Bearbeiten von „Leopold Friedrich Günther von Goeckingk in Ellrich

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{{idt2|25}}In Ellrich wurde, wohl auf Anregung des aus Stöckey gebürtigen und von Friedrich dem Großen hochverehrten Ministers Ludwig Philipp von Hagen im Jahre 1770 eine „Kriegs- und Domänenkammer“ neu errichtet, die aus einem Direktor mit dem Range eines Geheimrats, drei Räten, einigen Assessoren rc. und den nötigen Subalternpersonen bestand. Als „Sekretarius und Kanzleidirektor“ fand bei ihr auch ein erst 22jähriger Jüngling seine erste Staatsanstellung, der berufen war, hier am Südharz seine Stellung in der deutschen Litteratur zu begründen, unser harzischer Heimatsdichter Leopold Friedrich Günther v. Göckingk. Geboren am 13. Juli 1718 als Sohn eines Halberstädter Kriegs- und Domänenrats zu Groningen bei Halberstadt, hatte Göckingk auf dem Pädagogium in Halle mit Bürger den innigsten Freundschaftsbund geschlossen, und dann als Referendar im Vereine mit den ihm geistesverwandten Männern der dortigen Dichterschule, denen Halberstadt seine Bedeutung in der Litteratur verdankt, mit Gleim, Heinse, Michaelis, Klamer, Schmidt, Jakobi und Fischer, zwei fröhliche und sorgenlose Jahre verlebt. Nun in Ellrich fast ganz auf sich selbst angewiesen, fand er Muße in Hülle und Fülle, den Keim, den der Verkehr mit jenen Männern in seiner Brust erweckt hatte, kräftig sich entwickeln und Früchte treiben zu lassen. Viel Arbeit erforderte sein Beruf ja nicht, wenigstens singt er selbst:
{{idt2|25}}In Ellrich wurde, wohl auf Anregung des aus Stöckey gebürtigen und von Friedrich dem Großen hochverehrten Ministers Ludwig Philipp von Hagen im Jahre 1770 eine „Kriegs- und Domänenkammer" neu errichtet, die aus einem Direktor mit dem Range eines Geheimrats, drei Räten, einigen Assessoren rc. und den nötigen Subalternpersonen bestand. Als „Sekretarius und Kanzleidirektor" fand bei ihr auch ein erst 22jähriger Jüngling seine erste Staatsanstellung, der berufen war, hier am Südharz seine Stellung in der deutschen Litteratur zu begründen, unser harzischer Heimatsdichter Leopold Friedrich Günther v. Göckingk. Geboren am 13. Juli 1718 als Sohn eines Halberstädter Kriegs- und Domänenrats zu Groningen bei Halberstadt, hatte Göckingk auf dem Pädagogium in Halle mit Bürger den innigsten Freundschaftsbund geschlossen, und dann als Referendar im Vereine mit den ihm geistesverwandten Männern der dortigen Dichterschule, denen Halberstadt seine Bedeutung in der Litteratur verdankt, mit Gleim, Heinse, Michaelis, Klamer, Schmidt, Jakobi und Fischer, zwei fröhliche und sorgenlose Jahre verlebt. Nun in Ellrich fast ganz auf sich selbst angewiesen, fand er Muße in Hülle und Fülle, den Keim, den der Verkehr mit jenen Männern in seiner Brust erweckt hatte, kräftig sich entwickeln und Früchte treiben zu lassen. Viel Arbeit erforderte sein Beruf ja nicht, wenigstens singt er selbst:


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So ganz mit mir sympathisiret,
So ganz mit mir sympathisiret,
Und dann, doch freilich selten nur,
Und dann, doch freilich selten nur,
Die Lippen zum Gesänge rühret.
Die Lippen zum Gesänge rühret."
