Nordhausen unter dem Sternenbanner

Aus NordhausenWiki
Nordhausen unter dem Sternenbanner
Untertitel die amerikanische Besetzung der Stadt Nordhausen am 11. April bis Anfang Juli 1945
Reihe Schriftenreihe heimatgeschichtlicher Forschungen des Stadtarchivs Nordhausen, Harz
Autor Peter Kuhlbrodt
Herausgeber Stadtarchiv Nordhausen
Verlag Nordhausen: Archiv der Stadt Nordhausen
Erscheinungsjahr 1995
Umfang 80 Seiten : Illustrationen
 Im Bestand der Stadtbibliothek Nordhausen.
Stand: 7. Januar 2020

Nordhausen unter dem Sternenbanner von Peter Kuhlbrodt behandelt die Zeit der amerikanischen Besetzung der Stadt Nordhausen vom 11. April bis Anfang Juli 1945.

Inhalt

Einleitung
1. Nordhausen in den Tagen vor der amerikanischen Besetzung
2. Die Besetzung der Stadt durch die Amerikaner am 11. April 1945
3. Die Befreiung des KZ-Außenlagers Boelcke-Kaserne
4. Das Provisional Military Government Detachment in Nordhausen
5. Die Stadtverwaltung in der Zeit der amerikanischen Besetzung
6. Das Problem der Displaced Persons
7. Zur Arbeit der Stadtverwaltung unter Flagmeyer und Dr. Senger
8. Der Abzug der Amerikaner
9. Die amerikanische Besatzungszeit im Spiegel der regionalen und lokalen Geschichtsschreibung
Bildteil

Vorwort

Als die Truppen Eisenhowers am 23. März 1945 auf breiter Front den Rhein überschritten, begann eine qualitativ neue Phase der Besetzung Deutschlands. Binnen weniger Tage überrannte die Army weite Gebiete, ohne auf nennenswerten Widerstand der Wehrmacht zu stoßen. Die eigentliche Herausforderung der amerikanischen Streitkräfte war nicht mehr das kämpfende, sondern das geschlagene Deutschland. Die Amerikaner sahen sich mit grundlegend neuen Problemen konfrontiert. Auch beim Betreten des Kreises Grafschaft Hohenstein und in den folgenden Wochen der Besetzung begegneten den G.I.s auf Schritt und Tritt Überraschungen und Herausforderungen.

Der Anblick der über tausend Toten in der ehemaligen Boelcke-Kaserne löste bei ihnen einen tiefen Schock aus. Zwischen Osterode (Niedersachsen) und Niedersachswerfen entdeckten sie zahlreiche streng geheim gehaltene unterirdische Produktionsstätten der Rüstungsindustrie. Die Anlagen ihrerseits bargen wiederum viele Geheimnisse und Überraschungen. Im Stollensystem des Kohnsteins beispielsweise fanden sie einen Panzerschrank, in dem die Radiumvorräte Nazideutschlands aufbewahrt wurden.[1] Große Überraschungen erwarteten sie auch in den Kalischächten. Nicht nur lagerten hier viele tausend Tonnen Munition. Im Kalischacht Wolkramshausen entdeckten sie wertvolle Wiegendrucke des 15. und 16. Jahrhunderts. Es waren das die in Pergament gebundenen Folianten der Bibliothek des ehemaligen Klosters Himmelgarten.[2] Im Kaliwerk Bleicherode erwartete sie ein riesiges Bekleidungslager der Luftwaffe.[3] Ferner befand sich in den unterirdischen Stollen ein hochmoderner Rüstungsbetrieb, die Elektromechanischen Werke GmbH, die von Peenemünde nach Bleicherode verlagert worden waren.[4] Erwiesen ist, daß im Kalischacht Bleicherode auch Sammlungen der Berliner Museen für Völker- und Pflanzenkunde ausgelagert waren.[5] Wertvolles Museumsgut soll sich auch im Kalischacht Neu-Sollstedt dicht jenseits der Kreisgrenze befunden haben: Vermutlich eine Sammlung silberner Kultgeräte aus Synagogen. Ganz in der Nähe erlebten die Amerikaner eine besondere Überraschung. In den viele Kilometer langen Stollen des Kalischachtes Bernterode lagerten nicht nur Tausende Tonnen Munition. Am 27. April 1945 stießen die Amerikaner in 550 Meter Tiefe auf eine frisch verputzte Mauer, die einen Durchgang sperrte. Eine amerikanische Zeitschrift schilderte, wie sie sich durch fast zwei Meter dickes Mauerwerk und Schutt hindurcharbeiten mußten und wie sich ihnen eine Geheimkammer auftat, vollgestopft mit Teppichen, preußischen Regimentsfahnen und mehreren Särgen. Quer über die Särge hatte jemand hastig ein paar Wörter mit Rotstift so hingekritzelt, als ob es sich um Inhaltsangaben von Frachtkisten handelte. Die Särge enthielten die Überreste von hervorragenden Repräsentanten der preußisch-deutschen Geschichte, des „Soldatenkönigs“ Friedrich Wilhelm I., seines Sohnes, Friedrich des Großen, und des Feldmarschalls und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Die Särge waren erst drei Wochen zuvor in dieses Versteck überführt worden.

