Gedenkblätter aus der Geschichte der ehemaligen freien Reichsstadt Nordhausen: Unterschied zwischen den Versionen

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{{idt2|25}}Vom Altendorfe aus führt eine schöne Allee nach dem Dorfe Crimderode, auf dessen Feldmark sich mehrere Alabasterarten befinden. Dabei befindet sich der Bettelmannsgraben, auf einer Wiese zwei Erdfälle, die am 21. April 1710 entstanden sind. Auch die Goldschmiedshöhle, in welcher sich im 30 jährigen Kriege ein Goldschmied aufhielt, ist hier. Nicht weit vom Dorfe liegt der Johannisberg, auf welchem eine Kapelle stand, die im Bauernkriege zerstört ist, von der man noch die Grundmauern sieht. Ihre Glocken befinden sich in Sachswerfen. Vom Johannisberge hat man nicht weit nach Nieder-Sachswerfen, welches an dem Mühlenberge, einer schroffen Felswand von blendendem Gips, gelegen ist, aus welchem früher viele Kunstgegenstände gefertigt wurden. In diesem Dorfe ist Laurenz Rhodomann, welcher 1616 als Professor der Geschichte in Wittenberg starb, geboren. Der „Zoll“, ein geschmackvolles Gasthaus, vom Grafen Josef von Stolberg erbaut, gewährt eine gute Aufnahme und aus seinen Zimmern eine köstliche Aussicht. Von hier aus hat man es nicht weit nach dem Kohnstein, bei dem Dorfe Salza, eine Stunde von Nordhausen. Bei Salza besucht man die Hauptquelle der Salza, das „grundlose Loch“, und auf dem Kohnsteine die Schnabelsburg. Von Salza führt ein interessanter Weg nach dem Dorfe Herreden, bei welchem auf einer kahlen Höhe die Seelöcher liegen, zwei trichterförmige Erdfälle in der Tiefe mit Wasser, deren oberer Umkreis 160 Ruten, der des Wasserrandes 112 Ruten und deren Waffertiefe 36 Ellen beträgt. Früher befand sich auf dem großen Seeloche eine schwimmende Insel, welche vom Blitz entzwei geschlagen wurde, wovon aber nichts mehr zu sehen ist. Die Sage erzählt davon: In alten Zeiten war an der Stelle des Sees eine Grasweide. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh. Einer unter ihnen aß Weißbrot, welches die andern ihm abforderten. Er wollte aber nicht. Darüber wurden sie zornig, fluchten ihren Herren, daß sie ihnen nur Schwarzbrot gegeben, warfen ihr Brot zur Erde und schlugen es mit der Peitsche. Alsbald kam Blut heraus. Da erschracken sie. Der Unschuldige floh von ihnen. Die Buben aber wurden samt ihren Pferden in die Tiefe verschlagen. Seitdem wachsen aus dem See Pflanzen mit Blättern wie Hufeisen, die ganz den Lotosblumen gleichen.
{{idt2|25}}Vom Altendorfe aus führt eine schöne Allee nach dem Dorfe Crimderode, auf dessen Feldmark sich mehrere Alabasterarten befinden. Dabei befindet sich der Bettelmannsgraben, auf einer Wiese zwei Erdfälle, die am 21. April 1710 entstanden sind. Auch die Goldschmiedshöhle, in welcher sich im 30 jährigen Kriege ein Goldschmied aufhielt, ist hier. Nicht weit vom Dorfe liegt der Johannisberg, auf welchem eine Kapelle stand, die im Bauernkriege zerstört ist, von der man noch die Grundmauern sieht. Ihre Glocken befinden sich in Sachswerfen. Vom Johannisberge hat man nicht weit nach Nieder-Sachswerfen, welches an dem Mühlenberge, einer schroffen Felswand von blendendem Gips, gelegen ist, aus welchem früher viele Kunstgegenstände gefertigt wurden. In diesem Dorfe ist Laurenz Rhodomann, welcher 1616 als Professor der Geschichte in Wittenberg starb, geboren. Der „Zoll“, ein geschmackvolles Gasthaus, vom Grafen Josef von Stolberg erbaut, gewährt eine gute Aufnahme und aus seinen Zimmern eine köstliche Aussicht. Von hier aus hat man es nicht weit nach dem Kohnstein, bei dem Dorfe Salza, eine Stunde von Nordhausen. Bei Salza besucht man die Hauptquelle der Salza, das „grundlose Loch“, und auf dem Kohnsteine die Schnabelsburg. Von Salza führt ein interessanter Weg nach dem Dorfe Herreden, bei welchem auf einer kahlen Höhe die Seelöcher liegen, zwei trichterförmige Erdfälle in der Tiefe mit Wasser, deren oberer Umkreis 160 Ruten, der des Wasserrandes 112 Ruten und deren Waffertiefe 36 Ellen beträgt. Früher befand sich auf dem großen Seeloche eine schwimmende Insel, welche vom Blitz entzwei geschlagen wurde, wovon aber nichts mehr zu sehen ist. Die Sage erzählt davon: In alten Zeiten war an der Stelle des Sees eine Grasweide. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh. Einer unter ihnen aß Weißbrot, welches die andern ihm abforderten. Er wollte aber nicht. Darüber wurden sie zornig, fluchten ihren Herren, daß sie ihnen nur Schwarzbrot gegeben, warfen ihr Brot zur Erde und schlugen es mit der Peitsche. Alsbald kam Blut heraus. Da erschracken sie. Der Unschuldige floh von ihnen. Die Buben aber wurden samt ihren Pferden in die Tiefe verschlagen. Seitdem wachsen aus dem See Pflanzen mit Blättern wie Hufeisen, die ganz den Lotosblumen gleichen.
== Das Turnier zu Nordhausen. 1265. ==
{{idt2|25}}Begünstigt durch die deutschen Könige, die ihr viele Rechte und Privilegien gaben, erhob sich die kaiserliche Freie Reichsstadt Nordhausen und gewann an Macht und Ansehen, sowie sich die Wohlfahrt ihrer Bürger mehrte. War sie nun schon in frühern Zeiten der Ort wichtiger Versammlungen gewesen, so wurde sie jetzt nicht minder durch ein glänzendes Ritterspiel geehrt.
{{idt2|25}}Im Jahre 1265 hielt hier nämlich der edle Markgraf von Meißen, Heinrich der Erlauchte, Landgraf von Thüringen, eines der prächtigsten und glänzendsten Turniere ab, die je gefeiert wurden.
{{idt2|25}}Der jetzige Hammerrasen vor dem Bielenthore, damals eine freie Fläche, wurde in einen großen Garten umgewandelt. Am Ende der Rennbahn war ein Baum aufgestellt, der die Preise der Sieger, nämlich goldene und silberne Blätter, trug. So oft nun zwei Ritter auf ihren mutigen Pferden und in ihrer vollen Rüstung mit ihren Lanzen gegen einander rannten, und der eine seine Lanze auf des Gegners Brust brach, ohne daß sie beide wankten, so bekam er ein silbernes Blatt; warf er aber seinen Gegner aus dem Sattel, so erhielt er ein goldenes als Siegespreis aus den Händen des hierzu bestimmten edlen Ritterfräuleins. Acht Tage lang währten die Kampfspiele der Ritter, auch zur Belustigung der Nordhäuser, von denen täglich eine Menge Zuschauer den Spielen zusahen. Mit züchtigem Tanz und andern Festlichkeiten wurde das Fest beschlossen.
== Ablaß. Wohlfeile Zeit. Siechenhof. ==
{{idt2|25}}Da, wo früher der Begräbnisplatz der Gemeinden St. Blasii und St. Nikolai war, stehen noch die Mauern eines alten Kirchleins, das den Namen Barfüßer- oder Spendekirche führte. Diese Kirche gehörte zu dem daselbst stehenden Franziskaner- oder Barfüßerkloster. Davon tragen noch der Spendekirchhof und die Barfüßerstraße ihre Namen. Es sind davon nur wenige Nachrichten vorhanden. In dem Zeiträume von 1255 bis 1511 werden mehrere Guardiane oder Vorsteher erwähnt, von denen der

