Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen 1290–1803

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Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen 1290–1803
Reihe Schriften der kriegsgeschichtlichen Abteilung im historischen Seminar der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin
Band-Nr. 25
Autor Gerhard Meissner
Herausgeber Walter Elze
Verlag Berlin : Junker & Dünnhaupt,
Erscheinungsjahr 1939
Umfang 106 Seiten
Preis 4,80 ℛℳ
Stand: 21. Juni 2016

Das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen 1290–1803 von Gerhard Meissner erschien 1939 als Heft 25 in der Seminar-Reihe der Friedrich-Wilhelm-Universität zu Berlin.

Zitat In umsichtiger Weise schildert Meissner auf Grund der Akten des Nordhäuser Stadtarchivs das Befestigungswesen, die Wehrverfassung und endlich die militärischen Bündnisse und Verträge der Reichsstadt, ohne sich auf die Nordhäuser Verhältnisse zu beschränken. Vor allem das Kriegswesen der benachbarten Reichsstadt Mühlhausen, deren Archiv gleichfalls benutzt wurde, wird ständig zum Vergleich herangezogen. In den Grundlinien ist die Wehrverfassung der Stadt in dem halben Jahrtausend städtischer Reichsfreiheit unverändert geblieben, sie stützte sich vor allem auf die Wehrpflicht der Bürger, wenngleich zunehmend geworbene Söldner neben das Bürgeraufgebot traten. Doch der letzte Abschnitt zeigt, wie sich die politische Stellung der Stadt in dieser Zeit entscheidend änderte. Übertraf im Mittelalter die Stadt die benachbarten Herren an politischem Gewicht oder kam ihnen doch gleich, so daß sie wirkliche Bündnisverträge mit ihnen schließen konnte, so wurden ihr vom späten 15. Jahrhundert ab zuerst von Sachsen, dann von Preußen Schutzverträge aufgezwungen, die die politische Selbständigkeit der Stadt weitgehend beeinträchtigten und sie zu Kriegshilfe für fremde Zwecke verpflichteten. Einige Akten sind anhangsweise abgedruckt. Da der Verfasser mitteilt, daß er neben der Arbeit den 2. Band des Nordhäuser Urkundenbuehs fertiggestellt habe, ist zu hoffen, daß er für dies Urkundenbuch wenigstens die üblichen Grundsätze für die Textgestaltung verwendet, die er in seiner Arbeit nicht zu kennen scheint. Die Texte werden buchstabengetreu abgedruckt. Zitat
                    — Franz Günther in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde (N.F. Dreiunddreissigster Band (1939), Seite 545-546.
Editionsrichtlinien:
  • Der Text enthält keine Fußnoten. Das Digitalisat ist hingegen vollständig.
  • Der Text wurde teilweise Korrektur gelesen und spiegelt somit keinen endgültigen Bearbeitungsstand wider.

Vorwort

In der vorliegenden Arbeit wird erstmalig versucht, das Kriegswesen der Reichsstadt Nordhausen zusammenfassend darzustellen. Es kam dem Verfasser darauf an, einen Begriff von dem Wesen, dem Sinn und der Eigenart des Nordhäuser Kriegswesens zu gewinnen. Es sollten Entwicklung, Aufbau und Veränderung der Kriegseinrichtungen gezeigt, die Stadtgeschichte von den Kriegseinrichtungen her beleuchtet und die Wirkung der bewaffneten Macht auf die Bündnisse und Verträge dargelegt werden. Daher wurde soweit überhaupt möglich das gesamte Kriegswesen in die Untersuchung mit einbezogen. Es ergab sich daraus Auswahl und Auswertung der Quellen, Anlage und Aufbau der Arbeit:

Der zeitliche Rahmen der Arbeit vom Ende des dreizehnten Jahrhunderts bis zum Jahre 1803 war durch die geschichtliche Entwicklung Nordhausens gegeben, das in diesem Zeitraum Reichsstadt war. Es blieb die Zeit vor dem Privileg Rudolfs von Habsburg vom 1. November 1290), das im wesentlichen die reichsfreie Stellung Nordhausens begründete, unberücksichtigt, da ausschließlich das von Rat und Bürgerschaft bestimmte Kriegswesen dargestellt werden sollte. Der zeitliche Abschluß der Arbeit war durch das Ende der Reichsfreiheit Nordhausens am 25. Februar 1803 gegeben.

Die Gliederung der Arbeit geschah nach sachlichen Gesichtspunkten. Sie boten die Möglichkeit, Entwicklung und Wandlung des städtischen Kriegswesens überhaupt vom Mittel-alter bis in die Neuzeit mit aller Deutlichkeit und Klarheit aufzuzeigen. Nordhausen galt als Musterbeispiel, doch wurde vielfach auf die Verhältnisse anderer Städte, im besonderen Mühlhausens in Thüringen, verwiesen. Es ergab sich so eine klare Herausstellung von Eigenartigem und Allgemeinem. Die Arbeit dient damit sowohl der Lokalgeschichtsforschung, als auch der allgemeinen Erforschung des Stadtkriegswesens.

Die Quellen zur vorliegenden Untersuchung sind nur zum geringeren Teil veröffentlicht. Es war daher ein eingehendes unmittelbares Quellenstudium in den Stadtarchiven von Nordhausen und Mühlhausen notwendig. Für die gewährte Unterstützung bei der Forschung in den Archiven sage ich den Herren Stadtarchivaren Dr. F. Stolberg und Dr. E. Brinkmann meinen Dank.

Aus der Arbeit im Stadtarchiv Nordhausen und aus der Notwendigkeit, einen großen Teil der Urkunden durchzusehen, entstand als zweite Arbeit das „Nordhäuser Urkundenbuch II“. Eine große Anzahl von Urkunden kann daraus als Ergänzung für die Darstellung des Kriegswesens der Stadt Nordhausen dienen.

Zu den wichtigsten Quellen der Arbeit gehören die Nordhäuser Statuten von 1280-1290, 1308, 1350 und 1470 (Qu. Nr. 63), das „Rauhe Buch“ (Qu. Nr. 32), das Inventarium magistrorum telorum (Qu. Nr. 6) und Lessers Historische Nachrichten (Lit. Nr. 46).

Die Beilagen zur Arbeit sind im besonderen als Ergänzung der Darstellung der Wehrverfassung gedacht, in der auch der Schwerpunkt der Arbeit liegt.

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Zum Schluß sei mir gestattet, denen zu danken, die durch Anregung und Förderung die vorliegende Arbeit mit Rat und Tat unterstützt haben. Vor allem schulde ich Dank den Herren Professoren Dr. W. Elze und Dr. R. Holtzmann, den Referenten der Arbeit. Mein weiterer Dank gebührt der Stadtverwaltung von Nordhausen, die durch großzügige Unterstützung die Herausgabe der Arbeit ermöglichte.

I. Kapitel: Das Befestigungswesen

Die Befestigung gehört zu den Grundelementen des mittelalterlichen städtischen Lebens. Sie bestimmt das Wesen der Stadt. „Die deutsche Stadt des Mittelalters“ sagt Gengier, „war in ihrer äußeren Erscheinung eine Schutzstätte wider Feindeseinfall und Befehdung, daher ihrem ureigensten Wesen nach eine wehrhafte Örtlichkeit.“

Die Befestigungen waren Eigentum des Stadtherrn2). Seit den Karolingern, wahrscheinlich auch schon unter den Merowingern), war das Recht, Befestigungen zu errichten und zu unterhalten, anderen die Befestigungserlaubnis zu übertragen und Befestigungen, die ohne Erlaubnis errichtet worden, zu brechen, eine Funktion der Wehrhoheit des fränkischen Staates). Im zwölften, dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert gelangte das Befestigungsrecht in die Hände der weltlichen und geistlichen Fürsten), und vieler Städte. In dem Kampf um das Befestigungsrecht) fand das Ringen der Städte nach Selbständigkeit und Freiheit seinen bezeichnendsten Ausdruck.

Viele Städte kamen schon im dreizehnten Jahrhundert in den Besitz des Befestigungsrechtes. So übten u. a. Köln und Worms seit der ersten Hälfte, Basel, Mühlhausen, Rostock und Straßburg seit der Mitte und Erfurt und Nordhausen seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts das Befestigungsrecht aus. In jener Zeit war die Befestigungstechnik zum Hauptbestandteil der Kriegskunst und der Besitz von Befestigungswerken fast gleichbedeutend mit politischer Macht geworden.

In Nordhausen stehen nach dem ersten erhaltenen Stadtrecht aus den achtziger Jahren des dreizehnten Jahrhunderts die Stadtbefestigungen unter der Aufsicht des Rates. „Hebet sich ein gezok in dirre stat“ heißt es Artikel 133, „swelch unsere bürgere sich vnderwunde keines tores ader tormes an der muwern . . . wer daz tete ane des rates lobe ir ieclich vnser burger gibt sechs phunt vn rumet zwei iar.) Damit hatte die Stadt den durch die Zerstörung der Burg und die Vertreibung des Vogtes und der Reichsministerialen geschaffenen Zustand zur Besitznahme der Stadtbefestigungen benutzt.

Trotz der Rückkehr des Vogtes am Ende des Jahrhunderts beginnt Nordhausen selbständig den Neubau und die Erweiterung der Stadtmauer. 1299 tauschen „Thilomanuus de Elrich et Fridericus de Sangerhusen magistri consulum“ und die übrigen 16 „consules ciuitatis'‘ mit der Kapelle „Sancti Egidii Veteris Valve“ Land und Gebäude wegen der Erweiterung der Stadtmauer). Der Vogt hat auf die Stadtbefestigungen keinen Einfluß mehr. „Swi der stat were zubricht“, so meldet das neue Stadtrecht, „edir steine von der were werfit di git zhen Schillinge.“

In der Stadt entsteht ein eigenes Befestigungswesen. Zur Durchführung und Aufsicht aller Befestigungsarbeiten setzt der Rat zwei Ratsherren ein. Sie bieten die Einwohner zum Mauerbau auf, fordern von bestimmten Dörfern und Bauern der Umgegend Fronfuhren. „Ouch sal eyn iclich besezzin rat“, heißt es im vierzehnten Jahrhundert, „vort wanne he be-stetiget wirt zcwenne man kiesen vnder on, die da vordem alle iar die da steyne vuren von den dorfern die da phiegen des iares steyne zu der stat zu vurene vnd welch besezzen rat des nicht entete vnd di zcwene nicht da zu stelten vnd hilden, daz di steyne geuort worden von disen nachgeschreben dorfern, so solde io der man in deme rate sines eygenen geldis eyne mark an di stat geben, er he von deme rate kome.“ Im vierzehnten Jahrhundert entstand eine Behörde für das Befestigungswesen: Das Bauamt. Es wurde von den Baumeistern geleitet). Zu Zeiten lag auch die Aufsicht über die Befestigungen in den Händen der Kriegsmeister.

