Nordhausen westfälisch

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Autor: Hermann Heineck
Titel: Nordhausen westfälisch
Untertitel:
aus: Geschichte der Stadt Nordhausen 1802-1914
Herausgeber: Magistrat
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1927
Verlag: Magistrat der Stadt Nordhausen
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Erscheinungsort:
Quelle: Scan
Kurzbeschreibung: Abschnitt 1,
Kapitel 3
Digitalisat:
Eintrag in der GND: [1]
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Kapitel 3.
Nordhausen westfälisch.


Am 14. Oktober 1806 tobt die Schlacht von Jena und Auerstedt, am 15. weilt Friedrich Wilhelm III. in Sömmerda und Sondershausen, am 16. ist der flüchtige König, von einer Dragonereskorte geleitet, in Nordhausen. In der Postkutsche fährt er vom Ilfelder Hof (Pferdemarkt 11) mit der hannöverschen Post über Ellrich, Elbingerode, Wernigerode. In Magdeburg trifft er mit der Königin Luise wieder zusammen.

Am Nachmittag des 17. Oktober kommt die kaiserlich-französische Armee über Sondershausen an. Ein unbedeutendes Gefecht vor der Stadt. Die Preußen haben vor dem Bielentor (Sangerhäuserstraße) Kanonen aufgepflanzt. Bei der Sundhäuser Brücke — Anmarschstraße von Sondershausen her — ist eine Batterie errichtet, auch bei der Rotleimmühle stehen Kanonen. Die gegenseitige Beschießung dauert bis 5 Uhr. Dann ziehen die preußischen Truppen teils über Ilfeld und Ellrich, teils über Stolberg ab.

Bei dem Einmarsch der kaiserlich-französischen Armee wird in den Häusern der Vorstadt und in der Oberstadt geplündert.

Die Stadt selbst wird von französischen Truppen in Quartier genommen. Um die ganze Stadt herum lagern kaiserliche Soldaten. Noch am 18., 19. und 20. Oktober dauern die Truppendurchzüge fort, die Zahl der durch die Stadt und vor der Stadt vorbeimarschierten preußischen und französischen Soldaten dürfte sich auf rund 250 000 Mann belaufen haben.[1]

Einen intimen Einblick in die Verhältnisse dieser für Nvrdhausen und Umgegend denkwürdigen Zeit gewährt ein Bericht des Ilfelder Konrektors Zinserling. Er hat seine Erlebnisse zusammengefaßt in dem bereits zur Seltenheit gewordenen Büchlein „Sammlung von Anekdoten und Charakterzügen", auch Relationen von Schlachten usw. 1805 bis 1809. Leipzig in der Baumgärtnerischen Buchhandlung 17. oder 5. Bandes 1. Heft S. 39—63. Zinserling, aus Weimar stammend, 1780) war Lehrer am Ilfelder Pädagogium, 1800—1807, ging dann nach Kassel, 1817 nach Warschau, dort hat er noch Vorlesungen 1830 gehalten. (S. Jahresber. d. Klosterschule Ilfeld 1909 S. 15 und „Der Harz" 1905 S. 121 ff.)

Marsch der Preußen und Franzosen über Nordhausen und Ilfeld im Oktober 1806.

Zinserling erzählt:

„Ich hatte es mehreren meiner Freunde vorhergesagt, daß die preußische Armee dasselbe Schicksal haben würde, das die Oesterreichs in den letzten Feldzügen erfahren hatten; und in der Tat bedurfte es nur einer unbefangenen Würdigung des Geistes der beiderseitigen Armeen und ihrer Heerführer, um diese Prophezeiung im höchsten Grade wahrscheinlich zu finden. Aber es war gefährlich, diese Wahrheit echten Preußen zu sagen, und jedermann weiß, wie nur der Gedanke eines Zweifels an ihrem künftigen Triumphe sie erbittern konnte.

Ein auffallendes Beispiel davon ereignete sich in Nordhausen. Ein Kaufmann, der in Leipzig zur Messe gewesen war, kommt Mittwochs, den 15. Oktober (1806) früh in Nordhausen an. Hier erzählt er im Gasthaus „Zum Römischen Kaiser" (am Kornmarkt), daß er unterwegs alles in der größten Bestürzung und eine Menge Bagage im eiligsten Rückzug getroffen und dabei gehört habe, daß die preußische Armee eine Schlacht verloren habe. Einige gegenwärtige Preußen hören dieses an und äußern laut ihren Unwillen, daß jemand wagen könne, so etwas zu sagen. Bald darauf tritt einer der ersten Postoffkzianten ein. So wie er hört, was der Kaufmann erzählt hat, donnert er ihn an und erklärt, daß er arretiert werden müßte, geht auch sogleich zum Stadtkommandanten, um diese Arretierung zu bewirken. Ich hatte nicht Lust, den weiteren Verlauf der Sache abzuwarten, sondern begab mich sogleich nach Ilfeld, wo ich damals wohnhaft war; ich habe aber nachher erfahren, daß ein bald darauf angekommener Kourier die offizielle Nachricht vom Verlust der Schlacht überbrachte und so den unschuldigen Kaufmann seines Arrestes entledigte.

Als ich in Ilfeld nachmittags gegen 4 Uhr auf dem Wege nach Nordhausen mit einigen Freunden spazieren gehe, kommt uns ein junger preußischer Offizier entgegengesprengt, der uns um den Weg nach Magdeburg fragt. Da er hört, daß er in einigen Stunden kein gutes Nachtquartier zu erwarten habe, so nimmt er das Anerbieten eines meiner Freunde an, die Nacht bei ihm zuzubringen. Von diesem Offizier erfahren wir den Verlust der Schlacht, der er selbst beigewohnt haben will.

Noch hat sich kein anderer fliehender Preuße gezeigt; man hätte also denken sollen, daß er mit besonderen Aufträgen nach Magdeburg reiste, da er so früh vor allen anderen auf dem Wege dahin war. Keineswegs! Er erzählt uns ganz unbefangen, daß er ganz aus eigenem Impuls diesen Weg des Heils gesucht habe.

Gegen 11 Uhr des Nachts erhebt sich von sern ein dumpfes Pferdegelrappel, und bald darauf erscheinen die ersten Züge fliehender preußischer Kavallerie. Dumpf und still, von einzelnen Bauern mit Laternen geleitet, ziehen sie dahin in die Schluchten des Harzes hinein. Die ganze Nacht bewegen sich diese Neiterscharen durch das Tal. Donnerstag, den 16. früh zeigt sich preußische Infanterie mit Kavallerie vermischt. Aber welches Schauspiel — keine Spur mehr von Ordnung und Zusammenhalt! Sind 10 Soldaten beieinander, so entstammen sie 5 verschiedenen Regimentern. Viele darunter lustig, frech und ausgelassen. Nur wenige sieht man in dem sich unaufhörlich fortwälzenden Zuge, die, von dem Schicksal der Armee niedergedrückt, sich zu schämen scheinen.

Fast alle Infanterie-Offiziere haben sich beritten gemacht und sind die ersten unter den Fliehenden. In ganzen Gruppen sprengen sie an ihrer Infanterie vorbei, ohne nur einen Blick auf sie zu werfen, geschweige, daß sie daran denken, etwas Ordnung hineinzubringen. So sind säst alle Offiziere schon am Donnerstag durchpassiert. Am Freitag sieht man äußerst wenige außer bei den Regimentern, die am Freitag Nachmittag den Rückzug decken und mit dem verfolgenden Feinde sich schlagen müssen.

Freitag, den 17., nachmittags 3 Uhr, hört man von Nordhausen her eine Kanonade. Jetzt verdoppelt sich das Getümmel, die Eile und die Angst der von Nordhausen herbeiströmenden Soldaten. Um 5 Uhr kommt ein Trupp Soldaten, der noch Ordnung hält. Es ist der Rest eines Kürassierregiments, das soeben aus dem Gefecht bei Nordhausen kommt. Hier machen sie auf der Straße einige Augenblicke Halt.

Als der Kanonendonner näher rückt, brechen die Kürassiere auf. Da es noch hell ist, steige ich auf eine Anhöhe, von wo man die Gegend zwischen Nordhausen und Ilfeld übersehen kann. Nordhausen ist schon in den Händen der Franzosen; bis Niedersachswerfen verfolgen sie die Preußen. Mit Einbruch der Dunkelheit wird jedes Gefecht abgebrochen.

Sonnabend, den 18. ziehen die letzten, immer noch zahlreichen Preußen mit Tagesanbruch von Ilfeld ab — gegen 10 Uhr morgens rückt französische Kavallerie in Ilfeld ein."

*

Am 29. Oktober desselben Jahres wird am Rathause und an den Stadttoren Nordhausens ein Dekret des Divisions-Generals Gouverneur von Erfurt Clarke angeschlagen, daß Se. Kais. Königl. Majestät Napoleon von den Fürstentümern Eichsfeld und Erfurt, der Grafschaft Hohnstein und von allen in Sachsen zwischen dem Rhein und an der Elbe eingeschlossenen Königl. Preuß. Ländern Besitz genommen habe.

