Der Nordhäuser Roland (5/1955)

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Der Nordhäuser Roland (Mai 1955)
Reihe Der Nordhäuser Roland
Band-Nr. 5/1955
Autor Verschiedene
Herausgeber Kulturbund
Erscheinungsjahr 1955
Stand: 6. Januar 2016
Digitalisat: [# PDF (4 MB)]
Editionsrichtlinien:
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Titel Autor
Zur Geschichte des Nordhäuser Museums Ernst Diederichs
Der Alte Stolberg Erich Rose

Zur Geschichte des Nordhäuser Museums

Von Dr. Ernst Diederichs, Kustos am Meyenburg-Museum

Die erste Anregung zur Gründung eines Museums ging 1869 von dem Antiquar Hermann Fischer aus, der der Stadt dafür 15 am Königshof ausgegrabene Urnen aus eigenem Besitz und 19 gleiche Stücke aus dem Nachlaß von Prof. Dr. Förstemann zur Verfügung stellte. Als dann dem Magistrat 1872 eine Münzsammlung aus dem Nachlaß des Rechtsanwalts A. Oßwald testamentarisch überwiesen wurde, beschloß die Stadtverordnetenversammlung nunmehr, ein städtisches Museum einzurichten. Die Schuldeputation lehnte aber das angeforderte Gutachten ab mit der Begründung, daß „ein Museum mit den Interessen der Schule weniger in Zusammenhang stehe.“ (!) So kam es zu einem kurzen Stillstand dieser Angelegenheit. Sie wurde aber bald wesentlich gefördert durch den Oberlehrer am Gymnasium, Dr. Perschmann, der auf Wunsch des Magistrats ein Gutachten abgab, in dem er vor allem auf die an verschiedenen Orten der Stadt zerstreuten Altertümer hinwies (u. a. auf den Rumpf des „Vogels“ von 1385 und die große Kreuztragungsgruppe vom Töpfertor-Zwinger). Aus seinem Bericht verdient Folgendes hervorgehoben zu werden: „Ist ein öffentlicher Sammelplatz für solche Gegenstände vorhanden, so wird dadurch die Aufmerksamkeit des Publikums auf dieselben gelenkt und folgerecht auch ein gewisses Verständnis für dieselben eröffnet. Ich halte dies für einen der schätzenswertesten Einflüsse eines solchen Museums.“