Die Einwohner der Stadt hatten sowohl am Mauerbau als auch an den Befestigungsanlagen in der Stadtflur zu arbeiten. Außenbefestigungen legte Nordhausen erst im fünfzehnten Jahrhundert an. Als 1464 die Honsteiner Grafen bezweifelten, daß die Stadt das Recht zur Anlage von Befestigungen außerhalb der Stadtmauer habe, konnte Nordhausen diesen Angriff auf einer Gerichtssitzung vor Herzog Wilhelm von Sachsen zurückweisen. Der Nordhäuser Bürger Hans Seher sagte aus: „Er habe nie anders gehöret, den das Northusen einen eigenen freyen flur . . . und dürfe schiege, Rennenbeume, graben, zingeln, schrancke zu hütten, borgfrieden und ander festenunge nach ihrer ebenunge und bequemlichkeit daruffe und darinne machen ... Er habe selber von gehorsams, gebots und geheiß wegen des raths zu Northusen gegraben und gehulffen . . .“ Ein anderer Nordhäuser Bürger, Hans Gaßmann, sagte: „Er könne wohl gedenken, daß die von Northusen machten graben, zingeln und schiege von Crimilderode bis an die Gumpe und das was, da die Herschafft von Stolberg den Honstein innahm.“

Mit demselben Grafen entstand 1529 erneut Streit über die Befestigungen im Stadtgebiet. Unter anderen Zeugen wurde damals der Reichsschultheiß Leonhard Busch vernommen. „Er gedencke“, sagte er aus, „dass bey Graff Hanssen von Honstein Zeiten der graben von der Saltza an bis an die poliermühlen von nuwen ausgeworfen und gemacht ist. Man sehe noch täglich, dass der Rath zu Northusen alle jar zwischen Hesserode nicht weit vom Lindau mit wellenholtz und andere ihre warth bessern und daselbst warth und hut halten lasse.“

Die Pflicht der Bürger am Bau der Befestigungen zu arbeiten findet sich in vielen Städten. Die Göttinger Bürger hatten z. B. das sogenannte „Meinwerk“ zu leisten. Sie wurden der Reihe nach dazu ausgehoben. Die Versäumnis wurde mit einer Geldbuße belegt). In Goslar wurden auch die Schüler zum Meinwerk herangezogen). In Danzig waren die Bürger zum „Scharwerk“ verpflichtet. Jeder Bürger wurde von den Ordnungen gemahnt, ein- oder zweimal in der Woche mit seinem Gesinde zum Scharwerk zu gehen. Die wehrfähige Bürgerschaft Quedlinburgs war ebenfalls bei der Anlage von Stadtbefestigungen beteiligt. Doch meldet eine Ratsrechnung schon für 1485, daß die Hauptleute der Stadtbezirke „gravemester und gravearbeter“ zur Herstellung einer „lantwer“ annehmen und ihnen Lohn zahlen sollen). In Hildesheim und Danzig konnten die Bürger die persönliche Pflicht durch eine Steuer ablösen. 1671 erließ der Danziger Rat eine „Ordnung, wor-nach sich die verordneten Bürgere bey Einforderung, der gemeinen Schaarwercks Gelder zu richten haben.

Um das Gebiet, in dem die Stadt das Recht hatte, Befestigungen anzulegen, genau abzugrenzen, sorgte sie für die Kenntlichmachung ihrer Grenzen. „Ein ixlich radt“ bestimmt das Stadtgesetz des fünfzehnten Jahrhunderts, „sal alle iar eyns zcusschin ostern vnde pfinxten den flur bereyten: welch ratli daz liesze, so solde eyn ixlich rathman eyne margk an die stat gebin ane alle gnade. Ouch sal der rath den flur alzo er vor-steynet ist, besehen, graben, uffworffe, siege, czingeln vnde falleboume laszen bessern, fertigen vnde in beuelicheme wessen vnde besserunge behalden.“ Der Besitz des Befestigungsrechtes gestattete Nordhausen zu allen Zeiten den Ausbau seiner Befestigungen. Der erste steinerne Mauerbau um 1300 ist der sichtbarste Ausdruck für den Beginn der städtischen Selbständigkeit. Denn es ist klar, betont auch Rütimeyer, daß derjenige, der Herr der Stadtbefestigung ist, zugleich die politische Beherrschung der Stadt in Händen hat.

Seitdem baut Nordhausen die zur Erhaltung seiner städtischen Freiheit notwendigen Stadt- und Flurbefestigungen aus. 1365 wird die Befestigung der Vorstädte begonnen, wozu sich die Stadt 1368 die Einwilligung des Kaisers holt. Um 1400 entsteht ein großer Teil der Flur- und Grenzbefestigungen: Der „neue Graben“, der „lange Graben“, der „Landgraben“, der „Nordschlag“, und mehrere Warttürme. Seit 1436 baut Nordhausen seine Stadtmauer weiter aus, verstärkt die Flurbefestigungen. Der Kaiser gibt seine Zustimmung - Es entstehen innere und äußere Tore, die Stadtmauer erhält Zinnen und Türme. 1441 wird das Töpfertor stark befestigt und die Stadtmauer von dort bis zum Barfüßertor dreifach, vom Rautentor zur Kuttelpforte zweifach aufgeführt. In der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hatte Nordhausen vier große Tore mit acht Tortürmen, zwei Pforten, 25 halbrunde und 4 eckige Türme in der Hauptmauer und in der äußeren Mauer 10 starke Bollwerke. 1480 wird die äußere und innere Stadtmauer noch erhöht. 1484 haben beide Stadtmauern 73 Zinnen, Türme und Tore. 1589 wird der sogenannte Oßwaldsche Turm errichtet. Im siebzehnten Jahrhundert besonders während des Dreißigjährigen Krieges wird die Stadt im Innern durch Ketten und Schlagbäume gesichert. In einem Verzeichnis der Bauherren von 1642 heißt es darüber: „Schloß am Schlage an Wolf Volckmars hause, bei Andreä Heils jun. hause, bei Anton Schielers hause, am Barfüßerthore, uf der Töpferbrücken, zwischen den Töpferthoren, an der Töpferbrücken, über dem Rautenthore, in der Hütergassen, am eusersten Bilenthore, am eusersten Suntheuser-thore, vorm Ähren, in der Newstadt gegen der Meusen hause, beim Seigerthore, ibidem unterm Seigerthore, an der Siechenbrücken, im Siechenthore, am inwendigen Siechenthore, an Georg Riedels hause, unter der mauren bey der Kottelmühlen, vor dem Newenwegesthore, 2 Schläge vor den Pallisaden außer dem Newenwegesthore, vor dem Grimmelsthore, an der Nieducken, in der Rosengassen, vor dem Altenthore, am Kruckthore, an der Scherfgassen, unter dem alten Seigersthore, vor dem Barfüßerthore. Summa 33 Schläge.“ 1710 und 1712 werden die Haupttore verstärkt, das ausgebrannte Töpfertor wieder errichtet, so daß ein „erfahrener General-Lieutenant“ berichtet Bohne „damahls en passant geurtheilet, wenn die Stadt Nordhausen dergleichen Rondel in quanto et quali noch mehr hätte . . ., so könnte die Stadt sich noch wohl eine Zeitlang wieder ankommende Stürme schützen und aufhalten.“ 1734 stellt Nordhausen die Stadtmauer vom Töpfertor bis zur Stiege neu her und 1739 und 1740 werden die Gräben des Frauenberges mit spitzen Pfählen neu besetzt. So bleibt bis ins achtzehnte Jahrhundert das Befestigungswesen ein lebendiger und wichtiger Teil des Nordhäuser Kriegswesens.

II. Kapitel: Die Wehrverfassung

Die Wehrverfassung Nordhausens ist das Ergebnis ständiger Abwehrkämpfe der Stadt. Dauernde Bedrohungen zwingen, die Mittel des Stadtstaates und die Kräfte des Volkes zur Erhaltung der Freiheit zu mobilisieren. Die Bürger übernehmen die Stadt­ verteidigung, die Geldmittel gestatten die Annahme von Söld­ nern und den Ausbau einer Artillerie. Die Einwohner bilden neben den Söldnern eine Miliz. Es kommt zur Bildung einer Wehrverfassung.

Die Nordhäuser Wehrverfassung entwickelt sich seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts. Sie ist ein Abbild der Stadtverfassung, wie der in ihr herrschenden Ideen und der Wesensart seiner Bürger. In ihr findet die kriegerische Ordnung des Stadtstaates ihren verfassungsmäßigen Ausdruck, offenbart sich der höchste Lebenswille seiner Bürger. Sie ruht auf genossenschaftlicher Grundlage. Alle Mitglieder des Rates nehmen an Wehrfragen teil. Sie entscheiden über die Rüstung der Stadt, das Aufgebot der Bürger und über die Werbung der Söldner.

Söldner sind in Nordhausen schon am Ende des dreizehnten Jahrhunderts nachzuweisen. Im Honsteiner Krieg 1368-69 dienen der Stadt 40 Söldner. Sie werden am Kriegsende abgedankt. Erst seit dem fünfzehnten Jahrhundert hält die Stadt eine ständige Söldnertruppe. Wesentliche Bedeutung hat aber das Söldnerwesen in Nordhausen nie erlangt. Im fünfzehnten Jahrhundert unterhält Nordhausen 100 bis 200 Söldner. Vor­ übergehend steigt die Stärke im sechzehnten Jahrhundert bis auf 200 Mann. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert beträgt die Stärke durchschnittlich 50 bis 100 Mann.

Die eigentliche Kriegsstärke der Stadt beruht auf dem Bürger­aufgebot. Es wird im fünfzehnten, sechzehnten und siebzehn­ ten Jahrhundert gegliedert. Die Gliederung geschieht nach Stadtbezirken und Innungen. Bei Kriegsfall erfaßt die Miliz fast 20 vom Hundert der Bevölkerung. Zur Nachtwache am Tor oder auf der Mauer werden die Bürger bis ins siebzehnte Jahrhundert gebraucht. Sonst steht die Miliz in ruhiger Zeit nicht unter Waffen. Seit 1661 besteht sie aus vier Kompagnien. Die Gesamtstärke schwankt zwischen 800 und 1000 Köpfen. Sie zerfällt im fünfzehnten Jahrhundert in die Festungsmiliz und in die zum Auszug bestimmte Miliz; dazu tritt am Ende des Jahrhunderts eine Artilleriegruppe. Seit 1420 dienen Schützen­ brüderschaften der Erhaltung der Wehrfreudigkeit der Bürger. Insgesamt umfaßt die bewaffnete Macht Nordhausens durch­ schnittlich 1000 bis 1200 Köpfe.

a) Die Kriegsbehörden

Der Stadtstaat Nordhausen entwickelt entsprechend dieser Vielgestalt der Kriegsmacht Kriegsbehörden.

Die oberste Kriegsbehörde für das gesamte Kriegswesen ist zu allen Zeiten der Rat. Er erläßt Wachvorschriften, bestimmt die Musterung der Bürger, beschließt über Anschaffung von Kriegsmaterial. Er nimmt Söldner an, erläßt Kriegsartikel. Beschränkt ist seine Macht in der Entscheidung über Krieg und Frieden. Er muß dazu das ganze Volk befragen. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert leisten die Offiziere und der Fähnrich vor dem sitzenden Rat den Treueid. Vor demselben Rat schwören die Büchsenmeister im siebzehnten Jahrhundert: „Das ich dem Rathe und Gemeinheit der Stad Northausen trawlich dinen, Wie ein redlicher Buchsenmeister thun sol - und der Stad mit Pulvermachen trawlich und wol vorwaren - Und was ich an Pulver mit Geschütz und Furrath bey der Stad unterricht werde und finde, das ich das nymermehr, weil ich lobe, keinen Menschen ausgeschlossen, dem Rath vormelden wil trawlich und eigentlich, Wil mich auch bey meynem Sold genüge lassen, Man wolt mir den vorgutt Willen zulegen . . .

Die Söldner als ständige kleine Kampftruppe unterstehen dem Rat, keiner Sonderbehörde. Die beiden regierenden Bürgermeister haben die Befehls- und Strafgewalt. 1443 rief der Bürgermeister Oveckborn den Hauptmann Ulrich von der Nesse mit seinen Leuten in die Stadt, um ihm Befehle für sein Verhalten im Kampf gegen die Herzoge Otto, Heinrich und Ernst von Braunschweig zu geben. 1482 entfernte sich der Stadthauptmann Seifert von Bülzingsleben mit drei Söldnern gegen den Befehl der Bürgermeister aus der Stadt. Die Bürgermeister verlangten die sofortige Rückkehr. Da er nicht erschien, entließ der Rat diesen Stadthauptmann.

Der gesamte Rat bestimmt und ernennt die Offiziere der Miliz. Er ordnet die Abgrenzung der Stadtbezirke für die militärische Gliederung der Bürgerschaft. Er bestätigt die Wahl der Schützenmeister der Schützenbrüderschaft.