Nordhausen französisch!

Am 24. Juli 1807 ihrer Untertanenpflicht gegen König Friedrich Wilhelm III. entbunden, geht die Stadt einem unbestimmten Schicksal entgegen. Sie untersteht vorläufig noch der Eichsfeld-Erfurtischen Kriegs- und Domänenkammer in Heiligenstadt, deren Oberleitung in des schon erwähnten v. Dohms Händen liegt.

Endlich klärt sich die Situation.

Das in Artikel 8 des Friedens von Tilsit zum ersten Mal erwähnte Königreich Westfalen ist begründet und dem Bruder Napoleons, dem König Hieronymus, damals 23 Jahre alt, übergeben. Am 15. Dezember 1807 wird dieses Ereignis durch eine Proklamation den „guten und getreuen Einwohnern" verkündigt. Der König verpflichtet sich in derselben, seine Einwohner glücklich zu machen, und verspricht diesem Gelübde treu zu sein. Gleichheit des Gottesdienstes soll eingeführt, das Eigentum gesichert und befestigt werden. Zwischen Volk und Fürst soll eine auf gegenseitigem Gelübde und Interessen beruhende Sicherheit bestehen usw.

Am 1. Januar 1808 findet die Huldigung in Kassel statt; am 28. Februar a. e. huldigt die Nordhäuser Bürgerschaft auf dem Marktplatze und dem Rathause und Bürgermeister Grünhagen haranguiert die Bürgerschaft mit den Worten:

Eine neue Sonne, Hieronymus Napoleon, ist den in dieses Königreich vereinigten Provinzen aufgegangen ,deren Strahlen das ganze Land und auch unsere gute Vaterstadt neu beleben werden. Heil uns! uns blühet die beste Hoffnung! uns lächelt die schönste Zukunft!"

*

Fragen wir, welche Provinzen in diesem neuen Reiche vereinigt sind, so lautet die Antwort: Die herzoglich-braunschweigischen Lande, das Kurfürstentum Hessen, die preußische Altmark links der Elbe, die ebendort liegenden Gebiete von Magdeburg, das Gebiet von Halle, das Hildesheimer Land, die Stadt Goslar, das Land Halberstadt, die Grafschaft Hohnstein, das Gebiet von Quedlinburg, die Grafschaft Mansfeld, die Preußen lehnspflichtige Grafschaft Stolberg-Wernigerode, das Eichsfeld mit Tresfurt, die Städte Mühlhausen und Nordhausen, das Bistum Paderborn, Minden, Ravensberg, die hannoverschen Gebiete von Göttingen und Grubenhagen nebst Hohnstein und Elbingerode, die Harzdistrikte, das Bistum Osnabrück, das oranische Land Corvey und die Grafschaft Rietberg.

Dieses Gebiet ist in 8 Departements eingeteilt (Dekret vom 24. Dezember 1807), die Departements in Distrikte.

Nordhausen gehört dem Harzdepartement an. Hauptstadt bleibt wie bisher Heiligenstadt. Die 4 Distrikte sind Heiligenstadt, Duderstadt, Osterode, Nordhausen. Das Departement zahlt 210 989 Seelen und vereinigt in sich das Fürstentum Eichsfeld, die Grafschaft Hohnstein, einen Teil des Fürstentums Grubenhagen, das Gebiet von Wattenried, einen Teil des Gebiets von Blankenburg und Hessen, die Städte Mühlhausen und Nordhausen.

Präfekt des Harzdepartements wird Borsche.

Das ganze Königreich zerfällt in 27 Distrikte, bezgl. 398 Kantone mit 1.912.203 Einwohnern, der Umfang des Gebiets erstreckt sich auf 688 □ Meilen. Die Einkünfte werden auf 16.400.000 Gulden geschätzt.

Die Distrikte werden lt. Konstitution vom 7. Dezember 1807, 34. Art. in Kantone, die Kantone in Munizipalitäten eingeteilt. An der Spitze der Distrikte steht der Unterpräfekt, der Munizipalität steht der Maire vor. Neben dem Maire ist ein Munizipalrat vorhanden. Ist so die westfälische Stadt geordnet, so beginnt nun die Einordnung der einzelnen Gemeinden.

Der bisherige Stadtdirektor von Nordhausen Piautaz scheidet am 29. Januar 1808 aus, an seine Stelle tritt der kgl. westphäl. Präfekt des Distrikts Nordhausen von Steinmetzen.

Als Kantone erscheinen seit 1808 die Orte:

Nordhausen, Großwechsungen, Pustleben, Bleicherode, Sachsa, Ellrich, Benneckenstein, Neustadt und Pützlingen.

Als Maire der Stadt Nordhausen fungiert (mit diesem Titel) seit Juni 1808 der bisherige Bürgermeister Grünhagen. Ihm zur Seite stehen die früheren Funktionäre, die beiden Adjoints Niemann und Seidler, ferner der Polizeikommissar Seiffart. Neben dem Magistrat gibt es den Munizipalrat. Ihm gehören 16 Mitglieder an; es sind im Jahre 1812 die Herren Gothe, Niemann, Rötting, Mylius, Blödau, Obwald, Bosse, Fleck, Ludwig und Andreas Förstemann, Appenrodt, Götting, Höfler, Uhley, Volborn, Lange.

Diese Munizipalräte, welche alle 2 Jahre zur Hälfte erneuert werden, sind aber nicht etwa von den Bürgern gewählt, sondern werden durch die Departementskollegien dem Könige vorgeschlagen und von ihm ernannt.

*

Aus der Geschichte des Harzdepartements

Woran liegt es nun, daß finanziell ebenso wenig, wie das Königreich Westfalen überhaupt, so auch unsere Stadt trotz der günstigeren Existenzbedingungen nicht vorwärts kommen kann?

Schuld daran ist des Königs unüberlegte Prunksucht und des Kaisers rücksichtslose Habsucht. Bereits in der Konstitution vom 7. Dez. 1807 hat Kaiser Napoleon die Hälfte aller Domänen beansprucht und die Zahlung einer Kriegskontribution von 25 Millionen Frcs. binnen einem Jahre verlangt. Er steigert seine Forderungen von Jahr zu Jahr. Soll doch Hieronymus genau wie seine Brüder Joseph und Ludwig nur ein Präfekt des Kaisers, in Purpur gekleidet, sein; er soll Frankreichs Einkünfte durch in seinem Lande vorgenommene Kontributionen heben, Frankreichs Heere mit seinen Landessöhnen füllen, ganz gleichgültig, ob unter diesen Lasten sein eigenes Land zu Grunde geht. Solange Westfalen bestanden hat, ist es stets behandelt worden als ein Departement des ungeheueren Kaiserreichs ohne die mindeste Selbständigkeit. Jérome ist für Napoleon ein roi-préfet, Napoleons Autorität lastet schwer wie ein Verhängnis auf ihm. Hieronymus soll regieren unter Bedingungen, die eine Regierung unmöglich machen, ihn zum Sklaven des Kaisers stempeln:

„Das Wohl der Untertanen muß zurückgestellt bleiben den ersten und heiligsten Pflichten gegenüber, die dem Kaiser und Frankreich gelten."

Sehen wir nun, wie Westfalens Geschichte sich gestaltet. Die Konstitution ist Anfang 1808 eingeführt. Hurtig beginnt man überall mit der Umgestaltung. Viel Aufsehen, aber auch manchen Schmerz erregt es, daß am 14. Februar 1809 die Gilden aufgehoben und ihnen ihre Laden, Zinn und bares Geld innebehalten werden. Die am 1. Januar 1809 eingeführte Patentsteuer, welche die Gewerbefreiheit proklamiert, wird mit gemischten Gefühlen ausgenommen. Aufsehen erregt die Anleihe vom Oktober 1808.

Welchen Kredit aber die Untertanen ihrem Westfalenreiche gewähren, zeigt sich gleich bei der ersten 20 Millionenanleihe. Im Januar 1809 sind statt der 20 erst 8 Millionen Franks eingegangen.

Das Postwesen soll reformiert werden, aber trotz der Neuorganisation vom 30. September 1810 sind die Taxen in Westfalen die höchsten und die Neuordnung ist ohne allen Erfolg. Eine glücklichere Hand als auf dem Finanz- und Steuergebiet hat die westfälische Regierung auf dem Felde der Kunst und Wissenschaft, der Kirche und Schule — abgesehen vom Gebiete der Zeitungsschriftstellerei.

Das lernt auch Nordhausen kennen. Nicht nur, daß man die schon in preußischer Zeit eingesetzte Kommission für Schaffung eines verbesserten Schulwesens in Nordhausen fördert, und die neuen Schulpläne durchführt, — das Gymnasium bleibt erhalten! Es wird auch dem Mädchenschulwesen Aufmerksamkeit geschenkt, so daß die höhere Töchterschule im Jahre 1808 ins Leben gerufen wird.[2]

Auf dem Gebiete der Kirche wird Toleranz geübt. Hat die preußische Regierung die Katholikeneinwanderung in Nordhausen freigegeben, so wird den Juden die Niederlassung in allen Städten ohne Einschränkung erlaubt — nur werden sie veranlaßt, Familiennamen anzunehmen. Die damals im hiesigen Distrikt wohnenden Judenfamilien verteilen sich, das sei beiläufig bemerkt, auf folgende Orte: Nordhausen 1 Familie, Bleicherode 24, Ellrich 31, Werna 18, Sülzhayn 11.