In wohl nur wenigen Regionen des besetzten Reichsgebietes hatten sich die Verbände des Supreme Commanders Dwight David Eisenhower mit so brisanten, hochkarätigen Entdeckungen auseinanderzusetzen.

Das Stadtarchiv Nordhausen sah sich im Jahr der 50.Wiederkehr der amerikanischen Besetzung der Stadt und des Kreises veranlaßt, seine Forschungsarbeit auch auf dieses Thema auszudehnen. Zwar war es möglich, gedruckte amerikanische Berichte und Chroniken einzusehen, leider jedoch nicht, die ungedruckten Quellen zu den Detachments im National Archives Washington oder in Fort George G. Meade (Maryland) und anderen Archiven auszuwerten. Es gelang jedoch, einige ungedruckte amerikanische Quellen einzubeziehen. Wir veröffentlichten einen Aufruf in der Zeitschrift „The American Legion for God and Country“ mit der Bitte an Veteranen der in Nordhausen stationierten Einheiten, uns mit Augenzeugenberichten zu unterstützen, und erhielten auf diese Weise weiteres Material.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen bedanken, die unsere Arbeit gefördert haben, namentlich bei Eva Slonitz (Baltimore), Eve Kristine V. Belfoure (Baltimore), Kurt J. Herrmann (Los Angeles), Rolf Hecker (München), Dr. Jürgen Arnold (Bad Honnef), Dr. Edgar Arnold (Bad Sachsa), Pröpstin Dorothee Mücksch (Aschersleben) und Dr. Manfred Schröter (Nordhausen). Für die Überlassung von Fotos und die Erlaubnis, diese zu veröffentlichen, danken wir Dr. Robert W. Kesting ( United States Holocaust Memorial Museum Washington ) und Manfred Köhler (TRION Film Berlin).

Ganz besonders danken wir dem Wissenschaftlichen Verein zu Nordhausen und der Firma EATON Automotive GmbH für die Unterstützung der Drucklegung.



  1. Hinweis von K.W. Neu, KreisA Nordh., Kreisrat des Landkreises Nordhausen, Nr. 94
  2. Sie war bis zu ihrer Auslagerung in der Sakristei der Kirche St.Blasii zu Nordhausen untergebracht und befindet sich jetzt zum größten Teil in Wittenberg.
  3. HStA Weimar, Kreisrat des Landkreises Nordhausen, Nr. 467, Schreiben der Betriebsleitung des Kaliwerkes Bleicherode vom 30. Mai 1945
  4. Wie Anm. 3. Die Untertagebelegschaft wurde vom 25. Februar bis 31. März 1945 ausschließlich mit der Herrichtung von Arbeitsplätzen für diesen Rüstungsbetrieb beschäftigt. Dazu siehe auch KreisA Nordh., Kreisrat des Landkreises Nordhausen, Nr. 22: Bericht der Direktion auf Befehl des Military Government Detachment Nr. 7.
  5. Im selben Schriftstück heißt es: „Das noch in der Grube befindliche Eigentum der Berliner Museen für Völkerkunde und Pflanzenkunde ist mehrfach von amerikanischen Offizieren untersucht worden.“