Der Eintritt in die befestigte Stadt ist in Zweifelsfällen nur mit Erlaubnis des regierenden Bürgermeisters gestattet. In außergewöhnlichen Fällen tritt der Rat zusammen. So versammelt sich 1551 der Rat und lehnt den Einlaß sächsischer Truppen ab. 1717 erläßt der Rat ein Edikt für die Wachen an den Toren und Pforten. „E. Wohledler Magistrat ernster Befehl“ heißt es, „daß die Wachen an Thoren und Pforten . . . sowohl auf bevorstehendem Jahrmarkt, als nachher jedesmahl auf die Frembden und Durchreisenden fleißige Acht haben, solche umständlich examiniren und befragen, die Pässe und Kundschaften zur Untersuchung in denen Thoren und Pforten abfordern, und nach Befinden dem regierenden Bürgermeister, einreichen . . .“

Für das übrige städtische Kriegswesen entstehen eine Anzahl von Sonderbehörden. Sie werden ehrenamtlich von zwei bis vier Ratsherren geleitet. Die wichtigste Behörde ist das Pfeilamt. Ihm untersteht die Verwaltung des gesamten bürgerlichen Kriegswesens. Nachzuweisen ist dieses Amt seit 1470. Es reicht in seinen Anfängen bis ins vierzehnte Jahrhundert zurück. Für die Stadtbefestigungen besteht ein Bauamt seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts. Am Ende des siebzehnten Jahrhunderts entwickelt sich das Wachtamt aus der Kämmerei. Es sorgt für die Erhaltung der Stadtkompagnie durch die Einnahme des bürgerlichen Wachtgeldes. Der Ältestenrat, der seit 1375 besteht, überwacht alle Behörden des Stadtstaates und das gesamte städtische Kriegswesen. Seine Bedeutung entspricht der eines Kriegsrats.

Der Kriegsrat ist die den Städten vornehmlich eigene Form der Kriegsbehörde. Er ist im Mittelalter meistens ein für den Notfall eingesetzter Ausschuß. Seine Mitgliederzahl ist nicht feststehend. Sie ergibt sich aus der dem Kriegsrat gestellten Aufgabe. 1392— 93 wurde in Straßburg ein Kriegsrat von sieben Mitgliedern eingesetzt. 1445 wird in Basel ein Kriegsrat von dreizehn Mitgliedern gebildet. Oft wurde der Kriegsrat nach der Anzahl seiner Mitglieder benannt. Augsburg hatte 1372 und 1422 einen „Rat der Sieben“ . In Rottweil gab es einen „Neuner Rat“.

Die Zusammensetzung des Kriegsrats entsprach den inneren politischen Verhältnissen der Städte. So setzte sich in Straßburg der „Rat der Sieben“ aus fünf Rittern, Knechten, Bürgern und Handwerkern, einem Meister und einem Ammanmeister zusammen. Der „Neuner Rat“ in Basel 1406 zählte den Bürgermeister, den Oberzunftmeister, einen Ritter, zwei Achtbürger, zwei Ratsherren von den Zünften und zwei Meister zu seinen Mitgliedern. In Danzig bestand der Kriegsrat 1573 aus einem Bürgermeister, drei Ratsherren, zwei Schöffen und vier Mitgliedern der dritten Ordnung. Der Kriegsrat hatte der Stadt einen Eid zu leisten.

Als ständige Behörde erscheint der Kriegsrat in der Neuzeit. In Danzig besteht von 1624 bis 1793 ein ständiger Kriegsrat. Der Nordhäuser Kriegsrat ist schon seit dem ausgehenden Mittelalter als eine ständige Behörde anzusehen, da der Ältestenrat die Funktion eines Kriegsrats dauernd üben konnte.

Der Ältestenrat ist in seiner doppelten Funktion als politische und militärische Behörde der sichtbarste Ausdruck einer Wechselwirkung zwischen militärischer und politischer Gestaltung der städtischen Lebensordnung. Durch ihn wird die Art der militärischen Führung bestimmt, die Einheit und Stärke der militärischen Gewalt bedingt. Er ist im besonderen bei drohenden Kriegen für den Verteidigungszustand der Stadt verantwortlich. Dieser Forderung entspricht seine Machtbefugnis. Sie umfaßt alle Zweige des Kriegswesens: Die Aufsicht über die Befestigungen, die Zeughäuser und die Munition, die Besetzung der Tore und Mauern, „da sich ein jeder vorkommendenfalls zu finden lassen hat“ , hieß es 1622.

Mitglieder des Ältestenrats waren die Bürgermeister und die Viermänner. Seine Struktur macht es wahrscheinlich, daß er die kunktion eines Kriegsrats schon im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert ausübte. Nachzuweisen ist sie erst für den Anfang des siebzehnten Jahrhunderts. Am Beginn des Dreißigjährigen Krieges lag die Rüstung der Stadt in den Händen des Ältestenrats. Am 14. April 1619 heißt es, „haben die Herren Ehesten beschlossen zu bestellen:

  1. einen Lieutenant,
  2. die gekorne Kriegsleute in den Handwerken zu fordern,
  3. nach dem Zeugmeister zu Cassel zu schreiben, der die Geschütze fassen soll.
  4. Bley und Pulver zu kauffen,
  5. öffentlich anzuschlagen, daß ein jeder sich einheimisch halten soll,
  6. 30 Soldaten unter den Bürgern zu werben,
  7. die Rüstung zu schaffen“.

Es liegt nahe bei der Bedeutung des Kriegsrats für das Kriegswesen der Stadt und dem Mangel an Überlieferung in Nordhausen, einen Blick auf die Nachbarstadt Mühlhausen zu tun. Die wichtigste Kriegsbehörde war in Mühlhausen im siebzehnten Jahrhundert das Kriegsamt. Ihm unterstand das gesamte, städtische Kriegswesen. Die Leitung lag in den Händen der vier Kriegsmeister. Ihre Pflichten waren:

  1. Bei Durchzügen und Einquartierungen Aufsicht und Verhandlungen im Namen der Stadt zu führen;
  2. Den städtischen Kontingenten zur Reichs- und Kreishilfe als Kriegskommissare zu dienen;
  3. Tag und Nacht die Wachen zu überprüfen:
  4. Die Stadtsoldaten anzunehmen und zu entlassen, die militärische Strafgewalt auszuüben;
  5. Den Bürgerausschuß einzuberufen, die Bürgeroffiziere zu ernennen, Besichtigungen und Waffenübungen anzusetzen;
  6. Bei Tumult und Aufruhr mit der Militärmacht die Ruhe

wiederherzustellen.

Zur Erfüllung ihrer Pflichten standen den Kriegsmeistern drei bis acht Kriegskommissare zur Seite. Diese bildeten zusammen das Kriegsamt. Die Beschlüsse des Kriegsamts mußten den „Senioribus“ zur Begutachtung vorgetragen werden. Damit war die Einheit der politischen und militärischen Führung gesichert. Die Durchführung der Beschlüsse lag in der Hand des Kriegsamts. Den Vorsitz im „Consilio militarii“ führten die Kriegsmeister. Die militärischen Strafen wurden in gemeinsamer Sitzung beschlossen. „Am 21. März 1620“ , berichtet das Kriegsamtsbuch, „sindt von den Krigsherrn ettliche Bürger vom Ausschuß vndt Soldaten in Straff genommen, Vmb daß sie bei währenden Convent vnterschiedlichen die Wache negligenter gehalten, verschlaffen vndt sonsten Verbrechung gethan.“ Die geworbenen Soldaten schwören vor dem Kriegsamt: „Ihr sollet geloben und schwehren, daß E. E. Rath allhir ihr getreu, hold und gewärtig seyn, dessen Nutzen und bestes suchen, Schaden und Nachtheil aber abwenden, auch als ein redlicher Soldat zu denken und defendirung der Stadt welcherley allen Vorfällen worzu ihr commandiret werdet, euch gebrauchen lassen und dabey weder Leib noch Leben scheuen, denen Befehlen denen die Krieges- und Militair-Sachen besorgenden Herrn Bürgermeister folge thun, denen euch Vorgesetzten Obern und Subaltern Oficiers gehorsam und respect erweisen, in Werbungs Sachen euch nicht einmischen, noch den Werbeoficiers Laute bringen, noch darzu andere gebrauchen und durch diese von denselben einige Vergeltung vor euch annehmen und bedingen und euch in eurem Dienst treu, unverdrossen und unverdrißlich wie solches einem Gott und ehrliebenden rechtschaffenen Soldaten eignet und gebühret, verhalten wollet.“ Die Sitzungen des Kriegsamts fanden den Umständen nach statt. Im ersten Vierteljahr 1620 wurden am 3., 4., 11. Januar, dann erst wieder am 1. und 21. März Sitzungen abgehalten. Am 3. Januar 1620 beschloß der Kriegsrat: 1. Die Dörfer verteidigungsfähig zu machen, 2. die Wachen an den Toren strenger durchzuführen, 3. reitenden Erkundungsdienst im Stadtgebiet einzurichten, 4. einen Stadtkapitän zu werben, 5. Mäntel für den Bürgerausschuß auszugeben, 6. Hellebarden an die Untertanen auszuteilen, 7. Musketen den Bürgern zu verkaufen, 8. Pulver, Lunten und Blei auszugeben, 9. Einen zweiten Trommelschläger (für den Notfall) anzunehmen.

Verwaltung und Aufsicht über das städtische Kriegswesen waren in Mühlhausen im Kriegsamt vereint. In Nordhausen führte der Ältestenrat die Aufsicht, die Verwaltung war dem Pfeilamt übertragen.

Die Pfeil- oder Kriegsmeister leiteten das Pfeilamt. Ihnen unterstanden der Marstall und die Zeughäuser. Es gehörte zu ihrer Aufgabe, die Bürger für die Verteidigung der Stadt zu liedern. Sie zogen mit dem Aufgebot in den Kampf. Sie führen Rechnung über Verbleib, Verleihung oder Ausgabe von Waffen und Pulver. Sie verteilten die Geschütze auf die Tore und Türme der Stadt. Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert beaufsichtigten sie auch die Verteidigungsanlagen der Stadt. Der Rat erließ Verordnungen, nach denen sie sich zu richten hatten. Ihnen waren die „greber“ unterstellt, die den Stadtgraben in Ordnung hielten. Im fünfzehnten Jahrhundert hatte der Rat verordnet: „Keynn greber sali vorthenn grabenn, es werde yme dann vonn denn krigesmeistern beuolen.“

Im Marstall unterstanden den Kriegsmeistern der Marstallmeister, der Futtermeister und zwei bis drei Knechte. Am Ende des vierzehnten Jahrhunderts standen 20 bis 30 Pferde auf dem Marstall. Darunter waren auch Pferde für die Söldner“. Das Verleihen der Pferde war deshalb an die Erlaubnis der Befehlshaber der Miliz und der Söldner geknüpft. „Der pferde soll man nymands“ heißt es in den Stadtgesetzen „eir sie geystlich ader wertlichst Stands lihen, dan mit wissen vnd voworth der zcweyer Rathsmeistere vnd Krigmeistere.“ Die Kriegsmeister im besonderen sollten darauf achten, daß der Futtermeister zu rechter Zeit und genügend futtert, daß die Kämmerei Hafer einkauft und für Stroh sorgt, die Schmiede den Pferden gute Eisen unterschlagen. Ohne Erlaubnis der Kriegsmeister durfte kein Pferdezeug erneuert oder bestellt werden. „Die krigesmeistere“ heißt es in einer Bestimmung von 1445, „sollen vnder sich eynigk werden, das ye eyner aus ynen des tages eyns vff dem stallen sint vnd zcusehen auch ob gebrechen worden oder werdenn wollen, vorhuthen . . .“ Über Kauf und Verkauf von Pferden, Neuanschaffungen usw. hatten die Kriegsmeister jährlich Bericht zu erstatten.

Für die Aufbewahrung des Pulvers und der Geschütze standen dem Pfeilamt mehrere Orte in der Stadt zur Verfügung. Im fünfzehnten Jahrhundert dienten dazu das sogenannte Pfeilhaus, die Sankt-Georgs-Kapelle und der Marstali. Seit dem 16. Jahrhundert wurde für die Unterstadt das „Wachthaus vor dem Vogel“ als Zeughaus benutzt. Zur Besorgung des Artilleriewesens nahm die Stadt Büchsen- und Zeugmeister an. Sie unterstanden dem Pfeilamt. 1484 war Hans Schugkelin bestallter Büchsenmeister. 1619 wurde Stephan Sollstedt städtischer Büchsenmeister. Er hat, heißt es im Ältestenratsbeschluß, „anno 1620 im Oktober 7 Falckenetstücklein uff die Axe zu bringen, mit Rädern zu versehen, das sie im November können beschossen werden“. Man nahm, wenn es die Not erforderte, auch Schlosser als Büchsenmeister in Dienst. So beschlug 1619 der Schlosser Hans Götze drei Falkonettstücke.

