Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter

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Autor: Hans Silberborth
Titel: Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter
Untertitel:
aus: Geschichte der freien Reichsstadt Nordhausen
Herausgeber: Magistrat
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
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Erscheinungsort:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Abschnitt 2,
Kapitel 5
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Kapitel 5.
Der Kampf der Zünfte gegen die Geschlechter.


Mit den ausgehenden fünfziger Jahren des 14. Jahrhunderts war es für Nordhausen mit dem behaglichen Friedensleben vorbei. Das lag zum Teil an den 'Verhältnissen, zum Teil aber auch an den gefreundten Geschlechtern, die nicht lange Ruhe halten konnten. Die besten und tüchtigsten dieser vornehmen Nordhäuser trieb zu neuen Taten sicher eine weitausschauende Politik zum Wohle der Vaterstadt. Sie sahen es ja bei anderen Städten, bei Erfurt, bei Magdeburg, was regsamer Bürgersinn vor sich bringen konnte. Und wenn man auch mit diesen Städten nicht wetteifern konnte, so bemerkte man doch sehr wohl, was eine gute Politik zu erreichen vermochte, selbst wenn man zunächst viel Kapital in das Unternehmen stecken mußte. Freundschaften, auch ferne, ließen sich gewinnen, wirtschaftliche Beziehungen ließen sich anknüpfen, der Ackerbau ließ sich in einer größeren Stadtflur heben. Bei anderen Angehörigen dieser Geschlechter war es freilich in erster Linie die Lust an Abenteuern und an bewegtem Leben. Und wenn die Alten diese Lust nicht mehr besaßen, besaßen sie doch die Jungen. Manch bedächtiger Patrizier mag von seinen verwegenen Söhnen, die draußen etwas erleben wollten, verführt worden sein, verführt deshalb, weil ihn selbst das Blut noch lockte und er sich mit dem Tuchschneiden, dem Wollverkauf und dem Bierbrauen allein noch nicht befreunden konnte.

So sehen wir uns denn auch in den Jahren von 1359-1375 immerwährenden Fehden gegenüber. Diese führten die Bürger mit den Honsteinem in der besten Absicht, der Vaterstadt zu nützen und ihre Stadtflur zu erweitern. Aber zunächst erforderten diese Unternehmungen Opfer und wieder Opfer, brachten Unruhe und wieder Unruhe. Und den Kleinbürger und Handwerker, der nur das nächste sah, drückten nur die Lasten, und er bemerkte nicht die Erfolge. Dazu kam, daß er nicht genügend Anteil am Stadtregiment besaß, zu wenig Rechte und zu wenig Verpflichtung, und es ihm zum mindesten schien, als ob nur die Geschlechter die Vorteile aus den ewigen Unternehmungen zögen. Immer mehr machte sich deshalb unter diesen Kleinbürgern der Gedanke breit, sie brächten nur für einige wenige Blut und Geld dar.

Und der Unwille steigerte sich noch durch die Regierungsmethoden und das Auftreten der Gewalthaber. Jedes patriarchalische und aristokratische Regiment ist herzlich, bieder, freundlich gewährend, solange es Gehorsam und keinen Widerspruch findet, aber hart zupackend, ja roh, gewalttätig, selbst grausam, wenn die Masse das Recht der Mitregierung fordert; dann findet sich überall ein tarpejischer Felsen für den Frevler.

So war es auch in Nordhausen. Von 1280-1310, wo die Gefreundten das Heft unangefochten in der Hand hatten, war eitel Freundschaft in der Bürgerschaft; sowie aber die Massen zu bewußtem Leben erwachten und Ansprüche stellten, begann der Kampf, unerbittlich und auch kurzsichtig geführt von den Geschlechtern, trotz aller ihrer politischen Fähigkeiten. Die ursprüngliche, kaum durch Überlegung gebändigte menschliche Selbstsucht erstickte jedes politische Denken, das sich nun einmal auf Kompromisse einstellen muß. Alle diese Gegensätze, bei deren Aufeinanderprall die menschlichen Urtriebe sich regten, führten zur Katastrophe vom Jahre 1375.

Zunächst mußte eine ganze Reihe unnützer Feldzüge den berechtigten Unwillen des Volkes erregen. - Nordhausen war seit einigen Jahren, seitdem sich das Verhältnis zu den Honsteinem wieder zu trüben begann, geneigt, mit den Herren von Beichlingen nicht bloß Friede zu halten, sondern auch Freundschaft zu schließen. Städte aber fahren nie gut bei adligen Freundschaften; sie gehören an die Seite von anderen Städten, weil gleiche Strebungen sie miteinander verbinden, oder an die Seite der Fürsten, weil vor deren Thron in ihrem eigenen wohlverstandenen Interesse jeder gleich sein muß. So lief denn auch hier das Bündnis mit den adligen Spießgesellen schlimm genug aus.

