellvertreters des Ministerpräsidenten Walter Ulbricht und der sich anschließenden Beratung der 700 aus allen Teilen unserer Republik erschienenen Angehörigen der Intelligenz der verschiedensten Berufe.

Die Intelligenz ist vor Aufgaben gestellt, wie sie in solchem Umfang noch nie vor­handen waren. Die freie Entfaltung der Produktivkräfte unserer Gesellschaft er­möglicht eine Entwicklung von Industrie, Landwirtschaft, Wissenschaft und Kunst, wie sie nie zuvor gegeben war. Die bisherigen Erfolge zeigen, daß unsere Intelligenz sich in den Gesamtaufbau eingefügt und bereits viel Beispielhaftes geleistet hat. Unsere Regierung hat volles Vertrauen zur Intelligenz.

Die Konferenz in Berlin war der Auftakt für eine noch engere Zusammenarbeit, die eine offene Diskussion über alle Unklarheiten oder Mängel erforderlich macht. Zweifellos bestehen noch Schwierigkeiten, die sich infolge der schnellen Entwick­lung ergeben, diese können jedocfh wesentlich herabgesetzt und schließlich durch die kameradschaftliche Zusammenarbeit aller deutschen Menschen beseitigt wer­ den. Unsere Hauptaufgabe besteht in der Erhöhung der Arbeitsproduktivi­tät; nicht durch physische Mehrarbeit, sondern durch geistvolles und wissen­ schaftliches Analysieren der Arbeitsvorgänge ist die Möglichkeit der Verbesserung unserer Produktion gegeben. Hieraus ergeben sich für die technische Intelligenz vor allem in Hüttenindustrie, Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft neue Auf­ gaben, deren Umfang noch nicht überall erkannt werden.

So entstehen z. B. für die Ingenieure weitergehende Aufgaben durch die Ent­wicklung des Exportes; daneben steht die Förderung des Nachwuchses, der Inder Perspektive mindestens bis 1960 geplant werden muß. Folglich macht sich auch eine Erweiterung und Reorganisation auf dem Gebiete der Volksbildung sowie in allen Zweigen der Wissenschaft erforderlich. Wir brauchen etwa 24 neue Hochschulen außer den jetzt bestehenden; neue Me­thoden der Ausbildung müssen gefunden werden, um die große Zahl des tech­nisch-wissenschaftlichen Nachwuchses zu erreichen. Gegenüber der Entwicklung des Nachwuchses in Westdeutschland, wo sich an­gehende Ärzte, Wissenschaftler, Künstler usw. ihren Lebensunterhalt und die Kosten für ihr Studium durch Gelegenheitsarbeiten schwer verdienen müssen, wird unseren Studierenden durch die Regierung großzügige Förderung zuteil. Noch ein Wort zum Meinungsaustausch: er allein genügt nicht, was wir brauchen ist der wissenschaftliche Meinungsstreit, auch in gesellschaftlichen Ansichten! Dannkommen wir viel leichter zu positiven Ergebnissen. Das zeigte auch die Diskus­sion, in der leidenschaftlich zu den Existenzfragen unserer Nation gesprochen wurde.

Besondere Wachsamkeit ist der feindlichen Agententätigkeit zu zollen. Die Vor­kommnisse im Braunkohlenbergbau, Kupferbergbau oder auch Zeiß-Jena müssen uns als Warnung dienen. Zwischen Arbeitern, Intelligenz und Bauern haben sich neue Beziehungen an­ gebahnt und die gemeinsamen Interessen bedingen ein enges und gutes Verhält­nis. Die Stalinallee, die erste sozialistische Straße unserer Republik, gibt uns ein schönes Beispiel; hier werden nicht nur neue, großartige Wohnblocks errichtet, hier ändern sich auch die Beziehungen der Menschen untereinander, die gemein­ sam am Aufbau unserer Republik arbeiten.

Georg Quiram, IFA-Schlepperwerk, Nordhausen.

Grundlagen der seismischen Lagerstättenforschung

Nach einem am 15. Mai 1953 vor dem„Forum der Wissenschaften“ gehaltenen Vortrag.
Von Professor Dr. G. Krumbach, Direktor des Zentralinstitutes für Erdbebenforschung, Jena.

Die bei einem Erdbeben ausgelösten elastischen Wellen breiten sich teils durch das Erdinnere, teils längs der Erdoberfläche aus. Sie werden mit Hilfe feinfühli­ger Instrumente beobachtet und die Zeit ihres Eintreffens an den einzelnen Statio­nen der Gesamterde genau verfolgt. Ihr Weg und ihre Ausbreitungsgeschwindig­keit sind daher von dem Aufbau des Erdkörpers in der Tiefe und den Eigen­ schaften der Materie in weitem Maße abhängig. Umgekehrt dann aber wiederum müssen wir aus Beobachtungen über den Charakter und über die Ausbreitung der Wellen Rückschlüsse ziehen können über den Weg, den sie in der Tiefe ge­ nommen haben. Was also für den Physiker die Röntgenstrahlen bei den Mate­rialuntersuchungen im Laboratorium sind, bedeuten für den Geophysiker die elastischen Wellen, die Erdbebenstrahlen, bei der Erforschung des Aufbaus der Gesamterde.