Die Verteilung der Waffen und Kriegsgeräte auf die Verteidigungsanlagen der Stadt war Aufgabe des Pfeilamts. Der größte Teil der Waffen und Kriegsgeräte lag auf den Toren und Türmen der Stadt. 1484 lagen auf dem alten Tor 7 Steinbüchsen, 1 Karrenbüchse mit ihren Steinen, 2 Armbrüste, 1 Wippe, 16 Hakenbüchsen und übriges Kriegsgerät, auf dem inneren Töpfertor 1 kupferne Steinbüchse, 1 eiserne Steinbüchse, 13 Hakenbüchsen, 3 Armbrüste und 2 Wippen mit vielem Kriegsgerät. Von 73 Türmen und Toren der Stadt waren im selben Jahr 65 Verteidigungspunkte mit Waffen und Kriegsgerät aus den Zeughäusern der Stadt belegt. Allein in den Vorstädten lagen 1484 51 Hakenbüchsen, 57 Armbrüste und 4 Geschütze. Auf den Türmen der Innenstadt waren im gleichen Jahr 80 Hakenbüchsen, 48 Armbrüste und 16 Geschütze.

Auch die Geschützgießerei unterstand dem Pfeilamt. Das älteste selbstgegossene Geschütz der Stadt stammte aus dem Jahre 1458. Es war der „Schnellundebaldedavon“ , der im Register der Kriegsmeister als „Slange“ bezeichnet ist.

Die Verteilung der Waffen, die sogenannte „bestellunge der thore unde thorme“ , hatten die Kriegsmeister zu bestimmen. Sie überprüften halbjährlich alle Kriegsgeräte auf Toren und Türmen und erstatteten dem Rat Bericht darüber. Gleichzeitig mußten sie die Tore und Türme selbst nachsehen. 1668 berichten sie, daß alle Tore und 10 Türme „baufällig sind. 1669 erinnern sie erneut, daß es „höchst nöthig“ sei, die Tore auszubessern. Nach der Besichtigung verteilten sie die Bürgerartilleristen auf die Türme der Stadtmauer. Je nach der Bestückung betrug die Stärke der Besatzung 2 bis 10 Bürger. 1491 waren auf den Schützenturm 4 Bürger bestellt: Hans Bogen, Hans Kapmann, Hans Zymann und Curdt Magkenrod, auf dem Töpfertor 10 Bürger. Auf 46 Stadttürmen waren 1491 163 Bürger zur Bedienung der Waffen bestimmt. In der Neustadt wurden 6 Bürger zu Büchsenmeistern ernannt. Für die Geschütze in dem Büchsenhaus von Sankt Georgen waren 1491 20 Bürger bestimmt. „Volgen die zu denn büchsenn seint verordint“ heißt es im Inventarium magistrorum telorum. Zu der Erfurtischin buchsen: Hans Knechten, Hans Roden, Claus Palhelm, zcue langen slangen: Heinrich Zymann, Caspar Bötticher, zcue andern slangen: Joccof Steler, Dittrich Brun, zcue eyner lotbuchsen: Johann Specht, Heinrich Eigesmann. zcue eyner Steynbuchsen: Hans With, Bastian Golmann, zcue andern Steynbuchsen: Hans Pfeffer, Heinrich Holz, Zur dritten Steynbuchsen: Heinrich Holme, Hans Clar, Zur virden Steynbuchsen: Steffan Bach, Hans Trische, Tile Schröter, Zur fünften Steynbuchsen: Heinrich Richenberg, Heinrich Westfal. 1535 betrug die Stärke der Büchsenschützen 164, der Armbrustschützen 1754 und der Geschützbedienung 45 Köpfe. Die Berichte des städtischen Pfeilamts über den Waffenbestand der Stadt bestehen in den Jahren 1484 bis 1545 aus drei Teilen. Sie umfassen:

  1. Die vorhandenen Waffen in den Zeughäusern und auf den Wehrtürmen;
  2. den Pulvervorrat in den städtischen Zeughäusern;
  3. die Ausbesserungen, Neuanschaffungen und Verleihungen von Waffen.

Die Berichte wurden in das „Inventarium magistrorum telorum“ eingetragen. „Desglichin sollen die pfilmeistere“ , heißt es 1470, „ouch mit des rathis czeychin alle geschutcze vnde gezcugk zcu yren ammechte dynen vnde gehören, ouch alle woffen vnd geschutcze vff den thoren vnde thormen, philhusen. muren vnde wo si daz haben, zceichene, in eyn register beschrebin, vnde vorzceychent yren nachkomen geben, antwerten vnde bewiesen bie der selbigen buesze.“ 1486 berichteten die Kriegsmeister über 33 neue Armbrüste, 10 neue Hakenbüchsen. 1487 wird die Ausgabe von 3 Hakenbüchsen an Heinrich Moler und Karl Weber berichtet. Einem Knecht des Hauptmanns waren 30 Armbrüste ausgegeben. Die Verleihung und Ausgabe von Waffen und Kriegsgerät konnte nur mit Wissen des Rates geschehen. In den Statuten von 1470 heißt es: „Wer ouch des rats geschutcze, puluer, buchsen, pfile, kryge, gortel, helme dir welcherley das were, bedorffet ane des rats loube, der gebit zcwo margk. Treit adir nemmet er osz vomme thore addir thorine ane des rats loube, so gebit her die selbige buesze. Thut er ane kuntschafft vnde heymelichen, man rechent oz ome vor dube.“

Das Pfeilamt war mit der Durchführung der Gliederung und Überwachung des Bürgeraufgebots beauftragt. Die Kriegsmeister waren als Leiter des Pfeilamts Befehlshaber der Miliz. Sie zogen mit den Bürgern in den Kampf. Als die Stadt 1433 keinen Stadthauptmann hatte, ritt der Kriegsmeister Heinrich Wechsung auf Befehl des Rates mit 12 Söldnern aus, um „den frunden von Halbirstat“ zu helfen. Ein Kriegsmeister führte die bürgerliche Schlachtordnung an.

Mit der Verwaltung des Marstalls, der Zeughäuser und der Überwachung und Leitung des Bürgeraufgebots war das Pfeilamt neben dem Ältestenrat die wichtigste Kriegsbehörde Nordhausens.

Am Ende des 17. Jahrhunderts entstand das Wachtamt. Es wurde von drei Ratsherren, zwei Akademikern und einem Handwerker verwaltet. Dem Wachtamt lieferten die Einwohner das Wacht- und Feuerwachtgeld sowie die Reichskriegssteuer ab. Es zahlte dafür die Löhnung der Stadtsoldaten, die Waffenausbesserungen und die Kosten der Uniformierung. Das Wachtamt konnte gegen die Aufnahme eines Stadtsoldaten den Einwohner vom Wachtgeld befreien. 1736 nahm Gottfried Ehrenfurt den Musketier Frankenstein auf und wurde dafür vom Wachtgeld befreit. Am 1. Juli 1736 erhielt ein Bürger folgenden „Quartierzettel“: „Johann Christian Tolle logiret den Stadtsoldaten Baumler und hat gegen Vorzeigung dieses monatlich zgl. Freyheit an Wache Gelder, dato an Nordhausen den 1 ten Julii 1736.“ Das Wachtamt bestand bis zum Ende der Reichsfreiheit Nordhausens.

Die einzelnen Kriegsbehörden der Stadt besitzen keine Selbständigkeit. Sie sind im wesentlichen ausführende Organe des Rates. Sie unterstehen alle unmittelbar dem gesamten Rate. Auch der Ältestenrat konnte wichtige Entscheidungen nur mit der Zustimmung des Rates treffen. Seine Stellung als Kriegsrat betreffend, hatten die Mitglieder zu schwören, „ . . . daß ich auch der Stadt Geschütze und Wehren ohne Vorbewußt und Einwilligunge der andern Räthe nicht verleihen wolle, das schwöre ich . . .“ Die Mitglieder der Kriegsbehörden gehören gleichzeitig dem Rat ah. Es besteht daher in den Kriegsbehörden eine enge Verbindung der Stadt- und Kriegsverfassung. Das Fortbestehen der gleichen Kriegsbehörden durch Jahrhunderte zeugt für ihre Bewährung. Ein Versagen wird von keiner Behörde überliefert.

b) Aufbringung und Gliederung der bewaffneten Macht

1. Die Bürgerliche Streitmacht

Der Aufbau der Kriegsmacht bestimmte sich aus der Größe und Stärke, der politischen Lage und wirtschaftlichen Kraft der Städte. Diesen Gründen gemäß entschieden sie über die Art ihres Heeress.

Danzig baute im 17. und 18. Jahrhundert sein Söldnerheer verzichtete auf die Aufstellung einer Landmiliz. Mühlhausen entschied sich für die Miliz. Es maß neben der Bürgeriliz der Landmiliz aus seinen Dorfschaften große Bedeutung bei.

Seit der Erringung der Wehrhoheit entwickelte Nordhausen in erhöhtem Maße eine eigene Kriegsmacht. Ihre Aufbringung erfolgte durch Werbung und auf der Grundlage allgemeiner Wehrpflicht. Solange Nordhausen Reichsstadt war, bestanden beide Arten nebeneinander. Der ersten Art entsprach die Söldnertruppe, der zweiten die Miliz.

Entwicklung und Gestaltung der Wehrpflicht sind aufs engste mit der städtischen Freiheit verknüpft. Durch sie erlangt die Wehrpflicht erhöhte Bedeutung und wird zum tragenden Grund, der durch die Freiheit möglich gewordenen städtischen Lebensordnung. Sie dient der Verteidigung und Bewachung der Stadt und des Stadtgebiets. Der Rat erläßt dazu Bestimmungen.

Die frühesten gesetzlichen Bestimmungen über die Wehrpflicht der Bürger betreffen die Waffenpflicht. Der Bürger mußte jederzeit seine Waffen im Hause bereit haben: „Ein iclich vnse borger“ , hieß es 1308, „sal sine wapen habe hette he der nicht, swenne der rat vinme get, die git fvmf Schillinge vnde swi sine wapen vorliet vf sogetane zit alse di rat vmme get, di git di selben buze.“

Nordhausen hat bis ins 18. Jahrhundert hinein Wehrgesetze erlassen. Sie waren den verschiedensten Abwandlungen unterworfen. Die Bestimmungen über die Waffen und Ausrüstung wechselten entsprechend den technischen Veränderungen. 1470 bestimmten die Statuten, „eyh iclich bruwer sal habin synen eygen harnasch, nemelichen Jagken, Pantczer, Ysernhut, Brust, Schortcz, Koller adir blechkrayn vnde eyne haken-buchsen, als yme gesatczt ist.“ Dagegen hieß es 1616: „Ein jeder Brauwer soll sein Mussqueten, Gabeln, Pantulier und Schutzen-Röcklein und was ansonsten dazugehörig habenn, die Geschoß und Zunt- Fläschlein am Pantulieren allenthalben voll Pulver habenn und stetig zu Tage und zu Nacht damit gefaßt seyn.“ Die Stadt verlangte vom Bürger, daß er sein Gewehr gebrauchen könne. Im sechzehnten Jahrhundert hat sie dazu Übungen angesetzt. In der Wehrverordnung hieß es: „Und sollen sich alle Büchsenschützen und denen Büchsen zugeschrieben sint, mit denselben Iren Büchsen auch aller zugehörenden Notturft genugsam und voll gerust zu den Übungen geschickt und wol vorsehen finden lassen.“ Im siebzehnten Jahrhundert hatten sich „die langen Spießer mit Spießhosen und Rüstungen, die Schlacht-Schwertirer mit Rüstung und die Musquetirer mit Pantelier, Sturmhauben und Schutzenrocken“ zu Übungen einzufinden.

Die Schwierigkeiten der Erhaltung der Selbständigkeit werden siebzehnten Jahrhundert für den Stadtstaat immer größer. Er trifft Maßnahmen gegen die bald nach dem Dreißigjährigen Krieg aufkommende Waffenuntüchtigkeit der Bürger. „Bey manchen ehrlichen Bürger sich aber befindet“ heißt es in einem Brief der Schützenherren 1667, „daß er zwart das schuldige Gewehr hat, darmit aber gar nicht oder doch wenig umbzugehen weiß, wie <Ee Erfahrung bey dem vorgehabten Exercitio gegen Anno 1661 . . . mehr alß zu viel an den Tag gegeben.“ Der Rat errichtet eine Schützenkompagnie „daß uff bedürfenden Nothfall und ereigneter Folge, Sie derer Obrigkeit assistiren und als Stadt und Land defendiren helfen können“.

