Das Nordhäuser Gymnasium im Weltkriege 1914-18

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Titel: Das Nordhäuser Gymnasium im Weltkriege 1914-18
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aus: Zur Feier des vierhundertjährigen Bestehens des Gymnasiums zu Nordhausen
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Erscheinungsdatum: 1924
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Das Nordhäuser Gymnasium im Weltkriege 1914/1918.


Von Studienrat M. Paul.


Wer aus der Geschichte des „Gymnasium Nordhusanum“, die wir der fleißigen Arbeit Dr. Silberborths verdanken, sich unterrichten wollte, welche unmittelbaren Rückwirkungen der dreißigjährige Krieg auf das Gymnasium und seinen unterrichtlichen Betrieb gehabt hat, der wird nicht ohne Verwunderung feststellen, wie wenig uns davon überliefert ist, so wenig, daß man fast glauben könnte, der schreckliche Krieg, der Deutschlands Gaue so viele Jahre durchtobt und verwüstet hat, sei fast spurlos an Nordhausens Lateinschule vorübergegangen. Nicht anders steht es mit dem Napoleonischen Zeitalter und den Kriegen von 1866 und 1870—71. Zwar wird uns aus dem Deutsch-französischen Kriege von den ins Feld ziehenden Primanern und dem Heldentod des Mathematikers Emil Thomae berichtet, wir hören auch von einigen Siegesfeiern des Gymnasiums, aber im ganzen hat man hier wie sonst den Eindruck, als ob der Betrieb der Schule durch die großen geschichtlichen Ereignisse kaum beeinflußt oder wesentlich gestört worden sei. Vielleicht scheint es aber auch nur so, weil die Quellen schweigen, und uns erwächst gerade daraus die Pflicht, zu verhüten, daß einst in der Geschichte derselbe Eindruck von dem Weltkrieg 1914—18 entsteht. Es soll nicht wieder der Vergessenheit anheimfallen, was unser Gymnasium in diesen gewaltigen vier Jahren geleistet und gelitten hat; und wenn es auch nicht mehr getan hat als jedes andere Provinzgymnasium im Innern Deutschlands, und wenn vieles von dem, was zu sagen ist, für die deutsche Schule ganz allgemein gilt, so gibt die bevorstehende Jubelfeier zum Gedächtnis des 400jährigen Bestehens unserer altehrwürdigen Schule einen besonderen Anlaß, dieses jüngste schicksalsschwere Erleben festzuhalten und damit zugleich einen Beitrag zu liefern für eine spätere Weiterführung der Geschichte des Gymnasiums, die Silberborth aus wohlerwogenen Gründen mit den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts abgeschlossen hat. Weil es sich bei dieser Skizze nur um Material für eine Geschichte handelt, zusammengestellt von einem, der die Zeit teils daheim im Lande, teils draußen im Felde miterlebt hat, so mag es verstattet sein, der Darstellung eine persönlichere Farbe zu geben und, wie es nicht zu vermeiden ist, die Namen nicht nur von Toten und Gefallenen zu nennen, sondern auch von lebenden Kriegsteilnehmern und anderen Männern unter Lehrern und früheren Schülern, von deren Verdiensten die Tatsachen selber zeugen. Es liegt dieser ganzen Darstellung die Gewißheit zu Grunde, daß Deutschland sich noch einmal vom Boden erheben wird und dann aus den denkwürdigen Taten seiner Söhne, die bislang wie mit einem Schleier des Schweigens bedeckt zu sein scheinen, Kraft und Leben schöpfen wird, um die Ketten zu brechen, in denen unser Volk jetzt schmachtet.[1]

