Boelcke-Kaserne Nordhausen

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Boelcke-Kaserne Nordhausen (auch Luftnachrichten-Kaserne Nordhausen) wurde 1936 für die Luftwaffe errichtet und diente im Laufe des Zweiten Weltkrieges unterschiedlichen Zwecken. Im Januar 1945 wurde hier ein Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora errichtet.

Geschichte

Kaserne

Die Kaserne in der Rothenburgstraße wurde 1936 der Luftwaffe übergeben und nach dem Jagdflieger Oswald Boelcke benannt. Das weitläufige Gelände war mit Unterkunftsgebäuden, Fahrzeughallen und großen Hangars ausgestattet. Der Fliegerhorst diente vor allem als Schulungs- und Testgelände, zeitweilig war hier auch eine Flugzeugwerft in Betrieb. Bis Sommer 1944 beherbergte die Anlage eine Luftnachrichtenschule der Wehrmacht.

Gefangenenlager

Seit 1943 waren rund 200 französische und sowjetische Fremdarbeiter in der Kaserne untergebracht, die für das Maschinenbauunternehmen MABAG (Maschinen- und Apparatebau AG) Zwangsarbeit verrichteten. Im Frühsommer 1944 richteten die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke in den geräumten Mannschaftsunterkünften der Boelcke-Kaserne ein Lager für 6000 ausländische Zwangsarbeiter ein, die im Kohnstein Strahltriebwerke montieren mussten.[1]

Anfang Januar 1945 lebten auf dem Kasernengelände ca. 10.000 Zwangsarbeiter. Auf dem Areal befand sich eine Wache mit Arrestzellenbau, zehn Mannschaftsunterkünfte, zehn Verwaltungs-, Lehr- und Werktstattgebäude, fünf langgestreckte Fahrzeughallen und 20. Holzbaracken.[2]

Außenlager von Mittelbau-Dora

Um den 8. Januar 1945 wurden in zwei Fahrzeughallen der Kaserne ein Außenlager des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora eingerichtet. Zu dieser Zeit betrug die Belegstärke einige hundert Häftlinge, deren Zahl bis Anfang April 1945 auf 6.000 Personen stieg.[3] Das Außenlager umfasste mit „Halle I“ vier Böcke sowie Häftlingsküche, in der wzeiten, durch Stacheldraht isolierten Halle lagen die Blöcke 5, 6 und 7 und das Revier.

Lagerführer war Heinrich Josten mit Stellvertreter Josef Kestel. Den Häftling-Arbeitseinsatz leitete Hans Zogalla.

Das Außenlager war von der übrigen Kaserne durch elektrisch geladenen Stacheldraht gesichert und fungierte bis Ende Januar als Sammelpunkt für Häftlinge, die bei Niedersachswerfen den Stollenvortrieb im Kohnstein bauten sowie in der Fertigung bei rund 30 Nordhäuser Rüstungsfirmen eingesetzt waren.

Ab Ende Januar 1945 war „Halle II“ das zentrale Kranken- und Sterbelager des Konzentrationslagers Mittelbau und der Nebenlager.

Am 1. April 1945 waren in der Boelcke-Kaserne 5.713 Männer untergebracht. In der Woche zwischen den Luftangriffen auf Nordhausen und dem Eintreffen der US-Armee starben bis zu 100 Menschen am Tag.[2] Gründe waren die völlige Vernachlässigung durch fehlende Nahrung und katastrophale hygienische Bedingungen. Bei den Luftangriffen am 3. und 4. April 1945 wurde die Boelcke-Kaserne schwer getroffen; die Bomben detonierten auf den Lagerstraßen und in den Unterkunftsblocks.[4] Rund 1.300 Leichen wurden aus den Trümmern geborgen.[2] Nach dem Luftangriff setzten sich die SS-Wachmannschaften ab.

Nach der Besetzung Nordhausens am 11. April 1945 und der Befreiung durch die US-amerikanischen Streitkräfte wurde ein Lazarett errichtet. Dennoch starben in den nächsten Tagen 2.000 Häftlinge.[2] Insgesamt forderte die dreimonatigen Bestehenszeit des Außenlagers 3000. Menschenleben.[2]

Der ehemalige Lagerführer Heinrich Josten wurde im Krakauer Auschwitz-Prozess 1947 zum Tode verurteilt und im Januar 1948 hingerichtet. Sein Stellvertreter Kestel wurde im Dacher Buchenwald-Prozess ebenfalls zum Tode verurteilt und im November 1948 in Landsberg am Lech hingerichtet.

Die Flugzeughangers wurden nach Kriegsende abgerissen. In den 1960er Jahren wurden auf dem Gelände Neubauten errichtet und das Areal zur Ansiedelung von Industriebetrieben genutzt. Seit den 1970er Jahren erinnert ein Gedenkstein an die Opfer des Außenlagers in der Boelcke-Kaserne.

Literatur

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7: Niederhagen/Wewelsburg, Lublin-Majdanek, Arbeitsdorf, Herzogenbusch (Vught), Bergen-Belsen, Mittelbau-Dora. C. H. Beck, München 2008, ISBN 9783406529672, Nordhausen (Boelcke-Kaserne), S. 320-321.

Einzelnachweise

  1. Jens-Christian Wagner: Gesteuertes Sterben. Die Boelcke-Kaserne als zentrales Siechenlager des KZ Mittelbau. In: Dachauer Hefte 20, 2004, S. 127-138.
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Jens-Christian Wagner: Nordhausen (Boelcke-Kaserne). In: Benz; Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 7. S. 320 f.
  3. Jens-Christian Wanger: Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora, Göttingen 2001, S. 509
  4. Peter Kuhlbrodt: Schicksalsjahr 1945 – Inferno Nordhausen. 1995, ISBN 3-929767-09-0.