Auch die Kunst, besonders die Musik findet in westfälischer Zeit eine vorzügliche Pflege. Das Beispiel des Frankenhäuser Bischofs findet in Sondershausen und Nordhausen begeisterte Nachahmung und auch das Theater wird fleißig besucht.

Wenig entgegenkommend ist die Regierung gegenüber der Klostergeistlichkeit. Die steten finanziellen Nöte ermuntern sie, die wehrlosen frommen Männer und Frauen desjenigen zu berauben, was sie noch aus den Stürmen des Reichsdeputationshauptschlusses gerettet haben. Ende 1810 wird die Säkularisation der Klöster verkündet, am 14. Januar 1811 wird den Bewohnern von Nordhausen vom Domänendirektor des Harzdepartements Reiche angezeigt, daß infolge Kgl. Dekrets vom 1. Dez. 1810 das hiesige Stift S. Crucis von ihm aufgehoben sei und daß zum Administrator des gesamten stiftischen Vermögens Herr Vikar Heinemann bestellt sei.

Ebenso energisch geht die westfälische Regierung gegen diejenigen vor, welche die Presse benutzen, um allerlei der Regierung mißliebige Aeußerungen zu verbreiten. Solche Uebeltäter (im Sinne der Regierung) auszumitteln, bedient man sich eines ausgedehnten Spionagesystems und bringt alle politisch Verdächtigen schnell hinter Schloß und Riegel. Aber gerade dieses Angebersystem macht die Regierung unbeliebt, und je mehr wir uns dem Jahre 1813 nähern, desto mehr steigert sich der Unwille, der sich dann immer deutlicher entladet.

Um sich bei seinen Untertanen beliebt zu machen, zugleich um ihnen durch den Glanz seines Auftretens zu imponieren, beschließt Jérome bereits 1808 eine Rundreise durch sein Land.[3] Am 15. Mai verläßt er seine Hauptstadt Kassel, in Göttingen macht er zuerst Station. Enthusiastisch ist die Aufnahme in Braunschweig — trotzdem der König 252 Bilder aus den Galerien von Braunschweig und Salzdahlem entnehmen und nach Kassel schicken läßt. Die Reise berührt weiter Halberstadt und Magdeburg. Die Rückreise nach Kassel geht über Halle. Dabei kommt Jérome am 24. Mai nach Nordhausen. Am Abend eingetroffen, empfängt er noch eine Ratsdeputation, welche ihm feierlich den Stadtschlüssel überreicht. Im Vereinshause übernachtet er (Baltzerstraße 5). Die Kosten des Besuches (381 Taler 19 Gr. 8 Pfg.) werden aus der Stadtkasse gedeckt, da der Hof nur 50 Taler zurückerstattet.

Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß ein zweiter Besuch des Königs am 3. Juli 1813 stattfindet. Jérome hat Napoleon in Dresden besucht, hat einen frostigen Empfang in Halle gehabt und äußert sich in Nordhausen sehr ungnädig. Erst aufgebracht wegen des Ueberfalles der westfälischen Truppen bei Pustleben am 19. April. Er gibt dies dem Magistrat unverhohlen zu verstehen. Man sieht sich aber gegenseitig nie wieder.

*

Die an den Zeitungen äußerst streng geübte Zensur bewirkt, daß die Oeffentlichkeit über die politischen Vorgänge im Dunkeln bleibt. Dazu kommt die wissentlich falsche Berichterstattung, welche das Urteil der Menge irre führen soll. Trotzdem sickert unendlich viel, infolge gelegentlicher Berichterstattung, durch, die Wahrheit kommt immer mehr an den Tag.

Im April 1809 findet der sogenannte Oberst Dörnbergsche Aufstand in und bei Kassel statt; das Nordhäuser Nachrichtsblatt muß sich darüber ausschweigen. Die mit der Empörung Dörnbergs eng verbundene Expedition des preußischen Majors Ferdinand von Schill wird erwähnt in Nr. 21 des Nachrichtenblatts von 1809 mit den Worten:

„Se. Königl. Majestät sind mit der guten Stimmung, welche die Bewohner des Harzdepartements beseelt, und mit den Aeußerungen der Treue und Anhänglichkeit, welche sie bei Annäherung des Schillschen Korps bewiesen haben, sehr zufrieden gewesen, wünschen ihnen einen Beweis Ihres Zutrauens zu geben und haben daher dieNückgabeder (1806) eingeschickten Gewehre an die vorigen Besitzer befohlen. Allerhöchstdieselben sind überzeugt, daß sie solche nur zur Erhaltung der guten Ordnung und gegen die Banden bewaffneter Ruhestörer, welche die benachbarten Gegenden seit einigen Wochen durchziehen, gebrauchen werden.

Ich eile, die hiesigen Bürger davon zu unterrichten, und fordere sie auf, die eingelieferten Gewehre gegen Rückgabe der Empfangscheine wieder abholen zu lassen."

Nordhausen, 18. Mai 1809.
Der Kantonsmaire
Grünhagen.

Die Siege der Oesterreichs bei Aspern und Eßlingen werden überhaupt nicht berührt, ebenso wenig der Siegeszug des Herzogs von Braunschweig-Oels, welcher am 26. Juli 1809 in Halle erscheint, begleitet von seinen Totenkopf-Husaren, am 31. Juli Braunschweig besetzt. Daß trotz aller Verfolgung der Herzog sich am 7. August in Elsfleth nach England einschifft, ist ja bekannt.

Von all diesen politischen Ereignissen wird der Allgemeinheit nichts rnitgeteilt. Auch die Jahre 1810 und 1811 enthalten sich aller derartiger Mitteilungen, nur des Napoleonsfestes in Erfurt wird offiziell Erwähnung getan:

Napoleons-Fest zu Erfurt, den 15. August 1811.

„Zur Feier der Geburt des großen Napoleon, der die Zeit verherrlicht, in der wir leben, ist den 15. August zu Erfurt, das unter der Aegide des großen Kaisers steht, ein Fest bereitet, zu dem jeder sich einfinden wolle, der Sinn und Gefühl hat für große Eindrücke an großen Tagen. Ohne der hohen Bedeutung des Tages selbst zu gedenken, wird er ein Festtag fein für Kenner und Verehrer der Kunst und für jeden, der eines hohen Genusses empfänglich ist.

Außer den Freuden des Tages wird die Kunst den Würdigsten preisen. Ein seltener Verein von Kennern der Musik der ersten Kapellen des benachbarten Deutschlands wird sich bestreben, dem Herrlichsten das herrlichste Opfer des Genies und Talentes zu bringen und mit den ersten Meisterwerken deutscher Tonkunst die Meisterkunst ihrer Darstellung zu vereinen. Die erhabenen deutschen Fürsten der Nähe, des Königs von Sachsen Majestät haben ihre Künstler dem großen Festtage bestimmt, und freiwillig bringt jeder das Fest seines eigenen Genusses zum allgemeinen Feste.

Unter der Leitung des Herrn Kantor Bischofs zu Frankenhausen, der durch seine musikalischen Aufführungen geehrt ist, wird der Abend des feierlichen Tages mit den großen Kompositionen schließen, in welchen Deutschland seine ersten Künstler erkennt. Die herrliche Domkirche, prächtig erleuchtet, wird dem Orchester Raum geben, in welchem 300 meisterliche Spieler und Sänger mit deutscher Kunst und mit der Sängerkunst des befreundeten Italiens dem Protektor des Vaterlandes huldigen.

Noch nie versammelte sich in unserer Nähe eine solche musikalische Akademie, sie konnte keinen größereren Tag ehren als diesen.

Es bedarf wohl kaum unserer Ladung an das Publikum, daß es diese schönsten Genüsse teile. Das Große und Erhabene hat in sich seine Beglaubigung, und es wird uns Freude sein, durch seltenen Genuß eines Tages Feier zu erhöhen, der dem Großen gilt und dem Erhabenen."

Erfurt im Juli 1811.
Die Finanz- und Domänenkammer
von Resch, Präsident.

Die Lage im Lande wird inzwischen immer kritischer. Seine geheimen Korrespondenten berichten an Napoleon:

„Es existiert Unbehagen, aus dem Unbehagen entsteht Mißvergnügen, aus dem Mißvergnügen muß der Wunsch nach einer Veränderung erwachsen. In Westfalen herrscht allgemeine Verarmung, ein Mißbehagen, das sich bei einigen Gesellschaftsklassen dem Elend nähert, ein Elend, das in manchen Familien an Verzweiflung streift. Die Vermögensverhältnisse sind unsicher, die Hoffnung auf die Zukunft ist gering, der öffentliche Kredit ist im Verfall, die Achtung vor der Regierung gering (19. Jan. 1812)?) In Hannover verkauft man Häuser im Werte von 40 000 Frs. für 6000, in Magdeburg fallen von 12 000 französischen Soldaten 7000 den Bürgern zur Last, die als Vergütung täglich 25 Centimes erhalten usw. Wenn sich die westfälischen Soldaten auch nicht revolutionär zeigen, so ist sicher mit vielen Desertionen zu rechnen. Die Geheimpolizei mit ihren vielen unnötigen Verhaftungen richtet Unheil genug an und erweckt in einem sonst loyalen Volke die größte Antipathie."