Mobilmachung und erste Einwirkung der kriegerischen Ereignisse

Als am Nachmittag des 28. Juni 1914, eines sonnigwarmen Sommertages, der Telegraph die Kunde von der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares meldete, da durchzuckte wohl manchen jäh die Erkenntnis., daß diesem Ereignis eine verhängnisvolle Bedeutung zukomme. Aber bald beruhigte man sich in dem Gedanken, daß es den Diplomaten, wie schon manches Mal, so auch jetzt wieder gelingen würde, einen Weg zu finden, um das Entsetzliche zu vermeiden, das in finsteren Wolken Jahr um Jahr drohend am politischen Himmel gestanden hatte. Als dann am 4. Juli die ersehnten Sommerferien begannen, dachte man wenig an Verwicklungen politischer oder gar kriegerischer Art und zerstreute sich wie sonst fröhlichen Sinnes in die Sommerfrischen an der See und im Gebirge. Einer und der andere reiste gar nach dem Ausland, ohne zu ahnen, daß er in wenigen Wochen nur unter größten Schwierigkeiten die Heimreise ermöglichen -werde. Noch als am 23.'Juli die österreichische Note mit ihren ultimativen Forderungen in Belgrad überreicht wurde, glaubte man im größeren Publikum nicht an den ganzen Ernst der Lage. Erst als man merkte, daß der unvermeidlich gewordene Krieg Oesterreich- Ungams mit Serbien die russische Mobilmachung zur Folge hatte, sah man die riesengroße Gefahr eines europäischen Krieges vor Augen, der sich durch Englands Beitritt bald genug zu einem Weltkrieg auswachsen konnte. Gerade der Durchschnittsdeutsche, der trotz der immer zunehmenden Spannung und feindlichen Umklammerung des letzten Jahrzehnts einen Krieg wegen seiner unabsehbaren Auswirkung und vernichtenden Schärfe nicht für wahrscheinlich halten konnte, sah sich mit einem Male einer Lage gegenüber, die im deutschen Volke zunächst ein Erschrecken, eine beklemmende Spannung, dann ein Auflodern der gesammelten Kraft in beispielloser Begeisterung zur Folge hatte. Nur wer den dumpfen Druck, das ständige Gefühl einer gewitterhaft geladenen Atmosphäre in den letzten Vorkriegsjahren miterlebt hat, kann diesen elementaren Ausbruch des Volksempfindens, dieses Aufjauchzen gegenüber der kommenden Auseinandersetzung verstehen. Dabei handelte es sich nicht etwa um einen bloß gefühlsmäßigen Ueberschwang; denn die gleiche Erregung bemächtigte sich des reifen Mannes, ja des bejahrten Greises kaum weniger stark als der wehrfähigen Jugend. Noch aber bemühte sich der deutsche Kaiser um Lokalisierung des Konflikts und Aufrechterhaltung von Verhandlungsmöglichkeiten, als Rußland das Deutsche Reich mit seiner Mobilmachung- vor vollendete Tatsachen stellte; und nun folgten sich die großen Ereignisse Schlag auf Schlag: am 31. Juli Verhängung des Kriegszustandes im Deutschen Reich, deutsches Ultimatum an Rußland und Frankreich; am 1. August Mobilmachung des deutschen Heeres und der Kaiserlichen Marine. Mit dieser Anordnung war der Höhepunkt der Begeisterung und des nationalen Hochgefühls erreicht. Nun setzte die Tat ein, und dem Ablauf eines riesigen Uhrwerks gleich vollzog sich in den ersten Augusttagen das in langer Friedenszeit bis ins kleinste vorbereitete und durchgearbeitete organisatorische Meisterwerk der deutschen Mobilmachung. Bereits am 2. August rollten die ersten Militärtransporte durch Nordhausens Bahnhof, um sich von Stunde zu Stunde zu mehren und in einer ununterbrochenen Zugfolge von 15 bis 20 Minuten zu gipfeln. Mit Staunen sah die Bevölkerung diese ans Wunderbare grenzende Leistung, die sie beruhigte und zugleich zur höchsten Kraftanstrengung anspornte. Naturgemäß war das Miterleben dieser Tage in Deutschlands reiferer Jugend am stärksten, und wie im ganzen Reiche, so wurden auch an Nordhausens höheren Schulen die Schüler aller Klassen von einer Begeisterung ohnegleichen gepackt. Die ersten Mobilmachungstage fielen noch in die Ferien, und mit Spannung und Ungeduld wurde diesmal der Schulbeginn und noch mehr der Ministerialerlaß über die Abhaltung der Notreifeprüfung herbeigesehnt. Die Zahl der nicht unmittelbar wehrpflichtigen Jünglinge und Männer, die sich freiwillig zum Eintritt in das Heer meldeten, war gleich am 1. Mobilmachungstag bedeutend und wuchs von Tag zu Tag. Schon wurden die Meldelisten für dieses und jenes Regiment geschlossen, und die Primaner fürchteten, zu spät zu kommen. Sobald daher der Erlaß, der die Notreifeprüfung anordnete, veröffentlicht war, wurde die Prüfung auf Mittwoch, den 5. August, als den erstmöglichen Termin festgesetzt. Als sich an diesem Tage die Schulgemeinde nach den Sommerferien wieder in der Aula zusammenfand, zeigte es sich, daß die Mobilmachung schon erheblich in den Organismus der Schule eingegriffen hatte. Vom Lehrerkollegium war als ältestes Mitglied der Hauptmann d. L. Prof. Dr. Haufe bereits am 1. August trotz seines Alters von 59 Jahren einberufen und mit der Bewachung der Brücken und Bahndämme in der näheren Umgebung Nordhausens beauftragt worden. Ebenso waren gleich am 2. August Oberlehrer Thiede als Vicefeldwebel zum Inf.-Regt. Nr. 82 nach Göttingen und Wissenschafti. Hilfslehrer Dr. Walther als Offizierstellvertreter in das Sächs. Res.-Inf.-Regt. Nr. 102 nach Dresden eingezogen worden, mit dem der letztere alsbald auf den westlichen Kriegsschauplatz ausrückte. Auch der Probekandidat Bublitz kehrte nicht aus den Ferien zurück, sondern teilte mit, daß er beim Inf.-Regt. Nr. 54 in Kolberg eingetreten sei. Die Einziehungen beschränkten sich aber nicht nur auf das Lehrerkollegium, sondern betrafen auch den Schuldiener Hugo Küster, der am 1. Mo- bilmachungstage als etatmäßiger Feldwebel in das Ersatzbataillon des Res.-Inf.-Regts. Nr. 82 eingestellt wurde, und endlich den Heizer Wolf, der als Wehrmann nach Magdeburg kam. Es machten sich also schon allenthalben Lücken bemerkbar, als mit Beginn des Unterrichts am 5. August zugleich die erste Notprüfung dieses Krieges abgehalten wurde, der viele andere folgen sollten. 12 Oberprimaner und 4 Unterprimaner, die das entsprechende Klassenalter aufwiesen und für den Militärdienst tauglich befunden worden waren, unterzogen sich ihr und bestanden sämtlich, aufrichtig beneidet von ihren Mitschülern, besonders auch von den beiden Klassenkameraden, die für den Dienst mit der Waffe noch nicht als tauglich bezeichnet waren und deshalb nach den Bestimmungen des Erlasses zur Notreifeprüfung nicht zugelassen werden keimten. Gleichzeitig fand eine Notprüfung für die Erlangung des Zeugnisses zum einjährig-freiw. Dienst statt, der sich aber nur 1 Untersekundaner unterzog. Dagegen meldeten sich 3 Untersekundaner, 1 Obersekundaner und 4 Unterprimaner, um mit Zustimmung ihrer Eltern sofort als Kriegsfreiwillige in den Heeresdienst einzutreten. Erst nachträglich wurde diesen Schülern auf Grund eines späteren Ministerialerlasses in den Abgangszeugnissen die Versetzung in die nächsthöhere Klasse zuerkannt, eine Vergünstigung, die sie, wie Direktor Orth im Jahresbericht von 1914 rühmend hervorhebt, in ihren Entschlüssen nicht beeinflußt hatte.