Version vom 27. April 2019, 12:00 Uhr

Vorwort

 Aus dem literarischen Nachlaß meines am 9. März 1893 verstorbenen teuren Vaters biete ich hier die Ausarbeitungen, die derselbe über die Geschichte seiner Vaterstadt Nordhausen schon vor Jahren gemacht hat. Obwohl der Verstorbene stets mit großer Liebe seines Geburtsortes gedacht, ihn häufig besucht und sich des mächtigen Aufblühens gefreut hat, so ließ die Bearbeitung und Herausgabe größerer theologischer und historischer Werke ihn nicht dazu kommen, die vorliegende Schrift zu veröffentlichen.

 Was der Verfasser hier als Gedenkblätter und Marksteine aus der Geschichte Nordhausens heraushebt, ist wohl wert, dem größeren Publikum bekannt zu werden. Die älteren Bearbeitungen der Geschichte der Stadt sind längst selten geworden und, wo sie zu finden, dem Laien weniger verständlich, als die hier gegebenen Mitteilungen.

 Mag man auch hier und da größere Ausführlichkeit verlangen — wir wollen diese Liebesgabe des Verewigten dankbar hinnehmen. Er hat hier sowie auf anderen Gebieten sein Lebenlang mit regem Geiste und feinem praktischen Verständnis unermüdlich geforscht und in seinen zahlreichen Schriften die Resultate seines Forschens dargeboten. Er wird nicht vergessen werden, da er so in seinen Werken weiterlebt. Möge auch seine Vaterstadt ihm ein dankbares Andenken bewahren!

Nörten in Hannover.
Rudolf Eckart,
Inspektor der Waisenanstalt.

Der Slaven Art und Weise. Mission.

 Die Slaven waren gleich den Deutschen stark und kräftig, wohnten in Dörfern und Städten (Gards) zusammen, verstanden wollene Zeuge zu weben, liebten den Ackerbau, trugen lange Kleider, hatten aber für Freiheit und Wissenschaft keinen Sinn. Sie besaßen die Kunst, Metalle zu schmelzen, handelten mit den Erzeugnissen des Landes, waren mild und gastfreundlich im Frieden, wild und grausam im Kriege. Sie verehrten ihre Götzen in Bildsäulen und brachten ihnen Tiere und Gefangene zum Opfer.

 Der erste christliche Missionar, welcher in Thüringen das Evangelium predigte, war der Irländer Kilian, welcher mit den Seinigen von des Herzogs Gotzbert Frau, Geilana, ermordet wurde. Diesem folgte Willibrod. Dem eifrigen Bonifacius gelang es aber erst, wirkliche christliche Gemeinden in Thüringen zu begründen, und seine Kreuze stehen noch, wo er das Evangelium gepredigt. Über einem solchen Bonifaciuskreuze gründete der deutsche Kaiser Otto I. den Nordhäuser Dom, genannt zum heiligen Kreuze, und um ihn her scharten sich Nordhausens Urbewohner, dem sich dann die übrigen christlichen Gemeinden nach und nach anschlossen.

