Das Dorf Crimderode in allerlei Kriegsnöten

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Textdaten
Autor: Wilhelm Vahlbruch
Titel: Das Dorf Crimderode in allerlei Kriegsnöten
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aus: Heimatland. Illustrierte Heimatblätter für die südlichen Vorlande des Harzes
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Erscheinungsdatum: 1908 (Nr. 7)
Verlag: Bleicherode: Heimat-Verlag
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Das Dorf Crimderode in allerlei Kriegsnöten.


Von Lehrer W. Vahlbruch – Crimderode.

Von Kleinkriegen in unserer Heimat.

Es war im Frühjahre des Jahres 1412. Da drang auch nach Crimderode das Gerücht, der Graf von Heringen bekriege unsern Grafen von Hanstein mit einer wilden Bauernhorde, die teilweise mit Mistgabeln und Dreschflegeln ausgerüstet sei. Man nennt daher diesen Krieg den Fleglerkrieg. Unser Ort wurde als Reichsdorf wohlweislich verschont. Doch es sind von dieser Horde allein 15 Dörfer hier in der Nähe zerstört, die nachher auch nicht wieder aufgebaut wurden z. B. Nentzelsrode, Königerode, Hunsdorf, Harzfeld, Bahlenrode, Crimderode bei Görsbach.

Es war im Jahre 1437. Im tiefsten Frieden ging man auch hier der Ernte nach. Da jagte ein gräflicher Reiter aufs Gut. Bald darauf rief der Klang einer Kirchenglocke die Männer zur Versammlung. Von allen Seiten kamen die Arbeiter vom Felde und versammelten sich auf dem Plane unter der Linde, dort gab ihnen der Gutsherr die Kunde, daß die feindlichen Scharen der Bischöfe von Halberstadt und Magdeburg schon in die Goldene Aue raubend und plündernd eingefallen seien. Am nächsten Morgen habe er vor, mit 5 Reitern zum Heere des Grafen von Stolberg zu stoßen.

Bei Rottleberode vereinigten sich die Heere der Schwarzburger-, Honsteiner- und Stollberger-Grafen. Das bischöfliche Heer zog sich aus der Goldenen Aue zurück. Die Verbündeten lagen um einen Hohlweg im Alten Stolberg im Hinterhalte. Dort wurden die Bischöflichen gänzlich geschlagen. Der Halberstädter Bischof wurde getötet und viele gefangen genommen. Der Hohlweg heißt heute noch der Totenweg.

Im Jahre 1525 führte ein Schäfer aus Bartholfelde einen großen Haufen aufrührerischer Bauern aus Herzbergs und Lauterbergs Umgegend gegen die Klöster und Burgen. Da wurde zunächst das herrliche Kloster Walkenried geplündert und zerstört. Noch jetzt erzählen die Ruinen des Klosters von der edlen Schönheit desselben. Auch das Kloster Ilfeld wurde beraubt, desgleichen die Burg Honstein. Dann wälzte sich der wüste Haufen auch an Crimderode vorbei. Der Herr von Bula war mit seiner Familie und seinen Kostbarkeiten nach Nordhausen geflüchtet. Doch auch das hiesige Gut wurde geplündert. An Nordhausen wagte man sich nicht. Dafür wurden geplündert: Kloster Himmelgarten, Kloster Kelbra und Berbisleben. Vor Heringen hörten sie, daß das größere Bauernheer, zu dem sie stoßen wollten, bei Frankenhausen geschlagen sei. Schnell löste sich der Haufe auf, und die unruhigen Bauern kehrten bei Nacht und Nebel in ihre Dörfer zurück. Später wurden dann die Anführer getötet, und die andern kamen mit Geldstrafen davon.

Von der großen Not des dreißigjährigen Krieges.

In diesem grausigen Kriege stand unser Landesherr Herzog Georg von Hannover auf der Seite der Protestanten. So haben unsere Truppen z. B. 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberge mitgekämpft.