Voll Stolz entließ die Schule alle diese von innerer Begeisterung glühenden Jünglinge, die zum Teil kaum dem Knabenalter entwachsen und doch freudig bereit waren, ihr junges Leben für Deutschlands Ehre und Größe in die Schanze zu schlagen. Ja, das Gymnasium Nordhusanum durfte stolz auf seine Schüler sein, denn deutlich zeigte sich in diesem Augenblick wie im ganzen Verlauf des Krieges, daß der Geist der höheren Schule im allgemeinen und des humanistischen Gymnasiums im besonderen seine Feuerprobe bestand, wo es galt, die deutsche Kultur zu bewahren und zu retten vor den gewaltigen Gefahren, die ihr von russischer Barbarei und gallischem Chauvinismus drohten. Wie unter der warmen Frühlingssonne, die das letzte Eis zum Schmelzen bringt, der Saft in allen Pflanzen steigt und mit seiner aufgespeicherten Energie überall Zweige und Knospen und Blätter hervortreibt, so weckte in jenen Augusttagen die Hochstimmung der nationalen Erhebung ein ungeahntes Leben voll Kraft und Opfersinns, einen Willen zur Hingabe für das Ganze, wie er in dieser Stärke und Allgemeinheit wohl noch nie in der deutschen Geschichte hervor getreten ist. Jeder deutsche Mann, jeder Jüngling bis zum Knaben hinab wäre am liebsten sogleich mit unserem herrlichen Heere hinausgezogen, und wer daheim bleiben mußte, war unruhig in sich und spürte das Verlangen, irgendwie Hand anzulegen und an seinem Teile zum Gehngen des Riesenwerkes beizutragen. So fühlte es das Lehrerkollegium, so die Schülerschaft des Nordhäuser Gymnasiums. Als daher das Rote Kreuz mit der Bitte herantrat, die Schüler der oberen Klassen möchten sich zur Verfügung stellen, um bei der Verpflegung der Truppen am Bahnhof mitzuwirken, da fand sich sofort eine genügende Anzahl bereit, in Gruppen geordnet, abwechselnd am Nachmittag, am Abend und auch in den Nachtstunden am Bahnhof zu sein und dort an die durchkommenden Truppentransporte warmen Kaffee, Brote und allerlei Liebesgaben zu verteilen. Sie bekamen dabei zugleich einen unvergeßlichen Eindruck von der Stärke und Ausrüstung des deutschen Heeres, von dem vorzüglichen Geiste der nach West und Ost rollenden Truppen und der außerordentlichen Leistung der preußischen Staatseisenbahn.

Noch war die Mobilmachung im vollen Gange, da kam am 7. August bereits die Kunde von dem Fall Lüttichs, das von den deutschen Truppen im Sturm erobert worden war. Der Jubel darüber war um so größer, als man es kaum fassen konnte, wie eine so starke und modern ausgerüstete Festung durch überraschenden Handstreich hatte genommen werden können. Zum ersten Male feierte die Schulgemeinde einen deutschen Sieg mit Gesang und kurzer Ansprache; sie ahnte dabei nicht, daß an den Kämpfen, die sich weiter um Lüttich und Namur entspannen, bereits einer von den Kriegsfreiwilligen teilnahm, die eben erst die Notreifeprüfung abgelegt hatten. Und doch war dem so! Dem Oberprimaner Johannes Cordes, einem Pfarrerssohn aus Crimderode, war einige Monate vorher die Aufnahme als Fahnenjunker in das Kurhess. Pionier-Batl. Nr. 11 in Hann.-Münden für Ostern 1915 zugesichert worden. Sofort nach bestandener Notprüfung am 5. August stellte er sich dem Bataillon und rückte bereits am nächsten Tage, unausgebildet wie er war, mit der Truppe nach Belgien aus, wo er an den Kämpfen um die genannten Festungen beteiligt war.