Um die Voraussetzungen für die Wehrpflicht zu erhalten, erläßt der Rat Bestimmungen gegen den Verkauf der Waffen. In einem öffentlichen Anschlag des sechzehnten Jahrhunderts heißt es: „Ingleichermaßen und bey gemeltem Ernst gebieten wir, das sich ein Ider in derselben Zeit widder und mit dergleichen Were, als er vorkauf ft, es sey an Harnisch oder anderm geschickt mache bey vier Marek. Und vorbieten eynem Idern bey den Pflichten, damit er uns vorwant ist, das nymand keyne Wehre aus der Stadt ane unsers des Radts Erlaubnis verkauften sal. Wer darwider handelt, der sol ane Gnaden gestraft werden.“ Stets hält der Rat die Bürger zum Besitz eigener Waffen an. Neben den Statuten, die den Waffenbesitz zur Pflicht machen, mahnen öffentliche Anschläge bis in das achtzehnte Jahrhundert daran. „Wann dann die hiesige Stadt löbliche Policey-Ordnunge“ heißt es 1667 „und darauf abgelegte Bürgerliche Pflicht einen Jeden Bürger dahinn verbindet, ein fertig Rohr sambt Kraut und Loth in seinem Hauße stets zu halten, damit auf Erfordern er damit parat erscheinen und die schuldige aufwartung leisten könne . . .“* Von diesen Bestimmungen war kein Bürger ausgenommen.

Suchte man einerseits den Waffenverkauf der Bürger zu verhindern, so war andererseits durch Gesetze dafür gesorgt, daß die Waffen ohne ihre Schuld nicht aus ihren oder ihrer Familie Händen kamen und darüber hinaus der Gemeinde erhalten blieben. Diesem Zweck dienten vor allem die erbrechtlichen Bestimmungen über das sogenannte „Heergewäte“ „Sterbit ein man, edir ein vrowe“ , heißt es in den Statuten 1308, „gerede noch hergewete endoruen su nimanne gebe, di wile daz or ein lebit, nach orme Iibe sollin di nesten erben di gerade vnde daz hergewete teyle glich mit anderer varndir habe“. Diese Bestimmung betraf jeden Bürger, der verpflichtet war, eigene Waffen zu halten. Sie gilt bis in die Neuzeit, läßt sich für Nordhausen bis in das siebzehnte Jahrhundert nach weisen.

Die Bürger mußten entsprechend ihrem Vermögen und der sich daraus ergebenden Steuerzahlung Waffen halten. Die Stadtgesetze des fünfzehnten Jahrhunderts unterscheiden vier Gruppen. „Wer vort me zcu Northusen eygen hus hat edir hi wonet, der sal sine wapen haben“ bestimmten die Statuten 1470, „Wer drier Mark wert gutis verschozzet, der sal haben eyne schopen, Isenhut wapenhenschu, eynen spiz und eyn swert. Wer des nicht enhette, der vorluset vunf Schillinge an di stat. Wer cen mark wert gutis verschozzet, der sal haben panzcir, Isenhut, wapenhenschu, eyne schopen, eynen crayn, eyne tarschen, eynen spiz vnd eyn swert. Wer des nicht enhette der vorluset cen Schillinge. Wer drizzcigk mark verschozzet, der sal haben redeliche wapen, eyne schopen, crayn, grusenir, schoz, eyne swebische plate, eyne tarschen, eynen spiz vnd eyn swert. Ouch mag eyn man wol haben eyn panzir vor grusenir vnd vor schoz. Wer des nicht enhette, der vorluset eyn phunt. Wer sexszcik mark verschozzet, der sal haben redeliche wapen, eyne schopen, crayn, grusenir, schoz, beingewant mit roren, eyne swebische plate, tarsche, Isenhut, heim, wapenhenschu, eyne gleuenie edir spiz vnd eyn swert. Wer des nicht enhette, der vorluset eyne mark. Ouch mag eyn wol haben eynen schilt vor eyne tarsche.“ Die ärmeren Bürger hatten sich von den Zeughäusern Waffen zu holen.

Die Einhaltung der Bestimmungen ließ der Rat durch die Kriegsmeister überwachen. Die Aufsicht über die Bewaffnung der Bürger geschah im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert durch den sogenannten „Umbgang des Ratis“ , der in der Regel zweimal im Jahre stattfand, seit dem sechzehnten Jahrhundert bei den Musterungen der Bürgerschaft. Bei der Musterung am 2 Februar 1622 prüften die Kriegsmeister, „ob die Gewehr in nöthiger Bereitschaft seind“ . Eine weitere Prüfung der Bewaffnung und Ausrüstung der Bürger fand am 29. Februar 1660 statt.

Die Wehrpflicht umfaßte alle Bürger der Stadt. In Kriegszeiten erweiterte sie sich zur Erhöhung des Widerstandes auf alle wehrfähigen Einwohner der Stadt. „Wan man zcu storme lutet vnde di viende vf deme velde sin“ heißt es 1350, „so sal niman zcu vuz vzloufe noch i'ite sunder eyn iclich man he si cristen eder iude sal gewapent zcu sine houbit luten kome di in der stat gesatz sin da on hine bischeiden ist vnde sal den uolge vnde tu waz su on heizen, wer des nicht tete der uerlore eyne marg kegen den rat zcu buzze.“ Eine Altersgrenze nach unten oder oben gab es nicht.

Die Ableistung der Wehrpflicht konnte durch persönliche Dienstleistung, durch Stellung eines Vertreters, nach der Höhe des Vermögens geschehen. Die persönliche Dienstleistung bestand in Feldzügen außerhalb der Stadt, im Wachehalten an den Toren und auf der Stadtmauer und in Arbeiten an den Befestigungen der Stadt und des Stadtgebiets. S eit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts werden Kriegszüge der Nordhäuser Bürger außerhalb der Stadt und ihres Gebietes nachweisbar. 1306 zogen Nordhäuser Bürger mit denen von Erfurt und Mühlhausen zur Belagerung der Wartburg bei Eisenach. 1313 kämpften Nordhäuser mit denselben Städten in Thüringen gegen den Landgrafen. Der Felddienst der Bürger erstreckte sich nur auf kurze Zeit. 1306 kehrten die Nordhäuser Bürger vor Beendigung der Belagerung der Wartburg heim, da sie ihnen zu lange dauerte.

Für den Kampf außerhalb der Stadt erließ der Rat Schlachtordnungen. Sie boten die Möglichkeit, Angriffe auf Nordhausen wirksam abzuweisen. Sie teilten den Nordhäuser Heereszug in das Panier und den Haufen. Gegliedert war von beiden nur das Panier. Seine äußere Form war die eines Keils. „Anno 1430 ist die pannier bestellt“ , heißt es in einer Schlachtordnung, „Zu dem panier zu halden zu felde by dem fußvolck ist gekohrn Kerstian Koch. Die Spitze sollen drei sein. Darnach sind fünf geschickt. Darnach sieben. Uff der rechten syten by der panier sollen neun personen sein und uff der lincken syten bie der panier zehn personen. Ein und zwenzig sollen die panier decken. Hiernach und umme sol der gantze hauffe folgen, ginder dem hauffen, die dy liite zusammen treiben, sollen syn zu pferde: Heinrich Schmidt, Günther von Berga, Hans von Brakei. Hinder dem hauffen sollen syn sechs Knechte . . . Es sollen bey den Reisigen sein ein Krigsmeister, der soll mit einem hauptmann erkennen und rathen das beste. Gleiche Ordnungen hatte der Rat 1442 und 1452 erlassen. Im sechzehnten Jahrhundert sind Auszüge der Bürger nicht mehr nachzuweisen.

Als zweite Art persönlicher Dienstleistung verlangte die Stadt vom Bürger den Wachtdienst. Im Wachtdienst lag der Schwerpunkt der bürgerlichen Wehrpflicht, er war die „Hauptbestimmung der Stadtbürger“. Bis in das siebzehnte Jahrhundert blieb der Wachtdienst eine persönliche Pflicht. In einer Wachtordnung vom 23. Juli 1640 bestimmte der Rat: „Weilen auch vors Vierde der Rath der Bürgerschaft ins gewehr unndt gute Verfassung zu setzen gemeint haben sie mit allen fleiß dahin zu sehen, daß solches ohn verlangt erfolge, unndt dardurch der Stadt conservatio befestiget werden. Da etwa wegen annäherung der Armeen der Stadt gefahr Zuwachsen, oder sonsten was wichtiges zu der Stadt nachttheil vorfallen würde, Haben sie zu vigiliren, mit dem Rath sich zu vernehmen unndt der Stadt unndt der Guarnison conversatio aufs Eußerste unndt beste ihnen angelegen sein lassen.“ Erst im achtzehnten Jahrhundert wurde die Wachtpflicht in eine allgemeine Steuerpflicht umgewandelt. Die Stadtsoldaten standen Wache. Wer seinen Schoß nicht zahlte, und seiner Wachtpflicht nicht nachkam, war aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. „Vz swelchem hofe nicht schozzit noch enwachet noch in alle wis borger recht het da en sal niman inne hole noch hole lazze sin gesinde . . .“ , heißt es in den Statuten von 1350.

Die Pflicht, die Stadt befestigen zu helfen, bildete die dritte Form der persönlichen Dienstleistung.

Durch die Forderung persönlicher Dienstleistungen bis ins siebzehnte Jahrhundert hat Nordhausen den Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht vom Mittelalter bis in die Neuzeit bewahrt. Kraftvoll und lebendig hat er sich in der Wehrordnung der Reichsstadt bis zum Ende der Reichsfreiheit erhalten können.

Die Gliederung der bürgerlichen Streitmacht erfolgte in den Städten des Mittelalters nach Bezirken oder Personalverbänden. Es werden deshalb drei Gruppen unterschieden, die Ergebnisse des Kampfes zwischen den Zünften und den Geschlechtern sind:

  1. Hatten die Patrizier sich die Gewalt gesichert, gliederte sich das Bürgeraufgebot nach Bezirken.
  2. Waren die Handwerker zur Macht gelangt, bildeten die Zünfte die Grundlage für die militärische Gliederung.
  3. Wurde keine endgültige Entscheidung errungen, geschah die Gliederung nach beiden Systemen.

Auch in der Gliederung der bürgerlichen Streitmacht Nordhausens kam der sozialpolitische Machtkampf am Ende des vierzehnten Jahrhunderts zum Ausdruck. 1375 erhoben sich die Handwerker gegen den Rat. Es gelang ihnen die Vertreibung der Patrizier. Der neue Rat setzte sich aus den Mitgliedern der neun Innungen und aus den Vertretern der Stadtviertel zusammen. Doch bildete sich bald ein neues Patriziat in Nordhausen, so daß die Innungen und Geschlechter nebeneinander im Stadtregiment waren. Demgemäß geschah die Gliederung der bürgerlichen Streitmacht auf der Grundlage von Bezirken und Innungen. Aus ihnen ergänzte sich das Bürgeraufgebot. Die Gliederung entsprach zu allen Zeiten dem sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Leben. Sie wurde geändert, sofern sich die innere Struktur der städtischen Lebensordnung veränderte.

Im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert diente die Vierteleinteilung nur der städtischen Verwaltung. Militärisch gliederte sich das Bürgeraufgebot in 21 bis 23 Rotten. Sie waren nach Straßenzeilen geordnet. Die Innungen bildeten zum Teil eigene Rotten. Die Stärke der Rotten betrug 15 bis 43 Mann mit je 2 Rottmeistern. Die Bürger der Altstadt bildeten 13 Rotten, die der Vorstädte 10 Rotten. Die Namen der Rotten sind erstmalig 1491 überliefert. Sie trugen die Namen ihrer Schutzheiligen. Diese Gliederung des Bürgeraufgebots bestand bis zum Jahre 1525. Mit der Einführung der Reformation in Nordhausen fand eine Neugliederung der bürgerlichen Streitmacht statt.

Im sechzehnten Jahrhundert bestand das Aufgebot Nordhausens aus den vier Vierteln der Innenstadt, den vier Vorstädten und den Kriegsleuten der Innungen. Die Namen der Bezirke waren:

Neuewegs-,
Altendorf-,
Töpfer- und
Rautenviertel
Frauenberg,
Neustadt,
Grimmel und
Altendorf.