Merwigs-Linde.

Schnell ist verweht der Heldenruhm,
Trophäen sind kein Heiligtum;
Ein Fürstenherz voll Menschlichkeit
Sieht feiernd noch die Ewigkeit.


 So singt Heidenreich bei Betrachtung dieses alten Baumes in Erinnerung an den alten thüringischen König Merwig. Die gewöhnliche Volkssage hierüber ist folgende: Der thüringische König Merwig soll der Sohn eines Schuhmachers gewesen sein, den das Volk zum Könige erhob. Dieser Fürst war stets seiner niedern Abkunft eingedenk und schämte sich niemals derselben. In der damaligen Zeit pflegte man das Maifest, welches 1834 aufs neue gestiftet und gefeiert wurde, auf dem Geiersberge mit dem größten Glanze, woran Jung und Alt, Arm und Reich, teilnahmen, zu feiern. Der König feierte stets mit seinen Unterthanen, und da der Platz den Sonnenstrahlen stark ausgesetzt, und die Teilnehmer des Festes, ungeachtet der Maienhütten, viel davon leiden mußten, so pflanzte der König in eigner Person diese Linde. Lange wurde diese Feierlichkeit noch von den Schuhmachergesellen gefeiert, bis es endlich 1736 vom Rate aus unbekannten Gründen aufgehoben, 1834 aber wieder erneuert wurde.

 Wahrscheinlicher aber ist der Ursprung dieses Festes und somit auch der Merwigslinde auf andere Weise entstanden. Im 12. Jahrhundert siedelten sich Holländer, die zur Austrocknung der Sümpfe und Moräste des Riedlandes in der güldenen Aue berufen waren, in der Stadt an und brachten dieses Fest, das noch in den sogenannten Rosenhütten der Mädchen am Johannistage, fortbesteht, aus dem Vaterlande mit. Man pflegte in Holland Bäume beim Maienfeste mit Devisen, Bändern und Flaggen zu zieren. Diesen Gebrauch der eingewanderten Holländer nahmen auch die Nordhäuser zum Teil an; sie pflanzten Bäume, umziert mit Bändern und Flaggen und feierten dieses Fest unter den rauschendsten Vergnügungen. Aus dieser Quelle ist wahrscheinlich auch die Entstehung der Merwig'schen Linde zu suchen, indem man vielleicht einstmals diese mit einer Devise, dem Könige Merwig zu Ehren, schmückte und pflanzte und ihr in der Folge den Namen beilegte, den sie heute noch trägt.


 Bis zum Jahre 1743 war der Geiersberg außer der Merwig'schen Linde von allen Bäumen entblößt; im genannten Jahre aber wurde er auf Befehl des Senats mit Bäumen bepflanzt und hierdurch zu einem angenehmen Lusthölzchen umgewandelt, das von Jahr zu Jahr sich verschönert und den Bürgern angenehme Spaziergänge darbietet.

 Im Jahre 1523 wurde Friedrich Teichgräber erlaubt, hier Eisenstein zu suchen.

 Ein früher im Töpferthore befindlicher Stein mit dem Stadtwappen aus dem 14. Jahrhundert ist jetzt am Rathause eingemauert und trägt folgende Inschrift: Anno dni . CCCC . X . Theodosius 29 nobilissim9. hispan9. romanori, omperator * Anno . imperii . sui . quarto . hanc . urbem . fundavit - libertatibus . armisque . imperialibus . ditavit . hilf . got . maria . berat. Neben diesem Steine, an dem jetzt abgetragenen alten Zwinger, einer der stärksten Befestigungen der Stadt gegen Norden, befand sich in einer Nische ein altes Schnitzwerk „die Kreuztragung Christi“ mit einem Bilde auf Holz im Hintergründe, welches die Stadt Jerusalem vorstellte. Beides ist wohl im Rathause aufbewahrt.

Thüringen in alter Zeit.

 Fast in der Mitte unseres deutschen Vaterlandes liegt das gesegnete Thüringen, eigentümlich in seinen Bewohnern und deren Sitten, Charakter und Gebräuchen. Ein altes Manuskript giebt im 4. Jahrhundert die Grenzen folgendermaßen an: gegen Mittag bis an den Main, gegen Morgen bis an die Saale und Pleiße, gegen Abend bis in die Nähe des Rheines und gegen Mitternacht bis über den Harzwald hinaus. Zu der Zeit des heiligen Bonifacius bezeichnete man mit dem Namen Thüringen alles Land, das zwischen der Werra und der Saale, zwischen dem Thüringerwalde und dem Harze liegt, und diese Bestimmung gilt auch jetzt noch. — Das Land wurde auch in Gaue eingeteilt, wie das ganze deutsche Vaterland. Thüringen ward eingeteilt in einen Nord- und Südthüringergau, deren ersterer sich von dem linken Ufer der Unstrut mitternachtwärts über den Harzwald bis in die Gegend unterhalb Magdeburg erstreckte und sich rechter Hand an die Saale und Elbe, linker Hand aber an die Flüsse Bode, Aller und Ocker anlehnte und eine Menge kleinerer Gaue in sich schloß. Der Südthüringergau umfaßte alles Land auf dem rechten Ufer der Unstrut mittagwärts, zwischen der Saale und Werra bis über den Thüringerwald. Ein besonderer Gau war auch der Helmgau, welcher von Wallhausen bis Nordhausen sich erstreckte und an der Helme lag.