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{{idt2|25}}Freilich kam er sich zunächst und die ersten Jahre hindurch in Ellrich nur als ein Verlassener vor, den der Sturm an eine unwirtliche Küste geworfen hat. Doch suchte und fand er bald in der Nachbarschaft geistigen Zusammenhang, der ihn die Ellricher Einsamkeit je länger je weniger empfinden ließ. So in dem gastlichen Pfarrhause zu Kleinwerther bei Nordhausen, bei seinem Freunde, dem geistreichen Pastor Goldhagen, und in der Reichsstadt Nordhausen selbst, wo letzterer zahlreiche angenehme Familienverbindungen hatte. In Nordhausen strahlten denn auch in den Lebenspfad des jungen Dichters, der inzwischen, und zwar im Jahre 1772, die erste Sammlung seiner „Sinngedichte“ hatte erscheinen lassen, zwei helle Sterne hinein: Sophie Ferdinande und Amalie, die Töchter einer dort privatisierenden Oberamtmannsfamilie Vogel. „Die jüngere“, erzählt Tiedge von dem anmutigen Schwesternpaare, „Amalie, von edlem Wuchse, eine sanfte, holde Gestalt, mit lieblich bescheidenem, zurückhaltendem Wesen und natürlicher offener Freundlichkeit, die unwiderstehlich das Herz trifft, in ihrem klaren Auge der Widerschein einer feinen Seele, voll Unschuld, Liebreiz und Güte. Dagegen die ältere, Sophie Ferdinande, eine blendendere Schönheit, deren hoher, schlanker Wuchs sogleich die Aufmerksamkeit von der jüngern hinwegnahm. Die Blicke glänzend, die Wangen voll Jugendblüte. Der Mund, ja durch die Rosen dieser Lippen — meinte das betroffene Herz — können nur zephyrliche Worte voller Geist wehen.Die Wahl zwischen beiden ward dem jungen Dichter schwer genug. Endlich trug Sophie Ferdinande den Sieg davon. Sie, die dem geliebten Manne „bei Uebersendung eines Paars Filet-Manschetten“ ihr Herz selbst in den lieblichen Versen entdeckte:
{{idt2|25}}Freilich kam er sich zunächst und die ersten Jahre hindurch in Ellrich nur als ein Verlassener vor, den der Sturm an eine unwirtliche Küste geworfen hat. Doch suchte und fand er bald in der Nachbarschaft geistigen Zusammenhang, der ihn die Ellricher Einsamkeit je länger je weniger empfinden ließ. So in dem gastlichen Pfarrhause zu Kleinwerther bei Nordhausen, bei seinem Freunde, dem geistreichen Pastor Goldhagen, und in der Reichsstadt Nordhausen selbst, wo letzterer zahlreiche angenehme Familienverbindungen hatte. In Nordhausen strahlten denn auch in den Lebenspfad des jungen Dichters, der inzwischen, und zwar im Jahre 1772, die erste Sammlung seiner „Sinngedichte“ hatte erscheinen lassen, zwei helle Sterne hinein: Sophie Ferdinande und Amalie, die Töchter einer dort privatisierenden Oberamtmannsfamilie Vogel. „Die jüngere", erzählt Tiedge von dem anmutigen Schwesternpaare, „Amalie, von edlem Wuchse, eine sanfte, holde Gestalt, mit lieblich bescheidenem, zurückhaltendem Wesen und natürlicher offener Freundlichkeit, die unwiderstehlich das Herz trifft, in ihrem klaren Auge der Widerschein einer feinen Seele, voll Unschuld, Liebreiz und Güte. Dagegen die ältere, Sophie Ferdinande, eine blendendere Schönheit, deren hoher, schlanker Wuchs sogleich die Aufmerksamkeit von der jüngern hinwegnahm. Die Blicke glänzend, die Wangen voll Jugendblüte. Der Mund, ja durch die Rosen dieser Lippen — meinte das betroffene Herz — können nur zephyrliche Worte voller Geist wehen." Die Wahl zwischen beiden ward dem jungen Dichter schwer genug. Endlich trug Sophie Ferdinande den Sieg davon. Sie, die dem geliebten Manne „bei Uebersendung eines Paars Filet-Manschetten" ihr Herz selbst in den lieblichen Versen entdeckte:


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Der mich selbst ins Netz gezogen,
Der mich selbst ins Netz gezogen,
Was? gezogen? nein doch nein!
Was? gezogen? nein doch nein!
Lief ich denn nicht selbst hinein?
Lief ich denn nicht selbst hinein?"
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„Ich habe meinen Bürger wieder
„Ich habe meinen Bürger wieder
Ich habe Dich, ich halte Dich,
Ich habe Dich, ich halte Dich,
Und nie geb' ich Dich wieder!