Nach dem Fall Lüttichs und dem ersten Siege bei Mühlhausen legte sich vorerst die Hochspannung, die diese Ereignisse ausgelöst hatten; man wurde sich bewußt, daß es unsere Truppen in West und Ost mit emstzunehmenden und starken Gegnern zu tun hatten und daß sie blutigen Kämpfen entgegen gingen. So begann denn auch die nüchterne Schularbeit wieder und zwar im vollen Umfange, da es erfreulicherweise gelang, eine vollständige Vertretung aller ausgeschiedenen Lehrer herbeizuführen. Den altsprachlichen Unterricht übernahmen hauptsächlich die beiden dem Gymnasium zugeteilten Probekandidaten Möricke und Thienemann, die mit voller Stundenzahl herangezogen werden konnten. Für die Erteilung des neusprachlichen Unterrichts stellte sich in anerkennenswerter Weise ein seit 4 Jahren im Ruhestande lebender früherer Lehrer der Anstalt, Professor Neuhoff, zur Verfügung. Da ferner mit der Notprüfung die Oberprima als selbständige Klasse in Wegfall kam, so konnte ohne weitere Hilfe auch noch der Unterricht von Professor Oelmann gedeckt werden, der am 17. August als Offizier- Stellvertreter in das Landst.-Inf.-Bat. Naumburg eingestellt wurde und mit demselben bald darauf nach Belgien, vorläufig zum Dienst in der Etappe, ausrückte. Mit seinem Ausscheiden trat zunächst eine Pause in den Einberufungen ein, und der Unterricht konnte im ganzen ungestört fortgeführt werden, zumal mit Beginn des Winterhalbjahres dem Gymnasialkollegium zwei durch Zusammenlegung von Klassen freigewordene Lehrer vom Realgymnasium, Prof. Dr. Otten und Dr. Silberborth, überwiesen wurden.