 In Thüringen giebt es eine Menge Orte, welche die Sage in die frühesten Jahrhunderte hinaufrückt, und die das Alter der geschriebenen Urkunden weit übersteigen. Zu diesen ältesten bewohnten Orten gehören: Nordhausen, Eisenach, Tilleda, Wallhausen, Allstedt, Merseburg, Scheidingen, Bibra, Beichlingen, Sachsenburg, Mücheln und die meisten Orte der sogenannten goldenen Aue und der Pflege im Süden des Finngebirges. Diese Gegenden sind es besonders, in welchem die ersten Anfänge der Kultur in dem Thüringerlande gesucht werden müssen.

 Thüringen als Königreich bestand schon vor 431 und ging im Kampfe mit den Franken 531 unter. Darauf fiel es unter die Herrschaft der Franken, später wurde es eine Landgrafschaft unter eigenen Landgrafen. Dann nahmen es die Kurfürsten von Sachsen zum größten Teil in Besitz und im Frieden zu Wien 1815 kam es an Preußen. Der größte Teil davon bildet einen Teil der preußischen Provinz Sachsen.

Nordhausen und Umgegend.

 Nordhausen, die alte, weitbekannte ehemalige freie Reichsstadt, liegt am südlichen Fuße des Harzgebirges in einer wahrhaft romantischen Gegend. Im Norden wird das Umschau haltende Auge von dem stolzen Harzgebirge begrenzt; im Süden umlagert die schöne Hainleite die Gegend, im Osten erhebt sich der Kyffhäuser mit seinem auch von hier zu sehenden Kaiser Friedrichturme, und im Westen erblickt man das Ohmgebirge am Eichsfelde und die Porta Eichsfeldika. Herrliche Fluren und Wiesen, durchströmt von der schönen Helme und Salza und von der dicht an der Stadt vorbeifließenden wilden Zorge und vielen andern kleinen Bächen, wechseln in den schönsten Partien ab. Einen großen Teil der „goldenen Aue“ kann man von hier aus übersehen; überall ragen die Kirchtürme freundlich gelegener Dörfer aus schattigen Bäumen hervor bis hinunter nach Kelbra. Steht man aber auf dem Geiersberge, so sieht man den stolzen Rabensberg, welcher den im Vordergründe in malerischen Schattierungen dahin gelagerten Kohnstein majestätisch überragt, unter dessen Abdachung sich das Dorf Salza am gleichnamigen Flusse ausbreitet.

 Nordhausen hat jetzt 26 847 Einwohner und ist, im Verhältnis seiner Größe, eine der lebhaftesten und verkehrreichsten Städte. Sie zerfällt in die Ober-, Unter- und Neustadt und das Altendorf. Die Neustadt und das Altendorf lagen früher außerhalb der Ringmauer. Von der alten Mauer ist in neuerer Zeit nur noch so viel stehen geblieben, als wegen der steilen Lage mancher Straßen und Häuserreihen unumgänglich nötig ist. Die Stadt liegt 500 Fuß über der Meeresfläche, weshalb auch die Wasserbrunnen ziemlich tief sind und das Flußwasser aus dem Stadtgraben durch Pumpwerke in die Ober- und Unterstadt geleitet wird.

 Die Straßen der Stadt sind nicht nach dem Lineal gebaut, aber deshalb gefallen sie auch besser, als die langweiligen Straßen großer Städte. Die alten Häuser verschwinden immer mehr und machen neueren und geschmackvolleren Platz; sowie auch sämtliche Straßen gepflastert sind. Sämtliche Straßen müssen wöchentlich zweimal gereinigt werden. Das meiste Leben und Treiben herrscht auf dem Sande, in der Neustadt, dem Rumbach, in der Rautenstraße, auf dem Steinwege, dem Kornmarkte, im Töpfern, vor dem Barfüßern, im Altendorfe; die übrigen Straßen sind, je nach ihrer Entfernung von den genannten, stiller. Der lebhafteste Verkehr findet an den drei Wochenmärkten Dienstags, Donnerstags und Sonnabends statt.

 Die Stadt hat sechs Thore, nämlich 1) das Töpferthor, führt nach Magdeburg, Berlin, Leipzig, Halle; 2) das Altenthor, führt nach dem Harz und den braunschweigischen Ländern; 3) das Grimmelthor, nach den hannöverschen Ländern; 4) das Siechenthor, nach Hessen und dem Rheine; 5) das Sundhäuserthor, nach den schwarzburgischen Ländern und Süddeutschland; 6) das Bielenthor, nach Halle und Leipzig.

 Rings um die Stadt führen Fahrstraßen und Fußwege, an beiden Seiten mit Bäumen bepflanzt, mehrere derselben sind zu herrlichen Promenaden umgewandelt. Fast um die ganze Stadt herum liegen die Gärten der Bürger, und man hat einen wirklichen Genuß, wenn man im Frühling öfter diese Wege um die Stadt passiert. Aus dem Töpferthore über den Friedrich Wilhelmsplatz und die neuen englischen Anlagen führt der Weg nach dem sogenannten Gehege oder dem Kirschberge, einem köstlichen Wäldchen, dessen Bäume sich ganz dicht an die Stadt herandrängen. Den höchsten Punkt dieses Lusthölzchens ziert die weit und breit bekannte Merwigslinde. Nicht weit davon ist das sogenannte Schöpfmännchen, das die Wasser der Oberkunst bis auf den Petersberg befördert.