*

Die westfälische Verwaltung in Nordhausen

Die Jahre 1802 bis 1832 habe ich als die Periode des Ueberganges bezeichnet. Ich glaube, mit Recht. Wir sehen, wie 1802 die preußische Regierung aus der Zahl der reichsstädtischen Behörden einfach diejenigen Beamten herausnimmt, die sie für geeignet hält, in ihrem, der Regierung Sinne, die Geschäfte fortzuführen. Ueber diese neuen, nunmehr preußischen Beamten setzt sie einen Verwaltungsdirektor, und nun geht die Sache weiter. Der Minister regiert, die Beamten verwalten. Genau so macht es die königl. westfälische Regierung, nur führt sie französische Bezeichnungen ein: Präfekt, Maire, Adjoint usw., im übrigen arbeitet sie nach demselben Rezept.

Auch die neuen städtischen Etats sind in der Hauptsache in dieser Uebergangszeit nicht viel geändert worden, nur die Personenzahl ist vermindert, das Kassenwesen vereinfacht. Der Etat muß eingeschickt werden, über alle Ein- und Ausgabeposten fordert der Präfekt ständig Erlaubniseinholung. Was die Höhe des Etats anbetrifft, so möge der des Jahres 1810 uns darüber belehren. Es sind hier nicht die Voranschläge, sondern die wirklichen Einnahmen und Ausgaben vom 1. Jan. bis Dezember 1810 gebucht.

Einnahme 1810. 
*

In dem vorstehenden Etat von 1810 findet sich unter Einnahme Titel III auch die Gemeindejagd. Die preußische Regierung hatte über diesen Titel hinweg gesehen, weil er im Etat der freien Reichsstadt nicht berücksichtigt war. Die freien Reichsstädter waren stolz darauf, alle das Jagdrecht unentgeltlich ausüben zu können. Die nach neuen Einnahmequellen suchende westfälische Regierung aber will dieses „Recht" nicht anerkennen und fortbestehen lassen, und so fordert sie am 14. März 1808 den Maire Grünhagen zum Bericht über diese Angelegenheit auf. Auf diese Weise erfahren wir als Kuriosum, wie wie es in der Praxis bei der Jagdausübung in Altnordhausen zuging. Die westfälische Regierung will die Stadtjagd verpachten, der Maire Grünhagen wird zum Bericht aufgefordert. 14. 3. 1808.

Bericht.

Die Jagd in der zur hiesigen Stadt gehörigen Feldmark ist aus dem Grunde höchst unbedeutend gewesen, weil der Flächeninhalt derselben äußerst klein ist, außer einem kleinen Holzfleck (Wildes Holz) sich kein Holz weiter darin befindet und lediglich Hasen und Hühner darin geschossen wurden. Besonders aber konnte man sie deshalb unbedeutend nennen, weil jeder hiesige Bürger bisher berechtigt war, die Jagd zu exerzieren, durch welche große Concurrenz der Iagdberechtigten dann natürlicher Weise kein Wildpret aufkommen konnte. Die Hegezeit war in der Regel von Fastnachten bis in den Monat Oktober. Und wenngleich die benachbarten Jagden früher aufgetan wurden, so erlaubte der Magistrat dennoch den hiesigen Bürgern nicht eher auf die Jagd zu gehen, weil gewöhnlich bis dahin noch viel Rüb- samen in der Flur befindlich war, welcher durch die große Anzahl der Jäger zertreten sein würde, ein Schaden für die hiesigen Oekonomen, der mit den wenigen Hasen und Hühnern, die etwa geschossen wurden, in gar keinem Verhältnis stand und den man deshalb möglichst zu verhüten suchen mußte. Nur dann erst, wenn die Oekonomen ihre Feldfrüchte in Sicherheit hatten, wurde die Jagd auf folgende Art aufgetan:

Der Magistrat schickte nämlich einige Offizianten zur Vorhetze ab, welche den ersten Tag für die Ratspersonen schießen und abliefern mußten.

Diesen folgten dann die Bürger, sobald sie dies gewahr wurden, auf dem Fuße nach, und so war die Flur voller Bürger und die Jagd aufgetan. In der Tat konnte man diesen Tag ein Volksfest nennen. Denn Alt und Jung, jagdkundige und -unkundige trieben sich an diesem Tage, stolz auf ihre Gerechtsame im Felde herum, und nur dem blinden Zufälle ist es zuzuschreiben, daß nicht mehr dabei totgeschossen wurden.

Aber es blieb auch bei diesem Tage nicht. Während der ganzen Jagdzeit liefen Professionisten auf die Jagd, vernachlässigten ihr Gewerbe und hatten dabei eine gute Gelegenheit, bei ihrer Rückkehr die vor der Stadt gelegenen Wirtshäuser fleißig zu besuchen, während ihre Familie zu Hause wegen ihres Unterhalts in Verlegenheit war.

In der hiesigen Feldmark, das Töpferfeld, befinden sich viel aneinander grenzende, sogenannte Berggärten, welche mit Zäunen eingeschlossen sind. Bisher hat den hiesigen Bürgern unbestritten das Recht zugestanden, nach ausgegangener Jagd auch in diesen Berggärten zu jagen, und sie befinden sich seit undenklichen Jahren in dem ruhigen, eingestandenen Besitze dieses Rechts. Daß in diesen Feldgärten die meisten Hasen und Hühner geschaffen werden, ist natürlich, da es überall an kleinem Buschholze im hiesigen Reviere fehlt und diese Feldgärten die Stelle eines kleinen Hölzchens vertreten, wohin sich das auf dem offenen Felde verscheuchte Wild gern retiriert und hier von den Jägern aufgesucht wird.

Die Besitzer waren verpflichtet, nach Aufgang der Jagd ihre Gartentüren des Tages über offen zu halten. Es wird über diese Angelegenheit bei Verpachtung der Jagd Bestimmung getroffen werden müssen.

*

Mit welchem Fanatismus der freireichs städtische Nordhäuser fein angebliches Recht auf

Jagdfreiheit

zu verteidigen suchte, erhellt aus nachstehendem Vorfall. Er ist auch deshalb interessant, weil er dem Rate das noch 1808 festgehaltene Recht auf eine „Vorhehe" rundweg abspricht.

Am 30. August 1747 hat der Stadthauptmann von Mauderode dem Zinngießermeister

Christian Gottlieb Arpert

im Felde die Flinte weggenommen, als er „die von undenklichen Jahren her allen und jedem Bürger zustehende Jagdgerechtigkeit ausübte." Weil der von Mauderode damit die Rechte aller Bürger beeinträchtigt, so wird Meister Arpert von einem Konsortium von 17 Bürgern, deren Namen auf dem Schriftstück genannt sind, damit betraut, sein Recht vor Gericht zu suchen. Zugleich soll er nicht nur seine eigene Sache führen, sondern für die Jagdgerechtigkeit der ganzen Bürgerschaft kämpfen, „damit uns nicht etwa unter dem Vorwande, dem hochedlen Rate stehe eine sogenannte Vorhetze oder -jagd zu, auf irgendeine Weise Nachteil zugezogen oder präjudiziert werden möge."

Urkundlich dessen haben wir Meister Arpert diesen Assekurationsschein und Vollmacht, eigenhändig unterschrieben, erteilt.

Nordhausen, den 1. September Anno 1747.

Johann Christian Rosenthal,
Johann Conrad Krack,
Johann Ernst Hausknecht,
Heinrich Julius Kaltwasser,
Georg Wilhelm Rosenthal,
Christoph Sebastian Ranfft usw.

Daß dieser Arpert in seinem Kampfe gegen des Rats Recht auf die „Vorhetze" durchgedrungen, ist sehr zu bezweifeln, da dieses obrigkeitliche Recht noch im Jahre 1808 unzweifelhaft besteht.

*

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt Nordhausen im Jahre 1811

Im Jahre 1811 ergeht seitens des Herrn Finanzministers des Königreichs Westfalen eine Zirkularverfügung an die Herren Präfekten der einzelnen Departements, laut deren sie Bericht erstatten sollen über die Produktion und den Gewerbezustand eines jeden Kantons. Zum Kanton Nordhausen gehört die Stadt Nordhausen und die Dörfer Krimderode, Leimbach, Urbach, Bösenrode. Berichterstatter ist der Maire Grünhagen-Nordhausen. Im folgenden ist in der Hauptsache nur wiedergegeben, was er über die Stadt Nordhausen mitteilt. Der Originalbericht befindet sich im preußischen Staatsarchiv zu Magdeburg Reg. B 3 Spec. Nr. 464. fol. 96 Bl.