Da war das thüringische Städtchen Kindelbrück an die Beichlinger Grafen verpfändet. Diese, wie die meisten Adligen damals, befanden sich in ewiger Geldverlegenheit, suchten aus der Pfandschaft das Menschenmögliche herauszuschlagen und preßten die Kindelbrücker nach Herzenslust aus. Die Kindelbrücker wandten sich zunächst an ihren Landesfürsten, den Landgrafen Friedrich den Strengen, der seit 1347 als Nachfolger seines Vaters Friedrich des Ernsten regierte. Der Landgraf half jedoch nicht, und so mußten die Kindelbrücker zur Selbsthilfe schreiten und verweigerten einfach die Zahlungen. Nun war der Beichlinger allein viel zu ohnmächtig, als daß er das Städtchen hätte zwingen können; aber sein Hilferuf verhallte bei den drei verbündeten Städten Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen nicht ungehört.

Es war eigentlich toll, daß die Bürger die Hand zu einem Schlage gegen ihresgleichen boten; aber die Rauflust steckte jenem Geschlechte nun einmal im Blute, und der Gedanke, daß, während die Väter durch Handel ihr Gut vermehrten, die kampffrohe Jugend durch ein wenig Plündern das Ihre für des Hauses Wohlstand beisteuerte, dieser Gedanke schien weder gemein noch unnütz.

So zog denn das Nordhäuser Fähnlein wohlgemut durch die Aue davon. Vor Kindelbrück ward ein fröhliches Heerlager aufgeschlagen, und nun begann man mit den Scharmützeln und Streifzügen, wagte wohl auch einmal einen größeren Angriff auf die Wälle und Palisaden.

Eine gute Zeitlang wehrten sich die Kindelbrücker wacker und fügten den Belagerern mit ihren schweren Wurfmaschinen einigen Schaden an Roß und Wagen zu. Dann aber fiel das Städtchen in die Hände der Verbündeten, ward angezündet und trefflich ausgeraubt. Es war gewiß eine lustige Sache für die Nordhäuser Herrensöhnlein, so im Gefolge eines edlen Grafen zu erscheinen und über Bauern und Kleinbürger herzufallen.

Doch nun - leider viel zu spät - griff der Landesfürst als Hort der Bedrängten ein und verlangte für die Kindelbrücker vollen Schadenersatz, widrigenfalls er die Verbündeten als Landfriedensbrecher erklären müßte. Da aber der Beichlinger nicht bezahlen konnte, mußten die drei Städte allein die heiße Suppe auslöffeln. Sie mußten eine große Buße zahlen, wobei aber das Schönste war, daß diese schließlich noch der Beichlinger erhielt, damit er auf Kindelbrück verzichtete und dieses der Landgraf selbst übernehmen konnte. Da war der Unwille der Handwerker wohl berechtigt, wenn sie die leichtfertigen Anzettler dieses Unternehmens schmähten. Geld und Gut war vertan, vertan, um arme Bürgersleute zu berauben, und geflossen war das Geld in die Taschen eines der Erbfeinde der Stadt.

Das war im Jahre 1359. Zwei andere Kriegszüge, die der Stadt auch nichts weiter einbrachten als blutige Köpfe und schwere Opfer an Geld, waren nach Westen gerichtet. Hier hatten am Eichsfelde und dem Leine-Werragebiete abgesehen vom Erzstift Mainz drei Herrschaften Interesse: Thüringen von Osten her, das meist mit Thüringen verbundene Hessen vom Westen her, und dazu als dritter Braunschweig von Norden her.

Das Weifengeschlecht, das über Braunschweig regierte, war seit alters ein starkes, aber auch gewalttätiges Geschlecht, das sich jedoch durch ewige Teilungen dauernd schwächte. Hier, im Gebiete des Eichsfeldes kamen zwei Linien der Braunschweiger besonders in Betracht: Braunschweig-Grubenhagen und Braunschweig-Göttingen, beides durch die Teilungen so kleine Herrschaftsgebiete, daß sich ein Graf von Honstein sehr wohl mit den Herzögen von Grubenhagen oder Göttingen vergleichen konnte. So trug denn auch der Charakter ihrer Politik dieselbe Färbung wie bei den honsteinschen Grafen: Ohne große Gesichtspunkte in ihrer Politik suchten sie durch kleine Fehden ihr Gebiet zu erweitern und über den dauernden Mangel an Geld hinwegzukommen.