Bei diesen Arbeiten bedient sich der Geophysiker der Aufstellung der sogenannten Laufzeitkurven. D. h. also, er bestimmt an der Erdoberfläche die Zeiten, die die Wellen brauchen, um von dem Herde aus bis an die einzelnen Stationen zu gelangen und trägt sie dann in ein besonderes Schema ein. Der Ver­lauf der so gefundenen Laufzeitkurven hängt also von dem Aufbau der Tiefe ab. Außer den direkten Wellen werden auch solche beobachtet, die an den Schichten in der Tiefe gebrochen oder auch reflektiert werden. Aus den bei diesen Unter­suchungen gewonnenen Arbeitsmethoden baut sich dann die seismische Lagerstättenforschung auf.

Als Energiequelle dient bei diesen Untersuchungen dann nicht die natürliche Aus­lösung von Spannungszuständen, also Erdbeben, sondern in dem zu erforschen­den Gelände werden mit Hilfe von Sprengungen künstliche Erdbeben erzeugt. Die Aufzeichnungen der ausgelösten seismischen Wellen gestatten dann, Lage und Mächtigkeit von nutzbaren Lagerstätten festzustellen, ohne daß erst zeitraubende und' kostspielige Bohrungen niedergebracht werden müssen. Hierbei kommen zwei Verfahren zur Anwendung: Die Refraktionsmethode stützt sich auf die Tatsache, daß die einzelnen Gesteinsarten wegen ihrer unterschied­lichen Elastizität mit verschiedenen Geschwindigkeiten durchlaufen werden. Ebenso treten an den verschiedenen Schichtgrenzen Gesciiwindigkeitssprünge auf. Die bei systematischer Verteilung der Sprengschüsse ermittelten Laufzeitkurven ergeben dann aus ihrem Verlauf, genau wie in der großen Seismik, die Unter­lagen zur Bestimmung der Schichtgrenzen, der Schichtdicken und der Wellen­ geschwindigkeiten. Mit Hilfe dieser drei Faktoren kann dann die Struktur des Untergrundes bestimmt werden. Außerdem sind aus Messungen an bekannten Lagerstätten und Laboratoriumsuntersuchungen die charakteristischen elastischen Eigenschaften der einzelnen Gesteine bekannt. Es ist dann umgekehrt wieder möglich, aus den Wellengeschwindigkeiten auf die Art der durchlaufenden Ge­steine zu schließen.

Das zweite Verfahren, die Reflexionsseismik, das heute in der Erdölgeologie eine ganz besondere Bedeutung gewonnen hat, ist im Prinzip das gleiche, wie es bei der Echolotung in der Nautik angewandt wird. Auch hier werden die Laufzeiten der von einem Sender — in der Seismik von einem Sprengschuß — ausgestrahl­ten Wellen, die bei fast senkrechtem Einfall an den in der Tiefe liegenden Un­stetigkeitsflächen reflektiert werden, gemessen. Das zu untersuchende Gelände wird auf diese Weise systematisch abgetastet und so der Verlauf einer Lager­stätte ermittelt. Die seismischen Verfahren der angewandten Geophysik können zur Bestimmung der geologischen Struktur des Untergrundes heute bis zu Tiefen von 5000 m angesetzt werden und dienen vorwiegend zur Bestimmung erdölführen­ der Schichten. Das Zentralinstitut für Erdbebenforschung in Jena verfügt über die Apparaturen zur Durchführung beider seismischen Untersuchungsverfahren. Sie dienen einmal dem Einsatz bei praktischen Aufgaben im Rahmen des Wiederauf­ baus. Darüber hinaus ist es Aufgabe des Instituts, mit Hilfe der gewonnenen Er­gebnisse Instrumente und Bearbeitungsmethoden weiter zu entwickeln und zu ver­vollkommnen. Die hierfür verwendeten Apparaturen wurden in Werkstätten der Deutschen Demokratischen Republik gebaut. Die praktische Feldarbeit wird von den Meßtrupps des Geophysikalischen Dienstes in Leipzig mit gutem Erfolg aus­ geführt. Damit wird diese wichtige Aufgabe, die früher in Händen von Erwerbs­gesellschaften lag, innerhalb der DDR vom Staat selbst zum Nutzen des Staates durchgeführt.