 Schön geebnete Wege führen unter den herrlichen Bäumen nach dem Hauptplatze des Geheges, wo Bude an Bude sich reiht, wo man Erfrischungen bekommen kann, und vor denen sich an schönen Abenden die Bewohner der Stadt sammeln, um der Unterhaltungsmusik auf dem schön gebauten Orchester zuzuhören oder die Zeit in traulicher Unterhaltung zuzubringen. Bis zum Jahre 1743 war der Kirschberg entblößt von allen Bäumen.

 Nordhausen hat sechs evangelische und eine katholische Kirche und ist in sechs Gemeindebezirke eingeteilt, welche unter einem Superintendenten stehen; die katholische Gemeinde gehört in den Sprengel des Bischofs von Paderborn. Die sechs evangelischen Kirchen sind:

  1. ) Die St. Nikolai- oder Marktkirche, ist die Hauptkirche der Stadt, an welcher ein Superintendent oder auch ein Oberprediger steht.
  2. ) Die Kirche St. Blasii, mit einer Hausmannswohnung auf dem Turme.
  3. ) Die Kirche St. Petri, mit dem höchsten Turme der Stadt, auf welchem eine Hausmannswohnung und die Normaluhr der Stadt sich befindet.
  4. ) Die St. Jakobi- oder Neustädterkirche, einfach aber geschmackvoll gebaut, die jüngste von allen.
  5. ) Die Kirche Beatae Mariae Virginis in monte oder Frauenberger Kirche, die einzige Kreuzkirche Nordhausens.
  6. ) Die Kirche Beatae Mariae Virginis in Valle oder Altendorfer Kirche.

 Die katholische oder Domkirche St. Crucis, deren Gemeindeglieder in der ganzen Stadt zerstreut wohnen, hat zwei Geistliche.

 Die kleine Kirche St. Cyriaci im Siechenhofe hat ihren eigenen Geistlichen oder wird von einem der anderen Stadtprediger verwaltet.

 Die jüdische Synagoge, vor dem Hagen, ist hübsch gebaut und liegt ganz angenehm und ihrem Zweck entsprechend.

 Von den Kirchhöfen hat der Spendekirchhof den ersten Rang. Er liegt an der Stadtmauer und diente den Gemeinden zu St. Blasii und St. Nikolai zum Begräbnisplatze. Auf demselben stand früher die Barfüßer- oder Spendekirche. In der letzten Zeit ihres Bestehens wurden nur noch die Leichenpredigten in derselben gehalten. Ein Leineweber, Namens Wolf, hatte unter der Emporkirche seinen Webestuhl aufgeschlagen und lebte mit seiner Familie an dem unheimlichen Aufenthaltsorte, bis ihn die Baufälligkeit des Gebäudes zwang, dasselbe zu verlassen. Die alten Grabsteine und Monumente zeigen manches Schöne und Beachtenswerte. An der Stadtmauer befindet sich das Filtersche Erbbegräbnis mit einem Saale darüber, worin eine Reihe Bildnisse dieser Familie sich befindet. Der St. Jakobikirchhof befindet sich vor dem Siechenthore und ist mit einer Mauer von Quadersteinen eingefaßt. Derselbe ist von zwei Vermächtnissen zu je 500 Thlr. angekauft und eingerichtet. Es ist ein freundlicher Begräbnisplatz, für dessen Verschönerung und Instandhaltung viel gethan wird. Der Gottesacker der Frauenberger Gemeinde ist vor dem Bielenthore neu angelegt und eingerichtet. Die Kirchhöfe der Petri- und Mendorfer Gemeinde werden jetzt noch benutzt; ebenso der der Gemeinde des Doms. Die Juden haben ihren Begräbnisplatz vor dem Töpferthore. In neuester Zeit besitzt die Stadt einen Centralfriedhof..

 Schulen hat die Stadt folgende:

  1. ) Das königliche Gymnasium.
  2. ) Das königliche Realgymnasium vor dem Töpferthore, 1841 erbaut.
  3. ) Die städtische höhere Töchterschule auf dem Pferdemarkte.
  4. ) Die städtische Mittelschule vor dem Töpferthore, 1841 erbaut.
  5. ) Die städtische Volksschule für unbemittelte Bürgerkinder beiderlei Geschlechts.

 Außerdem haben Handwerkerlehrlinge noch Gelegenheit, sich in der Sonntagsschule weiter auszubilden in etwa versäumten Kenntnissen.

 Ein städtisches Altertumsmuseum wurde 1875 begründet.

{idt2|25}}An öffentlichen Gebäuden sind außer den genannten noch zu bemerken: das Rathaus mit der hölzernen Statue des Roland; das Riesenhaus mit der Statue eines Riesen; das Waisenhaus; der Siechenhof; das Hauptsteueramt; das Stadtgefängnis, „Lorenzens Lust“ im Volksmunde genannt; das königliche Lazarett vor dem Bielenthore; das Schützenhaus mit den Schießgräben, worin das jährliche Freischießen abgehalten wird; das Theater im Berliner Hofe, welches neu restauriert ist und manchen Kunstgenuß seinen Besuchern verschafft; die städtische Gasanstalt vor dem Siechenthore; sowie eine ziemliche Anzahl Gasthäuser, darunter die vorzüglichsten: der Römische Kaiser, der Berliner Hof, der Lorbeerbaum, der Dresdener Hof; die Post.