I. Anfragen über die Produktion in der Stadt Nordhausen.
  1. Wie ist der Boden beschaffen? Welche Bestandteile sind darin dominierend? Kalk, Ton, Kies oder Klei? ist er mithin schwer, leicht oder Mittelboden?
    An der östlichen Feldmark prädominiert ein milder Lehm; hingegen die süd- und westliche ist mit Kies und Sand stark vermischt.
  2. Ist das Land vermessen?
    Ueber den nördlichen Teil, das Töpferfeld, ist eine Vermessung vorhanden. Das übrige Feld ist nicht vermessen.
  3. Was für ein Feldmaß ist das gewöhnliche?
    Das Kalenberger, der Acker zu 160 □ Ruten (die Rute 15 Schuh).
  4. Wie hoch belauft sich der Flächeninhalt der Aecker, Wiesen, Weiden, Anger und Holzungen?
    7507 Acker.
  5. Wie ist die Kultur überhaupt beschaffen? was für eine Feldeinteilung findet statt? ist die Dreifelder — oder was sonst für eine Wirtschaft hergebracht?
    Der Acker wird durch fleißiges Pflügen und gute Düngung zu der bestimmten Sommer- oder Winterernte geschickt gemacht. Die Düngung geschieht in regula von 3 zu 3 Jahren. In die erste Art wird Roggen, Winterfamen oder Weizen, in die 2. Art Gerste und in die 3. Art Hafer, Sommersamen oder Futterkräuter gesäet.

Zu dieser und noch anderen Antworten Grünhagens hat der Präfekt von Steinmetzen Erläuterungen beigefügt. Ich setze, sie zu kennzeichnen, ein v. St. darunter.

Anmerkung 1—5.
„Die Kultur der Aecker ist im Kanton Nordhausen und besonders in den Fluren der Stadt so gut als möglich, indem durch die Benutzung des vielen von der Viehmastung herrührenden Düngers der Acker so gebessert wird, daß er jede Fruchtgattung trägt und in guten Jahren auch die gewünschte Ausbeute liefert. Auch die nahegelegenen Kantonsvrte Leimbach und Urbach benutzen die Asche der hiesigen Seifensieder und haben dadurch ihre Ländereien in eine gute Kultur gebracht. Ueberhaupt muß ich hier im allgemeinen bemerken, daß in denjenigen Kantons, welche der Boden und Klima begünstigt, der Ackerbau in gutem Stande ist — in den auf dem Lohraischen Gebirge und auf dem Harze, sowie in den an dem Fuße desselben gelegenen Orten hingegen bewirkt die beste Kultur nur wenig, da bei der hier herrschenden Kälte und dem Nebel nur sehr wenige und fast nur Sommerfrüchte gedeihen und den Fleiß des Anbaues nicht belohnen."
v. St.

6. Wird der Ackerbau mit Pferden oder Ochsen betrieben?
Größtenteils mit Ochsen.
7. Welche Düngerarten sind gewöhnlich? Bedient man sich des Mergels, des Duckses, der Seifen- und Lohgerber-Asche oder sonstiger Düngemittel?
Kuh- und Hordendünger, auch Pferde- und Schweinemist. Künstliche Düngemittel find nicht eingeführt.
8. Was für Kornarten oder Hülsenfrüchte werden auf dem Felde gebaut?
Roggen, Weizen, Gerste, Hafer, Bohnen, Erbsen, Sommer- und Wintersamen.
9. Wie ist die Fruchtfolge? Welche Früchte werden in die verschiedenen Felder nach Maßgabe der Feldeinteilung gesäet?
Weizen, Roggen, Gerste und Hafer.
10. Wann fängt in gewöhnlichen Jahren die Saatzeit an? Wann beginnt die Ernte?
14 Tage vor Michaelis, und die Sommerbestellung Ausgangs März. Die Ernte beginnt im Juli.
11. Was für Feldfrüchte werden bloß zum Bedarfe gebaut? Wovon und wieviel können in Mitteljahren ausgeführt werden?
Der ganze Ertrag der Ernte reicht bei weitem zum Bedarfe nicht hin.
12. Wohin wird der Ueberfluß an Korn und anderen Früchten abgesetzt?
Es kann nichts abgegeben werden, sondern es muß aus Sachsen und Schwarzburg hinzugekauft werden.
13. Wovon und wieviel ist Zukauf erforderlich?
Nordhausen muß hauptsächlich Roggen und Gerste zur Brauerei und Brennerei zukaufen, wieviel aber, läßt sich nicht bestimmen, da dies von dem stärkeren oder schwächeren Betriebe der Geschäfte abhängt.
14. Woher wird das bezogen, was nicht selbst erzielt wird?
Aus den königl. sächsischen und schwarzburgischen Landen, aus der ehemaligen Grafschaft Hohnstein und den weimarischen Landen.

Anmerkung zu 11—14.
„Auch wenn die großen Brennereien und Brauereien hier nicht existierten, so würde weder die Stadt noch der Kanton Nordhausen seinen benötigten Fruchtbedarf bauen, da die städtische Flur gegen die Population viel zu klein ist und die Kantonsorte wenig übrig haben. Das fehlende Getreide, sowohl für die Brennerei und Brauerei, als für die Bäcker kommt aus dem Königreich Sachsen, sowie aus dem sächsischen Herzogtums und den fürstl. schwarzburgischen Landen. Im abgewichenen Jahre wurden selb st aus dem Halber st adtischen und Magdeburgischen Früchte auf den hiesigen Markt gebracht. Es wird auch so leicht nicht an den Zufuhren fehlen, weil Nordhausen der einzige Marktplatz der Früchte in einem weiten Umkreise ist, und der Verkäufer immer sicheren Absatz und bare Zahlung findet. Die übrigen Kantons meines Distrikts setzen ebenfalls ihren Ueberfluß in der hiesigen Stadt oder in dem Kanton Benneckenstein auf dem Harz ab."
v. St.

15. Was für Hindernisse stehen einer größeren Ackerkultur entgegen? Ist der Boden selbst und das Klima oder seine Bebauer schuld, daß nicht der möglichere Ertrag zu erzielen steht?
Da der Boden im ganzen nicht schlecht ist und die Ackerbebauer allen möglichen Fleiß anwenden, so ist es nur dem rauhen Harzklima zuzuschreiben, wenn mitunter die Ernte nicht nach Wunsch ausfällt.
16. Ist die Stallfütterung eingeführt? Und was stehet ihr im Wege? Was für Futterkräuter werden gebaut?
Es werden Kopfklee und Luzerne als Futterkräuter gebaut. Die Stallfütterung ist zum Teil eingeführt, aber noch nicht allgemein.
17. Sind Gemeinheiten vorhanden und wie werden sie benutzt?
In Nordhausen existieren keine Gemeinheiten.
18. Was für Gemüsearten werden in den Gärten oder auf dem Felde gebaut?
In den Gärten wird Spargel, alle Arten von Bohnen, Kohl, Sellerie, Salat, Spinat, Gurken und andere dergleichen Gartengemüse, mitunter auch Melonen gebaut. Auf dem Felde aber nur Rüben und Kartoffeln.
19. Geben einige dieser Gemüsearten Artikel der Ausfuhr ab und wohin werden sie verkauft?
Die benachbarten Harzbewohner holen einen Teil ihres Bedarfs an Gartengemüsen zu Nordhausen.
20. Ist der Obstbau von Bedeutung? Was für Sorten werden gezogen und welche Ortschaften haben davon Ueberfluß?
Gegenwärtig noch nicht. Die neuen Obstanpflanzungen geben noch keinen sonderlichen Ertrag. Es werden Kirschen, Aepfel, Birnen und Pflaumen, mitunter auch Aprikosen und Pfirsiche gezogen. Ueberfluß ist durchaus nicht da.
21. Findet ein Weinbau im großen statt? Wo und wieviel Morgen oder Acker werden dafür benutzt?
Nein!
22. Wird Obstwein, Cider oder Weinessig gemacht?
Es beschäftigen sich einige mit der Essigbrauerei.
23. Wird Hanf oder Flachs gebaut oder nicht?
Aeußerst wenig Flachs
24. Im letzteren Falle, warum nicht?
Weil der Flachs hier selten gerät und aus dem Halberstädtischen wohlfeiler gekauft wird als durch eigene Produktion erzielt werden kann.
25. Im ersteren Falle, wieviel Zentner werden von jedem geerntet?
Findet auf Nordhausen keine Anwendung, weil zu wenig gebaut wird.
26.Wird Flachs roh verkauft?
Nein.
27. Was ist der gewöhnliche Preis des rohen Flachses oder Hanfes?
Das Schock Flachs zu 9—10 Gr.
28.Woher nimmt man das Saatlein?
Man baut es selbst.
29. Wird Tabak gebaut? und wieviel Zentner werden gewöhnlich jährlich geerntet?
Nein.
30. Wird Hopfen gebaut und wieviel Zentner werden davon jährlich geerntet?
Nein.
31. Werden Oelkräuter, Nübesamen, Mohn, Leindotter gebaut und wieviel wird davon geerntet?
Nur Sommer- und Wintersamen, jährlich gegen 800 Scheffel.