Nach vielen vergeblichen Versuchen wurde ein Zimmer im Vorhause der damaligen „Höheren Töchterschule“ auf dem Hagen (Blasiistraße 16) für jene musealen Gegenstände freigömacht. Und eine zweite Interessentengruppe schaltete sich in diese bedeutsame kulturelle Angelegenheit mit ein: der 1870 gegründete „Nordhäuser Geschichts- und Altertumsverein“. Ein Komitee wurde gebildet. Die für die entsprechende Ausstattung des Lokals erforderlichen 150 Thlr. wurden aus städtischen Mitteln bewilligt. 1876 konnte der Vereins Vorsitzende, Oberlehrer Dr. Krenzlin, das eingerichtete Museum dem Oberbürgermeister Riemann übergeben. Am 4. Oktober desselben Jahres wurde das „Stadtische Altertums-Museum“ eröffnet. Sein „Konservator“ wurde Dr. Perschmann. Die Besuchszeit war jeden Mittwoch von 2 bis 4 Uhr nachmittags, unentgeltlich. Da der Raum nicht heizbar war, mußte er während der Wintermonate geschlossen werden. Der als unbedingt notwendig erachtete Zuschuß von jährlich 90 Mark würde von der Stadt bewilligt. — 1878 wurde dem Museum („dem fast allwöchentlich die eine oder die andere Gabe zufließt“) der Besitz weiterer Räume dadurch ermöglicht, daß es in dem Nordflügel des in jenem Jahre eingeweihten Volksschulgebäudes (an der Morgenröte) untergebracht werden konnte. Die hauptsächlichste Arbeit leiste dabei neben Dr. Perschmann der frühere Fabrikbesitzer Rentier Hermann Arnold, über den ein Bericht des Stadtrats August Grimm (1885) bemerkt: „Neben Dr. P. gebührt der größte Dank dem Partikulier Hr. Herrn. Arnold, der es sich seit Jahren hat angelegen sein lassen, das gesammelte Material . . . im wesentlichen nach eigenem Plan geschmackvoll, zu ordnen, in Repositorien und Schränken etc. zu plazieren und dies fast ausschließlich aus eigenen Mitteln herzurichten, selbst die ansprechende bauliche Einrichtung und Ausschmückung des Lokals etc. auf seine Kosten ausführen zu lassen.“ Grimm berichtet dann weiter, daß er selbst den Wunsch gehabt habe mitzuhelfen und sich öfter im Museum „stillschweigend einfand“ und schließlich auch mit einigen Aufgaben betraut wurde. Er legte vor allem ein genaues Verzeichnis der Schriftstücke und Bücher an (Hierzu muß erwähnt werden, daß durch Jahrzehnte das Archiv mit dem Museum verbunden war, da beide als Kultur-Institute dem Schulamt unterstanden. Vergleiche R. H, Walter Müller „Geschichte des Nordhäuser Stadtarchivs“ 1953. Schriftenreihe heimatgeschichtlicher Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen/Harz Nr. 2, S. 23-31.). Sein weiterer Bericht über die fortlaufenden Arbeiten gibt ein lebendiges, ansprechendes Bild, mit welcher Liebe und Sorgfalt jede Neuerwerbung behandelt wurde. Unter welchen bescheidenen Bedingungen man damals arbeitete, wird ersichtlich aus der Bemerkung, daß eine Ordnungsarbeit nur durchgeführt werden konnte, „da Hr. Arnold einige Stearinlichte besorgt hatte“. — 1879 war das Museum in den neuen Bäumen eröffnet worden. Bald kamen weitere Bäume in dem Ostflügel (am Taschenberg) hinzu. 1866 erhielt es durch die Sammlungen des verstorbenen Brennereibesitzers S. Solmitz (Grimm notiert am 4. 3.: „Heute wurde im Museum keine besondere Arbeit ausgeführt, weil die angemessene Stimmung dazu in Folge eben stattgehabten Begräbnisses des Hr. S. Solmitz fehlte“) einen so außerordentlichen Zuwachs, daß die bisherige Bezeichnung nicht mehr voll zutraf und in „Städtisches Museum“ umgewandelt werden mußte. An Stelle des 1887 verstorbenen Dr. Perschmann trat als nunmehriger Konservator auf Bitten des Magistrats Hermann A rn old. Seine Mitarbeiter waren Stadtrat August Grimm als Sekretär, Lehrer Heineck (der spätere bekannte Archivar) für die Katalogisierung und Ordnung der Bibliothek, Paul Osswald für die Urkunden, Handschriften und Münzen, Stadtsekretär a. D. Osterloh für Kassenführung und Beaufsichtigung während der Besuchszeit. Die Ordnung der erworbenen antiken Münzen (2659 Stück) wurde vom Ersten Staatsanwalt v. Wille gefördert.