 Nordhausen, obgleich es seiner Einwohnerzahl nach nur eine Stadt dritten Ranges genannt werden kann, verdient doch dadurch, daß es in weiten Umkreisen der Hauptmarkt für den Getreidehandel ist, eine Stadt zweiten Ranges genannt zu werden. Man kann annehmen, daß zehn Meilen im Umkreise sich alle Orte mit ihren Getreidepreisen nach denen Nordhausens richten. Der Getreidehandel ist fast täglich, Sonn- und Festtage ausgenommen, überaus lebhaft und wird die Frucht, so viel auch kommt, schnell und sicher abgesetzt. Das meiste Korn wird, außer zu Brot, zu Branntwein und zu Bier verbraucht. Der Nordhäuser Kornbranntwein ist weit bekannt. Der Bierbrauereien sind eine ziemliche Anzahl. Mit ihnen hängt zum großen Teil die bedeutende Viehmästung, besonders der Schweine, zusammen. — Da die Ökonomen und Bauern, welche ihre Früchte hier verkaufen, auch ihre Bedürfnisse hier nehmen, so sind Handel und Gewerbe dadurch im blühenden Zustande. Färbereien, Schlächtereien, Lederfabriken, Möbelmagazine, Tabak- und Cigarren-, Cichorien- und Rübenzucker-, Futter-, Kattun-, Leim-, Tapeten- und andere Fabriken beschäftigen Tausende der Einwohner. Sechs Buchhandlungen, mehrere Leihbibliotheken, Buchdruckereien, Lithographische Anstalten, Buchbindereien, Photographische Anstalten, Maler, Bildhauer versorgen die Bewohner mit allen Bedürfnissen des Geistes. Die an dem Mühlgraben liegenden großen Wassermühlen sind unausgesetzt thätig, das nötige Brotmehl und das Schrot für Brennereien und Brauereien zu liefern. Der Material-, Tuch- und andern Handlungen sind eine große Menge. Eine große Anzahl Fuhrleute bringen und führen Waren aus. Der auswärtige Verkehr hat sich aber noch bedeutend gehoben durch die Eisenbahnen, welche von Nordhausen nach Kassel, Leipzig, Erfurt führen.

 Nordhausen hat zwei Jahrmärkte, im Frühjahr und Herbst, welche acht Tage dauern, aber von geringer Bedeutung sind, da man alle Waren zu jeder Zeit in der Stadt bekommen kann. Bedeutender sind die beiden Viehmärkte. Der Platz zum Verkauf des Getreides, der Feld- und Gartenfrüchte und sonstiger aus der Landwirtschaft gewonnener Produkte befindet sich auf dem Kornmarkte; der Schweinemarkt ist auf dem Königshofe; die Töpferwaren lagern „hinter den Predigern“; die Kramwaren aber werden in Buden auf dem Steinwege verkauft; der Schuhmarkt ist auf dem Pferdemarkte.

 An Vereinen bestehen folgende:

  1. ) Der Missionsverein, ein Hülfsverein für die Berliner Gesellschaft zur Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden, gestiftet 1846 vom Pastor Abel.
  2. ) Der landwirtschaftliche Verein in der goldenen Aue, welcher seine Sitzungen in seinem Vereinslokale vor dem Sundhäuser Thore hat.
  3. ) Der Bürger-Rettungs-Verein, welcher bei Feuersgefahr thätig ist, und wozu alle Bürger verpflichtet sind.
  4. ) Der Handwerkerverein, zur Besprechung und Feststellung der Interessen des Handwerks.
  5. ) Der Leichenbestattungsverein, eine sehr nützliche Einrichtung, wodurch für geringe Kosten die Leichen auf eine anständige Weise beerdigt werden.
  6. ) Mehrere Gesangvereine, darunter der älteste der Männergesangverein „Concordia.“
  7. ) Der Gesellenbildungsverein, für junge Leute aus dem Handwerkerstande zur Anregung wissenschaftlicher Ausbildung.
  8. ) Mehrere Begräbnis- und Sterbekassenvereine, deren Mitglieder einen wöchentlichen Beitrag zahlen und bei ihrem Tode eine festgestellte Summe Geldes ausgezahlt erhalten, eine höchst wohlthätige Einrichtung für unbemittelte Einwohner.
  9. ) Der Frauenverein, zur Bekleidung armer Kinder mit Kleidungsstücken, besonders zur Konfirmation.
  10. ) Die Freimaurer, welche ihre Zusammenkünfte in der Loge „zur gekrönten Unschuld“ beim Dom halten.

 Die einzelnen Gewerke haben ihre Herbergen in einzelnen Gasthäusern der Stadt, welche man an den ausgehängten Emblemen und Schildern derselben leicht erkennen kann.

 In neuester Zeit hat, wie überall, so auch hier, das Vereinswesen in dem Maße überhand genommen, daß die Aufzählung aller Vereine ermüden würde.

 Der früher scharf ausgeprägte Charakter der Bewohner Nordhausens hat sich in neuerer Zeit sehr verändert, und wird sich noch immer mehr ändern durch die so sehr erleichterte Kommunikation mit Städten und Gegenden, welche gesehen zu haben in früheren Zeiten schon für etwas Besonderes galt; teils auch durch das fortwährende Zuströmen vieler Fremder, sowie durch die Niederlassung vieler Auswärtiger. Dessen ungeachtet haben sich aber noch viele Eigentümlichkeiten in Charakter, Lebensweise und Sitten, als gemeinsames Gepräge, erhalten.

 Der ächte Nordhäuser hat eine besondere Vorliebe für seine Vaterstadt, ist offenherzig, wohlthätig, gastfrei und gesellig, hat jedoch auch sein Geschäft, welches ihm besonders am Herzen liegen muß, stets im Auge. Daß unter diesen Umständen auch die Sprache sich verändert hat, versteht sich von selbst. Man hört den früheren breiten thüringer Dialekt weniger als sonst, und es läßt sich erwarten, daß er, wie in andern Städten, nach und nach immer mehr verschwindet. Der gemütliche Sinn der Nordhäuser sucht, wie ein Bürger der Stadt es ausgesprochen, dem Leben die beste Seite abzugewinnen.[1] Dahin zielen denn auch die Volksfeste, deren hier einige erwähnt werden sollen.