Anmerkung 31.
„Die Oelsamen werden hier auch nur insoweit gebaut, als es der Boden zuläßt und der Oekonom dabei seine Rechnung angemessen findet. Der meiste Oelsamen kommt aus Sachsen, besonders der Sommersamen, der dort in den Brachfeldern häufig gebaut wird. Vor einigen Jahren zog man auch Wintersamen für die hiesigen so beträchtlichen Oelmühlen aus Holland. In den übrigen Cantons bauen die Besitzer großer Güter Oelsamen, der ebenfalls hierher verkauft wird. Der kleine Oekonom zieht oft gar keinen oder doch nur zum eigenen Bedarf, weil der dazu verwendet werdende Acker zuviel Dünger wegnimmt."
v. St.

32. Werden Färbematerialien, Waid, Krapp oder sonstige Handelsartikel gebaut und wo?
Nein.
46. Wird Fischerei getrieben? zum Gewinne und auf welche Art?
In der Zorge und Salza werden mitunter kleine Fische gefangen. Diese Fischerei ist aber höchst unbedeutend und keineswegs zum Gewinn.

Anmerkung 45 und 46.
„Seen sind im hiesigen Distrikte nicht vorhanden, wohl aber in dem Kanton Ellrich, Sachsa und Pützlingen mehrere ansehnliche Teiche, welche die hiesige Gegend, wo nicht hinreichend, doch zum größten Teile mit Fischen versehen. Die wilde Fischerei in der Zorge, Wieda, Helme, Bode und Wipper ist unbeträchtlich und liefert wenig Ausbeute."
v. St.

47. Sind im Kanton Mineralien vorhanden, die auf irgend eine Art verarbeitet oder zu Gelde gemacht werden können?
Man hat unter der kgl. preuß. Regierung einen Versuch mit Braun- und Steinkohlen gemacht, jedoch wegen nicht günstigen Erfolges dir Sache nicht fortgetrieben. Von andern Mineralien ist hier nichts zu hoffen.
48. Was finden sich für Metalle?
Nicht vorhanden.
49. Sind zur Verarbeitung derselben Hütten oder Werke vorhanden? wo und was für welche? wssen Eigentum sind sie?
Nein!

Anmerkung 47 — 49.
„An Metallen werden im Distrikt nur Eisensteine und Braunsteine gefunden. Erstere werden in den Hütten zu Zorge, Wieda und Sorge geschmolzen und daselbst, so wie zu Wiegersdvrf zu Stab- und Gußeisen verarbeitet. Diese Hütten sind sämtlich königl. Eigentum und durch ihren Betrieb wird ein großer Teil der Einwohner zu Wieda und Sorge pp. erhallen."
v. St.

50. Was finden sich dort für Steine und namentlich für Mauer-, Mühl- und andere zum Bau dienende Steine? wo liegen die Brüche und wem gehören sie?
Hier existieren keine Steinbrüche. Nur im Bette der Zorge finden sich Kieselsteine zum Pflastern. Die zum Bau dienenden Steine werden aus Kelbra, Tilleda, Steinthalleben und Immenrode geholt.
51. Sind Steinkohlengruben vorhanden? wo und wem gehören sie? wie hoch beläuft sich die Ausbeute?
Alte verfallene Stollen, welche keine Ausbeute gewähren.

Anmerkung 51.
„Steinkohlengruben sind in den Kantons Benneckenstein und Neustadt vorhanden, sie sind unbeträchtlich und gehören den Herren Grafen von Stolberg, Wernigerode und Roßla. Man hat auch im Kanton Nordhausen Versuche zum Auffinden der Stein- und Braunkohlen gemacht, aber man ist nicht glücklich gewesen und man hat deshalb keine ferneren Versuche gemacht. Würden aber solche wiederholt und emsiger betrieben, vielleicht entdeckt man mehrere dieser so nützlichen Mineralien, besonders im Kanton Neustadt."
v. St.

52. Sind Torfmoore vorhanden? Wieviel Torf wird wohl gestochen und wem gehören die Moore?
Nein?

Anmerkung 52.
„Torf wird hier nicht gestochen und man hat, soviel ich weiß, auch keinen Versuch zur Auffindung desselben gemacht. Es finden sich jedoch besonders in dem Kanton Pustleben, Bleicherode und Pühlingen sehr sumpfige und moorige Wiesen, und es ist daher zu vermuten, daß auch hier Torf gefunden wird."
v. St.

53. Sind Erdpechquellen vorhanden? wo und wieviel wird wohl daraus geschöpft?
Nein!
54. Sind Marmor-, Alabaster oder Achatbrüche vorhanden und werden sie benutzt?
Nein!
55. Wieviel Gips- und Kalkbrennereien, sowie Ziegeleien finden sich? wem gehören sie?
Eine Ziegelei, der Kommune gehörig.

Anmerkung zu 50, 54 und 55.
„Die hauptsächlichste Steinart im hiesigen Distrikte ist der Kalkstein und eine Art Mahlstein, der zum Bauen gebraucht wird. Sandsteine finden sich im Kanton Pützlingen, sie sind aber von keiner besonderen Güte. Die Mühlsteine und gute Marmorsteine werden deshalb aus dem Sächsischen und Schwarzburgischen eingeführt. Kalk- und Ziegelhütten sind fast in allen Kantons, und es wird dadurch das Bedürfnis bestritten. Ilebrigens findet man im Kanton Nordhausen auch einen Alabasterbruch, woraus ein hiesiger Drechsler allerhand kleine Sachen als Tintenfässer pp. macht; allein der Absatz ist unbeträchtlich."
v. St.

56. Werden Erdarten, die zu Fabriken dienen als Fayence, Pfeifenerde, Töpferton, Glassand und dergleichen gefunden und benutzt?
Nein! nur der gewöhnliche Töpferton.
S. 40/41 fehlt


10. Wird das Garn, welches zu Leinwand verarbeitet wird, im Kanton selbst gesponnen oder muß es ganz oder zum Teil auswärts gekauft werden und woher nimmt man es?
Teils in Nordhausen, teils im Schwarzburgischen, teils auch in der Grafschaft Hohnstein. Aus beiden letzteren Gegenden wird es hierher zum Markt gebracht.
Frage 11 kommt für Nordhausen nicht in Betracht.
12. Wieviel Stück oder Stiegen Leinwand werden jährlich daselbst verfertigt?
Gegen 2000 Stiegen, darunter Tischdrell und bunte Leinwand.
13. Wieviel Ellen hält das Stück und von welcher Breite sind die Leinen?
Die Stiege hält 20 Ellen und ist 1½ Elle breit.
14. Was ist der gewöhnliche Preis der Leinen und wieviel Stück oder Stiegen derselben werden als Kaufleinen ausgeführt?
Der gewöhnliche Preis ist 3 bis 4, auch 5 Rtlr. Es wird nichts ausgeführt, sondern hier verbraucht.
15. Werden die Leinen gebleicht oder ungebleicht versendet?

Aus Nordhausen wird keine versendet, es wird vielmehr hinzugekauft.