Aber dauernden Aufenthalt konnte das Museum auch hier nicht finden, da erstens der Staat die jetzt hier untergebrachten höheren Lehranstalten übernahm, zweitens der wachsenden Fülle des Stoffes die Räume nicht mehr genügten. So übersiedelte man 18 9 1 in das neue Volksschulgebäude, Predigerstraße 1 (die spätere Mädchen-Mittelschule). 10 Räume und der Hof, in dem steinerne und eiserne Gegenstände aufgestellt wurden, standen zur Verfügung. Jetzt konnten auch die kultur- und kunstgeschichtlich so bedeutsamen metallenen Grabtafeln aus der 1835 abgerissenen Martini-Kirche, die sich in der Cyriaci-Kapelle befunden hatten, übernommen werden. Eigenartig berührt uns, daß auch seit der so bedeutenden Zunahme der Schauobjekte die Besuchszeit auf zwei Nachmittagsstunden eines Wochentags beschränkt blieb. Die Erklärung hierfür liegt auf finanziellem Gebiet. Erst 1903 war, auf dringenden Wunsch von seiten der Bürgerschaft, das Museum auch an zwei Sonntagen jedes Monats zwei Stunden zugänglich. — Die immer mehr zunehmenden Schenkungen aus nah und fern ließen jedoch auch diese Räume als ungenügend erscheinen und machten 1 9 0 7 die Übersiedlung in das dreistöckige Gebäude der bisherigen Töpfertorschule am jetzigen Platz der Republik erforderlich. Dank des stattlichen Vermächtnisses von Hermann Arnold (gest. 1900), dessen Zinsertrag zur Hälfte für Museumszwecke bestimmt war, konnte eine übersichtliche und harmonische Anordnung in 18 Zimmern in drei Gruppen erfolgen: Heimatkundliches, Ethnographisch-Naturkundliches, Kunstgeschichtliches. Einen besonders wertvollen Zuwachs erfuhr die 2. Gruppe durch die Arnoldsche Konchyliensammlung, die wohl zu der umfangreichsten dieser Art gehört. Von 1900 bis 1912 war der Mittelschullehrer Archivar Heineck im wesentlichen alleiniger Leiter. Von 1913 bis 1923 leitete der Erfurter Stadtarchivar Prof. Dr. Overmann nebenamtlich unser Museum. Er gestaltete die kunstgeschichtliche Abteilung zu einer Reihe von Stilzimmern um, die die Entwicklung des Möbels und Hausrats von der Gotik bis zum Biedermeier zur Anschauung brachten. Diese 10 Zimmer fanden nicht nur bei den Einheimischen größten Beifall, sondern zogen auch viele Fremde nach. Nach Beendigung der erfolgreichen Tätigkeit Dr. Overmanns wurde Dr. August Stolerg Museumsdirektor. Er war bis zu seinem Tode (1945) in dieser Stellung tätig, mit einer Unterbrechung in den- Jahren 1935—1939. (Vertreten wurde er durch seinen Sohn, Dr. Ing. Fr. Stolberg, und Dr. Silberborth.) Unter seiner Leitung wurden 1927, im Jahre der Jahrtausendfeier unserer Stadt, die Stil-Zimmer in das neuerworbene Villengrundstück in der jetzigen Alexander-Puschkin-Straße übergeführt und boten in der Geschlossenheit der Ausstellung eine besondere Anziehungskraft. — Die übrigen Sammlungen: Vorgeschichte, Naturwissenschaften, Ethnographie, Nordhusana usw. konnten sich nun in dem alten Gebäude weiter ausdehnen. Da dieses aber 1934 für die Berufsschule benötigt wurde, fanden diese Abteilungen eine neue Heimat in der Villa „Lindenhof“ am Gehege. Sie bildeten nun das eigentliche „Heimatmuseum“, in ebenfalls 10 Räumen. — Leider sollte aber die in gewisser Hinsicht ideale Lösung dieser Zweiteilung auch keinen langen Bestand haben. Der Hitler-Krieg griff auch hier zerstörend ein, indem schon 1938 der Lindenhof für militärische Belange requiriert wurde. Sein musealer Inhalt wurde teilweise ausgelagert, das meiste aber in das „Meyenburg-Museum“ gewissermaßen „hineingedrückt“. Infolgedessen mußte eine Reihe vollständiger Zimmereinrichtungen verschiedenen öffentlichen Gebäuden als Repräsentationsräume überwiesen werden. Der Katastrophe von 1945 fielen auch sie zum Opfer.