Nun war Herzog Ernst von Braunschweig-Grubenhagen, als er einst arglos durch das Städtchen Nörten an der Leine ritt, von Herrn Heinrich von Hardenberg, einem kurmainzischen Vasallen, angefallen, gefangen genommen und gar in den Block gelegt worden. Der tief Gekränkte starb darüber hin und konnte die Schmach nicht mehr rächen. Aber sein Sohn Albrecht machte sich bei nächster Gelegenheit daran, dem Hardenberger heimzuzahlen, und da er das feste Schloß nicht nehmen konnte, wütete er gegen das wehrlos am Fuße der Burg liegende Nörten. Das Städtchen ging in Flammen auf. Da rief Heinrich von Hardenberg die Hilfe seines Lehnsherrn an, der damals gerade in Heiligenstadt weilte. Und der Mainzer, der auf eigene Rechnung zwar nichts tun, aber seinen Vasallen doch auch nicht im Stiche lassen wollte, setzte sich mit dem Landgrafen Friedrich dem Strengen ins Benehmen. Dieser, schon lange empört über die schlimmen Räubereien des Braunschweigers an seinen westlichen Grenzen, nahm die Gelegenheit wahr. Er stellte im Jahre 1365 ein Ultimatum und forderte sofortige Einstellung jeglicher kriegerischer Unternehmungen, erhielt aber nur zur Antwort: Und wenn es Landgrafen vom Himmel regne, werde der Braunschweiger sich nicht darum scheren. Damit war der Kriegsfall gegeben.

Friedrich brachte ein Heer von 18000 Mann auf die Beine, darunter das Aufgebot der Erfurter, Mühlhäuser und Nordhäuser. Die Schlösser Hindenburg, Windhausen und Lichtenstein wurden erobert, das flache Land ward furchtbar verheert. Dann legte man sich vor Salzderhelden und Einbeck. Beide wehrten sich aber tapfer. Besonders Salzderhelden, die Residenz des Braunschweigers, machte alle Anstrengungen der Belagerer zunichte „mit Hilfe einer Bleibüchse, mit der Heinrich in die Werke schoß, der ersten Büchse, die in diesem Lande vernommen ward“. - Trotzdem Salzderhelden nicht fiel, mußte schließlich Herzog Heinrich doch nachgeben, Nordhausen aber hatte nichts als Ausgaben von diesem Feldzuge.[1]

War schon Braunschweig-Grubenhagen ein unruhiger Gast, so der damalige Beherrscher des Hauses Braunschweig-Göttingen, Otto, der Quade genannt, noch viel mehr. Das Volk nannte ihn nur den „wütenden Hund“. Ohne irgendwelchen höheren Zweck verritt er mit seinen adligen Spießgesellen von den Burgen an der Leine und Werra nur zu Raub und Plünderung. Schließlich bildete sich sogar ein Bund von Adligen, nach ihrem Abzeichen die Ritter vom Stern genannt, der vom Rhein bis an die Elbe reichte und dem, abgesehen von mehreren Hochadligen, 8 Grafen und 2000 Adlige angehörten. Gerichtet war der Bund natürlich in erster Linie gegen die Städte.

Die Raubzüge Ottos und dieses Bundes zielten zunächst auf Hessen, auf das der Braunschweiger Ansprüche erhob; dann belästigte er aber auch das Eichsfeld und Thüringen. Schließlich wurden die Plackereien so arg, daß am 15. Februar 1371 die Städte Erfurt, Mühlhausen und Nordhausen, die Grafen von Gleichen, Schwarzburg-Sondershausen, Stolberg und Honstein ein Schutz- und Trutzbündnis auf 10 Jahre eingingen, gegen alle Feinde außer dem Kaiser und dem Erzbischof von Mainz. Der gemeinsame Anführer war Graf Heinrich von Honstein als kaiserlicher Vogt. Dieser entbot noch in demselben Jahre die Verbündeten zur Belagerung und Brechung eines der festesten Raubnester, des Hansteins auf dem Eichsfelde.

Der Heerhaufe erschien also vor der Burg und begann die Belagerung. Doch mit den damaligen Belagerungsmaschinen waren so feste, mehrfache Mauerringe, wie sie der Hanstein aufzuweisen hatte, nicht ohne weiteres zu nehmen. Die Burg hielt stand, und die Belagerer konnten einstweilen nichts weiter tun, als sorglos vor den Mauern liegen. So gelang es Otto dem Quaden vom unfemen Göttingen aus die Belagerer zu überraschen, in ihr Lager einzudringen, viele niederzuhauen und eine große Zahl gefangenzunehmen. Da gab es von den Krämern ein herrliches Lösegeld! Nordhausen mußte 800 M Silber zahlen, Erfurt nicht weniger als 12000 M!