Lehrer und Schüler im Heeresdienst und an der Front

Durch den raschen Vormarsch in Belgien, die großen Anfangserfolge gegen Frankreich und den glänzenden Sieg Hindenburgs bei Tannenberg hatte sich die in der deutschen Oeffentlichlikeit weitverbreitete Meinung verstärkt, daß es sich in diesem Kriege wesentlich um einen kurzen Feldzug mit wenigen großen, aber vernichtenden Entscheidungsschlachten handele. Daher der allgemeine Eifer, mit dabei zu sein und zu helfen, die Freudigkeit Opfer zu bringen und die Sorge vieler junger Menschen, sie möchten zu spät kommen und das große Erleben versäumen. Als jedoch nach der Mameschlacht der Vormarsch im Westen zum Stehen kam und der Bewegungskrieg in den Stellungskrieg mit seinem gänzlich veränderten Charakter überging, als sich im Osten die gewaltige russische Uebermacht immer stärker fühlbar machte und durch Verluste wie die bei Tannenberg in keiner Weise geschwächt zeigte, fühlte sich das allgemeine Bewußtsein befremdet und war genötigt, sich auf einen langen vertust- und opferreichen Krieg gefaßt zu machen, dessen weiterer Verlauf durchaus undurchsichtig war. Die Hoffnung, den Krieg noch im Jahre 1914 zu beendigen, schwand immer mehr; man begann die militärischen Erfolge anders zu werten und die Kräfte auf der Gegenseite richtiger einzuschätzen. Zugleich wandelte sich mit dieser Erkenntnis die hellodernde Begeisterung der ersten Wochen allmählich in den stillen, tiefen Emst des Bewußtseins, einen Kampf um Sein oder Nichtsein zu führen, und in den entschlossenen Willen, in diesem Ringen nicht zu unterliegen. Es ist klar, daß die starken Anforderungen an Menschen und Material, die der Krieg nach mehreren Fronten bei immer noch wachsender Zahl der Feinde zur Folge hatte, sich entsprechend auch im Leben des Gymnasiums bemerkbar machen mußten. Bis zum Ende des Jahres verließen im ganzen nicht weniger als 30 Schüler die Anstalt, um als Kriegsfreiwilige ins Heer zu treten. Unter diesen befanden sich 3 kräftige Jungen, die eben erst das 15. und IG. Lebensjahr vollendet hatten, 8 standen im siebzehnten und 10 im achtzehnten Lebensjahr. 10 von den 30 Freiwilligen sollten bereits bis September 1917 ihre Treue mit dem Tode besiegeln. Von den Lehrern der Anstalt wurde zunächst der Direktor, Prof. Dr. Orth, am 1. Dezember als Oberleutnant d. L. eingezogen und mit der Führung einer Kompagnie am Offizier-Gefangenenlager Hann.-Münden beauftragt. Seine Vertretung übernahm der älteste Lehrer, der bereits 70jährige, aber fast jugendlich rüstige Prof. Dr. S c h a m b a c h , dem aus den zahlreichen Veränderungen in der Zusammensetzung des Kollegiums eine nicht geringe Arbeitslast und Unruhe erwuchs. Am 1. Februar 1915 wurde der Probekandidat Möricke zur Ersatzreserve des Inf.-Regts. Nr. 94 und der Zeichenlehrer Froneberg zum Inf.-Regt. Nr. 82 eingezogen. Anfang März schied dann der zum Fußart.-Regt. Nr. 18 nach Mainz einbprufene Oberlehrer Dr. Silberborth wieder aus dem Gymnasialkollegium aus. Ferner trat am 1. Mai desselben Jahres Oberlehrer Paul als Kriegsfreiwilliger in das Feldart.-Regt. Nr. 75 in Halle a. S. ein. Schließlich wurde noch der Vorschullehrer Bodemeyer trotz wiederholter Reklamation seitens der Behörde zum Heeresdienst eingezogen. Um die so entstandenen Lücken auszufüllen, wurden die Oberlehrer Ecke und Dr. Baake vom Realgymnasium an das Gymnasium überwiesen. Die Vertretung in der 3. Vorschulklasse übernahm Frau Mittelschullehrer Muegge, den Zeichenunterricht erteilten die Zeichenlehrer Riemann, Lange und Hesse von hiesigen städtischen Schulen. Auch die Geistlichen der Stadt boten dem Gymnasium ihre Hilfe an; einige Zeit erteilte Pfarrer Blech den Religionsunterricht in U II und IV. Vorübergehend sah sich der stellvertr. Direktor sogar genötigt, von dem opferwilligen Anerbieten des Pastors Gewalt Gebrauch zu machen, der mehrere Monate den Lateinunterricht der O HI übernahm und ihn den 22 Schülern mit Rücksicht auf seinen körperlichen Zustand in der Privatwohnung erteilte. Mit Beginn des Wintersemesters 1915 konnte erfreulicherweise der Direktor selbst in sein Amt zurückkehren; sein Verbleiben in Münden wurde nicht länger benötigt, weil inzwischen eine genügende Anzahl verwundeter und in Genesung begriffener Offiziere für Verwendung in der Heimat zur Verfügung stand. Eine weitere Erleichterung für die Schule bedeutete es, als Oberlehrer Thiede im Mai 1916 aus dem Heeresdienst entlassen wurde, weil er wegen seines Gesundheitszustandes für die Verwendung im Feld nicht in Betracht kam. Trotzdem gab es immer noch neue Störungen und Unterbrechungen im Unterrichtsbetrieb, da wiederholt Einziehungen von Lehrern vorkamen, die ihrer körperlichen Konstitution nach nur garnisondienstfähig waren; so wurden im Mai 1916 Dr. Treu und im Dezember desselben Jahres Dr. Baake für mehrere Wochen einberufen und nur auf dringliche Reklamation wieder freigegeben. Es war für den Direktor wie für seinen Stellvertreter nicht leicht, bei allen diesen Einberufungen und Zwischenfällen den Stundenplan aufrechtzuerhalten und den Unterricht, soweit es irgend möglich war, ordnungsmäßig weiterzuführen. Aber wie im Felde, so war auch in der Heimat und im Zivilberuf der Wille da, einzuspringen und Lücken auszufüllen, wo immer sie sich auftaten. Wem Alter und Gesundheitszustand verwehrte, dem Vaterland draußen an der Front zu dienen, dessen Denken und Sehnen ging doch immer wieder hinaus, dorthin, wo die heißen Kämpfe tobten, wo im Westen die deutschen Truppen einer Uebermacht von Feinden und einem unerhörten Ansturm mit überlegenen Kampfmitteln aller Art eisernen Widerstand entgegensetzten, dorthin, wo im Osten die verbündeten Heere die gewaltige Macht des Russenreiches zerschlugen, Serbien und Rumänien auf die Knie zwangen. An allen diesen Fronten, ja fernhin bis nach Palästina, standen Schüler und Lehrer des Gymnasiums, und ich wollte, ich könnte ihnen allen auf ihren Feldzügen folgen und ihren Taten ein Denkmal setzen, ein Denkmal ihrer Tapferkeit und Opferwilligkeit, ihrer Leiden, ihrer Siege und ihres Sterbens. Solche Aufgabe zu erfüllen, ist, zumal im Rahmen dieser Skizze, unmöglich; es gelang nicht einmal festzustellen, wieviel ehemalige Schüler des Gymnasiums auf den verschiedenen Schauplätzen des Weltkrieges zu Lande, zu Wasser und in der Luft mitgekämpft haben. Nur daß sie in allen drei Elementen Tüchtiges geleistet haben, ist uns von vielen bekannt geworden, vom einfachen Musketier und Kanonier bis zum Kampfflieger, vom schlichten Leutnant bis zum Stabschef des Oberkommandos Ost. Uns erfüllt berechtigter Stolz, daß wir Männer zu den ehemaligen Schülern zählen dürfen wie den General Hoffmann, der zu dem glänzenden Dreigestirn gehört, das uns im Osten von Sieg zu Sieg geführt hat. Unser größter Stolz aber sind die 97 Toten, Lehrer und Schüler der Anstalt, deren Namen in goldenen Lettern auf dem Ehrendenkmal unserer Aula verzeichnet sind. Aus Kernholz deutscher Eiche geschaffen, soll es ihr Gedächtnis für alle Zeit festhalten und den nachwachsenden Geschlechtern vor Augen stehen als stete Mahnung zu werden wie die, von denen es kündet. Eine nahezu vollständige Zusammenstellung der Namen aller Gefallenen mit den wichtigsten Angaben aus ihrem Leben hat Direktor Orth, dessen Tatkraft das Denkmal seine Entstehung und künstlerische Gestaltung verdankt, in der Gedächtnisschrift gegeben, die er zum Totensonntag 1919 als Bericht über die Einweihung des Ehrenmals (9. April 1919) erscheinen ließ.