Unsere Gegend, im Herzen Deutschlands liegend, wird durchquert von einer bedeutenden Heerstraße. Daher hat unsere Heimat in säst allen Kriegen leiden müssen. So wurde die hiesige Gegend mindestens zehnmal von den Kaiserlichen und den Schweden ausgeplündert. Die Strohdächer der Häuser wurden angezündet, die Frauen geschändet, die Männer gemartert und erschlagen. Die Burg Honstein wurde zerstört. Hungersnot, Teuerung "und Pest begleiteten die Kriegsnöte. Sind doch 1626 in Nordhausen allein an 4000 Menschen ander Pest gestorben. An der Tür des Hauses, in dem die Pest ausgebrochen war. wurde eilt schwarzes Kreuz befestigt, und niemand durste ein solches Haus betreten. Dazu kam hier noch Mißwachs. Kostete doch 1 Scheffel Roggen 5 Thaler und 6 gute Groschen und welchen Wert hatte damals 1 Thaler gegen jetzt.

Das war Deutschlands schlechteste Zeit!

Nur kärgliche Nachrichten von den Nöten finden wir in hiesigen Kirchenrechnungen jener Zeit. Darnach hat Crimderode in den ersten 10 Jahren des Krieges noch wenig gemerkt. Denn da kommen die Kircheneinnahmen noch regelmäßig ein. Da konnte bei Abnahme der Rechnung noch tüchtig geschmaust und getrunken werden. Es wurden 1622 noch an 20 gute Groschen für Rindfleisch (ä Pfund 9 Pfennige), Stockfisch u. s w. und für Bier 5 gute Groschen ausgegeben.

Doch 1631 heißt es: Am 1. Juni ist der Gotteskasten allhier von Kaiserlichen Kriegsvölkern (Reitern unter dem Obristen Börnighausen), so von der Zerstörung Magdeburgs kamen, zerschlagen und beraubt worden. Das Dorf ist geplündert, und die Kühe sind fortgetrieben. 1627 heißt es: Hier hat ein böser Wind gewehet. Es sind offenbar viele an der Pest gestorben. Von 1632 ab hören die Mahlzeiten bei der Kirchenrechuungsabnahme auf. Es ist kein Geld mehr dafür da. 1636 heißt es: Die Kirchenkasse ist von Soldaten weggenommen. Also bleibt die Kirche dem Schuldiener schuldig 3 gute Groschen 8 Pfennige. Von 1630 ab kommt vom Kirchenlande nur der halbe Zins ein, weil es größtenteils wüste liegt. Von 1639 ab kommt für Land gar nichts mehr ein. Die Namen der Pächter sind teilweise durchstrichen. Offenbar sind dieselben verzogen oder getötet. 1644 bleibt hier ein Soldat Hans Ellrich hängen, er bezieht das Haus der ausgestorbenen Familie Stürmer. Von 1645 ab fehlt die Ausgabe für den Schuldiener. Es ist eben keiner hier gewesen. Erst 1652 wird einem neuen Schulmeister 1 g. Groschen zum Leihkauf gegeben. Von den 16 Zinszahlern sind nach dem Kriege nur noch 5 vorhanden.

Auch die Kaufsummen für das Rittergut erzählen von der Not jener Zeit. 1615 (drei Jahre vor dem Kriege) kostete das Gut rund 12000 Gulden. 1645 (drei Jahre vor Beendigung des Krieges) kommt es für nur 5000 Gulden in die Hände des schwedischen Generals Gregorson. Der Wert ist also um mehr als die Hälfte gesunken. In ähnlicher Weise wurden auch alle übrigen Grundstücke unseres Ortes durch den Krieg entwertet.

Aus der Zeit des siebenjährigen Krieges.

In diesem Kriege stand unser Hannoverland auf Seiten des alten Fritz, des großen Preußenkönigs. Auch aus unserm Kreise haben mehrere gegen die Franzosen, die es mit Oestreich hielten, gekämpft. Und zwar 1757 bei Hastenbeck (Hameln), 1758 bei Krefeld und 1759 bei Minden. Zuerst erschien 1757 in unserer Gegend der Feind, es war eine französische Freischarenbande. Dann kam das bei Roßbach von Friedrich dem Großen geschlagene französische Heer auf der Flucht hier durch. 1769 war hier im Steinfelde ein kleines Gefecht zwischen braunschweigschen und württembergschen Reitern. Letztere hielten es mit Oestereich. Die Braunschweiger flüchteten nach Ilfeld.