Das war ein neuer schmerzlicher Aderlaß. Nordhausen, wie noch zu berichten sein wird, in den Vorjahren erst durch eine schwere Fehde mit Honstein arg mitgenommen, konnte diese Summe aus laufenden Mitteln nicht mehr aufbringen, um seine Söldner und Bürgersöhne zu lösen, sondern mußte eine außergewöhnliche Umlage erheben. Statt aber Einkommen und Vermögen zu besteuern, legte man eine Kopfsteuer von einem Schilling Pfennigen auf, so daß der Arme genau so betroffen wurde wie der Wohlhabende und die kinderreichen Familien, die das schwerste Durchkommen hatten, am schwersten betroffen wurden. Da schwoll die Wut des Volkes riesenhoch.

Dazu waren in diesen Jahren neue große Opfer für das Reich aufzubringen. König Karl hatte nämlich 1354 einen Römerzug unternommen und dazu des Reiches Mannschaft aufgeboten. Nordhausen aber, das damals endlich nach langen Kriegsjahren Ruhe in der Heimat hatte, war nicht lüstern nach fernen Kriegsfahrten gen Lampartenland, um dem deutschen Könige die römische Kaiserkrone einzuholen oder ihm dabei zu helfen, seinen Säckel mit lombardischem Geld zu füllen. Die Stadt hatte sich also für den Römerzug 1354 versagt, war aber deshalb wieder wie einst unter Ludwig dem Baiern der Acht verfallen und hatte nur mit dem Versprechen, 2500 Fl. kleine Goldgulden zu zahlen, den Zorn des Kaisers beschwichtigen können (8. April 1358). An der stattlichen Summe - zahlbar in der in Deutschland noch nicht lange heimischen Goldmünze - kann man die Stattlichkeit des kaiserlichen Grimmes ermessen.

Nun war die Acht von den Nordhäusern genommen worden, doch als der Johannistag kam und die Boten des Kaisers zu Erfurt warteten, um daselbst die gelben Florentiner entgegenzunehmen, mußten sie vergeblich warten. Nordhausen zahlte nicht.

Ein ganzes Jahrzehnt scheint Karl IV., obwohl er ein tüchtiger Geschäftsmann war, diesen noch ausstehenden Posten in seinem Hauptbuche übersehen zu haben, und erst als er 1368 einen neuen Romzug plante, kam ihm die Schuld seiner „lieben getreuen“ Nordhäuser in Erinnerung. Lange Verhandlungen müssen im März dieses Jahres, wahrscheinlich in Prag selbst, durch Abgesandte Nordhausens mit dem Kaiser gepflogen sein. Denn nicht weniger als sieben Urkunden vom 28. März und 2. April 1368 regelten das Verhältnis der Stadt zu dem Kaiser. Abgesehen davon, daß die Reichsacht endgültig aufgehoben wurde, bekam Nordhausen alle seine Wünsche, die es damals hatte, erfüllt: Den thüringischen Herren wurde befohlen, die Zölle für Nordhäuser Kaufleute herabzusetzen, die Nordhäuser Patrizier erlangten das alleinige Braurecht innerhalb eines Umkreises von einer Meile von der Stadt, ein für den Wohlstand der Stadt außerordentlich wichtiges Privileg, es ward ihnen ferner gestattet - worauf Nordhausen damals gerade besonders sein Augenmerk gerichtet hatte - Reichslehen in weitem Umkreis zu erwerben, der Kauf des Kohnsteins ward bestätigt, und schließlich erteilte der Kaiser die Erlaubnis, die Stadtbefestigungen weiter auszubauen. Wahrlich, geschickte Diplomaten muß Nordhausen damals besessen haben, daß sie alle diese Zugeständnisse herausholen konnten. Dafür erhöhte sich die ursprünglich auf 2500 Goldgulden festgesetzte Reichssteuer allerdings um 1000 Gulden auf 3500, denn umsonst war bei Karl IV. nichts zu haben; vierdhalb Tusent guldein, das ir uns nu geben sullet, als wir des mit euch ubereyn kommen. Daran durfte kein Heller fehlen; 2000 Gulden sollten übrigens sogleich in die Taschen des Grafen von Schwarzburg fließen, eine alte Schuld des Kaisers noch von seinen Anfangsjahren her, wo er mit Günther von Schwarzburg um die deutsche Krone stritt.[2]

3500 Goldgulden mußte die kleine Stadt aufbringen, d.h. alle Einwohner, während von den Privilegien, den Braugerechtsamen, der Erweiterung der Stadtflur, nur die vornehmen Geschlechter Vorteil hatten, wenigstens dachte der Kleinbürger so, obwohl er ja natürlich aus der Hebung von Handel und Wandel ebenso gut seinen Nutzen zog.

