Nordhäuser Realgymnasiasten im Weltkriege

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im Aufbau

Die Erstürmung des Priesterwaldes 1915

Ein Beispiel für die Entwicklung der Taktik und Truppenausbildung im Stellungskriege.

Als nach der Ypernschlacht die Aussichten auf einen schnellen Erfolg, den man von der Durchführung des von Schlieffen geprägten operativen Vernichtungsgedankens erhofft hatte, dahinschwanden, entschloß sich unsere O.H.L., zunächst zur Defensive Überzugehen und sich unter sparsamster Wirtschaft mit Menschen und Material auf begrenzte Offensiven zur Erreichung bestimmter militärpolitischer und wirtschaftlicher Ziele zu beschränken.

General v. Falkenhayn ließ sich dabei wohl von der Ansicht leiten, daß der Russe bei der Weite des ihm zur Verfügung stehenden Raumes einem Entscheidungskampfe stets ausweichen könne, die Entscheidung des Krieges daher nur im Westen zu haben sei. Für eine Entscheidung suchende Offensive hier, vermittels Durchbruchs durch die feindlichen Stellungen, hielt er aber die deutschen Kräfte noch nicht für ausreichend. Ob dies richtig war, soll hier nicht untersucht werden, — Deutschland geriet dadurch jedenfalls in die Lage einer zu Lande und zu Wasser eng eingeschlossenen, dabei ungenügend verproviantierten und ausgerüsteten Festung. An der Front begann jenes „Martyrium des 1200 Tage dauernden Stellungskrieges, des Krieges der Technik und des Materials, des Krieges der Unterführer, bei dem die soldatischen Eigenschaften der Initiative und Beweglichkeit unter der drückenden Abhängigkeit von den verfügbaren technischen Kampfmitteln zu verkümmern drohten, weil man sich meist auf das Handwerksmäßige der Kriegsführung beschränken mußte."

Das politische Ringen um die Neutralen, um Italien und die Balkanstaaten, ließ nun mit Beginn des Jahres 1915 beiderseits einen größeren militärischen Erfolg als dringend erwünscht erscheinen.

Auf beiden Seiten war die Führung im Laufe des Winters darauf bedacht gewesen, sich neue Reserven zu schaffen. 22 Divisionen waren vom Gegner neu aufgestellt, während unsere O.H.L., außer den in der Heimat aufzustellenden Divisionen, aus der Front durch Umformationen weitere Kräfte zu ihrer Verfügung ausschied.[1] Da die bisherige Erfahrung gelehrt hatte, daß zur Besetzung befestigter Feldstellungen, wie sie im Laufe des Winters an der Front ausgebaut waren, verhältnismäßig schwache Truppen genügten, wurde die Zahl der Infanterieregimenter einer Division von 4 auf 3 herabgesetzt — eine „Dreiteilung" durchgeführt, wobei dem Divisionskommandeur außer dem Kommandeur der Artillerie und der Pioniere noch ein Infanteriebrigadekommandeur als besonderer Infanterieführer unterstellt wurden.

Die deutsche O.H.L. entschloß sich, trotzdem gewaltige französische Angriffsvorbereitungen an der Westfront erkannt waren, die frischen Kräfte mit ihrer Masse auf der Ostfront einzusetzen und in der Befreiung der von den Russen stark bedrohten Festung Przmysl den politisch notwendigen Sieg zu suchen. General v. Falkenhayn hatte das Vertrauen, daß die Westfront auch stärksten französischen Angriffen gegenüber standhalten würde, zumal inzwischen der Ausbau des Bahnnetzes hinter der deutschen Front beendet war und nunmehr ein schnelles Verschieben der Reserven an besonders bedrohte Punkte gewährleistete.

Der französische Generalissimus Joffre hielt trotz der Mißerfolge, welche die zur Entlastung des russischen Verbündeten im Laufe des Winters unternommenen Angriffe gegen die deutsche Stellung ausnahmslos gezeitigt hatten, einen Durchbruch durch die deutsche Front noch für durchaus möglich, wenn man dazu nur genügende Mengen Munition und Truppen einsetzen konnte, und die standen ihm im Gegensatz zu den bisherigen Angriffen jetzt zur Verfügung. Zu einem entscheidenden Erfolge mußte zweifellos ein solcher Durchbruch führen, wenn es gelang, den Keil der deutschen Front, der bei St. Mihiel tief in die französischen Linien hinein- sprang auf beiden Flanken zu durchbrechen und seine Spitze so im „Zangenangriff" abzuquetschen und zu vernichten.