16. Wohin werden die Leinen gewöhnlich verkauft? Sind die Käufer blos Aufkäufer, die mit dem Gelde und für Rechnung inländischer oder ausländischer Kaufleute gegen gewisse Prozente oder Provision kaufen oder handeln sie damit für eigene Rechnung?
Die in Nordhausen gefertigte Leinwand wird nicht ausgeführt, sondern größtenteils hier verkauft. Nur dasjenige, was die benachbarten Landleute zu ihrem Bedarf hier im einzelnen kaufen, wird ausgeführt.
17. Wieviel dergleichen Leinenaufkäufer oder Kommissionäre und wieviel Kaufleute, die mit Leinwand für eigne Rechnung handeln, befinden sich in Nvrdhausen und wie heißen sie?
Aufkäufer und Kommissionäre befinden sich hier nicht. Es betreiben die Witwe Aderhold und N. Müller einen kleinen Handel mit Leinwand in hiesiger Stadt.
18. Wieviel Leinenbleichen gibt es? von welcher Beschaffenheit ist die Weiße? Ist die letzte tadelhaft und was ist die Ursache davon?
In Nordhausen beschäftigen sich 7 Personen mit Bleichen; sie bleichen diejenige Leinwand, die hier zum Bedarf der Einwohner gefertigt wird. Die Weiße ist untadelhaft.
19. Wieviel Bunde Kaufgarn werden gesponnen und was ist der gegenwärtige Preis des Bundes?
Kunstgarn wird hier gar nicht gesponnen, sondern im Hildesheimischen, Halberstädtischen und Magdeburgischen geholt. Das Bund gilt gegen 2 Rtlr.
20. Wird das Garn dort zu Leinwand verarbeitet? oder wird es als Material versendet?
Wird hier verarbeitet.
Frage 21 kommt für Nordhausen nicht in Betracht.
22. Wird der Flachs oder Hanf zu dem Kaufgarn dort gebaut oder angekauft und woher?
In hiesiger Flur wird kein Hanf und äußerst wenig Flachs gebaut. Nordhausen bezieht seinen Flachs aus der Gegend von Quedlinburg und Hildesheim; auch die umliegenden Ortschaften liefern Flachs hierher.
23. Von welcher Güte ist der Flachs oder Hanf? wie fein wird er zum Kunstgarn gewöhnlich versponnen?
Der Flachs in der hiesigen Gegend ist nicht sonderlich fein; hingegen der Quedlinburgs Steinflachs von vorzüglicher Güte.
24. Werden leinene Strümpfe verfertigt? und von wem und wohin geht der Absatz
Aeußerst wenig von den hiesigen Strumpfstrickern zum Bedarf der Einwohner.
25. Werden Spitzen oder Blonden verfertigt? und wohin werden sie abgesetzt?
Nein!
26.Sind Papiermühlen hier vorhanden? Wieviel Arbeiter beschäftigt jede derselben?
27. Woher nehmen die Papiermühlen die Lumpen?
28. Werden die Lumpen von Auswärtigen oder Einheimischen aufgekauft?
29. Wieviel Ballen Papier und was für Sorten werden jährlich fabriziert?
Die Fragen 26—29 sind für Nordhausen mit Nein zu beantworten, weil keine Papiermühle vorhanden ist. Für die Papiermühlen in Ellrich, Ilfeld und Niedersachswerfen füge ich hinzu, daß in Ellrich 7—8 Arbeiter, in 9 Ilfeld 3, in Sachswerfen 2 Arbeiter beschäftigt sind, daß in Ellrich jährlich 200 Ballen Schreibpapier, ferner Druckpapier, Blau- und Makulaturpapier, in 9 Ilfeld 600 Rieß, in Sachswerfen 400 Rieß sowohl Schreibpapier, als Druckpapier und Makulatur angefertigt werden.

Anmerkung 26 — 29.
„Es sind 3 Papiermühlen vorhanden, welche den Bedarf für den hiesigen Distrikt liefern, da hier nur eine Druckerei vorhanden ist. Die Lumpen werden zum Teil auch aus den angrenzenden Departements bezogen."
v. St.

30. Hat der Kanton Holz, Steinkohlen und Torf? und zwar in solcher Menge, daß davon außerhalb des Kantons verkauft werden kann?
Nordhausen hat weder Holz, noch Steinkohle und Torf; es muß seinen Holzbedarf ankaufen.

Anmerkung 30.
„Wenn nicht die Eisenhütten zu Sorge, Zorge und Wieda vorhanden wären, und die Branntweinbrennereien hier nicht so außerordentlich betrieben würden, so würde der hiesige Distrikt nicht nur hinreichend Feuerungs-, Bau- und Nutzholz haben, sondern er würde gewiß noch ansehnlich ausführen können.

Unter den gegenwärtigen Verhältnissen ist es gerade umgekehrt und aus dem Schwarzburgischen, besonders aber aus dem Stolbergischen wird sehr vieles Brenn- und Nutzholz eingeführt. Nur Tannen-Bauholz und Dielen, die auf den Sägemühlen des Harzes geschnitten werden, erhält man noch von den königl. Forsten des Harzes, das größtenteils nach Sachsen geht.

In den übrigen Kantons herrscht, wenn auch kein Ueberschuß, doch auch kein Mangel an Holz, und es wird teils aus den königlichen, teils aus den Gemeinheiten und Privat-Waldungen bezogen.

Steinkohlen sind, wie schon angeführt, nicht im Gange und es werden deren wenige zu Tage gebracht. Torf hingegen wird nicht gestochen."
v. St.

31. Geht Schiffsbauholz, Stabholz, Nutz- oder Tischlerholz auswärts und wohin?
Nein!
32.Sind Sägemühlen vorhanden und wieviel verschneidet jede derselben?
In Nordhausen ist eine Sägemühle, auf welcher die zum städtischen Bau erforderlichen Bohlen geschnitten werden.
33. Sind Pottaschen-Siedereien oder Teer-Schweelereien vorhanden und wo?
Eine einzige, jedoch nicht von Bedeutung.
34.Geht Pottasche und Teer auswärts und wieviel etwa?
Nein!
35. Werden sonstige Nutzungen aus dem Holze durch Verkohlen, kleine Holzarbeiten als Löfselmachen, Korbflechten und dergleichen gezogen?
Nein!
36. Sind Oel- oder Schlagmühlen vorhanden und wieviel?
2 Oelmühlen, jede mit 2 Gängen.

Anmerkung 36.
„Der größte Teil des gewonnenen Oels bleibt im Lande. Das ünrige wird nach Sachsen, Eisenach und ins Fuldaische ausgeführt.
v. St.

37. Wieviel wird wohl auf jeder derselben in Zentnern geschlagen und wohin wird es verkauft?
Gegen 800 Zentner, welche größtenteils im Lande verkauft werden; nur wenig wird in die Eisenachschen Lande verkauft.
38. Wieviel Mahl- und Windmühlen sind vorhanden?
16 Mahlmühlen und 1 Windmühle.
39. Wieviel Wolle wird verkauft? wieviel wird auswärts verkauft und wohin?
Gegen 3000 Steine werden hier verarbeitet. Ein einziger Mann, namens Kahle, gibt sich mit dem Wollhandel ab und setzt ungefähr 300 Steine nach Frankenhausen in das Schwarzburgische ab.
40. Wird solche im letzteren Falle von Auftäufern für Rechnung einheimischer oder auswärtiger Kaufleute oder von einheimischen Kaufleuten für eigene Rechnung gekauft?
Es wird keine Wolle nach auswärts verkauft.
41. Wird Wollengarn gesponnen? und wohin wird solches abgesetzt?
Das hier gesponnene Wollengarn wird in der hiesigen Fabrik verbraucht.
42. Werden wollene Strümpfe verfertigt? wo und wieviel etwa ? wohin werden sie abgesetzt?
In Nordhausen werden gegen 150 Dutzend Strümpfe aus Wolle verfertigt und teils hier, teils auf den benachbarten Orten abgesetzt.

Anmerkung zu 39 — 42.
„Die gewöhnliche Landwolle wird größtenteils im Distrikt verarbeitet, auch ein Teil der veredelten; der größte Teil der letzteren geht ins Ausland. Die Zahl der Steine oder Pfunde anzugeben, bin ich außerstande. Die Preise der veredelten Wolle sind sehr gesunken, und es ist zu fürchten, daß dies auf die fernere Veredlung einen nachteiligen Einfluß haben wird, da die spanischen Böcke nun gegen den Ertrag der erzielten Wolle zu hoch im Preise stehen."
v. St.

43. Wieviel Zentner Honig und Wachs werden in gewöhnlichen Jahren auswärts und wohin verkauft?
Es wird weder Honig noch Wachs nach auswärts verkauft.

Anmerkung 43.
„Die Bienenzucht ist unbedeutend, da das rauhe Klima der Harzgegenden solcher sehr nachteilig ist. Es wird daher weder Wachs noch Honig im Distrikt ausgeführt."
v. St.

44. Wie teuer wird sowohl das Wachs als der Honig gewöhnlich bezahlt?
Der Preis des Honigs ist hier 6 Gr. und des Wachses 16 Gr.
45.Sind Wachsbleichen vorhanden und wie stark ist ihr Betrieb?
Nein!
46. Wird soviel Bier gebraut im Kanton als darin verbraucht wird?
In Nordhausen wird sehr gutes Bier und in großer Quantität gebraut, so daß die umliegende Gegend noch davon Genuß hat.
47. Geht Bier auswärts? wieviel und wohin?
Es wird größtenteils im Kanton konsumiert und von Fremden hier getrunken.

Anmerkung 46 und 47.
„Die Bierbrauereien sind in Nordhausen sehr im Gange und werfen eine gute Nahrung ab. In den übrigen Kantons wird nur zur Notdurft gebraut. Aber es findet weder hier noch dort eine Ausfuhr statt, da die Biere nicht von einer solchen Qualität sind, daß sie auswärts Liebhaber finden."
v. St.

48. Sind Branntweinbrennereien in Betrieb? und wieviel Blasen?
Gewöhnlich 100 bis 120 Blasen.
49. Wird Branntwein auswärts verkauft und wohin?
Er wird in die Gegend nach Kassel, Marburg und ins Fuldaische, Gothaische, Eisenachsche pp. verkauft.

Anmerkung 48 und 49.
„Die Brennereien sind der vorzüglichste Nahrungszweig der hiesigen Stadt und der größte Teil des Wohlstandes, der hier noch vorhanden ist, geht hiervon aus. Solange der Branntwein gut ist und in der bisherigen Qualität gefertigt wird, werden auch ferner auswärtige Verhältnisse hierauf nicht nachteilig wirken, der Absatz nicht fehlen, da der Landmann einmal an solchen gewohnt ist. Er wird hauptsächlich ins Königreich (scil. Westfalen), jedoch auch ins Fuldaische, Gothaische, Eisenachsche, Meiningische pp. verführt. Auf dem platten Lande sind indessen mehrere Brennereien eingegangen, weil die Besitzer derselben bei der erhöhten Akzise hierbei nicht mehr ihre Rechnung finden."
v. St.