Das erste grundlegende Zeugnis für die Verwendung der Stadtviertel zur Gliederung des Aufgebots enthält die Wachund Feuerordnung des Jahres 1569. Sie trifft eine endgültige Regelung der Vierteleinteilung. Über die Grenzen und Umfang der Innenstadtbezirke heißt es: „Nachdem auch in Außteilung der Virtel eine gantze große Vngleichheit gehalten, Als ist disse Vngleichheit nunmehr geendet vnnd eine gleiche Theilung aller vier Virtel gemacht dergestalt: Es soll das Newewegsvirtel angerechnet werden ahn Bürgermeister Johann Hoffemanns Mithause vnd sich enden an Melchior Hesseler. Daß Altendorfsvirtel sol sich anheben an der Probstei vnd sich wenden ahn Curt Konemund. Töpfervirtel sol sich anheben ahn Michel Meienburgen vnd sich enden ahm Schlüntzberge ahn Valtin Oswalts Mithause. Rauttenvirtel sol angehen am Krawels Mithause bis ahn den Buchbinder auf dem Kornmarckte.“ Damit hatte Nordhausen die Vierteleinteilung auch für die militärische Gliederung der Bürgerschaft durchgeführt.

Qas erste Auftreten der Bezirkseinteilung in Städten als Grundlage für die militärische Gliederung ist nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Für das Reich weisen die ältesten Zeugnisse in das Ende des zwölften Jahrhunderts, für Italien in die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. In dem Libro di Montaperti von 1260 ist für Florenz die Bezirkseinteilung in Sechstel überliefert. Zu jedem Sechstel der Stadt gehörte auch ein bestimmtes Sechstel des Stadtgebiets. Eine ähnliche Gliederung findet sich in Mühlhausen im fünfzehnten Jahrhundert. Die Stadt zerfiel in das Bliden-, Jakobs-, Neuleben- und Hauptmannsviertel. Auch das Stadtgebiet war in vier Teile geteilt. Jedem Stadtviertel entsprach ein bestimmtes Landviertel. In Quedlinburg war die Stadt in Sechstel geteilt. Sie waren nach den Hauptstraßen benannt und hießen „Hüten“.

Die Verwendung der Bezirke als Grundlage für die militärische Gliederung einer Stadt geschah aus verschiedenen Gründen. In Danzig brachte der Dreizehnjährige Krieg den Wandel, in der Verwendung seiner „Quartiere“. In Königsberg erwog man bei der Vorbereitung zum Krieg eine gleiche Änderung In Nordhausen war die militärische Neugliederung der Bürgerschaft Ausdruck einer neuen protestantischen Lebenshaltung.

An der Spitze eines Viertels stand in Nordhausen der Viertelmeister. Die Anzahl der Rotten in einem Viertel betrug 9 bis 15 mit je einem Rottmeister. 1622 erhielt jedes Viertel noch drei Korporale, die den Viertelmeister unterstützten. Die Innungen hatten sogenannte „Kriegsleute“ aus ihren Reihen zu wählen, die den verschiedenen Vierteln zugeteilt wurden Bei der Musterung 1622 stellten die

Gewandtschneider 2 Kriegsleute
Schneider 7 -.-
Wollweber 6 -.-
Bäcker 7 -.-
Schmiede 8 -.-
Krämer 5 -.-
Kürschner 8 -.-
Schuster und Gerber 12 -.-
Knochenhauer 6 -.-
Leinweber 6 -.-
Wagener 2 -.-
Böttcher 2 -.-
Seiler 1 -.-
Töpfer 2 -.-
Fischer 2 -.-
Zimmerleute -.-

Neben den Handwaffen, die die Innungsmitglieder selber besaßen, unterhielten einige Innungen auch größeres Geschütz. So hatten die Gewandtschnitter im siebzehnten Jahrhundert drei lange Büchsen, eine Steinbüchse, drei Pulverflaschen. Die Krämer hatten 1595 fünf Langrohre, 1685 drei lange Büchsen, eine Faustbüchse, drei Pulverflascheu. Die wehrhafteste Innung bildeten die Schuhmacher. Sie waren verpflichtet, bei Aufläufen oder Stürmen auf die Stadt als erste auf dem Platz zu erscheinen. Ihr Schuhhof war dafür vom Wachtgeld befreit.

Die Aufgaben der Viertelmeister waren doppelte. Politisch unterstanden sie den Viertelherren zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben, militärisch den Kriegsmeistern. Sie waren keine Ratsherren. Die Zahl der Viertelmeister schwankte für das Viertel zwischen ein bis zwei. 1569 heißt es in der Wachtordnung: „Es sollen auch in jedem Virtel zwene Befelhaber ader Virtelsmeister geordent werden, denen die anderen in den Virteln zu folgen sollen vorpflicht sein.“ Bei der Musterung am 2. Februar 1622 hatte jedes Viertel nur einen Viertelmeister. Die Viertelmeister hatten die Kriegstiichtigkeit der Bürger zu überwachen, sie unterstützten den Stadtleutnant bei der Ausbildung der Bürger. Ihren Befehlen war unbedingt Gehorsam zu leisten. „Soll ein jeder Burger und Einwohner allhier“ heißt es in den Kriegsartikeln 1615, „seiner uns, dem Rathe, geleisteten Eydes-Pflicht hiermit ermahnet und erinnert seyn, unsern, des Raths, und gemeiner Stadt Schaden und Nachtheil zu wenden und dagegen den Frommen zu befördern, alles nach eines jeden besten Vermögen, dan auch dem verordneten Lieutenant und seinen zugeordneten andern Befehlhabern aus den Virteln, soweit sich ihr Befehl dieses Exercitii halber erstrecket, zu jeder Zeit, es sey bei Tag oder Nacht, wie sichs zutragen möchte, gehorsam leisten und ingemein allerwege aller gebühr, wie einem ehrlichen Manne wohl anstehet erzeigen und verhalten; Welcher darinnen bruchig und ungehorsam befunden, soll nach unserm, des Raths, Erkäntnis gestrafft werden.“

Nach dem Dreißigjährigen Krieg gab man dem bürgerlichen Aufgebot eine militärische Organisation. Grundlage blieben die acht Bezirke der Stadt. Die Wehrpflichtigen zweier Bezirke wurden zu einer Kompagnie zusammengefaßt. „Die 1. Compagnie, heißt es in einem Verzeichnis von 1661, „bestund in dem Newenweges- und Altendorfs-Vierthel und hatte die gelbe Fahne . . ., die 2 . Compagnie bestund in dem Töpfer- und Rauten- Vierthel und führte die weiße Fahne . . ., die 3 . Compagnie bestund im Frawenberge und Newstadt und hatte die roth und weiße Fahne . . die 4. Compagnie bestund in der Knochenhauerwache, Grimmei und Altendorf, hatte die schwartze und gelbe Fahnen . . .“ Eine Uniformierung des Bürgeraufgebots hat Nordhausen nicht durchgeführt.

Die Stärke der Kompagnien lag zwischen 200 bis 270 Mann. Jeder Kompagnie waren ein Kapitän, ein Leutnant, ein Fähnrich und ein Führer zugeordnet. Diese auf den Stadtbezirken gegründeten Bürgerkompagnien blieben bis zum Jahre 1802, dem Ende der städtischen Reichsfreiheit, erhalten. In den Frei- und Reichsstädten ist, soweit sie noch im Besitz uneingeschränkter Freiheit im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert waren, eine gleiche Entwicklung festzustellen. 1646 teilt Danzig „die Bürgerschafft dieser Stadt in vier Regimenter und acht und vierczig Fehnlein, die Vorstädtischen aber in ein Regiment und zwelff Fehnlein, davon ein jedes Quartier seine absonderlichen Farben und Zeichen“. Am 19. Juni 1704 erläßt Mühlhausen über den „Bürgeraufzug“ eine Verordnung, die im wesentlichen im achtzehnten Jahrhundert gültig blieb. „Waß gestalten Vor nunmehro 5 Jahren zu folge E. Hoch Edlen und Hochweisen Raths Schlusses das Wohllöbliche Kriegesamt nach abgeschaffter voriger Unordnung des Burger Auffzuges eine newes Reglement und Austheilung der gantzen Bürger schafft, denen Recessen und Statuten gemeß, in drey Compagnien abgetheilet gemacht und denenselhen Endes unterschriebene Personen zu Oberofficirern mit freywilligem Versprechen der Immunität des Wachgeldes und anderer Recreation gegen ihre Mühe constituiret hat.“

Die Kriegstüchtigkeit des Nordhäuser Aufgebots begann trotz der militärischen Neugliederung nach dem Dreißigjährigen Kriege zu sinken. Die militärische Gliederung fand nur noch Anwendung hei den Paraden zur Kaiserhuldigung. In ihnen lebte der Gedanke einer allgemeinen Wehrpflicht fort. Die gesamte männliche Bürgerschaft leistete in Waffen, militärisch gegliedert, den Huldigungseid. Am 16. Juli 1717 nahm der Reichsgraf von Metzsch in Nordhausen die Huldigung für Kaiser Karl VI. an. „Hierauf ging der Marsch durch die Neustadt, Ähren und Rauten-Gasse auf den Marckt, und wurde Ihro Excell . . . durch eine Compagnie Reuterey begleitet. Bey dieser war Rittmeister Hr. Zacharias Offney. Lieutenant Hr. Johann Christoph Pauland. Cornet. Mons. Joh. Gottl. Hoffmann. Wachtmeister Hr. Ehrich Lerche, und Quartiermeister Hr. N. Hagenmeister. Sonst waren die Straßen, wodurch Ihro Excell. kamen mit 4 Compagnien Bürgern auf beyden Seiten besetzt. Die erste aus dem Neuwegs-Viertel, darbey waren Capitain Hr. Conrad König, Gilden-Meister derer Gewandtschnitter. Lieutenant Hr. Joh. Mich. Eilhard. Erster Fähndrich Hr. Heinrich Eilhard, Handwercks-Meister von denen Gewandtschnittern, welcher eine weiße Fahne trug. Anderer Fähndrich Hr. N. Grünert, welcher eine rothe Fahne führete, 6 . Corporals, 4 . Führer, 4. Fourier-Schützen, und 2 . Tambours. Die andere Compagnie aus dem Töpfer und Rauten-Viertel, führete eine gelbe Fahne, dabey waren Capitain Herr Joh. Herrn. Münter, Gilden- Meister unter denen Gewandtschnittern. Lieutenant Herr Carl Christian Neunhahn, Gildenmeister der Krahmer-Gilde. Fähndrich Herr Christian Ibe, Handwercks-Meister der Tuchmacher- Gilde. Adjutant Herr Johann Christoph Eisentraut, Organist am Frauenberge, 6 . Corporals, 4. Fourier-Schützen, 2 . Führer und 2 . Tambours. Die dritte Compagnie aus der Neustadt und Frauenberge führete eine gelbe und schwartze Fahne, dabey Waren Capitain Herr Just. Andr. Ludwig. Lieutenant Herr Joh. peter Gebser, Handwercks-Meister derer Sattler. Fähndrich Herr Johann Ernst Schwan, 6 . Corporals, 4. Fourier-Schützen, l Führer, 16. Granadiers, 2. Tambours. Die vierdte Compagnie aus dem Loh-Marckt, Grimmei und Altendorff, führete eine rothe und weiße Fahne, dabey waren Capitain Herr Joh. Phil. Riemann. Lieutenant Herr Joh. Friedr. Urbach. Fähndrich Herr N. Uhrbach im Altendorff, 6 . Corporals, 5. Fourier-Schützen, 1 Führer, 4. Granadiers, 4. Zimmer-Leute, und 2. Tambours. Bey dieser und voriger Compagnie war Adjutant Herr Johann Peter Techt. Den gantzen Aufzug der Bürgerschafft commandirte Herr Johann Christian Tölcke, als Major.“

2. Das Söldnerwesen

Neben der bürgerlichen Streitmacht entwickelte sich in Nordhausen seit 1300 ein städtisches Söldnerwesen. Die ursprüngliche Verpflichtung aller Bürger zu unbeschränkten Kriegsdiensten konnte nicht durchgeführt werden. Das Fehdewesen und Raubrittertum forderte ununterbrochene Kriegsbereitschaft und Auszug der Bürger. Dem stand Handel und Gewerbe entgegen. Die Stadt nahm Söldner an. Ein weiterer Grund für die Einführung des Söldnerwesens lag in den Bündnissen, die Nordhausen schloß. Oft war die Stadt genötigt, den Bundesgenossen eilig militärische Hilfe zu bringen, sie gebrauchte dazu Söldner.