Doch der gewerbliche Mittelstand und die niederen Volksschichten waren nicht allein mit schweren Sorgen belastet; auch die gefreundten Geschlechter und Ratsmitglieder gingen ums Jahr 1370 manch einmal bedrückt genug einher. Zwar wirtschaftliche Nöte beschwerten sie nicht, desto mehr aber politische. Immer wieder drohte der kleinen Stadt, daß ihr die Reichsfreiheit von den benachbarten Fürsten, vor allem den Thüringern, genommen und sie zu einer Landstadt herabgedrückt werde.

Gewiß, bei den meisten Kriegszügen der letzten 20 Jahre stand Nordhausen im Bunde mit Thüringen, oder sie waren wenigstens, wie der letzte unglückliche gegen den Hanstein, im Sinne des Landgrafen. Doch schon seit längerer Zeit mußte weitblickendere Stadtväter die außenpolitische Entwicklung mit schwerer Sorge erfüllen. Die Landgrafen von Thüringen, einmal im Sattel, griffen immer weiter um sich, und immer mehr Länder, Burgen und Städte auch in Nordhausens Umgebung gingen in ihren Besitz über. Am 6. Juli 1365 hatten die Honsteiner die Burg Scharzfels, die ihnen erst seit 20 Jahren gehörte, aus Geldnot an Thüringen verpfändet. Wichtiger noch war die Erwerbung der Stadt Sangerhausen durch Thüringen im Jahre 1369 von den Braunschweigern, und als gar am 26. Januar 1370 der Landgraf sich noch einmal ausdrücklich seine Schutzherrlichkeit über Nordhausen vom Kaiser Karl IV. bestätigen ließ, nahm man das auch nicht gerade als beruhigendes Zeichen. Mit Besorgnis bemerkte Nordhausen diese drohende Umklammerung und griff deshalb freudig nach allem, was der wachsenden Macht der Thüringer hätte Einhalt gebieten können.

Noch viel argwöhnischer war freilich Erfurt und waren die adligen thüringischen Herrn, die für ihre Freiheit zitterten. So nahm denn alles, was in Thüringen selbständig sein und keinen Herrn über sich dulden wollte, die nächste Gelegenheit wahr, dem Landgrafen zu schaden.

Nun war um die Besetzung des bischöflichen Stuhles von Kurmainz ein Streit ausgebrochen, an dem die thüringischen Lande insofern interessiert waren, als sie zur Diözese Mainz gehörten. Im Jahre 1373 war nämlich Ludwig, der Bruder Friedrichs des Strengen von Thüringen, zum Erzbischof gewählt und vom Kaiser und Papst bestätigt worden. Das Domkapitel wählte aber den Grafen Adolf von Nassau, bisherigen Bischof von Speyer, zum Kurfürsten von Mainz. In dem nun folgenden Streite unterstützten die Landgrafen Friedrich und Balthasar ihren geistlichen Bruder bei seinen Ansprüchen, die Grafen und Städte aber nahmen Partei für Adolf von Nassau, um zu verhindern, daß in Thüringen geistliche und weltliche Macht in den Händen einunddesselben Geschlechtes lag. Erfurt besonders, strotzend vor Macht und Reichtum und immer noch hoffend, die Reichsfreiheit zu gewinnen, war Gegnerin der landgräflichen Politik. Die Landgrafen hatten einmal wieder ihr ganzes Land im Aufruhr gegen sich. Doch die Verbündeten wurden im Jahre 1375 bei Gebesee geschlagen und mußten ziemlich ungeregelt die Flucht nach Mühlhausen hin ergreifen.

Nordhausen, so heißt es, sei seiner Bündnispflicht den Erfurtern und Mühlhäusern gegenüber nachgekommen und habe an dem unglücklichen Gefechte teilgenommen. Bezeugt ist dieser Zug der Nordhäuser ins Thüringische nicht, und die Ereignisse des Jahres 1375 innerhalb der Mauern Nordhausens sprechen nicht sehr dafür, daß Nordhausen in diesem Jahre aktive Außenpolitik getrieben habe. Alle Hoffnung und frommen Wünsche der Stadt haben aber sicher die Verbündeten begleitet, und der Sieg des Landgrafen war für sie eine herbe Enttäuschung.