Jean Jacques Rousseau

Vor 175 Jahren, am 2. Juli 1778, verstarb im Alter von 66 Jahren Jean Jacques Rousseau, einer der geistigen Väter der klassischen bürgerlichen Revolution, der Abgott der französischen Revolutionäre, der Jakobiner. Obwohl ohne gründlichen Unterricht, hat er sich auf den verschiedensten Wissensgebieten betätigt und die Folgezeit auf das tiefste beeinflußt. In der schriftstellerischem Tätigkeit Rousseaus ist eine für jene Zeit ungewöhn­lich starke persönliche Note zu bemerken. Er brachte durch seine Werke eine neue Belebung des lyrischen Empfindens und bereitete damit das Naturgefühl der Romantik vor. Dahinter tritt seine oft leidenschaftliche Überspannung zurück(„Nouvelle Heloise“).

Auf dem Gebiet der Pädagogik führte Rousseau den Kampf um eine realistische Bildung und übte mit seiner Lehre auf diesem Gebiet starken Einfluß auf Pesta­lozzi aus. Die Auswirkungen sind bis in die neueste Zeit zu verspüren. In diesem Zusammenhang ist auf die Landerziehungsheime zu verweisen.

Die größte Bedeutung dürfte Rousseau aber auf dem Gebiet der Staatsphilosophie erlangt haben. („Contrat social“.) Er sieht überall dort Despotismus, wo ein selbstherrlicher Staatsapparat besteht, getrennt vom Volk und nicht identisch mit ihm. Das Volk muß vielmehr selbst unmittelbar Richtung und, Inhalt der Staatsgewalt bestimmen, und zwar in allen Funktionen des Staates, sei es in der Gesetzgebung oder in der Durchführung der Gesetze, in Verwaltung und Justiz. Daher bleibt er nicht bei der Beschrän­kung der damals in den Händen des Königs und seines Apparates befindlichen Regierungsgewalt, wie es Montesquieu mit seiner Lehre von der Dreiteilung der Gewalten als Ideal hinstellte.

Rousseau erstrebte vielmehr die Volkssouveränität, die aber bei ihm kein for­mal staatsrechtlicher Begriff ist. Sie stellt vielmehr das im Volke lebendige Streben nach Freiheit und Gleichheit, nach Abschüttelung aller fremden Macht dar. Freiheit und Gleichheit ist aber nur möglich, wenn alle Einzelwillen in einem Allgemeinwillen zusammenfließen. Für Rousseau gibt es nur die individuelle Frei­ heit, da aber die Existenz des einzelnen nur durch die Gemeinschaft gewähr­leistet wird, muß der Egoismus des einzelnen durch die Interessen der Gemein­schaft eingeschränkt werden. Das ist die Aufgabe der Staatsgewalt. Ist sie nicht allgemeiner Wille, ist sie Despotie. „Volonte general“, allgemeiner Wille, bedeu­tet aber nicht unbedingt gleicher Wille aller, sondern Wille der Mehrheit.

Hier erscheint also die inhaltliche Ausrichtung der Staatsmacht, die Durchsetzung der Gleichheit und ihre Träger müssen Verfechter der Gleichheit sein. Während es als für Montesquieu keine unmittelbare Volksherrschaft gibt, son­dern nur eine Einflußnahme auf den Staatsapparat durch die Gesetzgebung, ge­hört zum Wesen der Rousseauschen Staatslehre die weitestgehende Verantwort­lichkeit aller Staatsfunktionäre vor dem Volke und deren Absetzbarkeit, wenn ihre Tätigkeit nicht mehr Ausdruck des allgemeinen Willens darstellt. Allerdings sieht Rousseau die Rechtslehre isoliert von den sonstigen gesellschaft­nlichen Erscheinungen. Seine Lehre von der Volksherrschaft schrieben die Jakobiner auf ihre Fahnen. Sie strebten so konsequent auf den Sturz des Feudalismus, während die Giron­disten die Lehre Montesquieus akzeptierten und so auf halbem Wege stehen blieben. Sie klammerten sich an den bestehenden Staatsapparat und paktierten schließlich gar mit dem König gegen das Volk. Rousseaus Lehre von der Volkssouveränität war aber nicht nur zur Zeit der Französischen Revolution der Markstein, an dem sich die Geister auf dem Gebiet des Staatsrechts schieden, sie ist es auch heute noch.