Der Krieg war für unser Museum von verheerenden Folgen. Nicht nur der Verlust der Stil-Zimmer war zu beklagen. Wieviele Gegenstände waren durch die mehrfachen Plünderungen abhanden gekommen oder stark beschädigt worden! Die einst stattliche Sammlung alter Waffen hatte, aus begreiflichen Gründen, stärkste Einbuße erlitten, auch die alten Richtschwerter waren der Beschlagnahme nicht entgangen. Und wenn auch das Gebäude selbst stehengeblieben war, so verboten doch die eingetretenen schweren Beschädigungen für lange Zeit jeden Besuch. Aber man machte sich, allen Schwierigkeiten zum Trotz, unter Leitung von Studienrat i. R. Dr. Silberborth unverdrossen ans Werk. Er wurde von Fräulein Hanna Müller und ehrenamtlichen Fachkräften dabei wirksam unterstützt. Intensive Arbeit ermöglichte 1949 die Einrichtung einiger Räume, in die freilich nur kleine Gruppen unter Führung eingelassen werden konnten, da es an einem für die Schauobjekte so notwendigen Material, dem Glais, fehlte. — 1949 starb Dr. Silberborth. An seine, Steile trat als Archiv- und Museumsleiter Walter Müller. Unter größten materiellen wüe finanziellen Schwierigkeiten führte die Aufbauarbeit endlich zu dem lange ersehnten Ziele. Am 14. M a i 1 9 5 0 konnte das „Meyenburg-Museum“ wieder seine Pforten auftun.