Alle diese Fehlschläge in Ost und West und Süd berührten die Stadt jedoch nicht so wie ihre Streitigkeiten mit den Grafen von Honstein-Klettenberg im Ausgang der sechziger Jahre.

Die Bedeutung der Grafschaft für Nordhausen ist ja immer wieder hervorgetreten. Ihr Gebiet umspülte Nordhausen, ihre Herren waren Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit in der Stadt, sie besaßen das Schutzrecht über das Altendorfer und Frauenberger Kloster. Dann waren sie auch jahrzehntelang vom Könige zu Wahrem des Landfriedens bestellt gewesen, sprachen als solche Recht und riefen den Heerbann gegen die Übertreter des Friedens auf. Daß sie andererseits aber auch abhängig von den Patriziern Nordhausens waren, daß sie in ihrer Geldverlegenheit wichtige Ortschaften an eine Reihe Nordhäuser Bürger versetzt hatten, ist oben gezeigt worden. Kurz, aus dieser gegenseitigen Abhängigkeit erwuchsen bald Freundschaften, bald Feindschaften. Während um 1350 herum leidliche Verhältnisse bestanden, kam es am Ausgang der fünfziger Jahre zu Reibereien. Die Grafen ließen nämlich in den Dörfern ihrer Herrschaft selbst Bier herstellen und verboten den Bauern den Bierkauf bei den Bürgern. Überhaupt sahen sie ganz begreiflich nicht gern, wenn ihre Untertanen das Geld in die Stadt trugen; einst hatten sie sich ja deshalb in Heringen eine eigene Stadt schaffen wollen. Wegen dieser Haltung hatten sich auch die Bürger zu ihrem Schaden an die Beichlinger Grafen angeschlossen und mußten dann nach der Kindelbrücker Affäre im Jahre 1359 den Honsteinem gegenüber einlenken. Diese gestatteten ihnen die Bierausfuhr wieder, Nordhausen zahlte dafür aber den Grafen 10 Jahre lang jährlich 50 M Silber. Um diese Zahlungen der Stadt zu erleichtern, hieß es in dem Vertrage verschämt, die Grafen nähmen die Stadt auf 10 Jahre in ihren Schutz. So schien alles wieder ausgeglichen, doch so recht traute man beiderseits dem Frieden nicht. Deshalb vereinigte sich auch im Jahre 1365 die Neustadt mit der Oberstadt mit der besonderen Verpflichtung der Oberstadt, für den Schutz der Unterstadt zu sorgen. Dieser Machtzuwachs Nordhausens erregte nun aber wieder die Besorgnis der gräflichen Herren und führte schließlich zu offenem Kriege.

Seit alters herrscht in der zeitlichen Festlegung dieser großen Fehde der Grafen von Honstein mit der Stadt Nordhausen eine rechte Verwirrung, die auch Karl Meyer nicht behoben hat.[3] Während nämlich Förstemann seiner Art gemäß nur registriert, geht Meyer durchaus richtig auf die tieferen Gründe zu den Auseinandersetzungen ein, nimmt aber als äußeren Anlaß zum Kampfe, einem Hinweise Förstemanns folgend, nur die Erweiterung der Nordhäuser Stadtflur im Februar 1368 an. Nun wurde aber im August 1368 die Fehde schon beigelegt. Da können also die Errichtung der Schnabelsburg, die Werbung von Truppen durch Nordhausen, die verschiedenen Streifzüge, die Versuche zum Ausgleich nicht sämtlich in der kurzen Spanne Zeit vom Februar bis August 1368 geschehen sein. Meyer faßt auch das offenbar, wenigstens in seiner Schrift vom Jahre 1903, selbst nicht so auf, obwohl er alle Ereignisse erst nach dem Kaufe der Nordhäuser vom 11. Februar 1368 erzählt; er versucht aber niemals eine Datierung des Baues der Schnabelsburg, der Truppenwerbung durch die Nordhäuser oder des Gefechtes bei Heringen.

Fest steht, daß im September 1367 die Fehde im vollen Gange war; die Truppenwerbung durch Nordhausen müssen also spätestens im Frühjahr dieses Jahres vor sich gegangen, der Anlaß aber zu den Werbungen, der Bau der Schnabelsburg, muß noch früher, etwa im Jahre 1366 gegeben gewesen sein. Etwas Bestimmtes läßt sich nicht ausmachen, aber auf das Jahr 1366 wird man für den Anfang der Fehde zurückgreifen müssen. Wenn dem aber so ist, so liegt die Vermutung nahe, daß nicht die honsteinschen Schulden an Nordhausen und noch weniger der Erwerb der Salzaer Flur, so sehr sie zum Groll der Grafen beigetragen hat, der äußere Anlaß für den Kampf gewesen sind, sondern die Vereinigung der Neustadt mit der Altstadt im Jahre 1365.