Der St.-Georgenberg in Bleicherode

Vor dem Georgentor, das 1828 abgebrochen wurde, liegt der St.-Georgenberg. Er ist die Stätte, der die Stadt Bleicherode ihre einstige Bedeutung zu verdanken hatte. Der Georgenberg bildete seit ältesten Zeiten den Mittelpunkt der welt­lichen Macht. Er war die Thing- und Gerichtsstätte der Herren des Untereichs­feldes. Im großen Rund lagen eine Reihe von Wallburgen. So auf der Aaskirre, Löwenburg, Runsburg usw. Vermutlich wurde in der karolingischen Zeit der Georgenberg die Stätte, auf der das Gericht des Gaugrafen des Ohmfeldgaues abgehalten wurde. Dieses Gerichtsgelände hat im wesentlichen seine ursprüngliche Größe erhalten. Am östlichen Teil des Berges sind zahlreiche Hinrichtungen erfolgt. Der Chronist berichtet sogar von Massenhinrichtungen. Einmal waren es „annähernd 20“, ein andermal sind es acht und vier Enthauptungen gewesen, auch eine Frau wurde dort erhängt. Der St.-Georgenberg trug die Zeichen der Blutgerichtsbarkeit des Gaugrafen: Galgen und Rad. An diese Vorgänge erinnert noch das Mordkreuz unter den Linden. (Weitere zwei Mordkreuze sollen im Garten Gelpkes gestanden haben.) Ferner die Bezeichnung „Galgenlehde“ (unbe­bautes Land, auf dem der Galgen steht) und die noch jetzt erhaltene Wohn­stätte des Scharfrichters.

Auch die Grafen von Lohra hielten hier ihre späteren strengen Gerichte. Sie waren es, die den Ort mit Mauern und Türmen .versahen, obwohl die Gerichts­stätte eine Weihestätte war und als unverletzlich galt. Daraufhin wurde Bleiche­rode zur Stadt erhoben (oppidum). 1326 wird Bleicherode als Marktflecken — oppidum — bezeichnet. Die längst durch ein Feuer um 1500 vernichtete Peters­kirche erinnerte an den Gerichtsplatz als Weihestätte. Das ehemalige Waasenmeisterhaus (Scharfrichterhaus) stammt aus dem Jahre 1708. Der Torbogen der kleinen Mauer trägt die Jahreszahl 1710, das Jahr der Fertigstellung. Besonders fallen dem Beschauer die Dachluken an diesem Hause auf, die daran erinnern, daß der Abdecker oder „Schinder“ einst dort oben seine Felle trocknete. Sein Gewerbe wurde allgemein verachtet, aber der Waasenmeister war als Kur­pfuscher eine begehrte Person. Der Rat der Stadt sah sich oft gezwungen, den Besuch dieses Mannes besonders zur Nachtzeit zu verbieten. Dieses Haus — als alte Erinnerungsstätte — steht heute unter Denkmalsschutz.

Johann Thal

Zum 18. Juli 1953
Von Kurt Wein, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Heimatfreunde.

Je mehr in Deutschland im 16. Jahrhundert das Altertum lebendig geworden war, um so mehr hatte die Entfremdung von dem Mittelalter als der Zeit der von der Kirche bestimmten und beherrschten Kultur ihren unaufhaltsamen Fortgang neh­men müssen. Am frühesten hatte sich die Entwicklung der im Humanismus schlummernden Keime der zu einer gründlichen Verarbeitung und zu einer grund­ legenden Gestaltung des Neuen fähigen Kräfte auf dem Felde vollzogen, das von den Männern bebaut wurde, die voller Eifer und Energie bemüht gewesen waren, den Bestand der Pflanzen eines größeren oder kleineren Gebietes der Erde im Geiste und mit den Mitteln ihrer Zeit so vollständig als möglich zu erforschen und zu erfassen. Durch diese auf wissenschaftlichem Boden stehenden Forscher, Floristen genannt, wurde die Pflanzenkunde mehr und mehr aus den Jahrhunderte alten Banden der Medizin gelöst und auf eigene Füße gestellt. Sie haben daher in wissenschaftsgeschichtlicher Beziehung eine ungemein wichtige Rolle bekleidet und mit ihren Werken, als Floren bezeichnet, eine neue Epoche in der Geschichte der Pflanzenkunde begonnen.

Hervorgegangen sind die Florenwerke aus Pflanzenlisten, die in die aus dem Renaissancegeiste heraus geborenen Reisebeschreibungen eingeschaltet und zuersi in der Schweiz und wenig später auch in Nord-Italien entstanden waren. Der innige Zusammenhang zwischen beiden tritt am klarsten in England noch ihren Verlaufe der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hervor. Geschaffen wurden die ältesten Florenwerke zunächst in allererster Linie in den Teilen Deutschlands; die sich der Lehre Luthers angeschlossen und in denen sich daher die Vertreter der Wissenschaft plötzlich neuen Problemen gegenübergestellt gesehen hatten, für deren Lösung die Ausbildung neuer Mittel und neuer Wege notwendig war. Der Kampf des Reformators um einen neuen Glauben war zugleich ein Kampf uni eine neue Kultur gewesen, die gemäß den Idealen und Ideen der mächtigen reli­giösen Bewegung ihre Gestalt annehmen sollte. Zu den Formen und Früchten, die von auf dem Boden des neuen Glaubens stehenden Persönlichkeiten erzeugt waren, zählen auch die Florenwerke, denen nur derjenige vollkommen gerecht werden kann, der sie nicht im Lichte der Ideen der modernen botanischen Wis­ senschaft betrachtet. Das Problem ihrer Entstehung stellt daher ein Kultur­ problem dar, mit dem sicli die Geschichte der Pflanzenkunde leider bisher viel zu wenig beschäftigt hat.