Seinen Charakter als Spezialmuseum hatte es ja verloren. Vor allem aber mußte man der in Anbetracht de® so beschränkten Raumes noch immer allzu reichlichen Fülle des Stoffes, so gut es) eben ging, Rechnung tragen. Daß noch mancherlei Veränderungen in der Folgezeit nötig wurden, ergab di6 Sachlage. Besonders schwierige Probleme boten die Abteilungen: Vorgeschichte und Biologie'. Erstere wegen der durch die Ereignisse bewirkten völligen Unordnung, jene wegen der Fülle des Stoffes. So verzögerte sich die Neugestaltung des vorgeschichtlichen Raumes bis 1953., Nachdem man lange auf fachkundliche Hilfe von auswärts gewertet hatte, übernahm 1952 Schulinspektor Rode die den modernen Grundsätzen entsprechende Ausgestaltung des Raumes. Drei moderne Vitrinen machten eine sowohl übersichtlich-lehrreiche wie auch ästhetisch befriedigende Aufstellung möglich. — Der Biologieraum im ersten Stock war zwangsläufig so überfüllt, daß nach einem Ausweg gesucht werden mußte. Eine übersichtlichere Aufstellung gewährte das Balkonzimmer des gleichen Stocks. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Natur- und Heimatfreunde“ des Kulturbundes z. d. E D« stellten sich für diese Arbeit in dankenswerter Weise zur Verfügung. Dieser Raum war zunächst für zeitnahe Wechselausstellungen (u. a. Erzeugnisse der volkseigenen Industrie, aus Holz1 und Eisen) verwendet worden. Auch der Kulturbund hatte ihn für Ausstellungen in Anspruch genommen. Dann hatte er als „Gemälde-Saal“ Ölbilder von Künstlern de» 19. Jahrhunderts (z. Teil heimatlichen) zur Anschauung gebracht .Diese mußten nun leider im Magazin „in Pension gehen“. Aber die neue Aufstellung (anl der noch) gearbeitet wird) bewies, daß dies Opfer nicht umsonst gebracht war, wie aus zahlreichen Bemerkungen der Besucher hervorging. — In dem freigewordenen Raume konnte nun eine Ausstellung afrikanischer Gegenstände, naturwissenschaftlicher und kulturgeschichtlicher Art, erstehen, zu der ein früher in Ostafrika tätiger; Nordhäuser, der 1955 verstorbene Paul Pfandt, Wesentliches beigesteuert hatte. Neben dem Ostasien-Raum liegend, bildet er mit diesem die völkerkundliche Abteilung unseres Museums und setzt damit eine Überlieferung auf diesem Gebiete' fort, dasl früher über einen weit größeren Bestand wertvoller Objekte verfügte. — Wie sehr die aufgewandte Mühe gelohnt hatte, ergab sich aus.' dem Interesse der von Jahr zu Jahr sich mehrenden Besucher, die vor allem von dem vorgeschichtlichen und dem biologischen Raum beeindruckt waren. Die übrigen Räume und die zwei Dielen sind kultur- und heimatgeschichtlichen Gegenständen (jene fallen ja zum größten Teil auch unter den Begriff des Kunstgeschichtlichen) gewidmet. Den Eintretenden, begrüßt in der unteren Diele die alte Reichsstadt mit dem ältesten Stadtwappen, das an dem Barock-Türsturz aus dem Alten Rathaus wie der Stadtfahne von 1742 die andersartige Auffassung späterer Zeiten erkennen läßt. Auf hohem Piedestal steht der „Vogel“, auf die bedeutsame Erweiterung der Stadt 1365 hinweisend. Heimatgebunden ist auch der anschließende südliche Raum, der die Erzeugnisse mittelalterlicher religiöser Kunst aus verschiedenen Nordhäuser' Kirchen aufweist. Die beiden östlichen Räume zeigen gewissermaßen noch einen Abglanz der ersten Einrichtung, indem Sie den Ablauf bürgerlicher Wohnkultur in der Barock- und Rokokozeit zur Darstellung bringen. Sie finden eine Ergänzung in dem Empire-Raum der oberen Diele. Leider mußten wegen; des Raummangels bzw. der stilgemäßen Harmonie einige Zugeständnisse gemacht werden; um wenigstens einen Teil wertvollster Schau-Objekte nicht der Vergessenheit im Magazin anheimfallen zu lassen. — Beim Aufstieg in den, ersten Stock stimmen vier Bilder der Stadt aus verschiedenen Zeiten den Besucher ein auf die Exponate des ortsgeschichtlichen Raumes, (vgl. meine Artikel im „Nordhäuser Roland“, März-Juli 1954!)

Es bleibt zu hoffen, daß das „Meyenburg-Museum“ auch in seiner jetzigen, so sehr zeitgebundenen Gestalt doch in dem scheidenden Besucher1 den Eindruck hinterläßt, daß hier gearbeitet worden ist getreu dem Spruch, der ihn; über der inneren Eingangstür begrüßt hat: „Der Ohlen Ärwe — lohst mich, verdärwe!“

Der Alte Stolberg

Unser Vorschlag für eine Pfingstwanderung

Nach einem verhältnismäßig langen Winter, der den Wintersportlern unserer Fachgruppe viele schöne Ski-Sonntage brachte, ist nun endlich wieder der Frühling in unsere Heimat eingekehrt. Die ersten Frühjahrswanderungen gelten dann immer unserer Nordhäuser Umgebung mit ihren Harzvorbergen, wie dem Kohnstein, dem Giebichenhagen oder dem Alten Stolberg. Hier zieht der Lenz um einige Wochen früher ein als in das Harzgebirge, wo die Schnee schmelze naturgemäß langsamer vonstatten geht.