Um nun den Nordhäuser Handel zu sperren, um ein Ausfallstor zu haben, von dem sie leicht in die Nordhäuser Fluren einfallen, sie verheeren und das Vieh wegtreiben konnten, führten die Grafen auf dem östlichen Ausläufer des Kohn- steins eine Burg, die Schnabelsburg, auf, nach unserer Meinung im Jahre 1366. Vielleicht hat auch die Absicht der Nordhäuser, Salzaer Flur anzukaufen, die Grafen bewogen, die Burg gerade auf den Kohnstein zu legen. Nicht unmöglich ist aber auch das Umgekehrte, daß erst die Anlage der Burg die Nordhäuser veranlaßt hat, dem schon länger erwogenen Kauf näherzutreten, um an die Feste heranzukommen. Mit den Grafen im Bunde stand der Braunschweiger Otto der Quade, der überall dabei war, wo es etwas zu rauben gab.

Jedenfalls entschloß sich nun Nordhausen zu einem regelrechten Kriege. Seinen Handel auf der alten Heerstraße nach Ellrich und Goslar konnte es sich durch die Zwingburg nicht unterbinden lassen, und die großen Erwerbungen in Salza, die in Aussicht standen, schienen doch so wertvoll zu sein, daß man keine Kosten scheuen durfte. Die Stadt schickte also Werber nach Thüringen und Hessen hinaus. Dort saßen auf den Burgen an der Werra die ewig kriegslustigen, aber armen Adligen, denen es gleich war, ob sie für Otto den Quaden oder irgendwelchen Krämer ritten, wenn sie nur Gold und gerechten Anteil an der Beute erhielten. Die Herren von der Boyneburg, von Brandenstein und Buttlar kamen und stellten sich in den Dienst der Stadt. Andreas Buttlar ward zum Feldhauptmann gemacht, und der verstand den Krieg.

Sogleich gingen nun im Sommer 1367 die Städter daran, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. In hellen Haufen fielen sie in die Grafschaft ein, und der Bauer hatte einmal wieder die Zeche zu bezahlen. Heringen und Kelbra gingen in Flammen auf. Der Herr von Buttlar verstand den Krieg. Als die Städter Heringen angezündet hatten, trieben sie das Vieh als gute Beute von dannen. Da, in/dem Augenblick als die Nordhäuser mit der Ordnung des Rückzuges samt ihrer Beute beschäftigt waren und die Haufen sich gelockert hatten, brachen die Grafen von Honstein, die im festen Schlosse zu Heringen gesessen und das Unheil untätig über ihr armes Dorf hatten hereinbrechen sehen, mit ihren Reisigen aus dem Schlosse hervor, sprengten heran und hieben auf die Scharen der Nordhäuser ein. Doch schneller, als es möglich schien, setzten sich diese zur Wehr, und nun kam es zu scharfem Schwertschlag. Andreas von Buttlar nahm den Grafen Heinrich den Jüngeren selbst gefangen; fürwahr, er verstand den Krieg. Nur schade, daß der Feldhauptmann kein Einheimischer war und den jungen Herrn nicht sogleich erkannte. Deshalb fragte er ihn nach Namen und Stand, und jener versetzte listig, er heiße Heinrich von Kelbra. Das war schon richtig, denn Heinrich hieß er, und Herr von Kelbra war er auch; der Buttlarer aber hielt ihn für einen schlichten Edelmann und ließ ihn los auf sein Gelübde hin, sich an bestimmtem Tage in Nordhausen zu stellen. So kam der Graf nach Heringen zurück, und die Nordhäuser hatten nach mannhaftem Streit ihre Beute gerettet. Im Schlosse zu Heringen aber wußten seine Oheime Dietrich und Ulrich den jungen Grafen zu bereden, sein Ritterwort zu brechen.