Eröffnet hatte den Reigen der Floristen ein Mann, dessen Lebensgang mit Nord­hausen verknüpft gewesen war. Er verdient es, mit dem Ehrentitel „Vater der Floristik“ geschmückt zu werden, weil sein Wirken und seine Wirkung durch ein unentwirrbares Gewebe feiner Fäden mit allem weiteren Geschehen auf dem zu­ erst von ihm in Angriff genommenen Gebiete wissenschaftlichen Forschens be­ dingend und bestimmend verbunden ist. Der Mann, der damit innerhalb seines geistigen Umkreises eine Sonderstellung eingeräumt erhalten hat, die besonders bei einer kulturgeschichtlichen Betrachtung seiner Person und seiner Arbeit mit unverkennbarer Deutlichkeit hervorzutreten vermag, ist Johann Thal, weiland Stadtphysikus zu Nordhausen von 1581 bis 1583.

Johann Thal wurde als erster Sohn des gleichnamigen Pfarrers an der Kauf­mannskirche zu Erfurt 1542 geboren, wo seine Eltern 1541 die Ehe geschlossen und seine Brüder Daniel und Wendelin 1544 und 1545 das Licht der Welt erblickt hat­ten. 1558 war er in die Klosterschule zu Ilfeld eingetreten und damit Schüler- von Michael Neander geworden, der ihn stets mit allen Fasern seines Herzens geliebt und geschätzt hatte. Im Sommersemester 1561 hatte sich 'Thal nach Jena begeben, um an der dortigen Universität Medizin zu studieren. Nach einer vorübergehenden Tätigkeit als Arzt in Stendal war er im Herbst 1572 als Stadtarzt nach Stolberg im Harz übergesiedelt. Da ihm jedoch der Rat der kleinen Harzstadt einen be­trächtlichen Teil der ihm zugesicherten Besoldung schuldig geblieben war, hatte er Stolberg im zeitigen Frühjiahr, spätestens im März 1581, verlassen, um in Nord­hausen ebenfalls die Stellung eines Stadtarztes zu übernehmen. Gemeinsam mit seiner Mutter, die bereits 1551 Witwe geworden und schon 1578 zu ihm nach Stolberg gezogen war, hatte er auf dem Petersberg in dem Hause gewohnt, an dessen Stelle später das Pfarrhaus St. Petri erbaut wurde. Leider war seine Wirk­samkeit in Nordhausen nur von einer sehr kurzen Dauer. Als ein weithin ge­schätzter und gesuchter Arzt war er Ende Juni 1583 von Johann Ernst von Asse­burg nach Peseckendorf bei Oschersleben und von dort zu einem anderen Kran­ken, Nikolaus von Bortfeld, gerufen. Auf der Fahrt zu ihm waren, am 30. Juni 1583 bei dem Dorf Schermeke die Pferde durchgegangen und er aus dem Wagen geschleudert worden. Dabei hatte er den rechten Unterschenkel über dem Fuß so stark gebrochen, daß der Stiefel von beiden Knochenenden durchbohrt wurde. Als Folgewirkung der schweren Verletzung hatte sich eine Embolie herausgebil­det, durch die am 18. Juli 1583 sein Tod herbeigeführt wurde.