 Wenn nach des Winters Stürmen die warme Frühlingssonne wieder neues Leben in Wald und Flur bringt, im lieblichen Maimonat, dann feiern Nordhausens Bürger draußen im Gehege „das Maifest.“ Alt und Jung nimmt daran teil. Man lagert sich in fröhlichen Kreisen im frischen Rasen unter den Gebüschen und Bäumen und trauliche Gespräche wechseln mit Musik und Gesang bis zum späten Heimzug die sinkende Sonne und der aufgegangene Mond mahnt, wo man dann überall auf den Wegen fröhlichen Gesellschaften begegnet, die in Gottes freier Natur einmal des Tages Last und Mühe in trauter Fröhlichkeit zu vergessen suchten.

 Zur Zeit der Sommersonnenwende, wenn die köstlich duftende Rose in voller Blüte sich entfaltet, feiern die Jugend und die Alten mit ihnen „den Rosentopf.“ Haus bei Haus findet man in und außer dem Hause Rosenhütten von Birkenbüschen, Laubguirlanden und Rosenkränzen und mit einer prächtig gekleideten Puppe in dem schönsten Kranze. In den Hütten spielen die Mädchen, die Knaben aber schießen mit Armbrüsten nach einem hölzernen Vogel, und der, welcher die Krone des Vogels abschießt, ist König und giebt den anderen einen Schmauß, der dann in den Rosenhütten verzehrt wird, nachdem der König erst mit Trommelbegleitung hernmgeführt ist. Dieses Rosenfest wird am Johannistage, den 24. Juni, gefeiert und ist wohl alten Ursprungs.

 Das Schützenfest, welches alljährlich im Sommer gefeiert wird, rührt wohl, wie in den meisten Städten, noch von den Waffenübungen der Bürger aus den Zeiten Kaiser Heinrichs I. her. Damals waren diese Waffenübungen nötig, da die Bürger meist auf eigene Verteidigung ihrer Stadt bedacht sein mußten, jetzt sind sie nur noch zum Vergnügen, sowohl das Scheiben- als Vogelschießen. Das Scheibenschießen dauert fünf Tage, vom Montag bis Freitag. Auf dem Schützenplatze sind Buden errichtet mit allerlei Erfrischungen, und Alt und Jung nimmt an diesem Vergnügen Anteil und freut sich, wenn die kleinen Geschütze abgefeuert werden, das Musikchor lustig aufspielt und ein Feuerwerk mit Illumination des Schützenhauses den letzten Tag des Festes beschließt.

 Der 10. November, Luthers Geburtstag, wird sonderbarer Weise hier mehr als anderwärts als Volksfest gefeiert. Die Veranlassung dazu hat eine alte Volkssage gegeben. Doktor Luther soll mit einem Schuhmachermeister von Sondershausen, wo Markt abgehalten war, nach Nordhausen gereist sein und bei dem Schuhmacher geherbergt haben. Der Meister hatte gut verkauft und die Frau Meisterin hatte einen Gänsebraten zum Abendbrote aufgetragen, wozu der Meister nun noch inbetracht seines guten Verdienstes aber auch besonders wegen seines werten Gastes eine Flasche Wein zum besten gab. Als nun der Doktor erwähnte, daß heute gerade sein Geburtstag sei, da leerte man jubelnd ein Glas auf das Wohl des großen Reformators, der mit herzlichem Danke von seinem werten Gastfreunde schied. Seitdem wird sein Geburtstag alljährlich gefeiert. Schon am Tage vorher wird die sogenannte Martinsgans geschlachtet und die bemalten Lichter gekauft, worauf das Bild Luthers, zur großen Freude der Kinder, deren jedes ein Licht bekommt; überhaupt so viel Familienglieder, so viel Lichter. Nachmittags versammeln sich die Gewerke mit ihren Fahnen auf dem Markte und singen unter Posaunenbegleitung das Lied: Eine feste Burg ist unser Gott, welches auch am Abend zwischen 5 und 6 Uhr vom Petrikirchturme geblasen wird. In dieser Stunde wird auch mit allen Glocken geläutet und eine Festmahlzeit gehalten, es wird die Martinsgans verzehrt, bei Hellem Lichterschein. Doch ist dieses Volksfest jetzt sehr materiell geworden, man denkt nur ans Essen und vergißt des Mannes, dem zu Ehren man feiert.

 Möchte doch auch das seit dem Jahre 1846 am 300 jährigen Todestage Luthers gestiftete und alljährlich wiederkehrende Missionsfest im eigentlichen Sinne immer mehr ein Volksfest werden, wie es in Westfalen und an andern Orten schon geworden ist. Der so sehr verweltlichte Sinn der meisten Menschen ist aber nicht dafür gestimmt und nimmt wenig daran Teil.

 Für den Besucher der Stadt, sowie für den Nordhäuser selbst, der es liebt, nicht bloß in den engen Mauern der Stadt zu verweilen, giebt es manchen angenehmen Spaziergang in der nächsten Umgebung derselben. Geht man durch das Gehege, durch die Wolfsgasse nördlich, so gelangt man in Wilde's Hölzchen, in welchem der Wartturm steht, von dessen Gallerie man eine schöne Rundsicht genießt. Aus Wilde's Hölzchen gelangt man nach dem Kühberge, hinter welchem der Gesundbrunnen liegt, eine frische, köstliche Quelle. Von hier aus zieht sich ein schöner Weg nach Rüdigersdorf, welches dicht an hohe Kalkberge gelehnt, eine überaus romantische Lage hat. Hier ist die sogenannte „Hohensteinische Schweiz,“ deren zunächst höchst gelegener Berg, der Glockenstein, mehrere Höhlen enthält.