Die Fehde hatte nun aber solche Ausmaße angenommen, daß Kaiser Karl IV. sich genötigt sah, einzugreifen. Er verlangte im September 1367 durch einen Boten von den Landgrafen Friedrich und Balthasar Bescheid über den Stand der Dinge und forderte Balthasar zugleich auf, zu vermitteln. Diese Verhandlungen fanden im Januar 1368 zu Weißenfels statt, doch gaben hier nur die Nordhäuser die Erklärung ab, sich unbedingt dem Spruche des Landgrafen fügen zu wollen. Erst am 23. August kam es zu endgültigen Verhandlungen. Aus dem Vergleich, der nun tatsächlich abgeschlossen wurde, geht hervor, daß es sich dabei zunächst gar nicht um die Erwerbung Salzaer Güter handelt, sondern lediglich um die Niederlegung der Schnabelsburg. Sonst hätte der Vergleich auch für Nordhausen gar nicht so ungünstig ausfallen können. Auch hieraus läßt sich erkennen, daß die Güter allein nicht der Anlaß zur Fehde gewesen sind. Nach dem Schiedsspruch Balthasars sollte die Stadt innerhalb dreier Jahre 1500 M lötigen Silbers an die Honsteiner bezahlen, dafür sollte die Schnabelsburg dem Schiedsrichter Balthasar von Thüringen zur Zerstörung übergeben werden.

Durch diesen Spruch war zwar die Zwingburg beseitigt, aber der Stadt waren große Kosten auferlegt. Über den Kauf der Güter aber sollte erst ein neuer Schiedsspruch entscheiden. „Ouch sulln sie beidersit umb die gut eines fruntli- chen tages vor uns wartin, ab wir sie darumb fruntlichin gerichtin mochtin. “

Worum handelte es sich nun bei diesem Gütererwerb? Im Jahre 1367 hatte sich für Nordhausen endlich einmal wieder die Aussicht geboten, seine kleine Stadtflur zu erweitern, und zwar nach Nordwesten gegen den Kohnstein zu. Hier waren in Obersalza, dem heutigen Salza, die Ritter von Salza schon lange städtefreundlich gesinnt; Günther von Salza hatte 1329 auf Seiten Nordhausens gegen die Stolberger Grafen gestanden. Jetzt am 11. Februar 1368, also in derselben Zeit, wo die Nordhäuser Unterhändler in Prag vom Kaiser Karl große Begünstigungen für die Stadt erhielten, gelang den Nordhäusern mit Friedrich von Salza ein günstiger Abschluß. Friedrich verkaufte an Nordhausen den halben Kohnsteinwald, drei Teiche mit Weidenbäumen, 165 Morgen Ackerland, seinen Rittersitz in Salza und mehrere Abgaben zinspflichtiger Salzaer Bauern sowie Gerechtsame am Salzaer Gericht. Flugs ließen am 28. März 1368 die Nordhäuser sich diesen Kauf auch noch vom Kaiser in Prag bestätigen. Wenige Wochen später, am 1. Mai 1368, ging auch noch Johann von Salza daran, ein Viertel des Kohnsteins und 4 Höfe in Salza, die ihm zu zinsen hatten, den Nordhäusern zu verhandeln.[4] Welche Aussichten boten sich da für Nordhausen! Über kurz oder lang mußte ihnen ja ganz Salza samt dem Kohnstein zufallen, ein Gebiet, zwar nur von mäßiger Fruchtbarkeit und meist mit Wald bestanden, aber doch nicht viel kleiner als die ganze bisherige Stadtflur.

Natürlich widerstrebten die Honsteiner auch diesem Ankauf; über ihn wurde aber, weil er gar nicht der Anlaß war, am 23. August 1368 zunächst nicht mitverhandelt, sondern er wurde nur erwähnt, und der Schiedsrichter vertröstete die Streitenden auf einen späteren Termin. Doch haben Verhandlungen niemals darüber stattgefunden, und es wird richtig sein, wenn Meyer vermutet, daß die Nordhäuser von dem Kauf haben Abstand nehmen müssen, da sie die Gelder dazu nicht mehr aufbringen konnten. Nur den Südostrand des Kohnsteins, an dem seit alters Steine gebrochen und Kalk gewonnen wurde, erhielten die Nordhäuser am 19. Juli 1370 durch Vergleich von den Honsteinem. Doch auch diese kümmerliche Abfindung ging im Laufe der Zeiten wieder verloren, so daß die Nordhäuser Stadtflur noch heute so klein ist wie einstmals.[5]

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  1. Vergl. von Heinemann, Geschichte von Braunschweig, II. 56 ff.
  2. Förstemann, Urk. Geschichte II, 25 ff.
  3. Meyer, Festschrift 1903, 27 ff. - Meyer, Die Burg Hohnstein, 29 steht allerdings eindeutig: „im Jahre 1368 entstand ... eine erbitterte Fehde“.
  4. Förstemann, Kleine Schriften, 170 ff.
  5. Vergl. Meyer, Fehde der Nordhäuser mit den Grafen von Hohnstein 1368. In: Festschrift des Harzvereins 1903, 27 ff.