Als ein frühreifes Talent einer an wissenschaftlichen Talenten reichen Epoche hatte sich Johann Thal bereits während seiner Schulzeit in Ilfeld eifrig und er­folgreich mit den Gewächsen des heimatlichen Bodens beschäftigt. Damit hatte er sich als der Besitzer einer Eigenschaft erwiesen, die ein hervorstechendes Merk­mal vieler ausgezeichneter Vertreter der botanischen Wissenschaft bildet. In Stolberg hatte er schon 1577 das „Sylva Hercynia“ betitelte Werk geschrieben, das erst nach seinem Tode 1588 von Joachim Cameraiius in Nürnberg heraus­ gegeben wurde und das bezeugt, daß er der „Kolumbus der Harzflora“ gewesen war. Es kann selbstverständlich nicht erwartet werden, daß alle im und am Harze wachsenden Pflanzen darin Erwähnung gefunden haben, da viele von den­ jenigen, die darin fehlen, erst lange nach der Zeit der Abfassung des Werkes vor das Forum der Wissenschaft gestellt worden sind. Für die damalige Zeit stelltes, als Ganzes genommen, auf jeden Fall eine Leistung dar, die jeden Kenner des von Thal Geschaffenen zu heller Bewunderung zwingt. Es darf auch bei des­sen kritischer Beurteilung nie vergessen werden, daß das Buch sicher ein anderes Aussehen aufzuweisen hätte, wenn es seinem Verfasser vergönnt gewesen wäre, selbst die letzte, bessernde Hand an seine, nur als eine bloße, nicht für die Öf­fentlichkeit bestimmte Zuschrift an J. Camerarius gedachte Arbeit zu legen. Sie kündet noch in einer beredten Sprache von der hellen Freude eines Menschen der gewaltigen Kulturbewegung der Renaissance am Entdecken und Erfahren, die im 17. Jahrhundert infolge der einseitigen und unduldsamen Herrschaft reli­ giöser und kirchlicher Interessen über das gesamte Geistesleben bis auf geringe Bruchteile geschwunden war. Eine große Menge an Pflanzenarten, die bisher nur aus West- und Südwestdeutschland bekannt gewesen waren, wurden von Thal zuerst in Mitteldeutschland nachgewiesen. Eine stattliche Reihe anderer Pflanzen, deren Vorkommen bis auf seine Tage nur für Österreich, die Schweiz, Frank­reich und die Niederlande festgelegt war, wurden in der Sylva Hercynia zum ersten Male für Deutschland angegeben. Eine hohe Zahl von für die Wissenschaft bis auf seine Tage noch im Dunkel gebliebenen, vollkommen neuen Arten end­lich wurden zuerst von ihm der Forschung zugeführt und zeugten von dem Scharf­blick und der Unbefangenheit, mit der er als geborener Naturforscher die Er­scheinungen der Natur betrachtet hatte. Die Trennung näher verwandter, ähn­licher Arten, die erst im 17. Jahrhundert besonders in England wiederum vorge­nommen wurde, gibt Kunde davon, wie sehr ihm die Verwirklichung des Zieles der Naturwissenschaft, ein objektives Bild der Wirklichkeit des Naturgegebenen zu liefern, am Herzen gelegen hatte.

(Fortsezung und Schluß im nächsten Heft).

Aufruf zur 1. gesamtdeutschen Fotoausstellung

Am 20. Dezember 1953 wird in Berlin die erste gesamtdeutsche Fotoausstellung eröffnet. Zu dieser Ausstellung, die unter dem Thema steht: „Schöne deut­sche Heimat“, ruft der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutsch­lands alle Amateurfotografen Deutschlands zur Beteiligung auf. Die Ausstellung soll die Liebe aller aufrechten Patrioten zu ihrer Heimat, die Vertiefung dieser Liebe durch das Studium der Geschichte, die Pflege der nationalen und huma­nistischen Traditionen und den unablässigen Kampf um die Wiederherstellung der Einheit eines demokratischen, unabhängigen und friedliebenden Deutschlands zum Ausdruck bringen. Die erste gesamtdeutsche Fotoausstellung wird nach folgenden Gesichtspunkten aufgebaut:

a) Das typische Heimatbild.
b) Unsere revolutionären nationalen Traditionen und unser kulturelles Erbe.
c) Die gegnwärtigen gesellschaftlichen Zustände im Westen und Osten unseres Vaterlandes.

Die Bilder sind bis zum 20. Oktober 1953 an unser Kreissekretariat einzureichen und werden dann an die Bezirksleitung weitergereicht. Der letzte Einsendetermin bei der Bezirksleitung Erfurt (Weimar,Friedrich-Engels-Ring 63), ist der 30. Ok­tober, Format 13x18 (Rohabzüge); genaue Angabe des Absenders, Beruf und Alter des Autors, Bildtitel sowie Angaben über Zugehörigkeit zu einer Foto­ gruppe sind erwünscht. Jeder Autor ist berechtigt, bis zu zehn Bilder einzusenden. Das Format der Ausstellungsbilder ist 50x60. Die Bildautoren werden gebeten, mitzuteilen, ob sie die Vergrößerung auf dieses Format selbst vorzunehmen wün­schen oder ob diese Arbeit der Ausstellungsleitung überlassen wird. In letzterem Falle ist es notwendig, dem Rohabzug das Negativ beizufügen. Kosten entstehen dem Einsender dadurch nicht.

Als Prämien werden ausgeworfen:
a) für das erste Bild 500 DM;
b) für die weiteren drei besten Bilder je 250 DM;
c) für die restlichen sechs ausgezeichneten Bilder je 100 DM.

Alle Amateurfotografen Deutschlands können sich an dieser Ausstellung beteiligen. Nähere Auskünfte über Haftung, Rechts- und Gerichtsstand usw. erteilt das Kreis­sekretariat des Kulturbundes.