Das beliebteste Vorgebirge des Südharzes ist zweifellos der „Alte Stolberg“, der besonders im April und Mai von den Nordhäuser Natur- und Heimatfreunden gern aufgesucht wird, weil er eine Vielzahl von Frühblühern birgt und fast ausschließlich mit Laubwald überzogen ist. Er liegt östlich von Nordhausen und erreicht in seinem nördlichen Teil eine Höhe bis zu 342 m. Seinen Namen hat der Bergwald wohl davon, daß er seit dem Mittelalter Lehen der Stolberger Grafen gewesen ist. Er besteht vorwiegend aus Gips, fällt nach Westen, Norden und Osten ziemlich schroff ab und ist an vielen Stellen sehr zerklüftet. Nach Süden leitet er, allmählich abfallend, in die Goldene Aue über. Im Norden und Osten wird der Alte Stolberg vom Krebsbach umflossen, der sein Quellgebiet oberhalb der Nordhäuser Talsperre hat. Nördlich des Alten Stolberg befindet sich die vor wenigen Jahren erbaute Iberg-Talsperre, die gleichfalls vom Krebsbach durchflossen wird. Im Süden findet der Alte Stolberg seine Fortsetzung durch die Schableite mit dem Reesberg, in dem sich die Höhle Heimkehle befindet. Rings um den Alten Stolberg schmiegen sich einige Ortschaften an. So im’Nordwesten das idyllisch gelegene Steigerthal, im Nordosten das Dorf Stempeda und im Osten der ehemalige Reichshof Rottleberode. Etwas weiter abseits liegen im Südosten Uftrungen, im Süden das Dorf Urbach mit dem Hof Rodeberg (ehemaliges Kloster Nikolausrode) und im Westen das Dorf Leimbach.

Botanisch und geologisch ist unser Alter Stolberg sehr interessant. Schon vor 400 Jahren berichtete der Nordhäuser Stadtphysikus Johann Thal, der vorher in Stolberg Arzt war, über den Reichtum seltener Pflanzen in diesem Gebirge. Wir finden dort im Vorfrühling den Märzenbecher, die Küchenschelle und den duftenden Seidelbast. Später u. a. die Graslilie, den prächtigen Türkenbund, das Gipskraut und verschiedene Orchideenarten. Im Spätsommer blüht die Bergaster und eine Enzianart. Alle diese Blumen stehen unter Naturschutz. In einem netten Spruch heißt es: . . der eine pflückt sie kaum gesehen, der andere läßt sie lieber stehen, und jeder tut's aus Blumenliebe! So grundverschieden sind die Triebe!“ Wir wollen unsere schöne heimische Flora lieber unberührt stehen lassen, damit sich die Arten erhalten und die Wandersleute, die nach uns des Weges einherkommen, sich ebenfalls daran erfreuen können. Wir haben im Alten Stolberg auch eine ausgesprochene Kampflandschaft zwischen Hoch- und Büschwald zu verzeichnen. Sie befindet sich auf dem sog. Windfeld bei Steigerthal. Der Hochwald schiebt sich dort immer weiter in das steppenartige Buschgestrüpp vor. Weiter findet man im Gebiet des Alten Stolberg viele trichterförmige Vertiefungen, sog. Dolinen, das sind eingestürzte Gipsblasen, im Rahmen dieses Wandervorschlages kann hierüber nicht ausführlich berichtet werden. Über manches kann man sich an Ort und Stelle unterrichten. Unsere Fachgruppe „Wandern und Wegemarkierung“ hat in den letzten Wochen die Hauptwanderwege im Alten Stolberg wieder neu beschildert und markiert. Die Fachgruppe bittet, sich dieser Markierungen zu bedienen und ladet die Wanderfreunde unserer Heimat ein, im Mai oder gar zu Pfingsten einmal eine Wanderung in dieses kleine Waldgebirge zu unternehmen. Um sich den langen Anmarsch von Nordhausen her zu ersparen, empfehlen wir, als Ausgangspunkt für diese heimatkundliche Wanderung das Südharzdorf Rottleberode am Ostabsturz des Alten Stolberg zu wählen. Rottleberode ist mit der Eisenbahn leicht zu erreichen. Die Sonntagsrückfahrkarte von Nordhausen nach dort kostet 3 DM.

