Die ehemalige Heinrichsburg in Nordhausen

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Textdaten
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Autor: Otto Riemenschneider
Titel: Die ehemalige Heinrichsburg in Nordhausen
Untertitel: Sonderuntersuchung über ihre Gründung, Entwicklung und Zerstörung
aus: Das tausendjährige Nordhausen (Band 1)
Herausgeber: Magistrat
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
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Eintrag in der GND: [1]
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Die
ehemalige Heinrichsburg
in Nordhausen


Sonderuntersuchung
über ihre
Gründung, Entwicklung und Zerstörung


von
Otto Riemenschneider.


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Einleitendes

Nach dem umfassenden Ueberblick über die tausendjährige Geschichte der Stadt Nordhausen, den Dr. Silberborth in den voraufgehenden Blättern dieser Festschrift gegeben hat, bitte ich den Leser noch einmal mit mir Rückschau zu halten auf die ersten Jahrhunderte des Entstehens und Werdens unserer Stadt.

Bekanntlich hat Heinrich I., „der zweite Gründer Nordhausens", wie Förstemann ihn mit Recht nennt, in der Urkunde vom 13. Mai 927 alle seine Erbgüter " " seiner Gemahlin Mathilde als Wittum angewiesen und zugeeignet.[1]

In seiner Schenkung vom 16. September 929 wird dann unter Beiseitelassung des censns von Woffleben und Gudersleben außer den 927 genannten Burgen Quedlinburg, Pöhlde, Nordhausen und Duderstadt noch Grona bei Göttingen hinzugefügt und dann heißt es weiter: „mit den Burgen (civltatidus) und allem, was zu den genannten Orten gehört, welche wir überlassen als Eigentum mit Leuten, Knechten, Leibeigenen beiderlei Geschlechtes, Gebäuden, bebauten und unbebauten Ländereien, Wiesen, Feldern, Wäldern, Gewässern und Wasserläufen, Wegen und Unwegen, Ausgängen und Eingängen, Gefundenem und noch zu Findendem."-)

Es ist hiernach also zweifellos, daß unter Heinrich I. 927 und 929 in Nordhausen eine Burg vorhanden gewesen ist. Die Spuren derselben sind in den Jahrhunderten derart verwischt worden, daß heute die allerwenigsten Bewohner unserer Stadt überhaupt noch eine Kenntnis von der Existenz einer solchen Burg haben, geschweige denn über ihre Lage irgend etwas wißen. Und deshalb gehört es vielleicht zu dem geschichtlich Interessantesten, was die Tausendjahrfeier uns bringen kann, daß wir über diese Burg und ihre Lage etwas Genaueres erfahren. Solange ich in Nordhausen wohne und lokalgeschichtliche Forschungen treibe, ist es mein eifrigstes Bemühen gewesen, die genaue Lage dieser „Heinrichsburg" zu ergründen, und durch überraschende Entdeckungen der letzten zwei Jahre glaube ich in der Lage zu sein, dieselbe genau bestimmen zu können.