Hier müssen wir uns beschränken, noch einmal der beiden Männer zu gedenken, die der Tod unmittelbar aus dem Lehrerkollegium gerissen hat, des Vorschullehrers Ferdinand Bode- meyer und des Zeichenlehrers Hans Froneberg. Wer unter denen, die von B o d e m e y e r in die Geheimnisse des Abc und der Rechenkunst eingeführt worden sind, gedächte nicht in Dankbarkeit des stillen, freundlichen Lehrers, der dem kleinen Vorschüler mit väterlicher Liebe begegnete und ihn mit großem pädagogischen Geschick zu leiten wußte! Er machte nicht viel Wesens von sich, erfüllte aber stets freudig und gewissenhaft seine Pflicht. So zog er auch hinaus ins Feld, hinweg von Frau und Kindern. Am 14. Juni 1917 ward er als Unteroffizier an der Westfront durch eine Granate schwer verwundet und starb am gleichen Tage im Feldlazarett zu Laon, wo er auf dem Soldatenfriedhof begraben liegt. Und Hans Froneberg! Noch nicht 23 Jahre alt, war er Ostern 1914 zunächst kommissarisch mit der Verwaltung der Stelle eines Zeichen- und Turnlehrers am Gymnasium beauftragt worden. Selbst noch ein Jüngling mit dem Frohsinn und der unbekümmerten Zuversicht seiner Jahre, fühlte er sich den älteren Schülern gegenüber mehr als Freund und Kamerad und hatte mit seinem sonnigen Wesen bald ihre Herzen gewonnen. Draußen im Felde avancierte er binnen Jahresfrist zum Offizier, blieb bis Herbst 1917 an der Ostfront, wo er sich in dem vereisten Wasser der Pripetsümpfe eine schlimme Nierenentzündung zuzog. Er nahm dann an der Flandernschlacht teil, mußte im Schrecken ihres Eisenhagels zeitweise die Aufgaben eines Bataillons- und Regimentskommandeurs erfüllen und war zuletzt Führer einer Maschinengewehrkompagnie, an deren Spitze er, längst mit dem Eisernen Kreuz II. und I. Klasse ausgezeichnet, an der großen Offensive des Jahres 1918 beteiligt war. Seit dem 11. Oktober wurde er, der bei einem Vorstoß in der Nähe von Cambrai in Feindeshand gefallen war, vermißt. Lange blieben die Eltern in banger Ungewißheit um den geliebten Sohn, bis schließlich spätere Nachrichten keinen Zweifel mehr zuließen, daß man mit seinem Tode zu rechnen hatte. Das Andenken der beiden Gefallenen wird an unserer Anstalt fortleben, solange es als eine Ehre gilt, für das Vaterland Blut und Leben zu opfern.

Ueber den Toten aber wollen wir auch der Männer nicht vergessen, die gleich ihnen als Lehrer am Gymnasium ins Feld gezogen sind, die aber das Walten des Schicksals durch schwere Kämpfe hindurchgeführt und ihrem Beruf zurückgegeben hat. Prof. Dr. Haufe, der als Hauptmann d. L. bis April 1917 Führer einer Kompagnie beim Kriegsbekleidungsamt Cassel gewesen war, wurde Anfang Mai trotz seiner 62 Jahre an die Ostfront versetzt und zwar zum Stabe der 75. Res.-Division, bei dem er u. a. die Stellungskämpfe an der Zlota-Lipa und Lomnitza (Ostgalizien) miterlebte. Eine schwere Erkrankung an der Ruhr führte ihn gegen Ende des Jahres aus Kurland, geschmückt mit dem Eisernen Kreuz, in die Heimat zurück.