In den ersten Septembertagen des Jahres 1760 mußte auch das Dorf Crimderode, um einer Plünderung zu entgehen, Kriegsgeld zahlen. 1761 zog ein neues französisches Heer auf dem Wege von Nordhausen nach der Burg Scharzfeld auf der Heerstraße hier vorbei. Scharzfeld wurde erobert. Später kamen noch östereichsche Husaren plündernd in hiesige Gegend und nahmen die angesehensten Männer, u. a. auch unsern Superintendenten Lodemann aus Ilfeld, als Geiseln mit nach Erfurt. Ein Sohn des hiesigen Gutsbesitzers Fr. v. Wurmb diente als Offizier im Kürassierregiment Friedrichs des Großen. Dieser junge Offizier ist im Juni 1758 bei Liegnitz gefallen.

Wie sich Crimderode an den Freiheitskriegen beteiligte.

In den ersten Oktobertagen 1806 zog dort aus der Heerstraße das gar stolze preußische Heer vorüber, um die Franzosen zu schlagen. Nach wenigen Tagen verbreitete sich hier das Gerücht, die Preußen seien bei Jena und Auerstedt gänzlich besiegt worden.

Am 15. Oktober gegen Abend eilten die Einwohner Crimderodes dem Westausgange des Dorfes zu, und da sahen sie fliehende preußische Kavallerie. Bald folgten andere Truppenmassen in buntem Gemisch. Vom Hunger und Laufen ganz abgemattet, ging es troßdem in größter Eile dem Harze zu. Am andern Morgen fand man einzelne abseits vom Wege verhungert liegen. Keiner der fliehenden Preußen hatte gewagt, in den Ortschaften etwas Nahrung zu fordern. Am Donnerstag gegen Mittag kam noch Artillerie. Da hieß es:„Dort kommen schon die Franzosen angesprengt!" Schnell wurden die Ziehstränge der Pferde durchschnitten, die Artilleristen warfen sich auf die Pferde und jagten davon. Doch es worein Irrtum. Die vermeintlichen Franzosen waren mehrere preußische Infanterieoffiziere, die sich beritten gemacht hatten. Nach kaum 1 Stunde holte die Artillerie ihre verlassenen Geschütze wieder.

Zuweilen setzte sich aus einmal das ganze fliehende Heer in rasenden Galopp, wenn es hieß: „Der Feind ist uns auf den Fersen.“ Dabei .warfen die Fliehenden Waffen und Bagage fort. Viele verkauften um ein Spottgeld ihre Waffen. Für ein Gewehr forderte man 1-2 Groschen und für ein Pferd 1-2 Thaler. So furchtsam und bescheiden hat unsere Gegend noch kein durchziehendes Heer gesehen. Man bat höchstens um Kartoffeln.

Am Nachmittag des 17. Oktobers hörte man bei Nordhausen Kanonendonner. General Kalkreuth hatte den Prinzen August von Preußen zur Führung der Arrieregarde bestimmt. Am Freitag Mittag zog diese Division von Sondershausen kommend, in Nordhausen ein Die Franzosen waren gleich hinterher. Bei der Sundhäuser-Brücke entspann sich ein Gefecht. Dadurch wurde für das fliehende Heer etwas Zeit gewonnen. Prinz August kam in geordnetem Zuge am Nachmittage durch Crimderode. Er besetzte mit einigen Geschützen die Höhe, auf der „die dicke Eiche" steht. Als die ersten Franzosen sich beim Schurzfell blicken ließen, empfing er sie mit einigen Kanonenschüssen. Die Franzosen zogen sich zurück, und schleunigst erfolgte die Flucht der preußischen Arrieregarde Erft gegen Abend kamen die ersten Franzosen durch unsern Ort. Doch die zogen anders daher!