Und nie geb' ich Dich wieder!"
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{{idt2|25}}Ein Besuch, den Göckingk dem wiedergefundenen Freunde abstattete, knüpfte den Freundschaftsbund noch fester, und am 5. Juni 1775 schreibt Bürger an Göckingk: „Wie sehr Ihr treuherziger Besuch mich vom Haupt bis zum Zeh mit Vergnügen mich durchkitzelt habe, davon will ich weiter nicht ein Wörtchen sagen, weil mir die Erinnerung die schnelle Flucht der schönen Stunde nur unangenehmer macht.“
{{idt2|25}}Ein Besuch, den Göckingk dem wiedergefundenen Freunde abstattete, knüpfte den Freundschaftsbund noch fester, und am 5. Juni 1775 schreibt Bürger an Göckingk: „Wie sehr Ihr treuherziger Besuch mich vom Haupt bis zum Zeh mit Vergnügen mich durchkitzelt habe, davon will ich weiter nicht ein Wörtchen sagen, weil mir die Erinnerung die schnelle Flucht der schönen Stunde nur unangenehmer macht"
Und vom 7. Juli 1775, dem Tage, an dem Göckingk mit seiner Sophie von Nordhausen aus nach dem damals im vollem Glanze stehenden Bade Lauchstedt abreiste, um dort Hochzeit zu machen, schreibt er an Bürger überquellenden Herzens: „Der Wagen steht angespannt vor der Thür, welcher mich und meine dreyjährige Geliebte und nunmehrige Braut nach Lauchstedt bringen soll, wo wir uns miteinander auf ewig vereinen wollen. Ich will Ihnen meine Sophie weder nach dem Geiste, noch Herzen und Körper beschreiben. Blos das will ich sagen: sie ist von allen Dreyen mehr als mittelmäßig, liebt die Musen, kann Bürgers Gedichte auswendig und freut sich, daß er mein Freund ist.In Lauchstedt verbrachte das junge Paar seine Flitterwochen, um dann nach Ellrich zurückzukehren. Am 18 Juni 1776 schenkte Frau Sophie dem Dichter einen Sohn, „so schön als Junge wie Homer als Dichter“. Bürger ließ sich als Taufzeuge durch den Ellricher Arzt Dr. Meder vertreten und war damit einverstanden, daß man den jungen Fritz im Scherze schon damals zum zukünftigen Gatten seiner ungefähr gleichaltrigen Tochter bestimmte. Göckingks Haus in Ellrich ward nun mehr und mehr der Sitz froher Gastlichkeit. Aber auch er packte hin und wieder Frau und Kind auf, um den Freunden in Halberstadt und Göttingen Besuche abzustatten. Seine Muße schoß nun zusehends immer mehr in Blüte. Im Göttinger Musenalmanach, den er mehrere Jahre leitete, und einer langen Reihe anderer schöngeistiger Literaturerscheinungen jener Zeit finden sich in Poesie und Prosa die Früchte seines Geistes. Vielfach wurzeln sie in dem Harzgebirge seine Naturschönheiten, seinen Sagen aus grauer Vorzeit und der Eigenartigkeit seiner Bewohner.
Und vom 7. Juli 1775, dem Tage, an dem Göckingk mit seiner Sophie von Nordhausen aus nach dem damals im vollem Glanze stehenden Bade Lauchstedt abreiste, um dort Hochzeit zu machen, schreibt er an Bürger überquellenden Herzens: „Der Wagen steht angespannt vor der Thür, welcher mich und meine dreyjährige Geliebte und nunmehrige Braut nach Lauchstedt bringen soll, wo wir uns miteinander auf ewig vereinen wollen. Ich will Ihnen meine Sophie weder nach dem Geiste, noch Herzen und Körper beschreiben. Blos das will ich sagen: sie ist von allen Dreyen mehr als mittelmäßig, liebt die Musen, kann Bürgers Gedichte auswendig und freut sich, daß er mein Freund ist." In Lauchstedt verbrachte das junge Paar seine Flitterwochen, um dann nach Ellrich zurückzukehren. Am 18 Juni 1776 schenkte Frau Sophie dem Dichter einen Sohn, „so schön als Junge wie Homer als Dichter". Bürger ließ sich als Taufzeuge durch den Ellricher Arzt Dr. Meder vertreten und war damit einverstanden, daß man den jungen Fritz im Scherze schon damals zum zukünftigen Gatten seiner ungefähr gleichaltrigen Tochter bestimmte. Göckingks Haus in Ellrich ward nun mehr und mehr der Sitz froher Gastlichkeit. Aber auch er packte hin und wieder Frau und Kind auf, um den Freunden in Halberstadt und Göttingen Besuche abzustatten. Seine Muße schoß nun zusehends immer mehr in Blüte. Im Göttinger Musenalmanach, den er mehrere Jahre leitete, und einer langen Reihe anderer schöngeistiger Literaturerscheinungen jener Zeit finden sich in Poesie und Prosa die Früchte seines Geistes. Vielfach wurzeln sie in dem Harzgebirge seine Naturschönheiten, seinen Sagen aus grauer Vorzeit und der Eigenartigkeit seiner Bewohner.