Die deutsche 5. Armee war es gewesen, der es mit der Eroberung des Sperrforts Camp des Romains und mit dem Ueberschreiten der Maas bei St. Mihiel im September 14 gelungen war, diesen Keil in die französische Sperrfortlinie zwischen Toul und Verdun hineinzutreiben und damit den Franzosen die strategische Ausnutzung ihrer gewaltigen Ausfallstellung Toul—Verdun unmöglich zu machen. General Sarail hatte deshalb auch hier bereits im Winter versucht in immer neuem Ansturm bei Combres, bei Apremont und an der Straße Essey—Flirey die Flanken dieses Keiles einzudrücken; sämtliche Angriffe waren im deutschen Feuer zusammengebrochen. Seit Mitte Dezember war hier wieder Ruhe eingetreten, da die französischen Kräfte anscheinend erschöpft waren.

Nunmehr standen aber frische Kräfte zur Verfügung, die gestatteten, ohne Rücksicht auf die Bedrohung von der Festung Metz her, den Durchbruchsstoß noch weiter östlich und damit in noch bedrohlicherer Richtung anzusetzen, als bisher. Als geeignete Stelle bot sich dafür die Gegend des Priesterwaldes. An seinem Westrand liegt die Höhe 372, die einen weiten Einblick in das rückwärtige Gelände ermöglichte. Das Waldgebiet selbst gestattete eine völlig verdeckte Heranführung und Bereitstellung der Angriffstruppen, vor allem der Batterien, und lag im Vorfeld der Sperrforts von Toul, deren schwere Geschütze direkt in den Kampf eingreifen konnten.

Auf deutscher Seite standen hier unter den A.O.K. von Strantz in Linie Flirey—Norrou 3 Ersatzdivisionen und eine Landwehrbrigade, die beim Vormarsch hinter der 5. Armee gestaffelt gefolgt waren und beim Uebergang zur Defensive nach der Marneschlacht im Anschluß an die Front der Festung Metz eingesetzt wurden, um den von der Löte Lorraine zur Mosel südlich der Täler des Rupt de Mad und der Trey hinziehenden Höhenrücken zur Verteidigung einzurichten. Sie hatten Zeit gehabt, hier eine befestigte Stellung anzulegen, gegen welche der Feind aus seiner Sperrfortlinie heraus nur langsam und vorsichtig vorfühlte, um sich dann der deutschen Front gegenüber ebenfalls einzugraben.

Der Bergrücken, über dessen Kamm die deutsche Stellung sich hinzog, hat eine Höhe von 3—400 m und ist vielfach mit Buchenhochwald bedeckt, unter dem wie in fast allen lothringischen Wäldern ein dichtes Unterholz wuchert. Der Boden besteht aus einem harten Kalk, der dicht unter der Oberfläche ansteht und das Ausheben genügend tiefer Stellungsgräben außerordentlich erschwert. Aus diesem Grunde hatte die Truppe im Priesterwald die Stellung in Form ausgedehnter Astverhaue angelegt, die von Blockhäusern aus unter Feuer gehalten wurden; — ein System, das unsere Vorschriften für Stellungen in Wäldern auch vorsahen. Das Material dazu erhielt man ja auch ohne weiteres, wenn man einen Streifen Schußfeld durch den Wald freihieb. Die aus den mächtigen Buchenstämmen errichteten und mit Schießscharten versehenen Blockhäuser boten dabei vollen Schutz gegen Gewehrfeuer und Sprengstücke und gewährten gleichzeitig der Truppe eine gute Unterkunft.

  1. O.H.L. —= Oberste Heeresleitung; A.O.K. = Armee-Ober-Kommando; IR., RIR. = Inf., bzw. Reserve-Inf.-Rgt.; ID., IB. = Inf.-Division, bzw. Brigade; MG. = Maschinen-Gewehr.