Die bisherigen Veröffentlichungen schwanken in ihren Angaben unsicher hin und her. Julius Schmidt sagt[2]: „Der wahrscheinlichste Ort dürfte wohl am Rande des Abhanges zu suchen sein, der von der Steineberggasse durchschnitten wird." Er verlegt sie also vor die innere Stadtmauer an den Abhang der Kutteltreppe, indem er, unbekannt mit der Nordhäuser Mundart, irrtümlich die „am Steeneberg" genannte Wegbezeichnung als Steineberggasse wiedergiebt. Andere haben an die „Burg" an der Hütergasse vor dem Rautentore gedacht. E. G. Förstemann gar ist geneigt[3] an eine Burg aus dem Geiersberg, da, wo die Merwigslinde steht, zu denken und würde dadurch, entgegen seinen sonstigen klaren historischen Ergebnissen, die alte, endlich abgetane Mär von der Gründung der Stadt Nordbausen durch den sagenhaften König Merwig aufs neue wieder stützen. Freilich will auch er viel lieber den Angaben des Cyriacus Spangenberg Glauben schenken, der in Nordhausen geboren ist und also der alten Tradition über den Standort noch näher gestanden hat. Spangenberg verlegt sie an den „Königshof" und wird in dieser Annahme wesentlich durch den Namen her Ritterstraße bestärkt. Alle diese Mutmaßungen gehen fehl. Und Karl Meyer in seinen verschiedenen Veröffentlichungen hat schon Recht, wenn er dem zu Unrecht überholt geglaubten Lesser[4] folgt, der, obwohl ihm die Erforschung gerade auf diesem Gebiete aus leicht ersichtlichen Gründen schwer siel, die alte „Kayserliche Burg", wie er sie nennt, nach dem Domstifte zu sucht, wo an dem Ende der Bäckerstraße sich eine wüste Stelle befunden habe, an der noch Reste einer alten Mauer wahrgenommen worden seien und die im Volksmunde „Finkenburg" genannt worden sei. Es handelt sich also nicht um die heutige Finkenburg, sondern um den heute mit Steinmauern neu aufgesührten Garten am ersten Hause der Nordseite der Bäckerstraße, wenn man zur heutigen Finkenburg geht. Meyer[5] geht nun richtig darin noch über Lesser hinaus, daß er die Burg noch einen Schritt weiter nördlich auf dem Gebiete der heutigen Finkenburg sucht. Und es bleibt unbeschadet aller nachbesternden Kritik und späteren genaueren Feststellung doch etwas Richtiges an dem, was der Volksmund durch die Jahrhunderte erhalten hat. Daß aus der „Finklerburg", wie sie eigentlich heißen müßte, im Volksmunde eine Finkenburg geworden ist, macht für die Richtigkeit der hinter ihr sich verbergenden Burg Heinrichs des Finklers natürlich gar nichts aus. Auch kümmert uns die Frage wenig, wann denn Heinrich zuerst der Finkler genannt worden ist, denn der Name Finkenburg ist eben erst aufgekommen, als er bereits der Finkler genannt wurde. Die Meinung freilich ist als völlig abwegig zu bezeichnen, als wäre die im Januar dieses Jahres niedergelegte und jetzt glücklicherweise wieder in ursprünglicherem Zustande aufgebaute Finkenburg selbst ein Bestandteil der ältesten Burg. Gerade die Bloßlegung der Fundamente bei ihrer jetzigen Niederlegung hat auch dem ungeübten Auge zeigen können, daß der über den Erdboden hinausreichende Teil über einem viel älteren Keller errichtet gewesen ist, der sich noch heute quer unter der Finkenburg hinzieht, der bei dem Bau des über ihm errichteten Gebäudes durch den Bogen aus Brandsteinen, der die Jahreszahl 1491 trägt, gesteift wurde und aus dem ursprünglich eine gerade jetzt wieder freigelegte Wendeltreppe noch oben führte, die mit der späteren mittelalterlichen Finkenburg gar nichts zu tun hatte, darum zugemauert und durch einen neuen Ausgang ersetzt wurde.

Bestätigt dies alles auch die Ansicht Meyers, so geht doch auch er noch nicht weit genug, da er sich mit dem Gebiete der „sogenannten" Finkenburg und den beiden angrenzenden Häusern (Domstraße 22 und 21), die mit der Fluchtlinie der Kranichstraße abschließen, begnügt, eine Annahme, die bei einer genauen Erforschung des Geländes schon scheitern muß. Doch ist soviel erreicht: Meyer hat fraglos erstmalig den Boden der alten Heinrichsburg betreten, nur noch nicht den ganzen Ort ihrer Lage gefunden.

Im folgenden soll nun der Versuch gemacht werden, die Lage der alten Heinrichsburg auf Grund eigener eingehender Forschungen zu bestimmen. Dabei bleibt sich freilich der Verfasser vollbewußt, daß damit noch keineswegs das letzte Wort in dieser Frage gesprochen ist. Vielmehr werden jetzt erst die Fachgelehrten, die Bau- und Kunstsachverständigen ans Werk gehen müssen, um all die noch schwebenden Fragen zu lösen und endgültige Arbeit zu leisten.

  1. I. G. Leuckfeld
  2. Julius Schmidt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Stadt Nordhausen 1888, S. 5, Z. 9.
  3. Urkundliche Geschichte S. 4.
  4. Historische Nachrichte von der Kayserl. und des Heil. Röm. Reichs freyen Stadt Nordhausen 1740, S. 167.
  5. Aus Nordhausens Vorzeit 1910, S. 29.