Eine Wanderung nach dem Kohnstein

Von Erich Rose, Fachgruppe Wandern

Wenn wir Nordhäuser wandern wollen, denken wir fast ausschließlich an den Harz. 40 Minuten Bahnfahrt und wir sind mitten in seinen herrlichen Wäldern. Aber wir brauchen gar nicht so weit zu schweifen. Ein schönes und immer loh­nendes Ziel ist der Kohnstein, einer unserer vielen Südharzvorberge. Er liegt nordwetlich von Nordhausen. Wenn wir in den Harz fahren, leuchten linker Hand hell die weißen Kalksteinwände zu uns herüber. Kräftig steigt das ganze Gebirge des Kohnsteins aus der Ebene empor.

Wir wollen heute einmal eine Wanderung dorthin unternehmen. — Der schönste Weg führt durch den Stadtpark, am Schurzfell vorbei und weiter die Kohnsteinallee entlang, bis wir am Ende derselben vor einer alten Mühle, der Schnabels­mühle, stehen. Sie wurde im Jahre 1702 erbaut. Nun gehen wir den steilen Fuß­weg hinauf nach der Schnabelsburg. Heute ein Gasthaus, früher ein Wartturm der Grafen von Honstein, von dem aus die Söldner des Honsteiner Raubgrafen die Nordhäuser Kaufmannszüge belästigten. Nach einem Streite der freien Reichs­stadt Nordhausen mit den Honsteinern wurde die Schnabelsburg im Jahre 1368 abgebrochen. Vom „Schnabel“ bietet sich uns ein wunderschöner Ausblick über Salza und Nordhausen hinweg bis zur Windleite und Hainleite im Süden Nachdem wir die Gaststätte verlassen haben, geht es noch höher hinauf. — Nun haben wir einen herrlichen Blick nach Norden hin. Zu unseren Füßen sehen wir Niedersachswerfen liegen. Gegenüber sehen wir den Mühlberg, ein langgestreckter Höhenzug im Harzvorland, ähnlich unserem Kohnstein. Und darüber erblicken wir die lange Fette der Harzlperge vom Ravensberg im Westen über den Poppen­berg bis zum Eichenforst im Osten. Hier kann man mit dem Dichter sagen: „Trinkt ihr Augen, was die Wimper hält, vom schönen Überfluß der Welt.“ Hier oben erkennen wir auch die geologische Beschaffenheit des Berges. Er besteht aus Gipskalk, der heute sehr vielseitig verwendet wird. — Wenn wir nun weiter in den Wald hinein wandern, finden wir eine reiche Flora, über die wir uns freuen können. Im Frühling blüht hier die Leberblume, das Lungenkraut, der Lerchensporn, das Maiglöckchen. Auch einige seltene Orchideenarten und die prächtige Türkenbundlilie können wir bewundern. Leider begegnen wir auch vielen Mauerresten. Es sind die Trümmer des ehemali­gen KZ Dora, die davon zeugen, daß es eine Zeit gab, wo Menschen andere Mitmenschen grausam zu Tode marterten. Wir stehen bald vor dem ehemaligen Krematorium, das heute als internationale Gedenkstätte daran mahnen soll, daß sich solche Grausamkeiten nicht wiederholen sollen. Nun wandern wir wieder in den Wald hinein zum Komödienplatz, dem Mittel­punkt des Gebirges. Von hier zweigen viele Wege nach allen Himmelsrichtungen ab. Wir erwählen uns den Weg, dqr durch das Hirschental zur Salzaquelle führt, die schon außerhalb des Waldes liegt. Eine Tafel verkündet uns, daß sie die viert­ größte Quelle Deutschlands ist. Es ist sehr reizvoll in das aus der Erde quillende klare Wasser zu schauen. Wenn wir nun müde sind von all dem Erwanderten und Geschauten, erreichen wir leicht die Haltestelle Krimderode der Harzbahn und fahren beglückt durch unser Heimaterlebnis wieder in unsere gute, alte Stadt Nordhausen zurück.

Interessantes — kurz berichtet

Die Bühnen der Stadt Nordhausen bringen als letzte Inszenierung dieser Spielzeit Goldonis „Der Lügner“ heraus. Die Spielleitung liegt in den Händen von Helmut Frensel. Das Stück, das be­sonders zur Aufführung auf Freilicht­ bühnen geeignet ist, kommt am 4. Juli 1953 zur Pemiere.

Ein Richard-Wagner-Konzert wird vom verstärkten Orchester der Bühnen der Stadt Nordhausen am 6. Juli 1953 unter Mitwirkung erster Solisten im Gehege durchgeführt. Dirigent: Musik­ direktor Johannes Fritzsche.