50. Wird Walker-Erde gefunden?
Nein!
51. Was für Manufakturen und Fabriken sind vorhanden? und wem gehören sie?
3 Tuchfabriken, wovon 2 den Gebrüdern Günther und eine Herrn Hetz; 3 Tabaksfabriken, von welchen eine Herrn Fleck, eine Herrn Heimbach und eine Herrn Loefler gehörig.

Anmerkung zu 51 siehe hinter 53.

52. Wieviel Arbeiter beschäftigt eine jede derselben in und außer dem Fabrik-Gebäude?
Die Tuchfabriken beschäftigen einige dreißig Stühle. Die Tabaksfabriken werden aber nur ins kleine durch wenig Personen betrieben und sind unbedeutend.
53. Wie hoch beläuft sich das Fabrikationsquantum im Jahre 1810?
Es werden hier gegen 1500 Stück Tuche und Coating gefertigt.

Anmerkung zu 51 — 53.
„Außer den hiesigen 3 Tuchfabriken ist nur noch eine, nämlich die des Herrn Müller in Bleicherode im Gange. Sie beschäftigten sonst viele Menschen, aber der Mangel an Absatz hat die Arbeit vermindert — und so lange die Verlegenheit der Fabrikanten, ihre Fabrikate unterzubringen, nicht gehoben wird, ist keine Vermehrung der arbeitenden Hände zu hoffen, wohl aber zu fürchten, daß sie noch mehr abnehmen werden. Der Hauptdebit ist jetzt im Lande.

Die 3 Tabakfabriken liefern teils den Bedarf für das Inland, teils aber setzen sie auch in das benachbarte Ausland ihre Fabrikate ab und scheinen gute Nahrung abzuwerfen.

Uebrigens kann man auch die hier in Nordhausen ziemlich ins große getrieben werdenden Lohgerbereien mit zu den Nahrung bringenden Fabriken zählen, da hiermit ein ansehnlicher Handel auf den Messen im In- und Auslande getrieben wird und viele Arbeiter hierauf gehalten werden müssen."
v. St.

54. Woher werden die Rohmaterialien genommen? und wie hoch ist der Wert der Materialien wohl anzuschlagen?
Die rohen Materialien zu den Tuchfabriken werden von den benachbarten großen Gütern genommen; der jährliche Umsatz hat 1810 ungefähr

6500 Zentner betragen. Der rohe Tabak wird aus Bremen und Duderstadt bezogen.

55. Wieviel Stühle beschäftigt jede Manufaktur?
Die Tuchfabriken einige 30 Stühle.
56. Wohin geht der Debit? wieviel wird im Königreich selbst und wieviel im Auslande abgesetzt?
Es werden im Königreiche gegen 400 Stück Tuche verkauft. Die hiesigen Tuchmacher setzten früher ihre meisten Tuche nach Hamburg, Lübeck und Bremen ab. Das ist ihnen aber jetzt nicht mehr erlaubt; deshalb befinden sie sich überhaupt wegen des Absatzes in Verlegenheit.
57. Wie hoch beläuft sich im Kanton das Arbeitslohn? und zwar in den Städten und auf dem Lande?
Ein Meister 10 Gr., ein Geselle 8 Gr., ein Lehrling 5 Gr., wenn er länger in der Lehre ist, 6 Gr. Auf dem Lande täglich Winter und Sommer 4 bis 5 Gr.
58. Sind Fabriken oder Manufakturen vorhanden, die binnen der letzten 10 Jahre eingezogen sind oder seit dem Seekriege stille stehen?
Nein!
Frage 59 kommt für Nordhausen nicht in Betracht.
60. Was für Frachtstraßen gehen durch den Kanton? wo fangen sie an? und wo gehen sie hinaus?
1. die Straße von Heiligenstadt fängt bei der Wertherbrücke an,
2. die von Braunschweig fängt im Kanton unweit Salza an. Beide führen nach den sächsischen Landen.

Anmerkung 60.
„Die meistbefahrene Straße ist die, welche über Heiligenstadt aus dem ehemaligen Hessen kommt, weil auf dieser der meiste Branntwein verführt wird. Sodann die Straße, welche über den Harz nach Braunschweig und Halberstadt führt, welche jetzt die neue Poststraße ausmacht. Ferner die Straßen nach Leipzig und Sondershausen, auf welcher letzteren die meiste Frucht zum Bedarf der Brennereien eingefahren wird. Ihre Beschaffenheit ist im ganzen nicht die beste, da noch zur Zeit keine Chausseen angelegt sind. Da aber jetzt schon eine beträchtliche Summe zur Ausbesserung der Poststraße vom hohen Gouvernement angewiesen ist, werden sie in einen besseren Zustand kommen. Im Gebirge des Harzes werden sie aber ohne große Kosten nie in guten Zustand kommen.
v. St.

61. Zu welcher Handelsroute gehören diese Straßen?
Zu Braunschweig und Leipzig.
62. Werden solche von ausländischen oder hiesigen Untertanen befahren?
Von hiesigen sowohl als Ausländern.
63.Sind solche in gutem Stande oder werden über deren Beschaffenheit Klagen geführt?
Sie sind größtenteils in gutem Stande.
64.Auf welchen Märkten seht der Kanton seine Waren ab? und woher nimmt er seine vornehmsten Bedürfnisse?
Auf den Märkten zu Heiligenstadt, Duderstadt, Worbis, Ellrich, Sondershausen, Bleicherode und dem hiesigen Markte. Das vornehmste Bedürfnis ist Getreide, welches aus den königl. sächsischen Landen und den schwarz- burgischen Landen zur Brennerei und Brauerei bezogen wird.
65. Hat der Kanton mit diesen Märkten eine offene Kommunikation oder wird solche durch Lokalursachen mehr oder weniger behindert?
Nordhausen hat mit diesen Orten offene Kommunikation, und es steht kein Hindernis entgegen.
66. Wie ist der Handel mit den zunächst angrenzenden ausländischen Provinzen beschaffen? welche Produkte und Waren werden aus denselben gekauft und im Kanton teils zum eigenen Verbrauche umgeseht, teils zur Wiederausführung im Großen eingeführt?
Der Kanton Nordhausen grenzt an die fürstlich schwarzburgischen Lande und bezieht aus diesen, sowie aus den königl. sächsischen Landen den größten Teil des Getreides zur Brennerei und Brauerei. Es wird jedoch nicht alles hier konsumiert, sondern auch zum Teil der Harz damit versorgt.
67. Welche Produkte und Waren werden von Einwohnern der angrenzenden ausländischen Provinzen teils zum Verbrauche, teils zur Wiederausführung eingehandelt?
Die angrenzenden sächsischen und schwarzburgischen Untertanen entnehmen hier ihren Bedarf an Bauholz, Eisen, Oel, Branntwein, Tuch und sonstigen Kleidungsstücken, auch Stiefeln, Schuhen pp., wodurch immer ein gutes Kommercium erhalten wird.
Nordhausen, den 11. Dezember 1811.
Der Maire des Kanton Nordhausen
Grünhagen.

Anmerkung 66 und 67.
„Es bezieht die hiesige Stadt aus den königl. sächsischen, fürstl. schwarzburgischen, weimarischen, anhaltischen pp. Landen den größten Teil des Getreides und Oelsamen, so zu den Brennereien, Brauereien, Backen und Oelschlagen verbraucht wird. Jedoch bleibt dies Getreide nicht sämtlich hier, sondern vieles geht nach den Bergstädten des Harzes.

Hingegen setzt man wieder nach Sachsen pp. Tannenbauholz, Dielen, Latten, Eisen, sowohl Guß- als Stabeisen, Oel und Branntwein um. Die Ausfuhr des Branntweins nach dem Königreich Sachsen ist unbeträchtlich, da zu hohe Eingangsaccise gegeben werden muß. Uebrigens aber kaufen gewöhnlich diejenigen Ausländer, welche Früchte hierher bringen, ihren Bedarf an Wollenwaren, Stiefeln und dergleichen, sowie auch Fleisch pp. hier ein, und dieser Handel ist für die hiesige Stadt obschon im kleinen, doch immer beträchtlich und vorteilhaft."

Nordhausen, den 17. Dezember 1811.
Der Unterpräfekt des Distrikts Nordhausen
von Steinmetzen.




  1. Vergl. Heineck, Brandenburg-Preußen und Nordhausen S. 151.
  2. Näheres ist zu finden bei Sparr, Nachricht über die neue Einrichtung der Schulen in Nordhausen 1808. Festschrift der städt. höheren Mädchenschule zur Feier des 100-jährigen Bestehens 1908. Silberborth, Geschichte des Nordh. Gymnasiums 1923, S. 117 ff.
  3. Kleinschmidt, Geschichte des Königreichs Westfalen, 1893, S. 169 ff.