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„Ich lasse Welschland seine Haine,
„Ich lasse Welschland seine Haine,
Voll Myrth- und Pommeranzen-Duft,
Voll Myrth'- und Pommeranzen-Duft,
Sizilien den Preis der Weine,
Sizilien den Preis der Weine,
Und seine laue Winterluft,
Und seine laue Winterluft,
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So fröhlich beim Gesang der Lieder,
So fröhlich beim Gesang der Lieder,
So arm und doch so frei von Geiz,
So arm und doch so frei von Geiz,
Als aus dem Harz und in der Schweiz.
Als aus dem Harz und in der Schweiz."
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{{idt2|25}}Den Beifall von ganz Deutschland aber brachten ihm seine 1777 erschienenen „Lieder zweier Liebenden“, in denen alle dichterischen Erzeugnisse zusammengefaßt waren, die er und seine Sophie in der Zeit ihres Brautstandes einander gewidmet hatten. Noch glücklicher fast, als mit diesem Werke, war er in seinen „Episteln“, einer Gattung von Gedichten, die er auf eine Höhe zu bringen wußte, wie man sie in Deutschland noch nicht gekannt, und in der er auch bis heute unübertroffen dasteht. Im August 1778 ging Göckingk auf einige Zeit nach Berlin, um sich zur Beförderung in ein höheres Amt an maßgebender Stelle persönlich zu empfehlen. Das Ergebnis der Reise war „ein gnädiges Versprechen, bey einer der ersten Gelegenheiten als Rath placirt zu werden“. Gesundheitsrücksichten bewogen den Dichter, sein trautes Heim aus dem engen Häusergewirre des Städtchens in ein halbstündig von Ellrich gelegenes, von ihm gemietetes Landhaus zu verlegen, nach einem vormals dort gelegenen Dorfe „Wülferode“, im Volksmunde aber „das neue Haus“ genannt. Über die guten Folgen dieses Landaufenthalts auf seine und seiner Familie Gesundheit ist er in seinen Briefen an Bürger des Ruhmes voll. Denn in Ellrich wollten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse noch immer nicht besser gestalten.
{{idt2|25}}Den Beifall von ganz Deutschland aber brachten ihm seine 1777 erschienenen „Lieder zweier Liebenden“, in denen alle dichterischen Erzeugnisse zusammengefaßt waren, die er und seine Sophie in der Zeit ihres Brautstandes einander gewidmet hatten. Noch glücklicher fast, als mit diesem Werke, war er in seinen „Episteln", einer Gattung von Gedichten, die er auf eine Höhe zu bringen wußte, wie man sie in Deutschland noch nicht gekannt, und in der er auch bis heute unübertroffen dasteht. Im August 1778 ging Göckingk auf einige Zeit nach Berlin, um sich zur Beförderung in ein höheres Amt an maßgebender Stelle persönlich zu empfehlen. Das Ergebnis der Reise war „ein gnädiges Versprechen, bey einer der ersten Gelegenheiten als Rath placirt zu werden". Gesundheitsrücksichten bewogen den Dichter, sein trautes Heim aus dem engen Häusergewirre des Städtchens in ein halbstündig von Ellrich gelegenes, von ihm gemietetes Landhaus zu verlegen, nach einem vormals dort gelegenen Dorfe „Wülferode", im Volksmunde aber „das neue Haus" genannt. Über die guten Folgen dieses Landaufenthalts auf seine und seiner Familie Gesundheit ist er in seinen Briefen an Bürger des Ruhmes voll. Denn in Ellrich wollten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse noch immer nicht besser gestalten.