Als nächstältestes Mitglied des Kollegiums war Professor 0 e 1 m a n n , wie oben erwähnt, Ende August 1914 mit einem Landsturmbataillon nach Belgien ausgerückt, mit dem er zunächst im Etappendienst verwendet wurde. Auf seine Meldung Mai 1915 zum Res.-Ers.-Regt. Nr. 4 versetzt, nahm er als Kompagnieführer an den Stellungskämpfen in mehreren Abschnitten der Westfront teil und zeichnete sich Mai 1917 in hervorragender Weise bei den Kämpfen aus, die zur Wiedereroberung der in der großen französischen Frühjahrsoffensive verloren gegangenen wichtigen Punkte am Chemin des Dames geführt werden mußten. Wir lesen darüber in dem von der „Heeresgruppe Deutscher Kronprinz“ herausgegebenen Bericht: „Bei Parguy und Filain errang der angreifende Franzose am 5. Mai unbestritten seinen größten Erfolg an der Aisnefront. In den gut ausgebauten Steinbrüchen südlich Pargny, in kleinen Schluchten und Hohlwegen und in der weithinschauenden Berthe Ferme fand er Stützpunkte und Seitendeckungen genug, um seine Stellung für uneinnehmbar zu halten. In der Tat war es ein schweres Stück Arbeit, die ins Tal geglittenen Linien wieder auf den Berg hinaufzustemmen und über den Damenweg hinwegzutragen. Das erste Vorbrechen richtete sich am Abend des 14. Mai gegen die Berthe Ferme. Trotz Regen und zähem Schlamm erkletterte die 8. Kompagnie eines aus Hanseaten und Oldenburgern bestehenden Regiments unter Führung des oft bewährten 44jährigen Leutnants 0elmann von Filain her den Steilhang, erreichte in heftigem Maschinengewehrfeuer die auf der Hochfläche gelegene Ferme und warf den Gegner — es waren Jäger, die sich bei Bouchavesnes die höchste Truppenauszeichnung, die Fangschnur, verdient hatten — im Kampf Mann gegen Mann aus Kellern und Trümmern heraus.“ 73 Mann, 3 Offiziere waren die Beute des Erfolges allein an dieser Stelle. Leutnant Oelmann, der durch ein Maschinengewehrgeschoß in den Oberschenkel verwundet worden war, wurde für seine Tat mit dem Ritterkreuz des Hohenzollemschen Hausordens ausgezeichnet. Das Eiserne Kreuz I. Klasse hatte er sich kurz vorher bei einem erfolgreichen Grabenangriff erworben.

Nicht weniger ehrenvoll war die Beteiligung Dr. Walthers am Krieg vier schwere Jahre lang. Schon auf dem Vormarsch in Frankreich erwarb er sich Mitte September 1914 als erster Offizier seines Bataillons das Eiserne Kreuz II. Klasse. Er nahm dann an den Wandlungen des Krieges an der Westfront in seiner sich ständig steigernden Wucht teil, erlebte ihn in ermüdenden Stellungskämpfen, in der schweren Champagneschlacht 1915, Sommeschlacht 1916, er erlebte ihn in der grausigsten Weise in der Flandernschlacht 1917, in der er als Bataillonsadjutant im Res.-Inf.-Regt. Nr. 102 mitkämpfte. Wie durch ein Wunder zweimal der Hölle bei Paschendale und Zonnebeke unverwundet entronnen, wurde ihm im November 1917 vom König von Sachsen persönlich die höchste sächsische Kriegsauszeichnung, das Ritterkreuz des St. Heinrichsordens, überreicht, nachdem er sich bereits bei Langemark das Eiserne Kreuz I. Klasse erworben hatte. Er lernte dann noch einen eisigen russischen Kriegswinter kennen, war Zeuge des Zusammenbruchs der russischen Front, machte einen Vorstoß tief ins bolschewistische Rußland mit, bis er, an die Westfront zurückgekehrt, im Anfang der großen deutschen Frühjahrsoffensive 1918 verwundet wurde.

Nur kurz war, verglichen mit diesem reichen Erleben, die Zeit, die dem Oberlehrer Paul an der Front vergönnt war. Als Kriegfreiwilliger in einer Feldartl.-Abteilung des deutschen Alpenkorps nahm er an den beschwerlichen, aber interessanten Feldzügen in Südtirol und auf dem Balkan Herbst 1915 teil. Bereits im Juni 1916 wurde er jedoch vor Verdun durch Granatvolltreffer so schwer verwundet, daß er für die weitere Verwendung an der Front ausscheiden und nach seiner Wiederherstellung März 1917 in seinen Zivilberuf zurückkehren mußte.