In der Heimkehle bei Uftrungen, die durch den Einbau eines Rüstungs­ werkes in den Kriegsjahren ihren Cha­rakter als Naturdenkmal einbüßen mußte und infolge Sprengungsarbeiten für den Besucherverkehr nicht mehr passierbar war, laufen durch Initiative des Rates des Kreises Sangerhausen bereits seit einigen Monaten die Aufräumungs- und Aufwältigungsarbeiten, damit diese ein­zigartige und größte Höhle Deutschlands wieder dem Besuch freigegeben werden kann. Die Fachgruppe Höhlenforschung Nordhausen wurde vor einigen Wochen zur Mitarbeit herangezogen. Ein umfang­ reiches Gutachten sowie positive Vor­ schläge wurden dem Rat des Kreises Sangerhausen durch die Fachgruppe ge­geben. Eine besondere Abhandlung über den Zustand der Heimkehle und die be­absichtigten Arbeiten erscheint dem­nächst in unseren monatlichen Mittei­ lungen.

Berichtigung: Beim Abdruck des Artikels „Zum Tag des Lehrers“ von Studienrat Rudolf Günther in der vorigen Ausgabe ist be­dauerlicherweise ein Versehen unter­ laufen. Es muß heißen: … kein wesent­ licherer Teil der Gesamtleistung ist, als der Teil eines Schiffes, das aus dem Wasser ragt. Der Artikel endet wie folgt: Daher ist der Lehrerstand insgesamt der berufen den Bewahrer des kulturellen Erbes und den Hauptkonsument aller neuen Kultugüter. Dafür werden seit 1945 in der DDR alle Möglichkeiten ausgeschöpft (differenziertes, von berufenen Kräften geleitetes Fern- und Fachstudium.)

Deutsche Erstaufführung an den Bühnen der Stadt Nordhausen

Gerd Ahrends zu seiner Inszenierung Dunajewskijs „Freier Wind“
Jawohl, freier Wind ist es, der uns in der Operette vom „Freien Wind“ frei ent­gegenweht.

Ich soll nun, als der Regisseur dieser Operette zu der Operette und zur Inszenie­rung Stellung nehmen. Dieses ist gar nicht so einfach, denn ich will ehrlich sein, über seine eigene Arbeit zu schreiben, ist irgendwie komisch. Auf jeden Fall hat mir „Der freie Wind“ sehr viel Freude gemacht. Es war keine Operette im land­läufigen Sinne. Es war etwas Neues, es war anders als ein üblicher* seit Jahr­ zehnten uns bekannter süßlicher Operettenkitsch. Obwohl auch diese Operette wie auch schon verschiedene andere an der Adria spielt, sind es doch andere Menschen, reale Menschen, die uns in dieser Operette begegnen. So war es also auch notwendig, daß schon ausgehend vom Textbuch, dasl erfreulicherweise ein­mal logisch war, die ganze Inszenierung auch von anderen Gesichtspunkten ausgesehen werden mußte. Es galt, wie ich schon sagte, vom ersten bis zum letzten Darsteller normale, reale Menschen, auf die Bühne zu bringen. Besonderes Augenmerk richtete sich dabei auf die Erarbeitung der Chorszenen, die im Gegen­satz zur sonst üblichen Staffage, dem sogenannten „Operettenvolk“, in diesem Fall vom ersten bis zum letzten Choristen, wohldurchdachte Einzelfiguren waren,

Einzelfiguren mit einem bestimmten, aus dem Charakter der Rolle erwachsenen Haltung zum Bühnengeschehen. Weiter war es notwendig, die Solisten und diesen Chor zu einem Ensemble zusammenzuschmelzen, was nicht immer einfach war, denn viele Kollegen „Solisten“ mußten sich erst daran gewöh­ nen, daß auch der Chor, das heißt das Volk, gleich so wie sie, auf der Bühne fast gleichwertige dra­maturgische Funktionen zu erfül­len haben. Überdies war es selbst­ verständlich, daß das gesamte Ensemble in gemeinsamer Arbeit sich eine Regiekonzeption schuf, eine Regiekonzeption, die zu er­füllen das Ziel unserer Arbeit an unserer Operette vom „Freien Wind“ war, so entstand in ge­meinsamer, gründlich durchdach­ ter Arbeit unsere Inszenierung vom „Freien Wind“, und wir sind stolz darauf, daß es uns gelungen ist, mit dieser Aufführung zu be­weisen. daß auf dem Gebiet der Operette ein gesunder Realismus möglich ist.

Mir bleibt nichts weiter übrig, als Ihnen, werte Leser, für den Fall, daß Sie ihn noch nicht ge­sehen haben, ein kräftiges toi, toi, toi, zu unserem frischen, fröh­lichen, starken, freien Wind zu wünschen.