Bis in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hielt Nordhausen — erst nach Bedarf, später ständig — eine Kampftruppe. Seitdem warb die Stadt nur Söldner zur Erfüllung ihrer Kontingentspflicht. Erst im achtzehnten Jahrhundert hielt die Reichsstadt ständig eine Kompagnie von 50 Stadtsoldaten, die den Grundstock für das zur Reichsarmee zu stellende Kontingent bildeten.

Aufbau und Gestaltung des Söldnerwesens lagen in der Hand des Rates. Er übte selbständig das Werbungsrecht aus. In Quedlinburg durfte der Rat keine Söldner werben. „We willen ok hinfur heißt es in der Unterwerfungsurkunde vom 9. August 1477, „ane unsir gnedigen frowen und oren nachkomen eptisschyn wetten und willen . . . vor uns die stede insunderheit keynen eygen hovetmann upnehmen noch holden sunder uns unser gnedigen frowen und ores stiffts howetmann halden.“

Die Aufgaben der Söldner waren in der Zeit von 1300 bis 1550 verschiedene. Sie hatten für Ruhe und Sicherheit im Stadtgebiet zu sorgen und sich zum Geleit von Warenzügen gebrauchen zu lassen. Sie mußten der Stadt den fast dauernden Fehdekrieg führen. Nicht selten wurden die Söldner in Erfüllung einer Bündnispflicht Städten, Herren und Fürsten geliehen. Waren sie einmal längere Zeit in der Stadt, dienten sie ausschließlich als Besatzungstruppen der Festungsanlagen. Als Nordhausen im achtzehnten Jahrhundert wieder eine ständige Söldnertruppe hielt, diente sie als Wache an den Toren und als Kontingent für die Reichsarmee.

Daneben hielt die Stadt zu allen Zeiten noch besondere Söldner, die man im siebzehnten Jahrhundert „Officianten“ nannte. Sie bewachten die Stadt und das Stadtgebiet. Sie waren die eigentliche Ratspolizei. Im achtzehnten Jahrhundert übernahmen die Stadtsoldaten einen großen Teil ihrer bisherigen Aufgaben. Die Offizianten bestanden aus den Vorsetzern oder Oherwächtern, den Wächtern und den Flurschützen. Verteilt waren sie auf die Stadttore und Mauern und auf die Warten im Stadtgebiet. Sie sind seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts nachzuweisen. Der Yorsetzer wurde im siebzehnten Jahrhundert vor dem Rat vereidigt: „Das ich meines Dienstes der wache fleißig warten und uff die gänge und stunden der wächter gute achtung halten auch die gefangen getreulichen und zu rechter Zeit mit speisen warten und nicht vorseumen, auch den gefangen keine Hülffe ader gelegenheit steur: loos und ledig zu werden: thun lassen wyll, Auch getreulichen meiner Herren Wache und Wichfastengeld fordern, manen und ueberanthworten wil, Und holen was ich zu rechte holen sali und machen was ich zu rechte machen sali. Auch des Raths gebott vleißig ausrichten und bestellen wyll, Was mir auch ingeheim beuohlen das zuuorschweigen das nymandt es zuuor warnen. Von Raths wegen kein geld einzunehmen, In Spaltung und Hadder fride zugehieten darüber zu halten, fernieder Muthwillige und Übertreter in Hafft zunehmen. Hirinne nicht ansehen, gunst, ungunst, freundschaft noch anderes, Sündern mich am Dienst zuuorhalten wie einem fleißigen Vorsetzer gebürtt und wol anstehet. Das schwere ich . . .“ Im siebzehnten Jahrhundert betrug die Zahl der Offizianten 55 bis 60 Köpfe.

Von größerer Bedeutung als diese Offizianten sind für das städtische Kriegswesen die eigentlichen Söldnertruppen. Die Werbung der Truppen unterstand dem Rat. Im Mittelalter warb die Stadt sogenannte „Wepener" und „Schutzen , in der Neuzeit „Musquetiere“ . Die Werbung der Soldaten geschah auf verschiedene Weise:

  1. Boten Hauptleute mit einer Anzahl von Söldnern ihre Dienste an.
  2. Boten Soldaten selbst ihre Dienste an.
  3. Erfolgte sie durch öffentlichen Trommelschlag in der Stadt.

Die ersten beiden Werbungsformen waren zu allen Zeiten üblich, die letzte Form herrschte vorwiegend im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert. Werbeoffiziere sandte Nordhausen nicht aus. Das Werbungsrecht stand innerhalb des Stadtgebiets nur dem Rat zu. 1742 holte sich Kaiser Karl VII. die Einwilligung des Rates zur Werbung in Nordhausen.

Die Aufbringung der Söldner geschah meistens nach der deutschen Werbungsart. Für Offiziere und Mannschaften rechnete die Stadt den Soldmonat zu 30 Tagen. Die Offiziere erhielten alle Monat den letzten Tag, die Mannschaft aber alle 10 Tage monatlich dreimal am 10., 20. und 30. ihren Sold.

Die Söldner stammten vornehmlich aus Mitteldeutschland. Im achtzehnten Jahrhundert standen auch Deutsche aus Schlesien und Preußen im Dienste der Stadt. 1795 warb die Stadt 43 neue Soldaten an. Sie stammten vorwiegend aus Mittel- und Ostdeutschland. Die „Liste der Nordhäuser Compagnie“ nennt:

Bohne aus Nordhausen
Grimmeishäuser „ Quedlinburg
Kalwitz „ Querfurth

Während 1734 nur 12 vom Hundert der Soldaten aus dem Stadtstaat Nordhausen stammten, stieg die Zahl 1794 auf fast 25 vom Hundert. Eine entsprechende Erscheinung findet sich in Danzig, wo 1760 von 114 Mann 55 aus Danzig selbst stammen134). Auch in Mühlhausen war die Mehrzahl der Stadtsoldaten aus der Mühlhäuser Gegend.

Fremden Werbungen trat der Rat von Nordhausen durch Verbote entgegen. Schon am Ende des dreizehnten Jahrhunderts heißt es in den Statuten: „Ein ieclich vnser burger der si hufs vn hüte sich uor glubede vn uor eiden di da gen uffe werten ader uf kein gezok daz vf vnser burger ge swer den eit oder solch glubde tut der gibt sechs phunt vn rumet zwei iar vz deme wicbilde.“

Die Söldner wurden im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert durch den Treueid in die Dienstpflicht genommen. „Das wir den bürgern zcu Northusen“ , schworen sie 1470, „getruwe vnde gewere syen, getruwelichin dynen, der stat vnde borger schaden warnne vnde bewaren wollen Vnde den vinden das leydeste thun, daz wir können vnde mögen, daz nicht laszen durch liep noch durch leit, durch gifft adir gäbe; vnde waz wir Sache itzcunt haben adir in der cziit vnsers dinstes gewinnen zcu der stat, deme rathe adir den rethen, borgern adir metewonern vnde den dy on zcu steyn zcu vorteydingen, daz wir nergen andirst zceyhen adir fordern wollen, weder geistlich noch wertlichin, adir ymandis von vnsern wegen, danne hyr zcu Northusen vorme wertlichin gerichte adir vorme rathe adir rethen vnde waz dar obir erkant, gesprochin adir gescheyden wert, dar ane woln wir gancze gnvge haben vnwedderruflich ane geuerde . . ,“ Im sechzehnten Jahrhundert war zu diesem Eide noch hinzugesetzt: „Man sali alle wege, so eynn dyner auffgenommen werdit, Vorhalte, ab sichs begebenn worde, das man yn ader die dyner in fromde lande ader herfart schigken worde, das sich eyner dyner alsdann, vmb sollichenn solt, als n ynen gibit, sich des zcoges nicht weddern, nach enniche nuwerunge des soldes halbenn anzchienn, sundern bie des Rathes willekore vnd erkentnis mit cleychunge vnd solde bliben lassen.“

Das Verhältnis der Stadt zu ihren Söldnern und die Stellung der Söldner im Stadtstaat waren in den Statuten festgelegt. „Welch soldener“ hieß es 1470 im Artikel 39, „nicht eyn husz sitzcende borger hyr ist, nach schoszet, nach wachet, der sal in aller wiesz geste recht haben. Borget he eyme borger sin guth abe, he sal yn fordere mit gerichte vor der stat gerichte nach der stat rechte: wan an die pfandunge, dye ensal he nicht thun, he en gehe erst vor den rath vnde kundige esz ome; so sal der rath gebiete deme soldener, daz her bynnen vierczen tagen deme bürgere gelde syn gut adir zcu hant rechter teydinge pfley. Thut der soldener des nicht, so sal er on pfenden an syner habe adir wo her magk, vnde gebricht deme soldener syner habe, wan syner der rath adir bürgere bedorffen, so sal man yme keynen solt geben nach deme tage. 139 *) Vor der Annahme hatte der Rat über jeden Söldner Erkundigungen einzuziehen:

„Dv rathluthe sollen keynnen soldener gewinne, sie sollen ge- wisJh eit vnde bürgen die ,b esessen s*in1d von yme nemen . . . Dem Sölner, der seinen Dienst zu Pferde leisten wollte, war es zur Pflicht gemacht, spätestens in 14 Tagen ein Pferd zu beschaffen, andernfalls er keinen Sold erhielt. Über die Höhe des Soldes und des Lösegeldes bestimmten die Statuten des vierzehnten Jahrhunderts: „Man sal eyme houbit manne des iares zcu ostern geben nvn eien tuches eynes langen vnd eyme wepener vier eien eynes langen tuches vnd eyme schützen vunf eien eynes echschen tuches. Wörde ouch eyn soldir geuangen eyn schutzze, der sal man keynen turer losen dan als ture als sin solt ist. Sundern wer eyn houbit man den sal man losen vor zcwenzcik northhusche mark vnd nicht turer.“

Waffen mußten die Geworbenen selber stellen: „Ouch sullen sie sich selbir bisorgen an alle irme gerete daz sie haben sullen“ , heißt es in den Statuten von 1350. Diese Bestimmungen wurden den Söldnern vor der Leistung des Treueids vorgelesen.

Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert geschah die Annahme in gleicher Weise. 1795 ließ der Rat die Stadtkompagnie auf dem Markt antreten und die Kriegsartikel verlesen, „welche E. Hoch Edler und Hochweiser Rath der Kayserl. Freyen Reichs-Stadt Nordhausen für die Unter-Officier und gemeinen Soldaten, des von Ihm zur Reichs-Armee zu stellenden Niedersachssl. Craiss-Contingents als ein bestehendes öffentliches Gesetz zu bestimmen vor nothwendig erachtet hat.“ Darauf leisteten die Unteroffiziere und Mannschaften den Eid: „Daß ich dem löbl. niedersächs. Kreise und dieser Kayserl. Freien Reichsstadt Nordhausen als ein geworbener Soldat jederzeit treu und hold sein, ihnen treulich dienen auch meinen Vorgesetzten Officieren in allen das Commando betreffenden Sachen gehorsam seyn und, mich überal in Marschen, Zügen und Wachen auch Stürmen und Schlachten und allen andern vorfallenden Kriegsverrichtungen wie einem ehrlichen Soldaten eignet und gebühret verhalten und jederzeit fleißig und unverdrossen mich erweisen soll und will, das schwere ich, so war mir Gott helfe.“ Nach dem Eid, so berichten die Annalen 1795, „hat so dann ein jeder ein Exemplar der Kriegs-Artikel durch den Fourier erhalten.“

Besondere Sorgfalt erforderte die Annahme des Stadthauptmanns. Von ihm hing wesentlich die Kriegstüchtigkeit der Söldnertruppe ab. Seine Aufgabe war es, die ständigen Angriffe auf die Stadt zurückzuweisen. Vom vierzehnten bis sechzehnten Jahrhundert nahm Nordhausen Adlige der Umgegend zu Stadthaupteuten an. Man ließ sich auch Stadthauptleute empfehlen. 1442 empfahl Mühl­ hausen der Stadt den Hauptmann Ulrich von der Nesse. 1492 hatte sich die Stadt an Herzog Georg von Sachsen mit der Bitte um Nachweis eines Hauptmanns gewandt. Der Herzog sandte Heinrich von Brucken, den die Stadt auch annahm. Als Nordhausen 1495 darum bat, den Hauptmann noch in seinen Diensten behalten zu dürfen, schrieb Herzog Georg: „ . . . Wie euch nun gnanter Henrich von Brucken zu geuallen gedynt als wir vns vorsehen vnd wo ir yn lenger an sulichen dinst haben vnd gebruchen wollet, lassen wir gescheen vnd ym des erlaubnis geben — Dann euch gnedigen willen zubezaigen san wir geneigt.