Wenn hier nur diejenigen Kriegsteilnehmer Erwähnung- finden, die 1914—18 dem Lehrerkollegium des Gymnasiums angehört haben, so ist dies durch die Begrenzung unserer Aufgabe auf den genannten Zeitabschnitt bedingt. Aus demselben Grunde sind einige nähere Angaben auch nur von denjenigen Schülern möglich, die 1914 noch die Schule besuchten. Soweit sich feststellen ließ, haben von 285 Schülern 105 am Kriege teilgenommen und an der Front gestanden; von ihnen haben 20 ihr blühendes Leben für das Vaterland gegeben. Eine kleine Zahl — und doch, wieviel Trauer und Herzeleid ist gerade mit ihr verbunden! In mehreren Familien waren es die einzigen Söhne, mit denen sie zugleich alle Hoffnung ihres Lebens opfern mußten; von mehreren fielen 2 oder 3 Söhne, und nur ein letzter Bruder blieb zurück. Einige von den Gefallenen waren beim Kriegsausbruch fast noch Kinder und schienen ihrem ganzen Wesen nach zu allem anderen bestimmt, als auf die schrecklichen Schlachtfelder Flanderns hinauszuziehen. Gleichwohl haben sie ihren Mann gestanden, so gut wie einer. Mehrere haschte der Tod schon im ersten Gefecht; einen holte er sich noch, als er lange Tage und Wochen die wilde Sommeschlacht bestanden und sich auf der Ablösung bereits 16 Kilometer hinter der Front befunden hatte. So wahllos packt der Krieg seine Opfer!

Zum Schluß mag uns eine Uebersicht über die Stellen, an denen die 97 auf der Ehrentafel Verzeichneten gefallen sind, eine Vorstellung geben, wie weit ehemalige Schüler des Gymnasiums am Krieg in seiner ganzen Ausdehnung und besonders an seinen Brennpunkten beteiligt waren. Von den 20 Toten des Herbstes 1914 fielen 6 auf dem Vormarsch in Frankreich, 2 in den ersten Kämpfen im Elsaß, 6 bei dem heftigen Ringen in Flandern und 5 in Ostpreußen und Polen. Das Jahr 1915 brachte die große, erfolgreiche Offensive im Osten; in den mit ihr verbundenen Kämpfen fielen von den 27 Toten dieses Jahres nicht weniger als 18, während auf dem westlichen Kriegsschauplatz nur 8 verblieben. 1916 neigte sich das Schwergewicht des Krieges wieder nach dem Westen; 4 Tote forderte das blutige Ringen vor Verdun, 6 die Schlacht an der Somme; 4 blieben in der Flandemschlacht 1917 und 12 bei der großen Westoffensive und den Rückzugskämpfen des Jahres 1918. 1 fiel in den Iltisbergen vor Tsingtau, 1 in Deutsch-Ostafrika; je einen birgt die Erde Serbiens, Rumäniens und Palästinas. 1 sank mit der „Pommern“ in der Skagerrakschlacht, 2 stürzten mit dem Flugzeug ab. Der erste von den Toten fiel schon am 10. August 1914, den letzten erreichte das feindliche Geschoß noch am 25. Oktober 1918.

Es ist ein langer blutiger Reigen, der da vor unserer Seele noch einmal vorüberzieht, und der Anblick will uns fast das Herz brechen in dem Gedanken an den niederschmetternden Ausgang des Krieges. Sie alle starben, damit Deutschland lebe, damit es wachse an allen Kräften und sich reicher entfalte zu den Aufgaben, die seine weltgeschichtliche Bestimmung schienen. Das Schicksal hat es anders gewollt. Wir haben erschüttert schauen müssen, was ihnen erspart geblieben ist: Deutschlands Sturz von einer Höhe ohnegleichen in eine Tiefe, die wir vielleicht auch heute noch nicht ermessen können. Aber gleichwohl, sie sind für Deutschlands Größe gefallen, und ihr Blut schreit auf von der Erde, bis erreicht ist, wofür sie starben.

Die Schule im Dienst des Durchhaltens

Bei der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Krieges, bei den bis dahin unerhörten Anforderungen, die sowohl an die kämpfenden Truppen als auch an die Bevölkerung im Lande in allen ihren Schichten gestellt werden mußten, zeigte es sich immer deutlicher, daß für die Erreichung des Enderfolges die Haltung der Heimat von kaum geringerer Bedeutung sein mußte als die Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit der Truppen an der Front. Seitdem nach dem Rückschlag an der Marne im September 1914 die Hoffnung auf eine rasche, erfolgreiche Beendigung des Krieges geschwunden war, wurde die Aufgabe immer brennender, den Willen zum Durchhalten im deutschen Volke lebendig zu erhalten und zu stählen. Unter den Organen, die für die Erfüllung dieser Aufgabe in Frage kamen, stand die deutsche Schule nicht an letzter Stelle; sie hat sich derselben willig unterzogen und darf sich im ganzen bewußt sein, getan zu haben, was in ihren Kräften stand.

  1. Anm. Die Darstellung beruht außer auf der eigenen Erinnerung des Verfassers hauptsächlich auf den handschriftlich niedergelegten Jahresberichten des damaligen Direktors des Gymnasiums, Geh. Studienrats Dr. Orth, sowie auf den Schulakten, enthaltend die Kriegsverordnungen 1914—18.