 Vom Altendorfe aus führt eine schöne Allee nach dem Dorfe Crimderode, auf dessen Feldmark sich mehrere Alabasterarten befinden. Dabei befindet sich der Bettelmannsgraben, auf einer Wiese zwei Erdfälle, die am 21. April 1710 entstanden sind. Auch die Goldschmiedshöhle, in welcher sich im 30 jährigen Kriege ein Goldschmied aufhielt, ist hier. Nicht weit vom Dorfe liegt der Johannisberg, auf welchem eine Kapelle stand, die im Bauernkriege zerstört ist, von der man noch die Grundmauern sieht. Ihre Glocken befinden sich in Sachswerfen. Vom Johannisberge hat man nicht weit nach Nieder-Sachswerfen, welches an dem Mühlenberge, einer schroffen Felswand von blendendem Gips, gelegen ist, aus welchem früher viele Kunstgegenstände gefertigt wurden. In diesem Dorfe ist Laurenz Rhodomann, welcher 1616 als Professor der Geschichte in Wittenberg starb, geboren. Der „Zoll“, ein geschmackvolles Gasthaus, vom Grafen Josef von Stolberg erbaut, gewährt eine gute Aufnahme und aus seinen Zimmern eine köstliche Aussicht. Von hier aus hat man es nicht weit nach dem Kohnstein, bei dem Dorfe Salza, eine Stunde von Nordhausen. Bei Salza besucht man die Hauptquelle der Salza, das „grundlose Loch“, und auf dem Kohnsteine die Schnabelsburg. Von Salza führt ein interessanter Weg nach dem Dorfe Herreden, bei welchem auf einer kahlen Höhe die Seelöcher liegen, zwei trichterförmige Erdfälle in der Tiefe mit Wasser, deren oberer Umkreis 160 Ruten, der des Wasserrandes 112 Ruten und deren Waffertiefe 36 Ellen beträgt. Früher befand sich auf dem großen Seeloche eine schwimmende Insel, welche vom Blitz entzwei geschlagen wurde, wovon aber nichts mehr zu sehen ist. Die Sage erzählt davon: In alten Zeiten war an der Stelle des Sees eine Grasweide. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh. Einer unter ihnen aß Weißbrot, welches die andern ihm abforderten. Er wollte aber nicht. Darüber wurden sie zornig, fluchten ihren Herren, daß sie ihnen nur Schwarzbrot gegeben, warfen ihr Brot zur Erde und schlugen es mit der Peitsche. Alsbald kam Blut heraus. Da erschracken sie. Der Unschuldige floh von ihnen. Die Buben aber wurden samt ihren Pferden in die Tiefe verschlagen. Seitdem wachsen aus dem See Pflanzen mit Blättern wie Hufeisen, die ganz den Lotosblumen gleichen.

Das Turnier zu Nordhausen. 1265.

 Begünstigt durch die deutschen Könige, die ihr viele Rechte und Privilegien gaben, erhob sich die kaiserliche Freie Reichsstadt Nordhausen und gewann an Macht und Ansehen, sowie sich die Wohlfahrt ihrer Bürger mehrte. War sie nun schon in frühern Zeiten der Ort wichtiger Versammlungen gewesen, so wurde sie jetzt nicht minder durch ein glänzendes Ritterspiel geehrt.

 Im Jahre 1265 hielt hier nämlich der edle Markgraf von Meißen, Heinrich der Erlauchte, Landgraf von Thüringen, eines der prächtigsten und glänzendsten Turniere ab, die je gefeiert wurden.

 Der jetzige Hammerrasen vor dem Bielenthore, damals eine freie Fläche, wurde in einen großen Garten umgewandelt. Am Ende der Rennbahn war ein Baum aufgestellt, der die Preise der Sieger, nämlich goldene und silberne Blätter, trug. So oft nun zwei Ritter auf ihren mutigen Pferden und in ihrer vollen Rüstung mit ihren Lanzen gegen einander rannten, und der eine seine Lanze auf des Gegners Brust brach, ohne daß sie beide wankten, so bekam er ein silbernes Blatt; warf er aber seinen Gegner aus dem Sattel, so erhielt er ein goldenes als Siegespreis aus den Händen des hierzu bestimmten edlen Ritterfräuleins. Acht Tage lang währten die Kampfspiele der Ritter, auch zur Belustigung der Nordhäuser, von denen täglich eine Menge Zuschauer den Spielen zusahen. Mit züchtigem Tanz und andern Festlichkeiten wurde das Fest beschlossen.

Ablaß. Wohlfeile Zeit. Siechenhof.

 Da, wo früher der Begräbnisplatz der Gemeinden St. Blasii und St. Nikolai war, stehen noch die Mauern eines alten Kirchleins, das den Namen Barfüßer- oder Spendekirche führte. Diese Kirche gehörte zu dem daselbst stehenden Franziskaner- oder Barfüßerkloster. Davon tragen noch der Spendekirchhof und die Barfüßerstraße ihre Namen. Es sind davon nur wenige Nachrichten vorhanden. In dem Zeiträume von 1255 bis 1511 werden mehrere Guardiane oder Vorsteher erwähnt, von denen der

  1. Hermann Fischer, Buchbinder und Antiquar.