{{idt2|25}}Tiedge, seit 1781 Hauslehrer beim Kammerdirektor von Arnstedt daselbst, giebt in seinen Briefen an seinen Freund Johannes Mohr in Magdeburg hierüber manchen schätzenswerten Aufschluß. „Das Haus des Kammerdirektors ist das erste der ganzen kleinen Provinz; es bildet in verjüngtem Maßstabe einen Hof und läßt eine gewisse Hoffähigkeit, oder besser gesagt, ein Hofrecht stattfinden. Hofrechtlich sind hier außer den königlichen Räten die ersten Magistratspersonen der kleinen Provinz. Die Kammersekretäre sind ausgeschlossen. Nur Göckingk wird zuweilen eingeladen, was er seiner auswärtigen Bedeutsamkeit zu danken hat. Auch die Frauen, selbst die der Räte, weil sie ohne Geburt sind, scheinen nicht hofrechtlich zu sein, denn ich habe noch keine gesehen.
{{idt2|25}}Tiedge, seit 1781 Hauslehrer beim Kammerdirektor von Arnstedt daselbst, giebt in seinen Briefen an seinen Freund Johannes Mohr in Magdeburg hierüber manchen schätzenswerten Aufschluß. „Das Haus des Kammerdirektors ist das erste der ganzen kleinen Provinz; es bildet in verjüngtem Maßstabe einen Hof und läßt eine gewisse Hoffähigkeit, oder besser gesagt,' ein Hofrecht stattfinden. Hofrechtlich sind hier außer den königlichen Räten die ersten Magistratspersonen der kleinen Provinz. Die Kammersekretäre sind ausgeschlossen. Nur Göckingk wird zuweilen eingeladen, was er seiner auswärtigen Bedeutsamkeit zu danken hat. Auch die Frauen, selbst die der Räte, weil sie ohne Geburt sind, scheinen nicht hofrechtlich zu sein, denn ich habe noch keine gesehen."


{{idt2|25}}Diese etwas unerquicklichen Verhältnisse hatten unter anderm auch zur Folge, daß Tiedge und Göckingk erst nach jahrelangem Nebeneinanderleben in Ellrich sich einander näherten. Göckingks Sophie wird von Tiedge voll Anerkennung ihrer dichterischen Vorzüge „die deutsche Sappho“ genannt. „Sie schwebt wie eine Anadyomene daher; ein edler, ungezwungener Anstand schmückt die reizende Gestalt und ein feuriger, mit lieblicher Milde besänftigender Blick strahlt aus dem vollblühenden Gesichte, über welches sich ein Himmel von Freundlichkeit ergießt.— Im folgenden Jahre (1780) erschien bei Breitkopf in Leipzig der erste Band von Göckingks gesammelten Gedichten, und in den beiden nächsten Jahren folgten zwei weitere Bände. Der letzte Teil enthält unter anderem die damals hochberühmte Ballade „Die Kelle“, in welcher ein Naturwunder den Ort der Handlung bildet, dessen zusammengestürzte Trümmer heute das Ziel nur noch weniger Harzwanderer sind, die unweit Wülferode gelegene mächtige Alabasterhöhle „Kelle“. In ihren geheimnisvollen Räumen feierten Göckingks Familie und ihre Gäste manch frohes Fest.