Die Annahme der Stadthauptleute erfolgte auf Grund eines Dienstvertrages, der sogenannten Bestallung. Sie legte die gegenseitigen Verpflichtungen fest, unter denen die Stadt den Hauptmann und dieser den Dienst annahm. Die Bestallung setzte den Dienstgrad, die Dienstzeit, den Sold, das Losegeld, den Anteil an der Kriegsbeute fest und verlangte vom Haupt­ mann ständige Dienstbereitschaft, unbedingten Gehorsam und bei Streit mit der Stadt oder den Bürgern Unterstellung unter das Stadtgericht. Die Bestallung wurde durchschnittlich auf ein Jahr geschlossen. Nach Ablauf dieser Zeit stand es beiden Teilen frei, den Dienstvertrag zu erneuern. Dadurch hatte die Stadt die Möglichkeit, Hauptleute schon nach einem Jahr zu entlassen, wenn sie sich in der Abwehr der Angriffe auf Nord­ hausen nicht bewährten.

Die Bestallung wurde doppelt ausgeführt. Sie wurde auf Per­ gament oder Papier geschrieben. Die eine Ausführung Unter­ zeichneten und besiegelten die Bürgermeister und der Rat, die andere der Hauptmann. Durch Unterschrift und Austausch wurde die Bestallung zur Urkunde und erhielt Rechtsgültigkeit. Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert geschah die An­ nahme durch die Kapitulation, das „Offen-Patent“ und den Revers. Die Stadtofficiere erhielten die vom Rat Unterzeich­ nete Kapitulation und dazu das Offen-Patent als Ausweis ihrer Stellung“. Die Stadt behielt die andere Kapitulation und den von den Offizieren unterschriebenen Revers. Die Ausstellung dieser Bestallungsurkunden stand nur dem Rat zu. Bei der Überreichung des Offen-Patent hatte der Hauptmann im acht­ zehnten Jahrhundert folgenden Eid zu leisten: „Daß ich Einen Hochedlen und Hochweisen Rathe dieser Kayserl. Freyen Reichs Stadt Nordhausen getreu und gewehr seyn, und als angenom­ mener Stadthauptmann denen mir anjetzo vorgelesenen Punc- ten so meiner Bestallunge werden inseriret und was mir son­ sten wird anbefohlen werden in allen nachkommen und solchen mich jedesmahl gemäß bezeigen wolle, das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe.“

Fünf Jahrhunderte hindurch hat Nordhausen Bestallungen ausgestellt. Die älteste erhaltene Bestallung stammt aus dem Jahre 1432, die letzte liegt vom Jahre 1795 vor. Die Bestal­ lungen der neueren Zeit sind mehr gegliedert in einzelne Ar­ tikel aufgeteilt. In den wesentlichsten Punkten bleiben sie sich zu allen Zeiten gleich.

Der Reichsstadt stand die freie Entscheidung über die An­ nahme der Offiziere zu. Nicht der Adel, sondern allein die Tüchtigkeit entschied bei der Annahme. In älterer Zeit über­ wog der Adel. Von den 28 bekannten Stadthauptleuten von 1324 bis 1555 waren 23 adlig und 5 bürgerlich. Vom sech­zehnten bis achtzehnten Jahrhundert wurden bürgerliche Offi­ziere bevorzugt. Von 1570 bis 1802 dienten der Stadt 4 adlige und 12 bürgerliche Offiziere. Nordhausen nahm auch eigene Bürger zu Offizieren an. 1407 war Hans Aigenrodt Stadthaupt­ mann, der später 1423, 1426 und 1429 Bürgermeister der Stadt war. Andere Bürger, die der Stadt als Offiziere dienten, waren Hermann Windolt 1426, Heinrich Brackei 1494, Kaspar Tümmer, ein Ratsherr, 1690, Joh. Christ. Tölcke 1720 und von 1727 bis 1736. Die Dauer der Dienstzeit der Stadtoffiziere lag zwi­ schen ein bis neun Jahren, erst im achtzehnten Jahrhundert stieg sie auf 12 und 18 Jahre. Eine Ausnahme bildete in älterer Zeit John von Stockhausen, der der Stadt von 1521 bis 1532 als Hauptmann diente. „Ich John von Stockhusen, so bestä­ tigte er 1432, „Bekenne mid dissem offen briue für mich mein Erben vnd ydermenniglichen nach dem ich den Erbarn vnd Weisen dem Radt der Stadt Northusen etzliche Jahre für einen Heuptman gedineth vnnd von meiner Schwachheit wegen ge- bethen mich des dinstes zuerlassen. Szo mir dan gemelte der Radt alle meine vorschriben ierlichen besoldung von anfang bis zum ende meines dinstes . . . vergnügt vnd entricht haben . . .“ Unter ihm sank das Söldnerwesen der Stadt zur Bedeutungslosigkeit.

Vom vierzehnten bis zum siebzehnten Jahrhundert führten die Offiziere den Hauptmannstitel. Seit dem Dreißigjährigen Krieg verlieh die Stadt vornehmlich nur den Titel eines Stadt­ wachtmeisters und eines Leutnants. Ausnahmen geschahen, wenn die Stadt ihre Freiheit und Selbständigkeit im besonderen zum Ausdruck bringen wollte. 1643 bittet der Leutnant Valen­ tin Scharf „auch den titul eines Stadthauptemanns bei Vorstel­ lung der Stadtofficirer vnd Bürgerschafft: weil ein Lieüt. zu Pferde, welches er gewesen, auch wohl einen Stadthauptmann bedeuten kann, auch solcher titul ihme dem Lieüt. in E. wohl Hochw. Rhat Verschickungen mehr autorität vnd sonderlich in conversatione bey der Generalität bessere audientz, Ehr vnd consequenter gueter expedition gibt . . ,“ „Der titul eines Haubtmanns war die Antwort des Rats, „soll ihm in Ansehung der Stadt gegeben werden.“ 1795 hieß es, daß Gottlieb von Meyer zum Kapitän angenommen, da er als Hauptmann „allbereits gestanden und weilen ein Capitain einer Reichsstadt wohl gebühret“.

Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert wurde das Söld­ nerwesen der Stadt zu einem Teil durch die zu leistende Reichs­ und Kreishilfe mitbestimmt. Nordhausen hatte als Reichs­stadt ein Kontingent zur Reichsarmee zu stellen. Mit den Städ­ ten Goslar, Göttingen, Lübeck, Hamburg und Mühlhausen war Nordhausen dem niedersächsischen Kreise zugeteilt. Aus der nachbarlichen Lage der Reichsstädte Goslar, Mühlhausen und Nordhausen ergab sich ein gemeinsames Handeln in allen Kriegsangelegenheiten, die das Reich und den Kreis betrafen. Seit der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts wird ein enges Zusammengehen der drei Reichsstädte nachweisbar. „In der bekanten Reichs-Matricul de anno 1521“, heißt es in den Nordhäuser Kriegsakten, „ist Nordhausen mit 70 Mann zu Fuß angeschrieben worden oder 312 Rhein. Gülden. — Weil sie aber außer ihren Ringmauern mit keinen Dörfern oder Landgütern versehen, und obiges Quantum abzutragen ohnmöglich gewesen, ist anno 1545 et 1551 auf damaligen Moderation Tagen 40 Mann erlaßen und die Stadt auf 30 Mann zu Fuß oder 120 fl. moderi- ret worden. Wobei Uns Mühlhausen und Goslar assistiret.“

Die Städte rüsteten gemeinsam die für die Reichsarmee geworbenen Söldner aus. Sie stellten 1735 zwei Kompagnien zu 100 Mann. Jede Kompagnie bestand aus „1 Capitain, 1 Lieute­ nant, 1 Fendrich, 2 Sergeanten, 1 Feldwebel, 1 Fourier, 1 Capi­ tain d’ armes, 3 Corporals, 2 Tambours, 5 Gefreyten und 82 Ge­ meinen“ . Eine Kompagnie rüstete Mühlhausen, die andere Goslar und Nordhausen aus. Sie setzten eine gemeinsame Uni- formxerung fest. „Was derer Unteroffieier und Gemeinen ihre Montour anlanget“, heißt es in den Abmachungen zwischen den Madien so bekämen selbige: Ein Rock und Camisol wobev jedoch denen Unterofficiern etwas besser Tuch als denen Ge­ meinen zu geben, auch die Ermel und Aufschläge des Rockes ein wenig mit einer silbernen Gase Tressen zur distinction zu be- setzen wäre. Die Munition und Proviantwagen „sollen mit rothen Wachstuch mit weißen Extremitäten bezogen, an jede Seite aber das Stadt Wapen gemahlt werden“ . Die Flinten muß­ ten weiße Beschläge haben, „die Bajonette breit und die Spon- dons der Ober-Offic.ers von guten Stahl, hell polirt, worauf ein Adler gezeichnet; jedoch nicht angelaufen . . ,“ Für beide Kompagnien beschlossen die Städte eine gemeinsame Fahne an­ zuschaffen, „daß solche halb gelb und halbschwarz mitten ein gülderner Adler eingedrucket, jedoch ohne Devise und Nahmen verfertiget werden müste, jedoch wäre keine goldene Frange daran nöthig.“ In gleicher Weise verabredete man die Bedin­ gungen der Kapitulationen, die mit den Offizieren zu schließen waren. Die Städte versprachen sich bei der Werbung gegensei­ tig zu unterstützen. Die „Marsch-Route" der beiden Kompag­ nien zur Reichsarmee wurde festgelegt.

In Nordhausen bildeten den Kern der aufzustellenden Kon­ tingentstruppe ein Teil der Stadtsoldaten. Bei den 40 Söldnern, die Ende Januar 1735 abmarschierten, waren 21 Stadtsoldaten. Von den restlichen 19 stammten 14 aus der Nordhäuser Gegend. Am 28. Januar hatte die Stadt Werbung und Ausrüstung been­ det. Am 31. Januar 1735 trafen sich die Goslarer und Nord­ häuser Teile der Kompagnie bei dem Mühlhäuser Dorfe Soll­ stedt, „wo die Fahne entrollet und die Officiers sowohl als die Gemeinen in Gegenwart derer Goßlar. und Nordhäus. Deputa­ ten zur Fahne folgend geschworen haben: Ihr sollet schwören zu Gott einen bürgerlichen Eyd, daß Ihr bey dieser der Kayserl. Freyen Reichsstadt angeworbenen Compagnie und derselben gegebenen Fahne unter denen euch Vorgesetzten Officieren und deren Gebietern Commaudo . . . treu, gehorsam und gewärtig seyn, dero bestes suchen und befördern, Schaden und Nach­ theil ab Kehren und wenden, in Märschen und sonsten allent­ halben Euch nach gegebener Ordre folgen, denen Krieges Arti- culn, so Euch werden vorgelesen werden, getreulich nachkom- men, in Zügen, Belagerungen, Scharmützeln, Treffen und Schlachten Euch mannhaft und tapfer erweisen, vor eure Fahne bis auf den letzten Blutstropfen streiten, von selbiger und Euch vorgestellten Officieren nicht abweichen, noch selbige verlassen, den Feind aber nach allem euren Vermögen abtreiben, überwin­ den und besiegen helfen, keine Meuterey, Unruhe oder Auf­ wiegelung, es sey unter was für praetext oder Ursache es wolle, erregen, noch da die erreget würden, denenselben beypflichten. vielmehr, was Ihr davon bemerken würdet, redlich und ohn- gesäumt anzeigen und mit keinem Feinde oder verdächtigen Personen correspondiren, sondern überall Euch wie redlichen


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III. Kapitel: Die militärischen Bündnisse und Verträge

Schlußwort

Beialgen

Quelle und Literatur

Verzeichnis der gebrauchten Abkürzungen