Nun kann unsere Wanderung beginnen. Sie führt uns vom Bahnhof Rottleberode, an der Badeanstalt vorüber, zunächst nach der Ruine Grasburg, einer Wallfahrtskapelle aus dem Mittelalter, von deren Bergeshöhe wir einen wundervollen Blick über Rottleberode mit seinem idyllisch gelegenen Schloßteich hinweg auf die gegenüberliegenden Harzwälder haben. Alte Urkunden berichten von Kirchweihfesten der Waldkapelle in den Jahren 1508 bis 1518.

Wir steigen nun den Bergwald höher hinauf und gelangen an den Siebengründen vorbei über die höchsten Erhebungen des Alten Stolberg, die schöne Ausblicke auf den Eichenforst und den höchsten Berg des Unterharzes, den Auerberg mit dem Josefskreuz, bieten, zum Stein Nr. 100. Er steht an einer Wegkreuzung und ist ein Grenzstein aus dem Jahre 1735 zwischen den damaligen Kurfürstentümern Sachsen und Hannover. Die hannoversche Seite zeigt ein springendes Pferd, die andere Seite einen schreitenden Löwen. Viele solcher Grenzsteine, die fortlaufend numeriert sind, ziehen sich in nord-südlicher Richtung durch den Alten Stolberg. Nachdem wir dem Windfeld mit seiner Karst- und Kampflandschaft einen kurzen Besuch abgestattet haben, folgen wir den Grenzsteinen in südlicher Richtung und gelangen durch schönen Buchenwald zum Gasthaus „Kalkhütte“ im Teichtal.. Hier halten wir eine wohlverdiente Rast und stärken uns für unsere weitere Grenzsteinwanderung, die uns am Klosterholz entlang bis zum Ravenskopf geleitet. Dort verlassen wir zunächst die alte Grenze und genießen vom Ravenskopf den umfassenden Blick auf die Harzberge mit den Einschnitten des Tyratales, der Krummschlacht und des Haseltales. Ein steiler Abstieg von der nördlichen Seite des Ravensköpfes läßt uns in eine enge, düstere Schlucht gelangen, durch die der sog. Totenweg führt. Ein Schlachtkreuz in der Schlucht erinnert daran, daß hier im Jahre 1437 die erbverbrüderten Grafen von Schwarzburg, Honstein und Stolberg den Bischoff von Halberstadt, der die Goldene Aue verheert hatte, überfielen und seine Streitmacht in einem erbitterten Gefecht vernichteten. — Am unteren Ausgang des Totenweges aus der Schlucht befinden sich zu beiden Seiten große Gipsbrüche, die den Grundstoff für das nahe Gipswerk Rottleberode liefern. Wir aber wenden uns dem oberen Schluchtausgang zu und kommen wieder zu unseren Grenzsteinen, die wir zeitweilig verlassen hatten.

Weiter folgen wir den Steinen oder noch besser unseren neuen schönen Wegeschildern in östlicher Richtung. Bald müssen wir die Höhe des Reesberges verlassen, denn wir wollen noch zum Abschluß unserer schönen Wanderung die größte Höhle Deutschlands, die Heimkehle, besuchen. Die Schönheiten und Naturwunder der Heimkehle zu rühmen, können wir uns ersparen. Kommt und seht sie euch selbst an. „Ins Innere der Natur dringt kein erschaffener Geist, hier findest du ihre Spur, wenn du zu forschen weißt.“

Die Rückfahrt nach Nordhausen empfiehlt sich von der Bahnstation Uftrungen aus anzutreten. Sie ist von der Heimkehle in etwa einer halben Stunde zu erreichen. Die Gesamtstrecke dieser Tageswanderung beträgt etwa 16 km.

Wir wünschen viel Freude und gutes Wetter für die geplante Wanderung!

Erich Rose, Nordhausen Fachgruppe Wandern und Wegemarkierung.