Ein paar Detachements vom 15. Regimente Chasseurs á cheval sprengten nach Niedersachswerfen. Doch wagten sie sich nicht weiter, fürchtend, daß die Harzberge von den Preußen besetzt seien. Der Kavallerie folgten einzelne Soldaten, dann größere Trupps Infanterie, die die abseits liegenden Ortschaften aufsuchten. Den Männern nahmen sie ohne weiteres Geld und Uhren weg. Weigerten die sich, so machten sie von ihren Waffen Gebrauch Dann gings in die Häuser, dort wurde mit der Waffe in der Hand Geld gefordert: Es hieß „Bauer, schaff sich Karlin, schaff sich Großthaler an!" Waren die Häuser verschlossen, so schlug man die Türen ein. Fanden sie nichts Wertvolles, dann wurden Fenster, Spiegel und Möbel demoliert. Am Sonntag kam ein ganzes Regiment an. Es lagerte sich aus den Teichwiesen. Nur einzelne kamen nach dem, benachbarten Rüdigsdorf. Im Kirchenbuche heißt es: "Die Frau Patze starb an den Mißhandlungen eines französischen Soldaten.“ In Crimderode hatten sich viele Bewohner mit ihren Kostbarkeiten in den Mitttelberg geflüchtet. Das zurückgebliebene Vieh wurde von dem Feinde zum Lagerplatze gebracht. Dort loderten schon die Feuer und bald wurden die Braten auf Spießen fleißig über den Feuern gedreht. Die Offiziere saßen im Gasthause und ließen sich fleißig bedienen, ohne an Zahlung zu denken. In der Kiesmühle (Oelmühle) fanden die Franzosen volle Fässer. Sie glaubten Wein zu finden, hatten sich aber geirrt. Es war Oel. Aus Aerger schlugen sie allen Fässern den Boden aus. Auf dem Hühnerstalle saßen Hahn und Hühner sorglos in Reih Und Glied. Bald waren alle geköpft und wurden nach der Teichwiese geschleppt.

Meistens drangsalte man die Ortsschulzen, Geistlichen und Lehrer. So wurden ein Opfer des Krieges die Pastoren zu Windehausen und Steinbrücken, der Kantor Bock in Buchholz, der vorher mehrere Jahre hier angestellt war. (Heimatland, II, 92.)

Die Oktobernächte waren kalt. Einzelnen der Geflüchteten gefiel es daher nicht im Mittelberge; sie versuchten, sich in ihre Behausung zurückzuschleichen. Gar bald kamen sie ohne Fußwerk wieder zurück, denn auch die Stiefel hatten die Feinde gebrauchen können. Der Ackermann Ellrich war zurückgeblieben. Am Abend kam er mit durchschossenem Arm auch in den Mittelberg. Sein Gespann war mitgenommen. Doch sein treuer Johann rückte in Neustadt den Feinden mit seinen Pferden glücklich wieder aus. Ackermann Dießel kam ohne Gespann wieder zurück.

Am 21. Oktober zogen endlich die letzten Feinde fort. Und alle Geflohenen kehrten in ihre demolierten Wohnungen zurück. Groß war die Wut auf den Feind; ja man erzählt, daß einige Einwohner ihre Wut noch an den an ihren Wunden hier gestorbenen Franzosen ausgelassen hätten. Diese wurden neben der Ellermühle und an der Dittfurt (steinernes Kreuz) begraben.

Beim Wiederausbruch der Feindseligkeiten fochten unsere hannoverschen Truppen in dem Gefecht an der Göhrde 1813 mit. Unter Führung Wellingtons beteiligten sie sich tapfer an der Schlacht bei Waterloo. Der damalige Besitzer unseres Rittergutes, Oberstleutnant v. Wurmb fiel in der Schlacht. Ferner kämpften aus Crimderode mit: Heber, Eichler, Lier. Letzterer hatte auch den Zug nach Rußland mitgemacht und soll als Leutnant die Reste seiner Kompagnie nach Magdeburg zurückgeführt haben.