{{idt2|25}}Diese etwas unerquicklichen Verhältnisse hatten unter anderm auch zur Folge, daß Tiedge und Göckingk erst nach jahrelangem Nebeneinanderleben in Ellrich sich einander näherten. Göckingks Sophie wird von Tiedge voll Anerkennung ihrer dichterischen Vorzüge „die deutsche Sappho" genannt. „Sie schwebt wie eine Anadyomene daher; ein edler, ungezwungener Anstand schmückt die reizende Gestalt und ein feuriger, mit lieblicher Milde besänftigender Blick strahlt aus dem vollblühenden Gesichte, über welches sich ein Himmel von Freundlichkeit ergießt." — Im folgenden Jahre (1780) erschien bei Breitkopf in Leipzig der erste Band von Göckingks gesammelten Gedichten, und in den beiden nächsten Jahren folgten zwei weitere Bände. Der letzte Teil enthält unter anderem die damals hochberühmte Ballade „Die Kelle", in welcher ein Naturwunder den Ort der Handlung bildet, dessen zusammengestürzte Trümmer heute das Ziel nur noch weniger Harzwanderer sind, die unweit Wülferode gelegene mächtige Alabasterhöhle „Kelle". In ihren geheimnisvollen Räumen feierten Göckingks Familie und ihre Gäste manch frohes Fest.


{{idt2|25}}Damals sang ein Fräulein von Hagen:
{{idt2|25}}Damals sang ein Fräulein von Hagen:
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Am Felsenufer stehen.
Am Felsenufer stehen.
Allein, nichts mehr davon! So was
Allein, nichts mehr davon! So was
Muß man mit Augen sehen.
Muß man mit Augen sehen."
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Gleim, kamen öfter herüber. Sophie Becker,
Gleim, kamen öfter herüber. Sophie Becker,
Elisas Freundin, erwähnt in ihrem Tagebuche, das unter dem Titel „Vor hundert
Elisas Freundin, erwähnt in ihrem Tagebuche, das unter dem Titel „Vor hundert
Jahren“ vor mehreren Jahren wieder im
Jahren" vor mehreren Jahren wieder im
Neudrucke erschien (Spemann'sche Sammlung)
Neudrucke erschien (Spemann'sche Sammlung)
und das überraschende Schlaglichter
und das überraschende Schlaglichter
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eines die Kurmainzischen Zustände
eines die Kurmainzischen Zustände
beleuchtenden Artikels seines „Journal von
beleuchtenden Artikels seines „Journal von
und für Deutschland“ zu nennen. Um den
und für Deutschland" zu nennen. Um den
vielen Anfechtungen zu entgehen, gab
vielen Anfechtungen zu entgehen, gab
Göckingk im Dezember 1784 die Leitung
Göckingk im Dezember 1784 die Leitung
des „Journal von und für Deutschland“
des „Journal von und für Deutschland"
aus der Hand und zwar an den Domkapitular
aus der Hand und zwar an den Domkapitular
und Hofkammerpräsidenten Freiherr Sigismund von Bibra zu Fulda.
und Hofkammerpräsidenten Freiherr Sigismund von Bibra zu Fulda.
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gänzlich erloschen. Es ist seit den letzten
gänzlich erloschen. Es ist seit den letzten
unangenehmen Vorfällen am besten, daß
unangenehmen Vorfällen am besten, daß
ich alle Teilnahme an ihm aufgebe.
ich alle Teilnahme an ihm aufgebe."


{{idt2|25}}In den folgenden Jahren verlebte Göckingk
{{idt2|25}}In den folgenden Jahren verlebte Göckingk
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in den Armen ihrer Freundin Elisa,
in den Armen ihrer Freundin Elisa,
kurz zuvor ehe „Elisens und Sophiens
kurz zuvor ehe „Elisens und Sophiens
Gedichte“ im Druck erschienen (Berlin
Gedichte" im Druck erschienen (Berlin
1790).
1790).


{{idt2|25}}Göckingk aber, einmal in einen seinen
Göckingk aber, einmal in einen seinen
Geistesgaben entsprechenderen Wirkungskreis
Geistesgaben entsprechenderen Wirkungskreis
eingetreten, stieg bald von Stufe zu
eingetreten, stieg bald von Stufe zu
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Soll um seine Urne wehn,
Soll um seine Urne wehn,
Und in keinem Klaggedichte
Und in keinem Klaggedichte
Soll sein heitrer Name stehn!
Soll sein heitrer Name stehn!"
</small></poem>
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{{idt2|25}}Das „neue Haus“ aber steht einsam,
Das „neue Haus" aber steht einsam,
verlassen und von Arbeitern bewohnt.
verlassen und von Arbeitern bewohnt.
Der Wind streicht durch gebrochene Scheiben,
Der Wind streicht durch gebrochene Scheiben,
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